Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2017, Az. IV ZB 6/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 8196

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:BGH:2017:120717BIVZB6.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 6/15

vom
12. Juli 2017
in der
Nachlasssache

Nachschlagewerk: ja

BGHZ: nein

BGHR: ja

NEhelG Art. 12 § 10 Abs. 2 Satz 1 i.d.F. vom 19. August 1969; ZwErb-GleichG
Art. 1 Nr. 2, Art. 5 Satz 2

Zum Erbrecht vor dem 1.
Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder, hier: teleologische Erweiterung von Art. 5 Satz 2 des Zweiten Erbrechts-gleichstellungsgesetzes (ZwErbGleichG).

BGH, Beschluss vom 12. Juli 2017 -
IV ZB 6/15 -
KG Berlin

[X.]
-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], Dr.
Karczewski, die Richterin Dr.
Brockmöller
und den Richter Dr.
Götz

am 12. Juli 2017

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin werden
der Beschluss des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 16.
Januar 2015 und das Verfahren aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

[X.]: 45.000

Gründe:

[X.] Die am 13.
Januar 1928 nichtehelich geborene Antragstellerin begehrt die Erteilung eines sie als Alleinerbin ihres am 13.
Juni 1993 verstorbenen [X.] [X.].

Sie
ist das einzige Kind des Erblassers, der sein Leben lang ledig
war.
Er wurde im Jahr 1928 von dem [X.] verur-teilt, Unterhalt an die nicht in seinem Haushalt lebende Antragstellerin zu leisten. Die
Antragstellerin hatte

nach ihrem für das Rechtsbeschwer-deverfahren zugrunde zu legenden Vortrag
-
vor dem Ende des Zweiten 1
2
-
3
-

Weltkrieges [X.] im Alter von etwa vierzehneinhalb Jahren
Kontakt zu
dem Erblasser.
Nach dem [X.] war die Antrag-stellerin in einem Ministerium der ehemaligen [X.] tätig. Aus diesem Grund war ihr die Kontaktaufnahme zu dem auf dem Gebiet der [X.] lebenden Erblasser untersagt. Nach dem Fall der [X.] versuchte die Antragstellerin, den Erblasser wiederzufin-den. Dies gelang ihr im Jahr 1991. Mit Schreiben vom 14.
März 1992 er-klärte der Erblasser "eidesstattlich", dass die Antragstellerin seine leibli-che Tochter sei. Die Antragstellerin besuchte den Erblasser im Senio-renheim, war Ansprechpartnerin
für seine Ärzte und wurde nach dem plötzlichen Tod des Erblassers um die Zustimmung zur Obduktion seines Leichnams gebeten. Sie kümmerte sich auch um das Begräbnis des [X.].

Nach dem Tod des Erblassers wurde die Antragstellerin als dessen einzige
bekannte Angehörige vom Nachlassgericht benachrichtigt
und um Mitteilung von Informationen zu dem Erbfall gebeten. Da
sich
keine weiteren als Erben in Betracht kommenden Personen bei dem [X.] meldeten, setzte dieses einen Nachlasspfleger ein, dessen [X.] unter anderem war, Erben zu ermitteln. Sein Versuch der [X.] blieb zunächst erfolglos. Im April 1996 stellte das Nachlassge-richt fest, dass ein anderer Erbe als das [X.] nicht vorhanden sei.

Knapp vier Monate nach dem Erlass des Urteils
des [X.] (im Folgenden: [X.]) vom 28.
Mai 2009 zur Konventionswidrigkeit der erbrechtlichen Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern
in der Rechtssache Brauer gegen [X.] ([X.]
2009, 510) beantragte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf diese Entscheidung im September 2009 die Erteilung 3
4
-
4
-

eines sie als Alleinerbin [X.]. Der Antrag hatte kei-nen Erfolg.

Im Dezember 2009 bzw. August 2012 beantragten der Beteiligte
zu 2, ein Neffe des Erblassers,
bzw. die Beteiligten zu 3 bis 5, eine Groß-nichte, eine Nichte und ein weiterer Neffe des Erblassers, die Erteilung von Erbscheinen. Auf diese
Anträge erteilte
das Nachlassgericht
am 14.
Februar 2012 einen ersten gemeinschaftlichen [X.] zuguns-ten des Beteiligten zu 2 und seiner ausschließlich von ihm beerbten ver-storbenen Schwester und am 30.
August 2012 einen zweiten und letzten gemeinschaftlichen [X.] zugunsten der Beteiligten zu 3 bis 5.
Der Beschluss über die Feststellung des Fiskuserbrechts aus dem [X.] wurde aufgehoben. Die Beteiligten zu 2 bis 5 waren durch einen [X.] ausfindig gemacht worden.

Nachdem in einem von der Antragstellerin eingeleiteten gesonder-ten Verfahren mit Beschluss des [X.] vom 3.
Juni 2014 fest-gestellt worden war, dass der Erblasser ihr Vater ist, hat sie am [X.] 2014 erneut und unter Hinweis auf das Urteil des [X.] vom 7.
Februar 2013
in der Rechtssache [X.] gegen [X.] ([X.] 2014, 491) beantragt, ihr einen Alleinerbschein zu erteilen und die den übrigen Beteiligten erteilten [X.]e einzuziehen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben.
Hiergegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

I[X.] Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und 5
6
7
-
5
-

des Verfahrens unter Zurückverweisung der Sache an das Beschwerde-gericht (§
74 Abs.
6 Satz
2 Alt.
1 FamFG).

1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in [X.] 2015, 529
veröffentlicht ist, ist der Auffassung, der Antragstellerin stehe kein [X.] Erbrecht nach dem Erblasser zu. Sie sei gemäß §
1589 Abs.
2 BGB in der bis zum 30.
Juni 1970 geltenden Fassung (im Folgenden: §
1589 Abs.
2 [X.]) nicht als mit dem Erblasser verwandt anzuse-hen. Die Aufhebung dieser Vorschrift durch Art.
1 Nr.
3 des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.
August 1969 ([X.] I S.
1243; im Folgenden: Nichtehelichengesetz/NEhelG a.F.) gelte gemäß Art.
12 §
10 Abs.
2 Satz
1 dieses Gesetzes nicht für die vor dem 1.
Juli 1949 geborene Antragstellerin. Die Ersetzung der letztgenannten Bestimmung gemäß Art.
1 Nr.
2 des [X.] zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12.
April 2011 ([X.] I S.
615; im Folgenden: [X.]/ZwErbGleichG) habe für den in Streit stehenden Erbfall, der sich vor dem 29.
Mai 2009 ereignete, gemäß Art.
5 Satz
2 des Gesetzes keine [X.]. Die begrenzte Rückwirkung der Ersetzung von Art.
12 §
10 Abs.
2 Satz
1 NEhelG a.F. sei im Hinblick auf die [X.] zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: [X.]) nicht zu beanstanden. Etwas anderes ergebe sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des [X.] in der Rechtssache [X.] gegen [X.].

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach dem man-gels abweichender Feststellungen des Beschwerdegerichts dem Rechts-beschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Vortrag der Antragstellerin ist sie als Tochter des Erblassers gemäß §
1924 Abs.
1 BGB dessen Er-8
9
-
6
-

bin erster
Ordnung. Dies folgt aus einer über den Wortlaut von Art.
5 Satz
2 ZwErbGleichG hinausgehenden, konventionsrechtlich gebotenen teleologischen Erweiterung der genannten Bestimmung.

a) Das Beschwerdegericht hat zunächst rechtsfehlerfrei
ausge-führt, dass
die Antragstellerin nach dem Wortlaut von Art.
5 Satz
2 ZwErbGleichG gemäß §
1589 Abs.
2 [X.] in Verbindung mit
Art.
12 §
10 Abs.
2 Satz
1 NEhelG a.F. für erbrechtliche Verhältnisse nicht als mit dem Erblasser verwandt anzusehen ist. Danach tritt die durch Art.
1 Nr.
2 ZwErbGleichG angeordnete Ersetzung von Art.
12 §
10 Abs.
2 Satz
1 NEhelG a.F., der bestimmte, dass für die erbrechtlichen Verhält-nisse
eines vor dem 1.
Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindes zu seinem Vater §
1589 Abs.
2 [X.] als bisher geltende Vorschrift maßgebend bleibt, erst
mit Wirkung für Erbfälle ab dem
29.
Mai 2009
in [X.].
Hier ist der Erblasser vor diesem Stichtag verstorben. Diese Rege-lung ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden (Senatsurteil vom 26.
Oktober 2011 -
[X.], [X.], 229 Rn.
19 ff.; [X.] [X.] 2013, 326
Rn.
27
ff.).

b) Indes würde die Antragstellerin -
an[X.] als das [X.] meint
-
bei diesem Ergebnis der Rechtsanwendung
nach der neue-ren Rechtsprechung des [X.] in ihren Rechten aus Art.
14 [X.] ([X.]) in Verbindung mit Art.
1 des Zusatzprotokolls zur [X.]
(Schutz des Eigentums) verletzt werden. Hiernach kommt ein Konventionsverstoß in Betracht, wenn ohne die gerügte Diskriminierung ein nach staatlichem Recht durchsetzbarer Anspruch auf den [X.] bestanden hätte ([X.]
in der Rechtssache [X.] gegen [X.] [X.] 2014, 491 Rn.
52). Dabei kann offen bleiben, welche Folgerungen sich aus der Entscheidung des [X.] in der Rechtssache [X.] gegen [X.] für das [X.] Recht ergeben (vgl. hierzu BT-10
11
-
7
-

Drucks. 17/13579 S.
20; [X.], [X.] 2013, 192; [X.], [X.] 2014, 449; [X.], [X.], 851). Denn die Konventionswidrigkeit des Ergebnisses der wortlautgetreuen Anwendung von Art.
5 Satz
2 ZwErbGleichG ergibt sich nunmehr jedenfalls aus dem

nach dem Erlass des [X.] vom 26.
Oktober 2011 ([X.], [X.], 229) und der Entscheidung des [X.]s
vom 18.
März 2013 ([X.] 2013, 326) ergangenen

Urteil des [X.] vom 23.
März 2017 in der
Rechtssache [X.] und [X.] gegen [X.] ([X.], 1805; vgl. hierzu [X.], [X.], 831), welches (an[X.] als das Urteil des [X.] vom 9.
Februar 2017 in der Rechtssache Mitzinger gegen [X.],
Zusammenfassung der Entscheidung in [X.], 656; vgl. hierzu auch [X.] [X.], 586)
die derzeit gel-tende und im Streitfall maßgebliche Rechtslage nach Inkrafttreten des Zweiten Erbrechtsgleichstellungsgesetzes betrifft.

aa) Nach dem
Urteil des [X.] vom 23.
März 2017 verletzt das Ergebnis der strikten Anwendung der in Art.
5 Satz
2 ZwErbGleichG be-stimmten Stichtagsregelung die sich aus den genannten Bestimmungen der [X.] ergebenden Rechte nichtehelicher Kinder, wenn unter den besonderen Umständen des Falles kein gerechter Ausgleich zwischen den betroffenen wi[X.]treitenden Interessen hergestellt würde, wobei die Kenntnis der Betroffenen, der Status der erbrechtlichen Ansprüche ([X.]) und die bis zur Geltendmachung des Anspruchs verstrichene [X.] ebenso zu berücksichtigen sind wie der Umstand, ob durch das na-tionale Recht eine finanzielle Entschädigung für den Verlust des [X.] gewährt wird (vgl. [X.] aaO Rn.
51, 72
ff.).

[X.]) Unter Zugrundelegung dieser Kriterien
würde die Antragstelle-rin bei einer wortlautgetreuen Anwendung von Art.
5 Satz
2
ZwErbGleichG in ihren Rechten aus Art.
14 [X.] in Verbindung mit 12
13
-
8
-

Art.
1 des Zusatzprotokolls zur [X.]
verletzt. Wie im Fall des Be-schwerdeführers zu
1 vor dem [X.] (vgl.
[X.] aaO Rn.
73), hatten die Beteiligten zu 2 bis 5 Kenntnis von der Existenz der Antragstellerin,
als ihnen die Erbscheine erteilt wurden. Weiter ist die gemäß §
197 Abs.
1 Nr.
2 BGB dreißigjährige Verjährungsfrist für den Anspruch aus §
2018 BGB im Streitfall ebenso wenig abgelaufen, wie dies in den [X.] der Beschwerdeführer bei dem [X.]
der Fall war (vgl. [X.] aaO Rn.
75). Zudem hat die Antragstellerin den Erbschein nur knapp vier [X.] nach der Entscheidung in der Rechtssache Brauer gegen Deutsch-land
beantragt; im Fall des
Beschwerdeführers
zu
1 beim [X.] war
ein
vergleichbarer
[X.]raum

knapp zwei Monate
(vgl. [X.] aaO Rn.
9

insoweit in [X.], 1805 nicht abgedruckt

und
Rn.
76)
-
verstri-chen.
Schließlich steht der Antragstellerin für den Ausschluss des [X.]
insbesondere auch kein Anspruch auf Zahlung einer finanziellen
Entschädigung zu, weil die Voraussetzung von Art.
12 §
10 Abs.
2 Satz
1 NEhelG
in der gemäß Art.
1 Nr.
2 ZwErbGleichG geänderten Fassung

das Bestehen des Fiskuserbrechts gemäß §
1936 BGB

im Streitfall nicht erfüllt
ist.

c)
Aufgrund der danach gegebenen Konventionswidrigkeit des Ausschlusses des Erbrechts der Antragstellerin ist Art.
5 Satz
2

ZwErbGleichG im Streitfall teleologisch dahin zu erweitern, dass die Er-setzung von Art.
12 §
10 Abs.
2 Satz
1 NEhelG a.F.
gemäß Art.
1 Nr.
2 ZwErbGleichG bereits für den in Rede stehenden Erbfall Geltung bean-sprucht
und §
1589 Abs.
2 [X.] damit nicht mehr anzuwenden ist.

Die [X.] und ihre Zusatzprotokolle -
soweit sie für die Bundesre-publik [X.] in [X.] getreten sind
-
stehen innerhalb der deut-schen Rechtsordnung zwar nur im Rang eines Bundesgesetzes
([X.] [X.], 1263 Rn.
47; [X.]E 128, 326
unter [X.] a; [X.]E 14
15
-
9
-

111, 307
unter [X.] a).
Deutsche Gerichte
trifft jedoch
die Verpflichtung, die Gewährleistungen der Konvention zu berücksichtigen und in den be-troffenen Teilbereich der nationalen Rechtsordnung einzupassen. Die Möglichkeit einer konventionsfreundlichen Auslegung endet jedoch dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und [X.]interpretation nicht mehr vertretbar erscheint, etwa wenn die Beachtung der Entscheidung des Gerichtshofs gegen eindeutig [X.] Gesetzesrecht verstößt
(vgl. [X.] [X.], 1263 Rn.
47
f.; [X.]E 111, 307, 329).

aa) Die
vom [X.] in der Entscheidung vom 18.
März 2013 ausdrücklich offen gelassene Frage, ob eine teleologische Erweiterung von Art.
5 ZwErbGleichG in bestimmten Fällen, die in tat-sächlicher Hinsicht mit dem durch den [X.] in der Rechtssache Brauer gegen [X.] entschiedenen Fall vergleichbar sind, in Betracht kommt ([X.] [X.] 2013, 326 Rn.
43), ist zu bejahen.
Die teleologische Erweiterung von Art.
5 Satz
2 ZwErbGleichG liegt in den genannten [X.] im Rahmen geltender methodischer Standards
(vgl. Lieder
in Erman, BGB
14.
Aufl. §
1924 Rn.
1e; MünchKomm-BGB/[X.],
7.
Aufl. Einlei-tung Band
10 Rn.
113; [X.]., [X.] 2014, 449, 455; [X.].,
FPR 2011, 275, 279
f.; Lieder/[X.], [X.], 1528
f.; wohl auch BeckOGK/Tegelkamp, BGB
Stand: 1.4.2017
§
1924 Rn. 52
ff.; [X.], [X.], 586, 590; a.A. OLG Düsseldorf [X.], 1526, 1527).

(1) Allgemein setzt die teleologische Erweiterung einer Gesetzes-bestimmung eine Regelungslücke
voraus. Die Bestimmung muss gemes-sen an ihrem Zweck unvollständig, das heißt ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Be-schränkung auf bestimmte Tatbestände wi[X.]prechen. Dass eine [X.] Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzuse-16
17
-
10
-

hen ist, reicht nicht aus. Ihre Unvollständigkeit erschließt sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck und kann auch bei einem eindeuti-gen Wortlaut vorliegen
([X.] ZIP 2016, 463 Rn.
37; vgl. auch [X.], 2457 Rn.
22; jeweils
m.w.N.).

(2) Diese Voraussetzung ist im Hinblick auf Art.
5 Satz
2
ZwErbGleichG bei Erbfällen erfüllt, die sich vor dem 29.
Mai 2009 ereig-neten und in tatsächlicher Hinsicht mit der
Rechtssache Brauer gegen [X.] vergleichbar sind.

Das ZwErbGleichG bezweckt, die vom
[X.] in der genannten Rechtssache für konventionswidrig befundene Ungleichbehandlung ehe-licher und nichtehelicher Kinder im Erbrecht
zu beseitigen, und zwar so-weit möglich
(BT-Drucks. 17/3305 S.
1; 17/4776 S.
1). Dabei hat der Ge-setzgeber die Beseitigung der erbrechtlichen Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern auch für Erbfälle, die sich vor dem 29.
Mai 2009 ereigneten, für wünschenswert gehalten (BT-Drucks. 17/4776 S.
7). Er hat sich jedoch aus Gründen des Vertrauensschutzes und aufgrund der mit einer Rückabwicklung weit in der Vergangenheit liegender Erbfälle verbundenen praktischen Schwierigkeiten dagegen entschieden, die Ungleichbehandlung auch insoweit zu beseitigen (BT-Drucks. 17/3305 S.
7
f.; 17/4776 S.
7). Dabei wollte der Gesetzgeber in-des nicht in Kauf nehmen, dass die [X.] [X.]
in ei-nem Fall, der dieselben Besonderheiten wie die Rechtssache Brauer ge-gen [X.] aufweist, erneut durch den [X.] verurteilt wird. Das ergibt sich aus der
Beschlussempfehlung und dem Bericht des Rechts-ausschusses
des Bundestages. Dort heißt es
(BT-Drucks. 17/4776 S.
7):

"Weitere Verurteilungen [X.]s durch den [X.] sind unwahrscheinlich, selbst wenn dem nichtehelichen Kind in 18
19
-
11
-

einer Fallkonstellation, wie sie dem vom [X.] entschiede-nen Fall zu Grunde lag -
der Erbfall ereignete sich schon im [X.]raum 30.
Juni bis 3.
Juli 1998
-
auch nach dem Gesetz-entwurf kein Erbrecht zustünde. Denn der [X.] entscheidet stets Einzelfälle. Der entschiedene Fall weist aber durch den [X.]-Bezug, die tatsächliche Nähebeziehung zwischen Kind und nichtehelichem Vater sowie das Fehlen anderer naher gesetzlicher Erben zahlreiche Besonderheiten auf und kann daher als atypisch bezeichnet werden. Vor allem betonte der [X.], dass dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes der gesetzlichen Erben in dem konkreten Fall keine Bedeu-tung zukam, da es nur Erben dritter Ordnung gab, die der Erblasser nicht einmal kannte
(Rdnr.
44).
Dem Vertrauens-schutz näherer Verwandter würde ein größeres Gewicht zu-kommen, so dass
in einem derartigen Fall ganz andere [X.] vorlägen, die der [X.] in seine Abwä-gung einzubeziehen hätte."

Die Einschätzung, dass weitere Verurteilungen [X.]s
durch den [X.] deswegen unwahrscheinlich
seien, weil die Rechtssa-che Brauer gegen [X.] von zahlreichen Besonderheiten gekenn-zeichnet werde und dadurch ein "atypischer"
Fall
sei, macht deutlich, dass der Gesetzgeber solche aus seiner Sicht "atypischen Fälle" nicht dahingehend regeln wollte, dass es zu einer weiteren Verurteilung der [X.] [X.] kommt. Die Billigung einer erneuten Verur-teilung gerade in einem Fall, der der Rechtssache Brauer gegen [X.] im [X.] entspricht, wi[X.]präche geradezu
dem [X.], die vom [X.] in dieser Rechtssache festgestellte Konventi-onswidrigkeit der Ungleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kin-der im Erbrecht zu beseitigen.

[X.]) Der Streitfall ist in tatsächlicher Hinsicht mit der Rechtssache Brauer gegen [X.] vergleichbar. Er weist alle Besonderheiten auf, die diese Rechtssache aus Sicht des Gesetzgebers zu einem "atypi-schen"
Fall gemacht haben.
20
21
-
12
-

Ebenso wie die
Beschwerdeführerin
Brauer lebte die Antragstelle-rin in der ehemaligen [X.], während ihr Vater in der [X.] [X.] wohnte. Die Antragstellerin und ihren Vater verband [X.] hinaus

nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Vorbringen der Antragstellerin

eine tatsächliche Nähebe-ziehung, die sich,
wie in der Rechtssache Brauer gegen [X.],
unter anderem in Besuchen äußerte.
Schließlich liegt auch im Streitfall die

vom Gesetzgeber beson[X.] hervorgehobene

Situation vor, dass andere nahe gesetzliche Erben fehlen
und die übrigen als Erben in [X.] kommenden Personen
in Ermangelung einer tatsächlichen Bezie-hung zum Erblasser kein Vertrauen auf den Erhalt der
Erbschaft bilden konnten;
die Beteiligten zu 2 bis 5 als Erben höherer Ordnungen traten im nachlassgerichtlichen Verfahren erst viele Jahre nach dem Tod des Erblassers zum [X.] in Erscheinung.

[X.]) Die teleologische Erweiterung des Art.
5 Satz
2 ZwErbGleichG verletzt nicht die sich aus den Grundrechten der Beteiligten zu 2 bis 5 ergebenden verfassungsrechtlichen Grenzen der konventionskonformen Auslegung und Anwendung von Gesetzesrecht.

(1) Betrifft die Feststellung des [X.], dass das Ergebnis einer Gesetzesanwendung die [X.] verletzt, eine Bestimmung des Privat-rechts, haben [X.] Gerichte bei der Anwendung der betreffenden Entscheidung auf das [X.] zu berücksichtigen, dass sie ein mehrpoliges Grundrechtsverhältnis auszugestalten haben und es in-soweit regelmäßig auf sensible Abwägungen zwischen verschiedenen subjektiven Rechtspositionen ankommt, was einer schematischen An-wendung der Entscheidung des [X.] entgegensteht
(vgl. [X.]E 128, 326
unter [X.] f; [X.]E 111, 307
unter [X.] 3 a).
22
23
24
-
13
-

(2) Das Grundrecht der Beteiligten zu 2 bis 5 aus Art.
14 Abs.
1 GG, welches das bis zur Änderung des [X.] durch das [X.] gemäß §
1925 Abs.
1 BGB bestehende Erbrecht der Beteiligten zu 2 bis 5 vom Eintritt des [X.] an schützt (vgl. [X.] [X.] 2013, 326 Rn. 28), überwiegt das ebenfalls gemäß Art.
6 Abs.
5 GG verfassungsrechtlich verbürgte Recht der [X.] auf grundsätzliche Gleichbehandlung mit ehelichen Kindern ([X.] aaO Rn.
32) nicht. Der Gesetzgeber war von [X.] we-gen nicht daran gehindert, Art.
12 §
10 Abs.
2 Satz
1 NEhelG a.F. für Erbfälle ab dem 29.
Mai 2009 durch die in Art.
1 Nr.
2 ZwErbGleichG
vorgesehene Regelung zu ersetzen, ein grundrechtlich geschütztes Erb-recht also zugunsten der Gleichbehandlung nichtehelicher und ehelicher Kinder mit

wenn auch zeitlich begrenzter

echter Rückwirkung zu ent-ziehen
(vgl. [X.] aaO Rn.
33 ff.).
Maßgebend ist insoweit der Ge-sichtspunkt, dass seit der Entscheidung des [X.] in der Rechtssache Brauer gegen [X.] ein gefestigtes und schutzwürdiges Vertrauen der Väter nichtehelicher
Kinder und deren er[X.]erechtigter
Familienange-höriger
auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht mehr ent-stehen konnte (vgl. [X.] aaO Rn.
36; BT-Drucks. 17/3305 S.
7; 17/4776 S.
7).

Die Abwägung der grundrechtlich geschützten Rechtspositionen kann erst recht
zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn sich, wie hier in Bezug auf die Beteiligten zu 2 bis 5,
auf Seiten der er[X.]erechtigten Familienangehörigen des [X.] des nichtehelichen Kindes bereits fak-tisch
kein

als schutzwürdig in Betracht kommendes

Vertrauen auf den Erhalt der Erbschaft gebildet hat, weil zwischen ihnen und dem Erblasser

nach dem für das Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu
legenden Sachverhalt

keinerlei tatsächliche Beziehungen bestanden.
25
26
-
14
-

3. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif
(§ 74 Abs. 6 Satz 2 Alt.
1 FamFG). Da die Beteiligten zu 2 bis 5 aufgrund der Fest-stellungen
des Nachlass-
und des Beschwerdegerichts davon ausgehen konnten, dass der Antragstellerin kein Erbrecht zusteht, hatten sie keine Veranlassung, zu dem Vortrag der Antragstellerin Stellung zu nehmen.
Ihnen ist Gelegenheit zu geben, dies nachzuholen.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

Dr. [X.]Dr. Götz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 20.10.2014 -
60 VI 318/09 -

KG Berlin, Entscheidung vom 16.01.2015 -
6 [X.]/14 -

27

Meta

IV ZB 6/15

12.07.2017

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.07.2017, Az. IV ZB 6/15 (REWIS RS 2017, 8196)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8196

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZB 6/15 (Bundesgerichtshof)

Erbrecht vor dem 1. Juli 1949 geborener nichtehelicher Kinder: Teleologische Erweiterung einer Bestimmung des Zweiten …


IV ZR 97/15 (Bundesgerichtshof)

Umfang des Ersatzanspruchs des nichtehelichen Kindes gegen den Staat bei von diesem vereinnahmter Erbschaft


IV ZR 150/10 (Bundesgerichtshof)

Ausschluss des Erbrechts nach dem Vater für ein vor dem 1. Juli 1949 geborenes nichteheliches …


IV ZR 97/15 (Bundesgerichtshof)


1 BvR 2436/11, 1 BvR 3155/11 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Stichtagsregelung des Zweiten Erbrechtsgleichstellungsgesetzes bzgl der Änderung des Art 12 § 10 Abs 2 …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZB 6/15

IV ZR 150/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.