Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. IX ZR 104/17

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15051

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:250118U[X.]104.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX [X.]/17

Verkündet am:

25. Januar 2018

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Pfändung einer Berufsunfähigkeitsversicherung
ZPO §§ 829, 850b Abs. 1 Nr. 1
Ein auf Pfändung von Ansprüchen aus Versicherungsverträgen bei einer Lebensver-sicherungsgesellschaft gerichteter Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss, der die gepfändeten Forderungen nur abstrakt-generell ohne Bezug auf einen konkreten Versicherungsvertrag bezeichnet, ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass er lediglich uneingeschränkt pfändbare Forderungen umfasst, nicht aber solche, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses nicht oder nur nach Maßgabe des § 850b Abs. 1 Nr.
1 ZPO pfändbar waren.
[X.], Urteil vom 25. Januar 2018 -
IX [X.]/17 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der IX. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2018 durch [X.] [X.], die
Richter Prof. Dr. Gehrlein, [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts [X.] vom 18. April 2017 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen, der auch die notwendigen Kosten der Streithelfer zu tragen hat.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wifestgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 20.
Februar 2007 eröffneten Insol-venzverfahren über das Vermögen der D.

GmbH, deren Geschäftsführer der Streithelfer zu
1 war. Dieser hatte bei der beklagten Le-bensversicherungsgesellschaft
im Jahr 2002 eine selbständige Berufsunfähig-keitsversicherung abgeschlossen.

Der Kläger
betreibt aus einem rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid die Zwangsvollstreckung gegen den
Streithelfer zu
1. Er erwirkte am 17.
August 2007 einen Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss. Dieser
nennt Grund und Höhe der zu vollstreckenden Forderungen, derentwegen die Ansprüche des 1
2
-
3
-
Schuldners gegen "Lebensversicherungen", darunter die Beklagte, "aus [X.] einschließlich der Ansprüche auf Zahlung der [X.] und der Gewinnanteile, auf Auszahlung des bei Aufhebung oder [X.] sich ergebenden [X.], auf Kündigung und Um-wandlung der Versicherung und auf Bestimmung, Widerruf oder Änderung des Bezugsberechtigten gepfändet"
und dem Kläger zur Einziehung überwiesen wurden. Der Beschluss, der am 7.
September 2007 der [X.] als Dritt-schuldnerin zugestellt wurde, enthält keine weiteren Anordnungen zu den ge-pfändeten Ansprüchen, insbesondere keinen Zusatz über die Anordnung der Pfändung gemäß §
850b Abs.
2 ZPO. Die Beklagte wies die Pfändung mit Dritt-schuldnererklärungen
vom 19.
September 2007 und vom 8.
Februar 2016 als unwirksam zurück. Für den Schuldner werde unter der [X.]

eine Versicherung geführt, aus der ausschließ-lich Leistungen für den Fall der Berufsunfähigkeit versichert seien. Derartige Versicherungen seien grundsätzlich unpfändbar. Seit dem 27.
März 2008 zahlte die Beklagte eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente an den Streithelfer zu
1 aus.

[X.] hatte der Streithelfer zu 1 zugunsten seiner Ehefrau, der Streithelferin zu 2,
ein notarielles Schuldanerkenntnis abgegeben und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. Die Streithelferin zu 2 erwirkte am 28.
Februar 2014 einen Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss, mit welchem die Forderungen des Streithelfers zu 1 gegen die Beklagte gepfändet wurden und der mit Beschluss vom 2.
Mai 2014
dahingehend ergänzt wurde, dass die Pfändung gemäß §
850b Abs.
2 ZPO nach den für Arbeitseinkommen gelten-den Vorschriften (§§
850c ff ZPO) erfolge. Nach Zustellung auch des [X.] vom 2.
Mai 2014 an die Beklagte am 15.
Mai 2014 zahlt [X.]
-
4
-
se seit 1.
Juni 2014 Beträge in Höhe von 160,83

Berufsun-fähigkeitsrente an die Streithelferin zu 2.

Unter dem 27.
Juli 2016 erwirkte der Kläger einen weiteren Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss betreffend die Forderung des Streithelfers zu
1
gegen die Beklagte, in dem die Pfändung
antragsgemäß
nach §
850b Abs.
2 ZPO nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften angeordnet
war. Diesen
Beschluss hob das [X.] auf (sofortige) Beschwerde des Streit-helfers zu 1
mit Beschluss vom 6.
Dezember 2016 auf und führte zur [X.] aus, wegen des bereits bestehenden Pfändungs-
und Überweisungsbe-schlusses vom 17.
August 2007 fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis
für eine erneute Pfändung. Dem Kläger bleibe der bereits beschrittene Weg, gegen die Drittschuldnerin im Klageweg
vorzugehen.

Der Kläger begehrt von der [X.] Zahlung der an die Streithelferin zu 2
als Pfandgläubigerin ausgekehrten [X.] sowie die Feststel-lung, dass die Beklagte
zur Zahlung der pfändbaren Beträge aus der [X.] zu 1 an ihn verpflichtet sei. Seine Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg
geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen
Erfolg.

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5
6
-
5
-
I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger könne weder Zahlung bisher fällig gewordener Monatsbeträge aus der Berufsunfähigkeitsrente des Streithelfers zu 1
verlangen,
noch stünden ihm künftige Zahlungen aus diesem Versicherungsverhältnis zu. Er habe kein gegenüber dem Pfändungspfandrecht der Streithelferin zu 2 vorrangiges Pfandrecht
erworben.

Zwar sei der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss vom 17.
August 2007 hinreichend bestimmt. Trotz der Falschbezeichnung der Versicherung als "Lebensversicherung"
sei eine Zuordnung der Pfändung zur einzig bei der [X.] bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung des Streithelfers zu 1 un-zweifelhaft möglich. Jedoch sei die Pfändung unter Verstoß gegen §
850b ZPO erfolgt; der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss vom 17.
August 2007 ent-halte nicht die

konstitutive

Anordnung nach §
850b Abs.
2 ZPO. Aus der Er-klärung des Streithelfers zu 1, einer Pfändung durch seine Ehefrau zuzustim-men, könne
der Kläger nichts zu seinen Gunsten

etwa im Wege einer teleolo-gischen Reduktion des §
850b ZPO

herleiten, denn §
850b ZPO sei eine auch für den Schuldner unverzichtbare Regelung und eine Entscheidung nach §
850b Abs. 2 ZPO setzte eine umfassende Würdigung aller Umstände des [X.] Einzelfalls voraus. Eine Nachholung der Billigkeitspfändung durch das Prozessgericht im Erkenntnisverfahren, die ohnedies nur ex nunc wirken könne, sei nicht möglich, zuständig sei allein das Vollstreckungsgericht im Vollstre-ckungsverfahren. Auch dessen Entscheidung könne, wenn sie nachträglich herbeigeführt werde, nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses zurückwirken.
7
8
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6
-

Folge des Verstoßes gegen §
850b ZPO sei, dass ein Pfändungspfand-recht
an der Forderung des Streithelfers zu 1
gegen die Beklagte
zugunsten des [X.] nicht entstanden sei. [X.], die ein Entstehen des Pfändungspfandrechts unabhängig von der materiell-rechtlichen Rechtslage befürworteten, sei nicht zu folgen. Hier fehle es an einer materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Entstehung eines Pfändungspfandrechts jedenfalls inso-weit, als nach §§
1204, 1274 Abs.
2
BGB ein Pfandrecht an einem Recht nicht bestellt werden könne, das nicht übertragbar sei,
und gemäß §
400 BGB un-pfändbare Forderungen nicht
abgetreten werden könnten. Ferner sei §
850b ZPO eine so wesentliche Verfahrensvorschrift, dass sie der Entstehung eines Pfändungspfandrechts an einer unpfändbaren Forderung entgegenstehe.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Allerdings fehlt dem Kläger die Aktivlegitimation bereits deswegen, weil der
Pfändungs-
und Über-weisungsbeschluss
vom 17.
August 2007, auf den sich der Kläger zur [X.] des geltend gemachten Einziehungsanspruchs
beruft,
die Ansprüche aus der nach §
850b
Abs.
1 Nr.
1 ZPO nur bedingt pfändbaren [X.] zu 1 bei der [X.]
nicht
umfasst.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst geprüft, ob die Forde-rung, die der Kläger mit Vorrang gegenüber der Streithelferin zu 2 gepfändet wissen will, vom Inhalt des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses vom 17.
August 2007 erfasst und hinreichend bestimmt bezeichnet ist. Nur eine For-derung, die Gegenstand der Vollstreckungsmaßnahme ist, kann den Kläger 9
10
11
-
7
-
gegenüber dem
Drittschuldner zur Einziehung berechtigen;
die Zustellung eines [X.] gemäß §
829 Abs.
3 ZPO kann eine Pfändung nur hin-sichtlich solcher Forderungen bewirken, die der Beschluss erfasst. Inhalt und Umfang eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses sind dabei

soweit sich dies nicht aus dessen Wortlaut eindeutig ergibt

durch Auslegung zu [X.]. Als gerichtlicher Hoheitsakt unterliegt ein Pfändungs-
und Überweisungs-beschluss der selbständigen Auslegung durch das Revisionsgericht, die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung ist im [X.] frei nachprüfbar (vgl. [X.], Urteil vom 28.
April 1988

IX
ZR 151/87, NJW 1988, 2543, 2544;
vom 14.
Januar 2000

V
ZR 269/98, [X.], 1268, 1269; vom 20.
Januar 2012

V
ZR 95/11, [X.], 1786 Rn. 5; vom 27.
April 2017

IX
ZR 192/15, [X.], 1256 Rn. 6).

2. Die Auslegung des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses vom 17.
August 2007 ergibt, dass dieser die Forderung des Streithelfers zu 1 aus dem
Versicherungsvertrag mit der Nummer

nicht erfasst.

a) Der [X.] muss aus Gründen der Rechts-
und Ver-kehrssicherheit die gepfändete Forderung oder die gepfändeten Forderungen und ihren rechtlichen Grund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Aus-legung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der [X.] sein soll ([X.], Urteil vom 28.
April 1988, aaO; vom 20.
Januar 2012,
aaO Rn.
5; vom 27.
April 2017, aaO Rn. 7). Dabei genügt es nicht, dass der [X.] die gepfändete
Forderung aus Sicht der unmittelbar [X.], also des Pfändungsgläubigers, des Schuldners und des Drittschuldners hinreichend deutlich bezeichnet ([X.], Urteil vom 28.
April 1988 aaO; vom 27.
April 2017 aaO).
Unerheblich ist im Interesse des sicheren Rechtsverkehrs auch, dass Gläubiger, Schuldner und Drittschuldner übereinstimmend wissen, 12
13
-
8
-
der Schuldner verfüge nur über eine einzige Forderung gegen den Drittschuld-ner (vgl. [X.], Urteil vom 7.
April 2005

IX
ZR 258/01, [X.], 1037, 1038 mwN).
Auslegungsgrundlage ist allein der objektive Inhalt des [X.], weil auch für andere Personen als die unmittelbar Beteiligten

insbesondere für weitere Gläubiger

allein aus dem [X.] er-kennbar sein muss, welche Forderung gepfändet worden ist. Umfang und Be-stimmbarkeit des [X.] müssen sich bei einer nach §
133 BGB vorzunehmenden, nicht am buchstäblichen Sinne haftenden Auslegung des Beschlusses aus diesem selbst ergeben. Ganz offenkundige Tatsachen können für die Auslegung
oder zur Ergänzung des Beschlusses herangezogen werden (vgl. [X.], Forderungspfändung, 16.
Aufl., Rn. 510 mwN), nicht [X.] außerhalb des Beschlusses liegende Umstände (vgl. [X.], Urteil vom 27.
April 2017, aaO Rn. 7 mwN).

b) Die Anwendung dieser
Auslegungsgrundsätze ergibt, dass der Pfän-dungs-
und Überweisungsbeschluss vom 17.
August 2017
hinreichend be-stimmt lediglich Forderungen aus allen Versicherungsverträgen des Streithel-fers zu 1 bei der [X.] umfasst,
die uneingeschränkt pfändbar sind. [X.] enthält der Beschluss keine ausreichende Grundlage, dass auch solche Forderungen gepfändet werden sollten, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses nicht oder

wie hier hinsichtlich der streitgegenständlichen Berufsunfähigkeitsversicherung

nur nach Maßgabe des §
850b Abs.
1 Nr.
1 ZPO pfändbar waren.

aa) Der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss vom 17.
August 2007 soll
zunächst die Forderungen des Streithelfers zu 1 aus allen [X.] bei der [X.] pfänden.
Das der Pfändung zu Grunde liegende 14
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9
-
Rechtsverhältnis wird hierzu in ausreichender Form bezeichnet, Bedenken ge-gen die Wirksamkeit des [X.] ergeben sich insoweit nicht.

(1) Ein [X.] muss, um hinreichend bestimmt zu sein, regelmäßig auch den Rechtsgrund der Forderung wenigstens in allgemeinen Umrissen bezeichnen. Fehlende Angaben zum Rechtsgrund schaden ebenso wie die nichtssagenden Bezeichnungen "aus jedem Rechtsgrund"
oder "aus Verträgen oder sonstigen Rechtsgründen", die der [X.] im An-schluss an die Rechtsprechung des Reichgerichts
bereits früh für unzureichend gehalten hat (vgl. [X.], Urteil vom 18.
März 1954

IV
ZR 160/53, [X.]Z 13, 42, ;
vom 7.
April 2005

IX ZR 258/01, [X.], 1037, 1038 mwN). Jedenfalls die der Nennung der Drittschuldner
folgende Aufzählung macht deutlich, dass der Beschluss auf
die Pfändung von Ansprüchen
"aus Versicherungsvertrag"
abzielt, dass mithin also die auf Zahlung unter anderem der [X.] gerichteten Ansprüche und Rechte aus allen Versicherungen, die der Streithelfer zu 1 bei der [X.] hatte, gepfändet sind und die Einziehung insoweit angeordnet ist. Das genügt dem Bestimmtheitserfordernis, an das oh-nedies
keine übermäßigen
Anforderungen gestellt werden
dürfen, weil der [X.] die Verhältnisse des Vollstreckungsschuldners meist nur in den Umrissen oder
nur
oberflächlich kennen kann und kennt. Kleinere Unge-nauigkeiten sind unschädlich; die Angabe einer Vertragsnummer ist
zur Identifi-zierung der gepfändeten Rechte nicht erforderlich ([X.], Urteil vom 26.
Januar 2012

IX
ZR 191/10, NJW 2012, 1510 Rn. 24).

(2) Für die Wirksamkeit der Pfändung spielt es
keine Rolle, ob
die Bedin-gungen für die Ansprüche aus etwaigen Versicherungsverträgen
zum Zeitpunkt der Pfändung
bereits
eingetreten waren. Auch bedingte, betagte und künftige Forderungen können wirksam gepfändet werden. Deshalb können sämtliche 16
17
-
10
-
Rechte aus einer ([X.] gepfändet werden, ohne dass es [X.] ankommt, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten oder die [X.] ist
([X.], Urteil vom 26.
Januar 2012, aaO
Rn.
26).

(3) Der Wirksamkeit des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses vom 17.
August 2007 steht auch nicht entgegen, dass er keine Angaben dazu ent-hält, welche von möglicherweise mehreren Forderungen in welcher Höhe, ge-gebenenfalls auch in welcher Reihenfolge,
von der Pfändung erfasst sein soll-ten. Eine Forderungspfändung in Höhe des Anspruchs des Gläubigers hat re-gelmäßig die Bedeutung einer Teilpfändung, wenn die gepfändete Forderung die Forderung des Gläubigers übersteigt. Werden mehrere Forderungen des Schuldners teilweise bis zur Höhe der zu vollstreckenden Schuld gepfändet, erfasst die Pfändung jede der mehreren Forderungen des Schuldners bis zur Höhe der Schuld, deretwegen
die Pfändung erfolgt ist. Jede der gepfändeten Forderungen unterliegt der Pfandverstrickung in Höhe der Schuld. Der [X.] braucht bei der Pfändung ebenso wenig die Schuld auf die gepfändeten Forderungen zu verteilen wie in dem Fall, dass er zulässigerweise für seinen Anspruch mehrere, diesen insgesamt übersteigende Forderungen des [X.] in voller Höhe gepfändet hat
([X.], Urteil vom 27.
April 2017

IX
ZR 192/15, [X.], 1256 Rn. 10 mwN).
Die Aufzählung, welche Ansprüche aus etwaigen Versicherungsverträgen gepfändet sein sollen,
zeigt das Bemühen des [X.], möglichst jeden pfändbaren Anspruch aus der Geschäftsverbin-dung des Streithelfers zu 1 bei der [X.]
zu erfassen. Grund für derart weitgehende Pfändungsbeschlüsse ist in der Regel, dass Gläubiger die Vermö-gensverhältnisse des Schuldners nicht kennen
und nicht kennen können. Gleichwohl ist auch in
dieser Lage eine effektive Durchsetzung titulierter Forde-rungen im Wege der Forderungspfändung zu ermöglichen, ohne dabei die schutzwürdigen Belange des Drittschuldners und potenzieller weiterer [X.]
-
11
-
vollstreckungsgläubiger hinsichtlich der Bestimmtheit der ausgebrachten Pfän-dungen zu vernachlässigen; denn die Grundrechte des Gläubigers auf Schutz des Eigentums (Art.
14 GG) und effektiven Rechtsschutz (Art.
19 Abs.
4 GG) verpflichten den Staat dazu, effektive Mittel zur Durchsetzung titulierter Forde-rungen bereitzustellen ([X.],
Urteil vom 27.
April 2017, aaO Rn. 11 mwN). Der Gläubiger pfändet regelmäßig

so auch hier

alle im [X.] ge-nannten [X.] bis zur Höhe der zu vollstreckenden Schuld. Dem Schuldner bleibt die Möglichkeit, wegen einer etwaigen Überpfändung Erinne-rung nach §
766 ZPO zu erheben ([X.], Urteil vom 27.
April 2017, aaO
Rn. 11).

bb) Der [X.] vom 17.
August 2007 erfasst allerdings
-
wie sich aus seinem Inhalt hinreichend klar entnehmen lässt

keine bedingt pfändbaren Forderungen wie die des Streithelfers zu 1 aus dem [X.] mit der Nummer

. Denn der dem klägerischen Antrag ent-sprechende
Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss, der die gepfändete For-derung nur abstrakt-generell
ohne Bezug auf einen
konkreten
[X.] bezeichnet, erstreckt sich erkennbar nicht auf Ansprüche, die nicht oder nur unter besonderen Voraussetzungen pfändbar
wären. Die angeordnete Pfändung erfasst folglich nicht die nur unter den Voraussetzungen des §
850b Abs.
2 ZPO pfändbaren Ansprüche des Streithelfers zu 1 aus einer selbständi-gen Berufsunfähigkeitsversicherung.

(1) Ansprüche aus einer privaten Berufsunfähigkeitsrente sind nach §
850b Abs.
1 Nr. 1 ZPO nur bedingt pfändbar ([X.], Urteil vom 3.
Dezember 2009

IX
ZR 189/08, [X.], 141 Rn. 8 mwN; vom 15.
Juli 2010

IX
ZR 132/09, [X.], 777 Rn. 41 ff; [X.],
[X.], 1428; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 850b Rn. 3; Prütting/Gehrlein/[X.], ZPO, 9.
Aufl. §
850b Rn. 4; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 850b Rn. 2; BeckOK-ZPO/Riedel,
19
20
-
12
-
März 2018, §
850b Rn. 17; [X.], aaO
Rn. 1007). Renten nach §
850b Abs.
1 Nr.
1 ZPO können nach Abs. 2 dieser Vorschrift
nur unter bestimmten Voraus-setzungen ausnahmsweise gepfändet werden. Dessen ungeachtet sind sie aber grundsätzlich unpfändbar (vgl. [X.], Urteil vom 11.
November 1959

IV
ZR 88/59, [X.]Z 31, 210, 218; [X.], ZPO, 23.
Aufl., §
850b Rn.
2; [X.]/Mock, Zwangsvollstreckung, 7.
Aufl.,
§
850b Rn. 23). Pfändungsschutz besteht auch schon vor
Eintritt des Versicherungsfalles, denn von §
850b Abs.
1 Nr.
1 ZPO werden nicht nur bereits fällige, sondern auch künftige Ansprüche erfasst ([X.], Urteil vom 18.
November 2009

IV
ZR 39/08,
NJW 2010, 374 Rn. 22 mwN).

(2) Der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss vom 17.
August 2007 trifft

was offenkundig ist

keine ausdrückliche Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen des §
850b Abs.
2 vorliegen und deswegen Renten nach §
850b Abs.
1 Nr.
1 ZPO ausnahmsweise gepfändet werden können. Dies ist
auch nicht stillschweigend angeordnet.

(a) Die Entscheidung, ob ein Fall des §
850b Abs.
2 ZPO vorliegt,
kann

nach Anhörung der Beteiligten

nur im Vollstreckungsverfahren erfolgen ([X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 76.
Aufl., §
850b Rn. 20). Die Zuständigkeit des Vollstreckungsgerichts ist insoweit ausschließlich (§§
802, 828 Abs.
1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich nichts [X.] aus Entscheidungen des [X.], wonach in bestimmten Fäl-len das Prozessgericht darüber zu entscheiden hat, in welchem Umfang pfänd-bare Ansprüche in die Insolvenzmasse fallen ([X.], Urteil vom 3.
Dezember 2009

IX
ZR 189/08, NJW-RR 2010, 474 Rn. 10; vom 15.
Juli 2010

IX
ZR 132/09, [X.], 777
Rn. 41). Denn in diesen Fällen geht es
nicht um die für eine Individualvollstreckung maßgebliche Frage, welche Wirkungen die tatsäch-21
22
-
13
-
lich erfolgte Pfändung zugunsten eines Einzelgläubigers hat, sondern um den Umfang der sich aus den gesetzlichen Bestimmungen ergebenden Pfändbarkeit oder Unpfändbarkeit bestimmter Ansprüche im Zusammenhang mit einem auf gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger ausgerichteten Insolvenzverfahren (vgl. [X.], Urteil vom 21.
September 2017

IX
ZR 40/17, [X.], 892 Rn.
24).

(b) Eine
Billigkeitspfändung nach §
850b Abs.
2 ZPO ist auch nicht still-schweigend angeordnet worden.

Der Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss vom 17.
August 2007 [X.] ersichtlich dem Antrag des [X.]. Dieser war schon nach seinem Wortlaut nicht auf eine Prüfung der Voraussetzungen
des §
850b Abs.
2 ZPO gerichtet. Er war vielmehr dem zu vermutenden Kenntnisstand des [X.] über die Vermögensverhältnisse des Streithelfers zu 1 entsprechend allgemein, gleichsam standardisiert auf (näher spezifizierte) Ansprüche aus Versiche-rungsverträgen
des Streithelfers zu 1 bei der beklagten [X.] gerichtet. Ein konkreter Bezug zu einer bestimmten Versicherung wird nicht hergestellt.
Anhaltspunkte dafür, dass eine den Pfändungsbeschrän-kungen des §
850b Abs.
1 ZPO unterliegende Berufsunfähigkeitsversicherung erfasst werden soll, sind nicht ersichtlich. Folglich konnte das [X.] über die Voraussetzungen des §
850b Abs.
2 ZPO mit seinem Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss vom 17.
August 2007 auch nicht entscheiden.

Eine stillschweigende Entscheidung könnte auch aus Rechtsgründen eine wirksame Pfändung nicht herbeiführen. Die Entscheidung des
Vollstre-ckungsrichters
ist konstitutiv ([X.], Urteil vom 31.
Oktober 1969

V
ZR 138/66, NJW 1970, 282,
283,
insoweit in [X.]Z 53, 41 nicht abgedruckt; vom 24.
Sep-23
24
25
-
14
-
tember 1981

IX
ZR 80/80, NJW 1982, 515, 516). Sie ist ausdrücklich in einem [X.] anzuordnen und stets zu begründen (Stein/[X.]/
Würdinger, aaO §
850b Rn.
29; [X.]/[X.], aaO §
850b Rn. 16;
Prütting/
Gehrlein/[X.], aaO §
850b Rn. 28; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4.
Aufl. §
850b Rn.
8; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], aaO §
850b Rn. 21; [X.]/[X.] in [X.]/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 6. Aufl., §
850b Rn. 6). §
850b Abs.
1 Nr.
1 ZPO dient auch der Existenzsicherung des Schuldners und ist unabdingbar. Deshalb kann in die Forderungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht ohne ausdrückli-che Gestattung im Wege der Zwangsvollstreckung eingegriffen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 16.
Juni 2011

VII
ZB 12/09, [X.], 1418 Rn. 18
mwN).

(3) Ohne eine Entscheidung nach §
850b Abs.
2 ZPO waren die [X.] zu 1 aus der Berufsunfähigkeitsversicherung für den Kläger unpfändbar
(vgl. [X.], Urteil vom 11.
November 1959

IV
ZR 88/59, [X.]Z 31, 210, 217; [X.], aaO §
850b Rn. 2; [X.]/Mock, aaO §
850b Rn. 23). Die
Pfändung einer nicht oder nur bedingt pfändbaren Forderung
ordnet der allgemein auf "Ansprüche aus Versicherungsvertrag" ge-richtete Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses vom 17.
August 2007 nicht an. Dies ist im [X.] von Amts wegen zu prüfen; der Dritt-schuldner kann insoweit nicht auf die Möglichkeit einer Erinnerung (§
766 ZPO) gegen den ansonsten grundsätzlich hinzunehmenden Pfändungs-
und Über-weisungsbeschluss (vgl. [X.], Urteil vom 16.
Februar 1976

II
ZR 171/74, [X.]Z 66, 79, 81
f) verwiesen werden.

3. Der Kläger hat auch keine andere Pfändung zu seinen Gunsten und mit Vorrang gegenüber der Streithelferin zu 2 herbeigeführt.
26
27
-
15
-

a) Nach der ihm durch die Drittschuldnererklärung vermittelten Kenntnis, dass für den Streithelfer zu 1 bei der [X.] unter der [X.]

lediglich eine Versicherung geführt wird, aus der ausschließlich Leistungen für den Fall der Berufsunfähigkeit versichert sind, blieb der Kläger zunächst untätig. Vor Wirksamwerden der vom [X.] angeordneten Pfändung der Forderungen aus der streitgegenständli-chen
Berufsunfähigkeitsversicherung zugunsten der Streithelferin zu 2 am 15.
Mai 2014 (vgl. §
829 Abs. 3 ZPO) hat der Kläger weder eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses vom 17.
August 2007 beantragt, noch einen hiervon unabhängigen neuen Be-schluss.

b) Der Kläger kann sein Klagebegehren nicht auf den unter dem 27.
Juli 2016 erwirkten
Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss
stützen, in dem die Pfändung betreffend die Forderung des Streithelfers zu 1 gegen die Beklagte antragsgemäß nach §
850b Abs.
2 ZPO nach den für Arbeitseinkommen [X.] Vorschriften angeordnet war. Denn der beantragte und zunächst auch erlassene Beschluss konnte den nach §
804 Abs.
3 ZPO zu beachtenden Vor-rang der Pfändung zugunsten der Streithelferin zu 2 nicht beseitigen.

4. Auch der Vortrag der Revision, der Streithelfer zu 1 und die Streithelfe-rin zu 2 hätten
ersichtlich kollusiv zusammengewirkt und der Kläger habe das vom
Streithelfer zu 1 abgegebene Schuldanerkenntnis und die Pfändung der

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Rentenansprüche durch die Streithelferin zu 2 angefochten, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. [X.] würden sich gegen die Streithelferin zu 2 richten und keine Wirkungen für und gegen die Beklagte [X.].

Kayser
Gehrlein
[X.]

Schoppmeyer
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.08.2016 -
22 [X.]/16 -

O[X.], Entscheidung vom 18.04.2017 -
10 [X.] -

Meta

IX ZR 104/17

25.01.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.01.2018, Az. IX ZR 104/17 (REWIS RS 2018, 15051)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15051

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