Bundessozialgericht, Urteil vom 13.11.2012, Az. B 2 U 26/11 R

2. Senat | REWIS RS 2012, 1533

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Höhe des Übergangsgelds - Berechnungsgrundlage - Regelentgelt - Vorbezug von Krankengeld - Arbeitslosengeld und Verletztengeld - Regel- und Sonderberechnung nach SGB 9 - Leistungskontinuität - Analogie - planwidrige Regelungslücke


Leitsatz

1. Einem Versicherten, der Verletztengeld in Höhe zuvor bezogenen Arbeitslosengelds erhalten hat, ist für die Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben Übergangsgeld in derselben Höhe zu zahlen.

2. Diesem Verletztengeld liegt kein Arbeitsentgelt iS des § 49 SGB 9 zugrunde.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 22. September 2011 und des [X.] vom 30. November 2007 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger für die [X.] ab 3. Mai 2004 Übergangsgeld in Höhe von mehr als 21,72 Euro kalendertäglich zu zahlen.

Im Übrigen werden die Revision sowie die Berufung zurückgewiesen und die Klagen abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Wert eines Rechts auf Übergangsgeld.

2

Der Kläger erlitt am [X.] einen Arbeitsunfall und war bis zum [X.] arbeitsunfähig erkrankt. Nach einer entgeltlichen Beschäftigung wurde er arbeitslos. Ihm wurde auf der Grundlage eines vom [X.] bis zum [X.] erzielten Arbeitsentgelts von insgesamt 19.827,15 € Arbeitslosengeld vom [X.] bis zum 17.3.2003 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 384,25 € in Höhe von täglich 21,85 € ab [X.] und von 21,72 € ab 1.1.2003 bindend zuerkannt. Wegen einer erneut eingetretenen Arbeitsunfähigkeit wurde dem Kläger jeweils bindend ab 18.3.2003 Krankengeld und, seitdem diese unfallbedingt war, ab 7.4.2003 Verletztengeld jeweils in Höhe des zuvor geleisteten Arbeitslosengeldes bewilligt.

3

Mit Bescheiden vom 28.4.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem [X.] Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie "Übergangsgeld in Höhe von z. [X.]. kalendertäglich 14,77 Euro". Hierzu teilte sie mit, dass das Übergangsgeld wegen noch erforderlicher Ermittlungen zur Berechnung der Leistung zunächst "vorschussweise" und "unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung" erbracht werde, sofern sich herausstellen sollte, dass die Leistungspflicht nicht oder nur in geringerer Höhe bestehe. Mit Bescheid vom [X.] stellte die Beklagte fest, dass das vorläufig gezahlte Übergangsgeld in Höhe von [X.] des [X.] richtig berechnet worden sei und sich ab [X.] ein Zahlbetrag von kalendertäglich 14,77 € ergebe. Den Widerspruch des [X.] wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 3.9.2004 zurück.

4

Das [X.] hat den Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.9.2004 "dahingehend abgeändert, dass der Berechnung des [X.] nicht das zuvor gezahlte Verletztengeld oder das Arbeitsentgelt auf der Basis des ursprünglichen Bemessungsentgeltes für das Arbeitslosengeld zugrunde gelegt wird" ([X.]) und die Beklagte "verpflichtet, an den Kläger weiteres Übergangsgeld ab dem 03. Mai 2004 in Höhe des zugrundeliegenden Arbeitsentgeltes entsprechend zu Ziffer 1) zu zahlen" (Urteil vom 30.11.2007). Das [X.] hat die Berufung der Beklagten "mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03. September 2004 dahingehend geändert wird, dass bei der Berechnung des Übergangsgeldes nicht vom zuvor gezahlten Verletztengeld, sondern vom Arbeitsentgelt ausgegangen wird, welches dem [X.] vom 01. August 2002 bis zum 17. März 2003 (in Höhe von 19.827,15 €) zugrunde lag" (Urteil vom 22.9.2011). Gegenstand des Verfahrens sei allein der Bescheid vom 28.4.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.9.2004, der die Höhe des [X.] abschließend regele. Das Schreiben vom [X.] enthalte lediglich die Mitteilung oder wiederholende Verfügung, dass an der bisherigen Entscheidung vom 28.4.2004 festgehalten werde. Die Höhe des [X.] bestimme sich nach § 50 Halbs 1 [X.] iVm § 49 Halbs 1 [X.]. Der Kläger habe unmittelbar vor Beginn der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben Verletztengeld bezogen. Da das Verletztengeld über § 47 Abs 2 Satz 1 [X.] an das Krankengeld und dieses über § 47b Abs 1 Satz 1 SGB V an das Arbeitslosengeld anknüpfe, sei auch bei der Berechnung des [X.] auf das dem Arbeitslosengeld zugrunde liegende Arbeitsentgelt zurückzugreifen. Selbst wenn § 49 Halbs 1 [X.] nicht anwendbar wäre, hätte die Beklagte das Übergangsgeld nach § 50 Halbs 2 iVm § 47 Abs 2 [X.] in Höhe des Arbeitslosen- und Krankengeldes weiterzahlen müssen.

5

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 50 Halbs 1 [X.]. Der Festsetzung des [X.] habe kein Arbeitsentgelt zugrunde gelegen, so dass § 49 [X.] ausscheide. Das Arbeitslosengeld, das anders als die in § 49 [X.] abschließend genannten Entgeltersatzleistungen zu bemessen sei, habe der Gesetzgeber bewusst von der Kontinuitätsregelung ausgenommen. Bemessungsgrundlage des [X.] sei nach § 50 Halbs 2 [X.] iVm § 47 Abs 2 [X.] das Verletztengeld in Höhe des Arbeitslosengeldes. Da aber für die Berechnung des [X.] eine gesetzliche Regelung fehle, müsse § 46 [X.] analog gelten. Nach dem Willen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung des Senats sei das Übergangsgeld niedriger anzusetzen als das Verletztengeld.

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 22. September 2011 und des [X.] vom 30. November 2007 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie trage der vom Gesetzgeber gewünschten Besitzstandswahrung Rechnung.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist teilweise begründet. Das [X.] hat sie zu Unrecht verurteilt, für die [X.] ab [X.] Übergangsgeld in Höhe von mehr als 21,72 € kalendertäglich zu zahlen. Allerdings ist ihre um 6,95 € zu niedrige Höchstwertfestsetzung des Rechts auf Übergangsgeld im Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.9.2004 auf 14,77 € kalendertäglich rechtswidrig. Insoweit hat die Revision keinen Erfolg.

Gegenstand des Rechtsstreits sind die zulässig kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG), mit denen der Kläger begehrt, unter Aufhebung der Festsetzung des [X.] des bindend bewilligten Rechts auf Übergangsgeld im Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.9.2004 die Beklagte zur Zahlung höheren [X.] für die [X.] ab [X.] zu verurteilen. Nicht angegriffen ist hingegen der auf andere Weise erledigte (§ 39 Abs 2 SGB X) einstweilige Verwaltungsakt vom 28.4.2004, mit dem die Beklagte einen Vorschuss nach § 42 Abs 1 Satz 1 SGB I auf das voraussichtlich zu zahlende Übergangsgeld bewilligt hat.

Nach dieser Vorschrift kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf eine Geldleistung dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere [X.] erforderlich ist. Die Regelung einer Vorschussleistung liegt dann vor, wenn der zuständige Leistungsträger hinreichend deutlich macht, dass er wegen eines von seinem Standpunkt aus dem Grunde nach bestehenden Anspruchs auf Geldleistungen, dessen genaue Höhe noch nicht zeitnah festgestellt werden kann, zwar ein Recht auf Zahlungen bewilligt, das aber noch keinen dauerhaften Rechtsgrund für das Behaltendürfen des [X.] bilden soll und daher wirtschaftlich mit dem Risiko einer möglichen Rückzahlungspflicht behaftet ist. Ob die Beklagte eine einstweilige Regelung in diesem Sinne getroffen hat, ist durch Auslegung des Verwaltungsakts aus der Sicht eines an Treu und Glauben orientierten, mit den Umständen des Falles vertrauten Erklärungsempfängers zu ermitteln (BSG vom 1.7.2010 - B 11 [X.] 19/09 R - [X.], 244 = [X.]-1200 § 42 [X.] mwN, Rd[X.] 14; vom 29.4.1997 - 4 RA 46/96 - [X.]-1200 § 42 [X.] 9).

Nach dem [X.] vom 28.4.2004 musste der Kläger von einer nur einstweiligen, vorschussweisen Bewilligung des Rechts auf Übergangsgeld ausgehen. Im Zusammenhang mit der Gewährung von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist ihm Übergangsgeld von "z. Zt." 14,77 € kalendertäglich bewilligt worden. Diese Regelung hat die Beklagte dahingehend konkretisiert, dass das Recht auf Übergangsgeld wegen noch erforderlicher Ermittlungen zur "Berechnung" der Leistung zunächst "vorschussweise" und "unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung" gezahlt werde. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie nur ein einstweiliges, mit dem Risiko einer möglichen Rückzahlungspflicht belastetes Recht auf Übergangsgeld zuerkennen wollte.

Einstweilige Regelungen über Vorschüsse entfalten nur bis zur Beendigung des die Leistungshöhe betreffenden Verwaltungsverfahrens Rechtswirkungen und erledigen sich mit dem Erlass des abschließenden Verwaltungsakts auf andere Weise iS des § 39 Abs 2 SGB X (BSG vom 19.6.1999 - B 9 V 13/98 R - [X.]-1200 § 42 [X.] 8 S 25 mwN). Der einstweilige Verwaltungsakt vom 28.4.2004 wurde durch den endgültigen Verwaltungsakt im Bescheid vom [X.] ersetzt. Dieser verlautbart zwei endgültige Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X über die Bewilligung des Rechts auf Übergangsgeld sowie über dessen Wert. Mit der Erklärung, dass das vorläufig festgestellte kalendertägliche Übergangsgeld richtig berechnet worden sei und sich ab [X.] ein Zahlbetrag von 14,77 € ergebe ist der Wert des Rechts auf Übergangsgeld ab dem [X.] auch der Höhe nach endgültig festgesetzt worden.

Dass das [X.] den "Bescheid der Beklagten vom 28. April 2004" als angefochten angesehen und geändert hat, hindert den [X.] nicht an einer Entscheidung über das Revisionsbegehren. Auch das Berufungsgericht hat nicht über die Rechtmäßigkeit der Vorschussbewilligung, sondern der endgültigen Festsetzung des [X.] der Höhe nach befunden.

In der Sache haben die Vorinstanzen die allein angefochtene Höchstwertfestsetzung des Rechts auf Übergangsgeld zutreffend aufgehoben. Dem Kläger steht nach § 50 Halbs 2 [X.] iVm § 47 Abs 2 [X.] Übergangsgeld in Höhe von 21,72 € kalendertäglich zu (dazu 1.). Für die Festsetzung eines niedrigeren oder höheren [X.] fehlt es an einer Rechtsgrundlage (dazu 2.).

1. Übergangsgeld wird nach § 49 [X.] erbracht, wenn Versicherte infolge eines Versicherungsfalls Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten. Das Recht auf ein solches Übergangsgeld ist hier dem Kläger bindend zuerkannt worden. Gemäß § 50 [X.] bestimmen sich "Höhe und Berechnung des [X.]", also der Wert des Rechts auf diese Leistung nach den §§ 46 bis 51 [X.], soweit das [X.] nichts Abweichendes bestimmt (Halbs 1); im Übrigen gelten die Vorschriften für das Verletztengeld entsprechend (Halbs 2). Da die hier zu beurteilende Fallgestaltung nicht einem der in §§ 46 ff [X.] geregelten sachlichen Anwendungsbereiche unterfällt (vgl hierzu unter 2.), ist über § 50 Halbs 2 [X.] die Bestimmung des § 47 Abs 2 Satz 1 [X.] maßgebend. Danach erhalten Versicherte, die Arbeitslosengeld bezogen haben, Verletztengeld in Höhe des Krankengeldes nach § 47b SGB V. Gemäß § 47b Abs 1 Satz 1 SGB V wird das Krankengeld in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes gewährt. Der Kläger erhielt zuletzt ab 1.1.2003 Arbeitslosengeld von kalendertäglich 21,72 €. In dieser Höhe ist ihm damit auch Übergangsgeld zu zahlen.

2. Ein anderer Wert des unfallversicherungsrechtlichen Rechts auf Übergangsgeld ist im [X.] aufgrund der in dieses Gesetzbuch inkorporierten Vorschriften der §§ 46 bis 51 [X.] nicht vorgesehen. Vorliegend kommt weder die Regel- noch die Sonderberechnung nach den §§ 46 bis 48 [X.] in Betracht (dazu a). Auch die Voraussetzungen der Kontinuitätsbestimmung des § 49 [X.] sind nicht erfüllt (dazu b). Schließlich ist für eine analoge Anwendung der inkorporierten Vorschriften mangels planwidriger Regelungslücke kein Raum (dazu c).

a) Der Wert des Rechts auf Übergangsgeld ergibt sich nicht aus § 46 Abs 1 [X.] in der Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.] ([X.]), da der Kläger vor der Entstehung dieses Rechts Verletztengeld als Entgeltersatzleistung bezogen hat.

Nach Satz 3 der Vorschrift beträgt das Übergangsgeld [X.] des nach Satz 1 oder § 48 [X.] maßgebenden Betrages. § 46 Abs 1 Satz 1 [X.] legt als Berechnungsgrundlage [X.] des [X.]s in Gestalt des regelmäßig erzielten Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt, begrenzt durch das [X.] und die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze, fest. [X.] ist nach § 47 Abs 1 Satz 1 bis 3 [X.] in der Fassung des [X.] und zur Änderung anderer Gesetze vom [X.] ([X.]) das zuletzt vor Beginn der Leistung oder einer vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit erzielte und um Einmalzahlungen verminderte Arbeitsentgelt. Neben dieser Regelberechnung sieht der [X.] des § 48 [X.] als Berechnungsgrundlage [X.] des auf ein Jahr bezogenen tariflichen oder, wenn es an einer tariflichen Regelung fehlt, des ortsüblichen Arbeitsentgelts für den Fall vor, dass die Berechnung nach den §§ 46 und 47 [X.] zu einem geringeren Betrag führt ([X.] 1), Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht erzielt worden ist ([X.]) oder der letzte Tag des [X.] bei Beginn der Leistungen länger als drei Jahre zurückliegt ([X.] 3).

Die Regelberechnung nach den §§ 46 und 47 [X.] knüpft damit ausschließlich an einen Arbeitsverdienst und nicht an den Bezug einer Entgeltersatzleistung an. Nur wenn Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen und auch eine Entgeltersatzleistung nicht bezogen wurden oder wenn die Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommensverhältnisse aus den in § 48 Satz 1 [X.] 1 oder 3 [X.] genannten Gründen ausscheidet, ist ein fiktives Arbeitsentgelt festzustellen. Der Kläger hat indes vor Beginn des [X.] Verletztengeld bezogen und damit weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen erzielt. Ein Sonderfall iS des § 48 Satz 1 [X.] 1 bis 3 [X.] ist ebenfalls nicht gegeben. Der Tatbestand einer ungünstigeren Regelberechnung ([X.] 1) ist schon mangels Anwendbarkeit der §§ 46 und 47 [X.] nicht einschlägig. Da der Kläger zuletzt vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bis zum [X.] Arbeitsentgelt erhalten hat, sind auch ungeachtet des Bezuges des [X.] die Tatbestände des fehlenden Arbeitsverdienstes ([X.]) und des länger als drei Jahre zurückliegen [X.] ([X.] 3) nicht erfüllt.

b) Der Wert des Rechts auf Übergangsgeld bestimmt sich auch nicht nach der in § 50 Halbs 1 [X.] in Bezug genommenen Kontinuitätsregel des § 49 [X.]. Denn das dem Kläger vor Beginn der Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben gezahlte Verletztengeld war nicht nach erzieltem Arbeitsentgelt bemessen worden.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, [X.] oder Übergangsgeld bezogen und wird im [X.] daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird nach § 49 [X.] bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen, wobei die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze zu beachten ist. Die Vorschrift setzt auf der Tatbestandsseite sowohl den Bezug einer der aufgeführten Sozialleistungen als auch eine sich daran anschließende Teilnahme an einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben voraus. Als Rechtsfolge ordnet die Bestimmung die Berücksichtigung des "bisher zugrunde gelegten" Arbeitsentgelts an. Bereits diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass das bislang für die Bemessung der vor Beginn der Teilhabemaßnahme bezogenen Leistung herangezogene Arbeitsentgelt auch weiterhin die maßgebende Berechnungsgrundlage bleiben soll. § 49 [X.] ist daher nur dann einschlägig, wenn bei der Bemessung der in der Vorschrift genannten Entgeltersatzleistungen an ein Arbeitsentgelt angeknüpft wurde (vgl [X.] Nordrhein-Westfalen vom 21.5.2008 - L 12 [X.] 113/07 - juris Rd[X.]4; [X.] in jurisPK-[X.], Online-Ausgabe, § 49 Rd[X.] 5 ; [X.] in GK-[X.], § 49 Rd[X.]9 und 33 ; [X.] in [X.], [X.], § 49 Rd[X.] 13 und 17 ; von der [X.] in [X.]/von der [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2009, § 49 Rd[X.] 3; [X.], [X.], 6. Aufl 2012, § 49 Rd[X.] 8; BSG vom 11.6.1986 - 1 RA 23/85 - [X.], 114, 117 = [X.] 2200 § 1241 [X.] 31 S 103 und vom 19.9.1979 - 11 RA 72/78 - [X.], 41, 42 = [X.] 2200 § 1241b [X.] S 2, jeweils zu § 18b [X.]).

Diese Wortlautinterpretation wird durch den mit § 49 [X.] verfolgten Zweck gestützt. Die Vorschrift geht auf § 16 des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes ([X.]) in der bis zum 30.6.2001 geltenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20.12.1988 ([X.] 2477) zurück. Danach ist, wenn der Behinderte Krankengeld, [X.], Verletztengeld oder Übergangsgeld bezogen hat und im [X.] daran eine Maßnahme zur Rehabilitation durchgeführt wird, bei der Berechnung der Geldleistungen iS von § 12 [X.] 1 [X.] von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt auszugehen. Ergänzend hierzu enthielten die für die einzelnen Rehabilitationsträger jeweils geltenden [X.] bis zum 30.6.2001 vergleichbare Kontinuitätsregelungen zur Berechnung des [X.] (für die Arbeitslosenversicherung § 166 [X.] idF des [X.] <[X.]> vom [X.] <[X.] 594> sowie die Vorgängervorschrift des § 59c [X.]; für die Rentenversicherung § 23 SGB VI idF des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18.12.1989 <[X.] 2261> sowie die Vorgängervorschriften der §§ 1241 Abs 4 [X.], 18 Abs 4 [X.], 40 Abs 4 [X.] idF des [X.] <[X.]> vom 22.12.1981 <[X.] 1497> und der §§ 1241b [X.], 18b [X.], 40b [X.] idF des [X.] vom 7.8.1974 <[X.] 1881>; für die Unfallversicherung § 51 Abs 5 iVm § 47 Abs 4 [X.] idF des [X.] vom 7.8.1996 <[X.] 1254> sowie die Vorgängervorschriften des § 568 Abs 5 iVm § 561 Abs 4 [X.] idF des [X.] aaO). Ebenso wie § 16 [X.] und die ihm entsprechenden, für die verschiedenen Sozialversicherungszweige maßgebenden Spezialnormen soll auch der die früheren Regelungen zusammenfassende (BT-Drucks 14/5074 [X.] zu §§ 50-52) § 49 [X.] einerseits die Kontinuität der Leistungen gewährleisten und andererseits der Verwaltungsvereinfachung dienen ([X.] R 104/08 R - [X.]-3250 § 49 [X.] 1 Rd[X.]0). Diese Kontinuität erstreckt sich aber nicht auf die Höhe des zu zahlenden [X.], sondern auf die Bemessungsgrundlage der vor Beginn der Teilhabemaßnahme bezogenen Entgeltersatzleistung. § 49 [X.] regelt einen Sonderfall der Bemessung von im Zusammenhang mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben stehenden Unterhaltsersatzleistungen, indem er einen Verzicht auf erneute Ermittlungen und Feststellungen des [X.] vorsieht. Dadurch wird zum einen sichergestellt, dass, soweit der bisherigen Leistung ein Arbeitsentgelt zugrunde lag, die jeweils nachfolgende Leistung nicht nach einem anderen Entgelt bemessen wird. Zum anderen wird eine mehrfache Feststellung des Arbeitsentgelts vermieden. Diese zur Aufrechterhaltung der bisherigen Einkommensverhältnisse bezweckte Besitzstandswahrung gilt partiell in Bezug auf das zuvor berücksichtigte Arbeitsentgelt und greift daher nur bei nach einem Arbeitsentgelt gewährten Leistungen iS des § 49 [X.] (vgl BSG vom 26.9.1990 - 9b/7 [X.] - [X.]-4100 § 59c [X.] S 6 mwN zu § 16 [X.]).

Dem ab [X.] gezahlten Verletztengeld lag hingegen kein Arbeitsentgelt zugrunde, das für die Bemessung des [X.] hätte übernommen werden können. Das Verletztengeld war zutreffend nicht nach § 47 Abs 1 [X.] aus einem Arbeitsverdienst als [X.] berechnet worden. Versicherte, die Arbeitslosengeld bezogen haben, erhalten vielmehr gemäß § 47 Abs 2 [X.] (hier idF des [X.] vom [X.] <[X.] 594>) Verletztengeld in Höhe des Krankengeldes nach § 47b SGB V. Da nach § 47b Abs 1 Satz 1 SGB V idF des [X.] (aaO) das Krankengeld in Höhe des Arbeitslosengeldes zu leisten ist, war auch das Verletztengeld in Höhe des Arbeitslosengeldes zu zahlen. Allein diese Entgeltersatzleistung bildete die Grundlage für die Bemessung des [X.].

c) Durch die Verweisung in § 50 Halbs 1 [X.] sind die Vorschriften der §§ 46 bis 51 [X.] in das [X.] inkorporiert. Sie gilt demnach nur für Sachverhalte, die durch die in Bezug genommenen Bestimmungen geregelt werden, soweit das [X.] nichts Abweichendes bestimmt. Eine Erstreckung auf nicht erfasste Fallgestaltungen im Wege der Analogie kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht (zu den Voraussetzungen der Analogie vgl BSG vom 4.5.1999 - B 4 RA 55/98 - [X.]-2600 § 34 [X.] 1; vom [X.] - [X.] U 11/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

Das hier gefundene Ergebnis entspricht gerade dem [X.] nach dem [X.]. Nach § 1 [X.] [X.] gehört es ua zu den Aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung, nach Eintritt von Arbeitsunfällen die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie durch Geldleistungen zu entschädigen. Zu diesem Zweck haben Versicherte im Falle einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit oder einer Heilbehandlungsmaßnahme Anspruch auf Verletztengeld (§ 45 Abs 1 [X.]) und bei der Teilnahme an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben Anspruch auf Übergangsgeld (§ 49 [X.]). Übergangs- und Verletztengeld sind wirtschaftliche Hilfen des [X.] iS des § 22 Abs 1 [X.] SGB I, die als Entschädigung für unfallbedingte wirtschaftliche Nachteile erbracht werden. Gleichen diese Leistungen - wie hier - dieselbe Einbuße an Einkünften aus, ist für eine unterschiedliche Bemessung kein Raum. Infolge der am [X.] erneut eingetretenen unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit hatte der Kläger seine subjektive Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt und damit sein Recht auf Arbeitslosengeld verloren. Ab [X.] setzte sich dieser Verlust durch den unfallbedingten Bedarf nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben fort. Der Wegfall des Arbeitslosengeldes wurde zunächst durch Krankengeld und dann durch das Verletztengeld voll ausgeglichen. Da dieselbe Einbuße während der Teilhabeleistung fortdauerte, ist sie durch ein gleichwertiges Recht auf Übergangsgeld zu kompensieren. Dadurch wird zugleich vermieden, dass das Übergangsgeld - wie hier im Falle des nach Ansicht des [X.] gebotenen Rückgriffs auf das dem Arbeitslosengeld zugrunde liegende Bemessungsentgelt - das Verletztengeld übersteigt.

Eine richterliche Rechtsfortbildung verbietet sich auch deshalb, weil § 49 [X.] allein auf den Vorbezug von Krankengeld, Verletztengeld, [X.] oder Übergangsgeld abstellt, das Arbeitslosengeld aber nicht erwähnt. Die Rechtsansicht des [X.], das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt schlage auf das Verletztengeld durch, hat eine Berechnung des [X.] zur Folge, als wäre die Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im [X.] an den Bezug von Arbeitslosengeld ausgeführt worden. Eine solche Fallgestaltung wird vom Wortlaut des § 49 [X.] aber gerade nicht erfasst. Auch die bereits genannten Vorgängervorschriften knüpften nicht an den Bezug von Arbeitslosengeld an. Dass der Gesetzgeber hiervon mit der Einführung des [X.] hätte abweichen wollen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr steht jede der in § 49 [X.] aufgeführten Sozialleistungen, nicht aber das Arbeitslosengeld in einem funktionalen Zusammenhang mit den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben werden durch die in § 49 [X.] bezeichneten Geldleistungen ergänzt (§ 44 Abs 1 [X.] 1, § 45 Abs 1 und 2 [X.]). Demgegenüber wird das Arbeitslosengeld als Entgeltersatzleistung bei Arbeitslosigkeit und beruflicher Weiterbildung erbracht (§ 3 Abs 4 [X.] 1, § 136 Abs 1 [X.]; § 3 Abs 1 [X.] 8, § 117 Abs 1 [X.] aF).

Auch unterscheiden sich die in § 49 [X.] genannten Sozialleistungen auf der einen und das Arbeitslosengeld auf der anderen Seite in der Bemessung. Der Berechnung des Kranken-, Verletzten-, Versorgungskranken- und [X.] ist grundsätzlich das vom Leistungsempfänger im letzten vor Beginn der Leistung oder einer vorangegangenen Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens aber das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte beitragspflichtige Arbeitsentgelt, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt, als [X.] zugrunde zu legen (vgl § 47 Abs 1 Satz 1 und [X.]; § 47 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 47 [X.]; § 46 Abs 1 Satz 1 iVm § 47 Abs 1 Satz 1 [X.]; § 16a Abs 1 Satz 1 und 2 und [X.]). Hingegen umfasst der Bemessungszeitraum für das dem Arbeitslosengeld als Bemessungsentgelt zugrunde zu legende beitragspflichtige Arbeitsentgelt die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten letzten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen von einem Jahr, der mit dem letzten Tag des letzten Versicherungsverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs endet (vgl §§ 149, 150 Abs 1 [X.]; §§ 130 Abs 1, 131 Abs 1 [X.] aF).

Mit der vorliegenden Entscheidung weicht der [X.] nicht von seiner früheren Rechtsprechung ab. Soweit sich die Beklagte auf das Urteil vom [X.] ([X.] U 15/01 R) beruft, kann dahinstehen, ob an dieser Entscheidung festzuhalten ist. Sie betraf nicht den Anspruch auf Übergangsgeld im [X.] an den Bezug von Arbeitslosengeld und ist zu der bis 30.6.2001 gültigen Rechtslage vor Einführung des [X.] und der Verweisung des § 50 [X.] auf §§ 46 ff [X.] ergangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Meta

B 2 U 26/11 R

13.11.2012

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Potsdam, 30. November 2007, Az: S 2 U 124/04, Urteil

§ 47 Abs 2 S 1 SGB 7 vom 24.03.1997, § 47b Abs 1 S 1 SGB 5 vom 24.03.1997, § 49 SGB 7, § 50 Halbs 1 SGB 7, § 50 Halbs 2 SGB 7, § 46 Abs 1 S 1 SGB 9 vom 23.12.2002, § 47 Abs 1 SGB 9 vom 27.04.2002, § 48 S 1 SGB 9, § 49 SGB 9, § 16 RehaAnglG vom 20.12.1988

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.11.2012, Az. B 2 U 26/11 R (REWIS RS 2012, 1533)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1533

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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