Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.04.2014, Az. X R 16/10

10. Senat | REWIS RS 2014, 6549

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Gegenstand

Verpachtung einer Apotheke im Ganzen - Zwangsbetriebsaufgabe und Erklärung der Betriebsaufgabe


Leitsatz

1. NV: Ein zur zwangsweisen Aufgabe einer zuvor im Ganzen verpachteten Apotheke führendes Ereignis liegt weder vor, wenn der Steuerpflichtige das Inventar an den Pächter veräußert, noch falls die apothekenrechtlichen Voraussetzungen für eine weitere Verpachtung infolge des Todes des Verpächters nicht mehr vorliegen.

2. NV: Übersieht der Steuerpflichtige, dass er die Aufgabe seines im Ganzen verpachteten Betriebs nicht rückwirkend erklären kann, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob er hilfsweise die Aufgabe für den Zeitpunkt des Zugangs beim FA erklären wollte. Hierzu bedarf es der Feststellung positiver Umstände, die auf einen entsprechenden Willen schließen lassen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte bis zum [X.] eine eigene Apotheke (A-Apotheke).

2

Die Eltern der Klägerin waren ebenfalls Apotheker. Der [X.]ater ([X.]) betrieb zunächst in dem ihm gehörenden [X.]ebäude in der [X.] die [X.]. Ab Januar 1987 verpachtete er die [X.] einschließlich der dazu gehörenden Räume und übertrug in diesem Zusammenhang auch sein "Apothekenrecht". Die [X.] war als Firma im Handelsregister eingetragen. Für die Dauer des Pachtverhältnisses firmierte der Pächter unter der Firma "[X.] , Pächter ". Nach dem Tod des [X.] veräußerten die Klägerin und ihre [X.]utter ([X.]) als [X.]esamtrechtsnachfolgerinnen das Inventar der [X.] zum 31. Dezember 1994 an den Pächter; die Räumlichkeiten vermieteten sie ab Januar 1995 an ihn.

3

[X.] hatte ihrerseits ebenfalls eine Apotheke, die Y-Apotheke in [X.], zunächst selbst geführt und seit Oktober 1992 samt den zugehörigen Räumen verpachtet. [X.]it dem Tod der [X.] wurde die Klägerin Alleineigentümerin der [X.]rundstücke in der [X.] und in [X.].

4

In ihrer --im September 2000 eingereichten und unter [X.]ithilfe ihres damaligen Beraters erstellten-- Einkommensteuererklärung 1998 erklärte die Klägerin die Einkünfte aus der Überlassung der [X.] in der [X.] sowie der [X.]erpachtung der Y-Apotheke erstmals als Einkünfte aus [X.]ermietung und [X.]erpachtung (§ 21 des Einkommensteuergesetzes --ESt[X.]--). Die Anlage [X.]SE enthielt zu den Einkünften aus [X.]ewerbebetrieb folgende Angaben:

5

Zeile 3

A-Apotheke

105.192 D[X.]

Zeile 4

Entnahme Apotheken

<keine Eintragung>

6

Beigefügt war der Steuererklärung eine von dem Berater gefertigte Aufstellung der Einkünfte, die auszugsweise wie folgt lautete:

7

II. Einkünfte aus [X.]ewerbebetrieb

        

1. A Apotheke

        

[X.]ewinn lt. Anlage

104.110 D[X.]

+ Kapitalertragsteuer

  1.081 D[X.]

        

105.192 D[X.]

2. Entnahme [X.]ewerbliche [X.]ermietung wird nachgereicht

8

[X.]it Schreiben vom 7. Februar 2001 forderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Klägerin auf, "die Ermittlung des [X.]ewinns bezüglich der Entnahme der Apotheken nachzureichen". In einem weiteren Schreiben vom 28. Februar 2001 bat das [X.] um Auskunft, was mit dem Betriebsvermögen der [X.] nach Auflösung der Erbengemeinschaft geschehen sei. Die Klägerin wies --mit Schreiben vom 27. Juni 2001 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 28. Februar 2001-- auf die [X.]eräußerung "der [X.]" zum 31. Dezember 1994 und die bereits zum 1. Januar 1987 erfolgte Übertragung "des Apothekenrechts" hin. [X.]it Abschluss des Kaufvertrags sei der Betrieb durch konkludentes Handeln aufgegeben worden und "die [X.]" sei spätestens zum 31. Dezember 1994 in das Privatvermögen übergegangen. [X.]it Übertragung "des Apothekenrechts" und "der Apotheke" habe für die Erbengemeinschaft keine [X.]öglichkeit mehr bestanden, den Betrieb fortzuführen.

9

[X.]it Schreiben vom 21. September 2001 bat das [X.] nochmals um Nachreichung einer "Aufstellung über die Entnahmen [X.]ewerblicher [X.]ermietung", worauf die Klägerin auf ihr Schreiben vom 27. Juni 2001 verwies, nach dem die Entnahme bereits zum 31. Dezember 1994 erfolgt sei.

Das [X.] führte die [X.]eranlagungen für 1998 sowie für das Streitjahr 2000 zunächst ohne Ansatz von [X.] jeweils unter dem [X.]orbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) durch. Im Zuge einer Außenprüfung gelangte das [X.] zu der Ansicht, durch die Äußerungen in der Einkommensteuererklärung 1998 habe die Klägerin die Betriebsaufgabe bezüglich der [X.] und der Y-Apotheke erklärt. Diese sei mit Zugang beim [X.] im September 2000 wirksam geworden. Es ermittelte für die [X.] einen Aufgabegewinn in Höhe von 5.039.867 D[X.], für die Y-Apotheke einen solchen in Höhe von 761.807 D[X.].

Der gegen den Änderungsbescheid 2000 eingelegte Einspruch blieb ebenso wie die anschließend erhobene Klage ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (F[X.]) im Wesentlichen aus, die [X.] sei weder als Folge der [X.]erpachtung durch [X.] und der damit einhergehenden Übertragung "des Apothekenrechts" noch durch dessen Tod aufgegeben worden. Auch die [X.]eräußerung des Inventars durch die Erbengemeinschaft habe nicht zu einer maßgeblichen Änderung der [X.]erhältnisse geführt. Eine Aufgabe zum 31. Dezember 1994 sei unstreitig nicht erklärt worden. Entsprechend habe auch die [X.]erpachtung der Y-Apotheke durch [X.] nicht zu einer Betriebsaufgabe geführt. Zu einer Betriebsaufgabe der beiden Apotheken sei es indes durch die Äußerungen der Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung 1998 gekommen. Aus dem Erklärten, dem [X.]esamtverhalten und allen Nebenumständen sei aus Sicht des [X.] erkennbar geworden, dass es der steuerlich beratenen Klägerin um die Entnahme der beiden (weiterhin) verpachteten Apotheken gegangen sei, d.h. um deren Überführung vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen, und nicht lediglich um einen Hinweis dahingehend, durch [X.]erpachtung/[X.]eräußerung sei die zwangsweise Betriebsaufgabe bereits bei [X.], [X.] oder der Erbengemeinschaft erfolgt und eine Betriebsaufgabeerklärung daher nicht notwendig gewesen. Die entsprechenden Angaben hätten aus Sicht des [X.] erkennen lassen, dass die beiden Apotheken auf jeden Fall entwidmet sein sollten. Das [X.] habe auch keinen Anhaltspunkt für eine Auslegung in der Weise gehabt, dass bei nicht eintretender Rückwirkung keine Entwidmung habe stattfinden sollen.

[X.]it der Revision rügt die Klägerin die [X.]erletzung materiellen Rechts. Während des Revisionsverfahrens setzte das [X.] die Einkommensteuer für das Streitjahr mit Änderungsbescheid vom 11. November 2011 aus anderen --nicht streitigen-- [X.]ründen abweichend fest.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das F[X.]-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid vom 11. November 2011 so zu ändern, dass die Einkünfte aus [X.]ewerbebetrieb um 5.801.674 D[X.] gemindert werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das [X.] hat über den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 30. August 2006 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2007 entschieden. An die Stelle dieses Bescheids ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 11. November 2011 getreten. Damit liegt dem [X.]-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das [X.]-Urteil keinen Bestand haben kann (s. dazu Urteil des [X.] --[X.]-- vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, [X.], 269, [X.], 43).

Der Bescheid vom 11. November 2011 wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da sich durch den Änderungsbescheid der bisherige [X.] nicht verändert hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 [X.]O. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats ([X.]-Urteil in [X.], 269, [X.], 43).

III.

Der erkennende Senat entscheidet in der Sache selbst. Die Klage ist begründet. Der Einkommensteuerbescheid 2000 ist dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb um die bisher angesetzten [X.] in Höhe von insgesamt 5.801.674 D[X.] gemindert werden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem [X.] übertragen (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

Zwar ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass eine zwangsweise Betriebsaufgabe der verpachteten Apotheken vor Abgabe der Einkommensteuererklärung 1998 nicht erfolgt ist (dazu unter 1.). Seine Würdigung, die Klägerin habe mit ihrer Einkommensteuererklärung 1998 eine Aufgabeerklärung auf den 22. September 2000 abgegeben, hält demgegenüber einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand (dazu unter 2.).

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin haben die Verpachtungen der [X.] durch [X.] und der Y-Apotheke durch [X.] im Jahr 1992 nicht zu [X.] geführt (unter a). Zu einer solchen ist es bei der [X.] auch nicht infolge der Veräußerung des Inventars zum 31. Dezember 1994 gekommen (unter b).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] führt die Verpachtung eines Gewerbebetriebs nicht zwangsläufig zu einer Betriebsaufgabe und damit zur Aufdeckung der stillen Reserven. Ein Gewerbetreibender braucht vielmehr die in seinem Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven dann nicht aufzudecken, wenn er zwar selbst seine werbende Tätigkeit einstellt, aber entweder den Betrieb im Ganzen als geschlossenen Organismus oder zumindest alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs verpachtet (grundlegend Urteil des Großen Senats des [X.] vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, [X.]E 78, 315, BStBl [X.], 124) und der Steuerpflichtige gegenüber den Finanzbehörden nicht (klar und eindeutig) die Aufgabe des Betriebs erklärt (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 17. April 1997 VIII R 2/95, [X.]E 183, 385, [X.] 1998, 388, unter [X.], m.w.[X.]; vom 28. August 2003 IV R 20/02, [X.]E 203, 143, [X.], 10, unter [X.], m.w.[X.]). Wird keine Aufgabeerklärung abgegeben, so geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Absicht besteht, den unterbrochenen Betrieb künftig wieder aufzunehmen, sofern die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter dies ermöglichen ([X.]-Urteile in [X.]E 78, 315, BStBl [X.], 124; in [X.]E 203, 143, [X.], 10, unter II.1.a).

aa) Für die Anerkennung der gewerblichen Betriebsverpachtung reicht es nach diesen Grundsätzen aus, wenn die wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.]E 183, 385, [X.] 1998, 388; in [X.]E 203, 143, [X.], 10, unter [X.], m.w.[X.]). Dabei kommt es für die Beantwortung der Frage, was unter den wesentlichen [X.]n zu verstehen ist, auf die Verhältnisse des verpachtenden, nicht auf diejenigen des pachtenden Unternehmens an ([X.]-Urteil in [X.]E 203, 143, [X.], 10).

bb) Eine Betriebsverpachtung setzt danach u.a. voraus, dass der Steuerpflichtige dem Pächter einen Betrieb zur Nutzung überlässt, den der Pächter im Wesentlichen fortsetzen kann (vgl. [X.]-Urteil vom 26. Juni 1975 IV R 122/71, [X.]E 116, 540, [X.] 1975, 885). Dem Verpächter muss objektiv die [X.]öglichkeit verbleiben, den "vorübergehend" eingestellten Betrieb als solchen wieder aufzunehmen und fortzuführen (vgl. [X.]-Urteile vom 15. Oktober 1987 IV R 66/86, [X.]E 152, 62, [X.] 1988, 260; vom 26. [X.]ärz 1991 VIII R 73/87, [X.]/NV 1992, 227, und in [X.]E 183, 385, [X.] 1998, 388).

cc) Danach haben die Verpachtung der [X.] durch V sowie der Y-Apotheke durch [X.] nicht zu zwangsweisen Betriebsaufgaben geführt.

(1) Unstreitig haben sowohl V als auch [X.] ihre Apotheken als solche, d.h. die dem Apothekenbetrieb dienenden Räume einschließlich der Geschäftseinrichtung, verpachtet. Für die Dauer des Pachtverhältnisses überlassen war bei der [X.] ausdrücklich auch die Firma. Damit waren die wesentlichen Betriebsgegenstände, mittels derer die Pächter den Apothekenbetrieb jeweils fortsetzen konnten, auf [X.] überlassen.

(2) Der Hinweis der Klägerin, V habe mit Beginn des Pachtvertrags sowohl die Firma als auch sein "Apothekenrecht" auf den Pächter übertragen, vermag an der Fortführungsmöglichkeit nichts zu ändern.

Die Fortführung der Firma war dem Pächter laut den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat deshalb bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) ohnehin nur vorübergehend für die Dauer der Pachtverträge gestattet.

Soweit es sich bei dem "Apothekenrecht" noch um ein übertragbares Betriebsrecht (vgl. hierzu [X.]-Urteil vom 26. September 1963 IV 372/60 S, [X.]E 77, 669, [X.]I 1963, 565, unter I.2.; zur historischen Entwicklung des Apothekenrechts in Bezug auf Personalkonzessionen, Privilegien und Realrechte vgl. Entscheidung des [X.] vom 11. Juni 1958  1 BvR 596/56, [X.] 7, 377, unter [X.].) für eine Alt-Apotheke, d.h. eine solche, die bei Einführung der Niederlassungsfreiheit (Urteil des [X.] vom 22. November 1956 I C 221/54, BVerwGE 4, 167, und BVerfG-Entscheidungen vom 30. [X.]ai 1956  1 [X.], [X.] 5, 25, und in [X.] 7, 377) bereits bestand, gehandelt haben sollte, galt dieses seit dem Inkrafttreten des [X.] ([X.]) zum 1. Oktober 1960 kraft Gesetzes als Betriebserlaubnis (§ 27 Abs. 1 [X.]). Es hätte damit nur noch formell bestanden und insbesondere für einen Erwerber keine apothekenrechtliche Bedeutung mehr gehabt (zur früheren Rechtslage vgl. [X.]/[X.], Kommentar zum [X.], 3. Aufl., § 27 Rz 12).

(3) Unerheblich ist weiter, dass eine Wiederaufnahme des Apothekenbetriebs durch V und [X.] selbst --wie von der Klägerin geltend gemacht-- nach Ablauf der vereinbarten Pachtzeiten infolge deren Alters undenkbar gewesen sei (in diesem Sinn z.B. [X.]-Urteil vom 21. September 2000 IV R 29/99, [X.]/NV 2001, 433, unter 2.). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] muss der Verpächter eines Gewerbebetriebs die Betriebsfortführung nicht in eigener Person planen. Es reicht aus, wenn seinem Rechtsnachfolger --einem [X.] oder einem unentgeltlichen [X.] objektiv die [X.]öglichkeit verbleibt, den "vorübergehend" eingestellten Betrieb wieder aufzunehmen (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 3. Juni 1997 IX R 2/95, [X.]E 183, 413, [X.] 1998, 373; in [X.]E 152, 62, [X.] 1988, 260, unter 5.a). Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung aus [X.] so lange von einer Fortführungsabsicht auszugehen, bis der Steuerpflichtige klar und eindeutig erklärt, er werde die gewerbliche Tätigkeit nicht wieder aufnehmen (vgl. [X.]-Urteil vom 19. August 1998 [X.], [X.]/NV 1999, 454).

dd) Auch der Tod der Eltern hatte selbst dann nicht die Aufgabe des jeweiligen Apothekenbetriebs i.S. des § 16 Abs. 3 EStG zur Folge wenn --wie die Klägerin im Revisionsverfahren vorträgt-- die apothekenrechtlichen Voraussetzungen für eine weitere Verpachtung der [X.] nach dem Tod des [X.] bzw. der Y-Apotheke nach dem Tod der [X.] nicht mehr vorgelegen haben sollten.

Zum einen war die [X.] nach den Feststellungen des [X.] jedenfalls noch im [X.] verpachtet, obwohl V bereits 1994 verstorben ist. Zum anderen hatte die Klägerin die [X.]öglichkeit, sowohl die [X.] als auch die Y-Apotheke durch einen Rechtsnachfolger weiter führen zu lassen (s. oben), wenn sie die A-Apotheke nicht hätte aufgeben wollen. Dass der Einzel- oder [X.] eine neue apothekenrechtliche Erlaubnis braucht (auf die nach § 2 [X.] in der vom 9. August 1980 bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung auch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts bei Vorliegen verschiedener Voraussetzungen ein Rechtsanspruch bestand) mag eine gewisse Hürde bedeuten, steht aber einer steuerlich anzuerkennenden Verpachtung eines Apothekenbetriebs nicht entgegen.

So wie die Verpachtung einer Apotheke durch die Erben eines verstorbenen Apothekers oder denjenigen, der im [X.] einen Nießbrauch daran erworben hat, mangels Betriebsaufgabeerklärung nicht zur Betriebsaufgabe führt, wenn weder die Erben noch der Vermächtnisnehmer die für die Fortführung des Apothekenbetriebs erforderliche Qualifikation besitzen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 [X.], [X.]/NV 2006, 2072, unter 2.), führt auch der Tod des verpachtenden Apothekers nicht zur Aufgabe dieses Apotheker-Verpächterbetriebs.

Der Annahme einer Betriebsverpachtung im Ganzen steht nach der neueren Rechtsprechung nicht entgegen, dass die die wesentlichen [X.]n des Unternehmens verkörpernden Immobilien branchenfremd verpachtet werden (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 [X.], [X.]E 219, 144, [X.] 2008, 220, m.w.[X.]). Selbst ein Wettbewerbsverbot hindert eine Betriebsverpachtung nicht notwendigerweise (vgl. Senatsurteil vom 7. November 2013 [X.], [X.], unter II.2.b cc).

All diesen Entscheidungen liegt die Erwägung zugrunde, dass der [X.] demnach nach Beendigung des Pachtverhältnisses nur die [X.]öglichkeit haben muss, einen ähnlichen Gewerbebetrieb zu eröffnen. Die Gleichartigkeit des neuen Betriebs mit dem ursprünglich verpachteten Betrieb ist nicht erforderlich und kann auch bei einer Apotheke nicht gefordert werden.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin führte auch die Veräußerung des Inventars mit Vertrag vom 29. Dezember 1994 nicht zu einer zwangsweisen Betriebsaufgabe der [X.]. Veräußerungen in Zusammenhang mit der Y-Apotheke hat das [X.] nicht festgestellt.

aa) Zwar führt nach der Rechtsprechung des [X.] die Veräußerung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auch ohne ausdrückliche Erklärung zur Betriebsaufgabe mit der Folge, dass dann nur noch die einzelnen, von diesem [X.]punkt an dem Privatvermögen zuzurechnenden Gegenstände verpachtet sind ([X.]-Urteil in [X.]E 203, 143, [X.], 10, unter [X.], m.w.[X.]). Die Veräußerung des Inventars war jedoch kein solcher Fall.

Die Rechtsprechung des [X.] geht indes mittlerweile davon aus, dass jedenfalls bei Groß- und Einzelhandelsunternehmen sowie bei [X.] --im Gegensatz zum produzierenden [X.] die gewerblich genutzten Räume regelmäßig den wesentlichen Betriebsgegenstand bilden, die dem Handelsgeschäft das Gepräge geben (vgl. Urteile vom 18. August 2009 X R 20/06, [X.]E 226, 224, [X.] 2010, 222; vom 20. Februar 2008 [X.], [X.]/NV 2008, 1306; in [X.]E 219, 144, [X.] 2008, 220; in [X.]E 203, 143, [X.], 10, jeweils m.w.[X.]). Demgegenüber bildet die Einrichtung grundsätzlich keine wesentliche [X.] (z.B. [X.]-Urteil in [X.]E 203, 143, [X.], 10 betreffend Großhandel).

bb) Vor diesem Hintergrund lagen die Voraussetzungen für eine Betriebsverpachtung im Ganzen auch nach Veräußerung der Einrichtung der [X.] zum 31. Dezember 1994 weiterhin vor. Die Lage der [X.] in der [X.] und der durch diese Lage bestimmte Kundenkreis sowie der Apothekenname, die Firma, waren von entscheidender Bedeutung (vgl. insoweit z.B. [X.]-Urteile vom 6. November 2008 IV R 51/07, [X.]E 223, 386, [X.] 2009, 303, unter [X.] aa; vom 11. Februar 1999 III R 112/96, [X.]/NV 1999, 1198). Die Veräußerung der Einrichtung war für eine künftige Wiederaufnahme des Apothekenbetriebs durch die Klägerin oder einen Rechtsnachfolger infolgedessen ohne maßgebliche Bedeutung, da die hierfür geeigneten Räumlichkeiten nach wie vor vorhanden waren (in diese Richtung bereits Senatsbeschluss vom 15. Juni 2005 [X.], [X.]/NV 2005, 1843, unter [X.]; zum Apothekengrundstück als wesentliche [X.] vgl. zudem Senatsurteil vom 30. Januar 2002 [X.], [X.]E 197, 535, [X.] 2002, 387, unter [X.]). Ladeneinrichtung und Warenbestand hätten jederzeit kurzfristig wiederbeschafft werden können.

Die isolierte Ablösung der Einrichtung reichte auch deshalb nicht zur Übernahme der Apotheke durch den Pächter aus, weil dieser hierfür jedenfalls die Verfügungsgewalt über die Firma benötigt hätte. Das Recht zur Firmenfortführung (vgl. § 22 des Handelsgesetzbuchs) hatte der Pächter --wie oben ausgeführt-- indes nur für die Dauer des Pachtverhältnisses erlangt, und zwar nur mit der Verpflichtung, das Pachtverhältnis zu kennzeichnen. Es war zudem nicht Gegenstand des Kaufvertrags vom 29. Dezember 1994. Damit blieb zunächst die Erbengemeinschaft und später die Klägerin auch über den 31. Dezember 1994 hinaus Inhaberin der [X.].

cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsbeschluss in [X.]/NV 2006, 2072. Anders als im Streitfall veräußerte die dortige Steuerpflichtige nicht nur die Einrichtung, sondern gerade auch den Firmenwert und den Firmennamen und damit letztlich "die Apotheke", wenn auch ohne Veräußerung der zugehörigen Räumlichkeiten.

2. Zu Unrecht ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Einkommensteuererklärung 1998 eine Aufgabeerklärung zum [X.]punkt des Erklärungseingangs beim [X.] im September 2000 darstellt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung muss die Erklärung der Aufgabe eines im Ganzen verpachteten Betriebs wegen ihrer erheblichen Bedeutung klar und eindeutig sein, d.h. sie muss unmissverständlich erkennen lassen, dass sich der Steuerpflichtige für eine Betriebsaufgabe entschieden hat (vgl. z.B. [X.]-Urteil in [X.]E 152, 62, [X.] 1988, 260, unter 4.). Als Willenserklärung ist aber auch die Erklärung der Betriebsaufgabe auslegungsfähig [X.] 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (vgl. [X.]-Urteil vom 30. Juni 2005 IV R 63/04, [X.]/NV 2005, 1997; [X.]-Beschluss vom 19. Juli 2007 XI B 188/06, [X.]/NV 2007, 1885). Anders als die Klägerin offenbar meint, liegt eine ausdrückliche Aufgabeerklärung deshalb nicht ausschließlich dann vor, wenn der Steuerpflichtige auch die Formulierung "Aufgabe des Betriebes ..." verwendet.

Als Gestaltungserklärung kann die Erklärung der Betriebsaufgabe indes nicht mit [X.] abgegeben werden (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]-Urteil in [X.]/NV 2005, 1997, m.w.[X.]). Bezieht sich die Aufgabeerklärung auf einen in der Vergangenheit liegenden [X.]punkt, teilt der Steuerpflichtige dem [X.] mit, er habe seinen Betrieb zu einem früheren [X.]punkt als dem, in dem seine [X.]itteilung dem [X.] zugeht, aufgegeben. Hierbei handelt es sich --jedenfalls primär-- um die Äußerung einer Rechtsansicht (vgl. z.B. Senatsurteil vom 17. April 2002 [X.], [X.]E 199, 124, [X.] 2002, 527, unter [X.]). Dies gilt nicht nur, wenn der Steuerpflichtige auf einen [X.]punkt in der Vergangenheit verweist, zu dem seiner Ansicht nach eine zwangsweise Betriebsaufgabe stattgefunden hat (z.B. [X.]-Urteil vom 25. Januar 1996 IV R 19/94, [X.]/NV 1996, 600; Senatsurteil in [X.]E 199, 124, [X.] 2002, 527), sondern auch wenn er übersieht, dass er die steuerrechtliche Gestaltungserklärung "Erklärung der Betriebsaufgabe" nicht mit [X.] abgeben kann ([X.]-Urteil in [X.]/NV 2005, 1997). Es ist in so einem Fall im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob sich der Steuerpflichtige auf die Äußerung einer Rechtsansicht beschränken wollte oder tatsächlich den Willen hatte, hilfsweise die Aufgabe für den [X.]punkt des Zugangs der Erklärung abzugeben (vgl. [X.]-Entscheidungen vom 13. September 1990 IV R 60/90, [X.]/NV 1991, 297; in [X.]/NV 1996, 600; in [X.]/NV 2005, 1997, unter 1.a; zur Wirksamkeit einer auf einen früheren [X.]punkt bezogenen Aufgabeerklärung mit Zugang gemäß § 16 Abs. 3b Satz 3 EStG i.d.[X.] 2011, [X.], 2131, vgl. z.B. [X.], [X.] 2011, 1023; Kulosa in [X.]/ [X.]/[X.], § 16 EStG Rz 676).

b) Die von der Klägerin abgegebene Erklärung ist auslegungsbedürftig. Eine auf den Veranlagungszeitraum 1998 zurückwirkende Aufgabe der bislang verpachteten Apotheken konnte sie bei Abgabe ihrer Einkommensteuerklärung 1998 im September 2000 nicht mehr erklären. Sie hat aber auch nicht ausdrücklich geäußert, dass die Aufgabe der Apotheken unabhängig von der Einbettung in die Einkommensteuererklärung 1998 in jedem Fall, also auch mit Wirkung für September 2000, erklärt werden sollte.

c) Im Streitfall entspricht die Auslegung des [X.] nicht den anerkannten Auslegungsgrundsätzen und entfaltet für den Senat deshalb ausnahmsweise keine Bindungswirkung i.S. des § 118 Abs. 2 [X.]O.

aa) Das [X.] hat maßgeblich darauf abgestellt, aus dem von der Klägerin [X.], ihrem Gesamtverhalten und allen Nebenumständen sei aus Sicht des [X.] hervorgegangen, dass es ihr um die endgültige Entnahme der [X.] sowie der Y-Apotheke und nicht lediglich um einen Hinweis des Inhalts gegangen sei, es sei bereits in der Vergangenheit bei den Rechtsvorgängern zu einer zwangsweisen Betriebsaufgabe gekommen.

bb) Diese Würdigung wäre zwar zutreffend, wenn man die Betriebsaufgabe auf einen [X.]punkt im Veranlagungszeitraum 1998 beziehen würde. Insbesondere hat der Senat keine Zweifel daran, dass die Erklärung der Entnahme klar und eindeutig auf die Aufgabe der beiden verpachteten Apotheken gerichtet war.

cc) Entgegen der Ansicht des [X.] kann aus der Einkommensteuererklärung 1998 aber nicht (auch) auf eine Betriebsaufgabeerklärung auf den 22. September 2000, dem [X.]punkt des Zugangs der Steuererklärung beim [X.], geschlossen werden.

(1) Das [X.] ist zunächst in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, angesichts der Einkleidung in die Einkommensteuererklärung 1998 und der Erklärung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das gesamte [X.] habe die Aufgabeerklärung auf den Beginn des Jahres 1998 abgezielt. Es war jedoch weiter der Ansicht, die Angaben in der Steuererklärung 1998 hätten aus Sicht des [X.] erkennen lassen, dass die beiden verpachteten Apotheken auf jeden Fall entwidmet sein sollten. Das [X.] habe keinen Anhaltspunkt für eine Auslegung in der Weise gehabt, dass bei nicht eintretender Rückwirkung keine Entwidmung habe stattfinden sollen.

(2) Diese Würdigung hält einer Nachprüfung nicht stand. Wie das [X.] selbst ausführt, zielte die Erklärung der Klägerin ersichtlich auf einen [X.]punkt im [X.] ab. Dies war aber im September 2000 nicht mehr möglich. Gerade deshalb kann nicht geschlossen werden, die Aufgabe der gewerblichen Unternehmen "Verpachtung der [X.]" und "Verpachtung der Y-Apotheke" solle dem erklärten Willen entgegen auf jeden Fall, ggf. also zum 22. September 2000 erfolgen. Dies ergibt sich --entgegen der Auffassung des [X.]-- gerade nicht aus dem Fehlen von Anhaltspunkten dahingehend, dass bei nicht eintretender Rückwirkung keine Entwidmung habe stattfinden sollen. Das [X.] hätte vielmehr positive Umstände feststellen müssen, aus denen auf einen hilfsweise fortbestehenden Willen der Klägerin zur Realisierung der stillen Reserven auch noch im September 2000 geschlossen werden könnte. Zudem hat das [X.] bei seiner Auslegung nicht bedacht, dass zum Jahresende 1998 die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen i.S. des § 16 EStG mit einem ermäßigten (halben) Steuersatz entfiel und die [X.] ab dem Folgejahr eingeführt wurde. Diese einschneidende Rechtsänderung war ein gewichtiger Umstand, den das [X.] zur Erforschung des wirklichen Willens der Klägerin hätte heranziehen müssen. Da es dies nicht getan hat, hat es anerkannte Auslegungsgrundsätze verletzt.

d) Zwar gehört die Auslegung einer Aufgabeerklärung zu den vom [X.] zu treffenden tatsächlichen Feststellungen, so dass der [X.] als Revisionsgericht die Auslegung grundsätzlich nicht selbst vornehmen darf. Sind --wie im [X.] die anerkannten Auslegungsregeln aber verletzt, so kann das Revisionsgericht, soweit weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr erforderlich sind, Erklärungen selbst auslegen ([X.]-Urteil vom 22. November 1994 VIII R 44/92, [X.]E 176, 138, [X.] 1995, 900, unter [X.]).

Im Streitfall war der Wille der Klägerin aus den unter c) genannten Gründen nicht auf eine Erklärung der Betriebsaufgabe der [X.] und der Y-Apotheke (auch) im [X.]punkt des Eingangs ihrer Einkommensteuererklärung 1998 beim [X.] am 22. September 2000 gerichtet.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

X R 16/10

03.04.2014

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 22. Januar 2009, Az: 5 K 2744/07, Urteil

§ 16 Abs 3 EStG 1997, § 22 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.04.2014, Az. X R 16/10 (REWIS RS 2014, 6549)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6549

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