Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.01.2012, Az. VII ZB 60/09

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9759

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 60/09

vom

26. Januar 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 2; [X.] §§ 20, 22
Einer [X.], die zur notwendigen Wahrnehmung von Terminen (hier: Gerichts-
und Ortstermine) bezahlten Urlaub genommen hat, steht kein Anspruch auf Verdienstaus-fallentschädigung nach §
91 Abs.
1 Satz
2 ZPO i.V.m. §
22 [X.], sondern nur ein Anspruch auf [X.]entschädigung gemäß §
20 [X.] zu.
[X.], Beschluss vom 26. Januar 2012 -
VII ZB 60/09 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der
VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat am 26.
Januar 2012 durch [X.]
Dr.
[X.] und [X.], Dr.
Eick,
[X.] und Prof.
Leupertz
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde
der
Beklagten gegen den Beschluss
des 5.
Zivilsenats des
Oberlandesgerichts [X.] vom 4.
Mai
2009 wird
zurückgewiesen.
Die
Beklagten haben die Kosten des [X.] zu tragen.

Gründe:
I.

Die Beklagten begehren
im Kostenfestsetzungsverfahren Verdienstaus-fallentschädigung nach §
91 Abs.
1 Satz
2 ZPO i.V.m. §
22 [X.] für die [X.] von Gerichts-
und [X.].
Im
zugrunde liegenden Rechtsstreit, in dem die Klägerin restlichen [X.] für ihre Arbeiten an dem Neubauvorhaben der Beklagten geltend gemacht hat, haben am 8.
März
2006, 18.
September
2006 und 10.
März
2008 Gerichts-termine stattgefunden, wobei hinsichtlich der ersten beiden Termine das per-sönliche Erscheinen der Beklagten angeordnet worden ist. Weiterhin haben am 7.
März
2007, 18.
September
2007 und 3.
Oktober
2007 Ortstermine mit dem 1
2
-
3
-
gerichtlich bestellten Sachverständigen stattgefunden. Die Beklagten
waren zu allen Terminen persönlich erschienen und hatten sich nach ihrem Vortrag [X.] jeweils einen Tag (bezahlten) Urlaub genommen.
Nachdem die Klage ab-gewiesen worden ist, haben die Beklagten im nachfolgenden Kostenfestset-zungsverfahren für die Wahrnehmung von den Gerichts-
und [X.] un-ter anderem Verdienstausfallentschädigung mit einem Stundensatz von 17

§
91 Abs.
1 Satz
2 ZPO i.V.m. §
22 [X.] geltend gemacht. Die Rechtspflegerin des [X.] hat die begehrte Verdienstausfallent-schädigung abgelehnt und stattdessen jeweils eine [X.] gemäß §
20 [X.] mit einem Stundensatz von 3

gesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der
Beklagten hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen sie ihr Begehren weiter.

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO statthafte und auch im Übrigen
zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Das Beschwerdegericht lehnt eine Verdienstausfallentschädigung mit der Begründung
ab, ein Arbeitnehmer erleide bei bezahltem Urlaub -
anders als im Fall des unbezahlten Urlaubs, bei dem ein Verdienstausfall immer gegeben sei
-
keinen Verdienstausfall, weil er seinen Lohn bzw. sein Gehalt während des Urlaubs weiter erhalte. Die
"Zweckentfremdung"
von bezahltem und für die Er-holung zum Erhalt der Arbeitskraft bestimmtem Urlaub für die Wahrnehmung eines Termins sei zwar für sich genommen ein Nachteil, der unter allgemeinen Gesichtspunkten des Schadensersatzrechts ausgleichsfähig sei. Im Rahmen der Anwendung des [X.] gehe es jedoch nicht um Schadensersatz, sondern nur um den im Gesetz besonders geregelten Ausgleich bestimmter Nachteile 3
4
-
4
-
wegen der Heranziehung als Zeuge. Dem während seines bezahlten Urlaubs herangezogenen Zeugen
könne nach der überwiegend vertretenen Auffassung lediglich eine [X.]entschädigung nach §
20 [X.] gewährt werden.
Diese Grundsätze seien gemäß §
91 Abs.
1 Satz
2 ZPO auch auf die Entschä-digung von [X.]en für die durch notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene [X.] anzuwenden.
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.
Einer [X.], die zur notwendigen Wahrnehmung von Terminen bezahl-ten Urlaub genommen hat, steht kein Anspruch auf Verdienstausfallentschädi-gung nach §
91 Abs.
1 Satz
2 ZPO i.V.m. §
22 [X.], sondern nur auf [X.] gemäß §
20 [X.] zu.
a) Die
Frage,
ob eine erstattungsberechtigte [X.], die zur Wahrneh-mung von gerichtlichen Terminen bezahlten Urlaub genommen hat, Entschädi-gung für Verdienstausfall oder nur für [X.] erhält, ist in Rechtspre-chung und Literatur umstritten. Während die überwiegend vertretene Ansicht nur eine [X.]entschädigung anerkennt (vgl. [X.], [X.] 1997, 1070
f.;
OLG [X.], [X.] 1992, 123
[Zeugenentschädigung]; [X.], [X.] 1992, 686 und 813; [X.], [X.] 1991, 545
f.; [X.], Rpfleger 1991, 266
f.; [X.], [X.] 1986, 328
f.; KG,
[X.] 1983, 738
ff.; [X.], [X.] 1983, 1180
f.; [X.], [X.] 1981, 163; [X.], [X.] 1973, 349
ff.; [X.]/[X.]/
[X.]/[X.], GKG etc., 2.
Aufl., §
22 [X.] Rn.
3; [X.],
[X.], 38.
Aufl., §
22 [X.] Rn.
19
f.; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 25.
Aufl., §
22 Rn.
22.20; [X.], [X.], 1.
Aufl., §
22 Rn.
26;
[X.], [X.], 1.
Aufl., §
22 Rn.
6
ff.; [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
91 Rn.
13 "[X.]"), hält die Gegenansicht die Gewährung einer Ver-5
6
7
-
5
-
dienstausfallentschädigung für gerechtfertigt (vgl. [X.], Die Justiz 1987, 156; [X.], [X.] 1982, 107
f.; [X.], [X.] 1981, 1700
ff.; [X.], [X.] 1993, 89; [X.], Rpfleger 1995, 127).
b) Zu Recht hat sich das Beschwerdegericht der erstgenannten Meinung angeschlossen.
aa) Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen ist der Wortlaut von §
22 [X.]. Diese Vorschrift ist auf den Anspruch einer
erstattungsberechtigten
[X.] entsprechend anwendbar, weil die Verweisung in §
91 Abs.
1 Satz
2 ZPO entgegen
ihrem Wortlaut
nicht nur die "[X.]" nach §
20 [X.], [X.] auch den "Verdienstausfall"
nach §
22 [X.] umfasst (dazu [X.], [X.] vom 2.
Dezember
2008 -
VI
ZB
63/07, [X.] 2009, 230, 231; [X.], [X.], 270, 275).

Entsprechend §
22 [X.] erhalten [X.]en, "denen ein Verdienstausfall entsteht", eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst richtet und die für jede Stunde höchstens 17

setzt damit einen tatsächlich entstandenen Verdienstausfall voraus, woran es im Fall des bezahlten Urlaubs fehlt, weil die [X.] während dieses Zeitraums ihren Lohn bzw. ihr Gehalt ungeschmälert weiter
erhält
([X.], [X.], 1.
Aufl., §
22 Rn.
8).
Tritt ein Verdienstausfall nicht ein, kommt folglich nur eine [X.]entschädigung nach §
20 [X.] in Betracht.
bb) Dies entspricht auch der Gesetzesbegründung zu §§
20, 22 [X.], die auf die früher für die Zeugenentschädigung geltenden Regelungen in §
2 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen ([X.]) verweist (BT-Drucks.
15/1971, S.
185
f.). Den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift wiederum ist
zu entnehmen, dass ein Zeuge für seinen [X.] nur dann entschädigt wird, wenn er einen solchen tatsächlich erlit-8
9
10
11
-
6
-
ten hat (vgl. BT-Drucks.
2/2545, [X.]; BT-Drucks.
10/5113, S.
58). Auch vor der Einführung des [X.] hat
nichts anderes gegolten. Bereits in der [X.] für die bis dahin geltende Gebührenordnung für Zeugen und Sachver-ständige (nachgewiesen in [X.], [X.] Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige, 8.
Aufl. [1934], §
2 Rn.
8, 11)
wurde ausgeführt,
dass die Erwerbsversäumnis
bei der Bemessung der Zeugenentschädigung
nur
dann berücksichtigt wird, wenn sie tatsächlich angefallen ist.
cc) Es besteht kein Anlass, §
22 [X.] über dessen Wortlaut
hinaus da-hingehend erweiternd auszulegen, dass dieser auch dann eine Verdienstaus-fallentschädigung ermöglicht, wenn ein Verdienstausfall -
wie
im Fall des be-zahlten Urlaubs
-
tatsächlich nicht eintritt.
(1) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine solche Aus-legung nicht schon deshalb geboten, weil die nutzlos aufgewendete Urlaubszeit unter schadensersatzrechtlichen Gesichtspunkten als ausgleichspflichtiger Vermögensschaden -
vgl. z.B. §
651f Abs.
2 BGB
-
anerkannt ist.

Das Entschädigungssystem des [X.] kann nach seinem Sinn und Zweck nicht mit einer Schadensersatzregelung gleichgestellt werden
(vgl. [X.],
[X.] 1991, 545
f.;
[X.], [X.] 1986, 328
f.; OLG
München, [X.] 1973, 349, 350 -
jeweils noch zum [X.]). Der Gesetzgeber erstrebt keinen vollen Ausgleich des an einem Verfahren teilnehmenden [X.]; dieser erfüllt mit seiner Teilnahme am Termin
vielmehr eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht und erhält dafür aus Billigkeitsgründen eine Entschädi-gung
für die ihm erwachsenen Nachteile (BT-Drucks.
2/2545, S.
213). Daher begrenzt das [X.] den Verdienstausfall auf einen Höchstbetrag, der jedenfalls für die weniger verdienenden Arbeitnehmer einen vollen Ausgleich ermöglichen soll (BT-Drucks.
15/1971, S.
186), und mutet damit zugleich einem großen Teil 12
13
14
-
7
-
der Zeugen aus staatsbürgerlicher Verpflichtung einen Verdienstausfall zu (vgl. [X.], [X.] 1981, 163,
noch zum [X.]).
Diese Beschränkungen
des Entschädigungsanspruchs sind im Rahmen der entsprechenden Anwendung auf notwendige [X.]en einer Prozesspartei nach §
91 Abs.
1 Satz
2 ZPO ebenfalls zu beachten.
(2)
Soweit
darauf hingewiesen wird,
[X.]en und Zeugen, die sich zur [X.] bezahlten Urlaub genommen hätten, müssten im Rah-men von § 22 [X.] so entschädigt werden, dass sie sich davon in gleichem Umfang Freizeit in Form von unbezahltem Urlaub "erkaufen" könnten (vgl.
[X.], [X.] 1982, 107, 108; [X.], [X.] 1981, 1700, 1701; [X.], Rpfleger 1995, 127 -
jeweils noch zum [X.]), rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Bei dieser allein auf [X.] gestützten Aus-legung geht es letztlich
nicht mehr um einen Ausgleich für tatsächlich eingetre-tenen Verdienstausfall, sondern um den Ersatz für verbrauchte Urlaubszeit ([X.], [X.], 1.
Aufl., §
22 Rn.
10). Der Ausgleich eines solchen "fikti-ven" Verdienstausfalls ist weder mit dem Gesetzeswortlaut (vgl. KG, [X.] 1983, 738, 740; [X.], [X.] 1981, 163; [X.], [X.], 1.
Aufl., §
22 Rn.
10)
noch mit dem bereits dargestellten Gesetzgeberwillen zu vereinba-ren.

15
-
8
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs. 1 ZPO.

[X.]
[X.]
Eick

[X.]

Leupertz
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.12.2008 -
3 [X.]/06 -

OLG [X.], Entscheidung vom 04.05.2009 -
5 W 27/09 -

16

Meta

VII ZB 60/09

26.01.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.01.2012, Az. VII ZB 60/09 (REWIS RS 2012, 9759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9759

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZB 60/09

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