Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2010, Az. 2 StR 399/10

2. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1320

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 399/10 vom 17. November 2010 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja ________________________ StGB § 306a Abs. 2 Ist das "Gebäude" im Sinne von §§ 306a Abs. 2, 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB im Einzelfall zugleich ein "Wohngebäude", dann müssen zur Vollendung des Auffangtatbestands der schweren Brandstiftung nicht notwendigerweise auch Wohnräume von der teil-weisen Zerstörung durch Brandlegung betroffen sein. [X.], [X.]. vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10 - [X.] in der Strafsache gegen wegen schwerer Brandstiftung - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 17. November 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am [X.] Prof. Dr. [X.], [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.]in am [X.] Dr. [X.], Oberstaatsanwältin beim [X.] als Vertreterin der [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Die Revision des Angeklagten gegen das [X.]eil des [X.] vom 15. April 2010 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dagegen rich-tet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das [X.] hat keinen Erfolg. [X.] Nach den Feststellungen des [X.]s leidet der Angeklagte unter Schizophrenie. Er setzte am 22. Oktober 2009 kurz nach 11.30 Uhr in einem Wohnblock in [X.] in zwei [X.]räumen auf dem Boden liegende Textilien und andere herumliegende Gegenstände in Brand. Er wusste, dass sich Mieter im Hause aufhielten, die durch Rauchentwicklung gefährdet oder verletzt werden konnten; dies nahm er jedoch billigend in Kauf. Er wollte das Gebäude [X.] teilweise zerstören. Tatsächlich kam es zur Verbrennung von Teilen der [X.]boxen und ihres Inhalts, zur Verschmorung von Stromleitungen im [X.], zur Zerstörung von [X.]türen und zur Verrußung von [X.]räumen. Dadurch entstand ein Sachschaden im Wert von mehr als 10.000 Euro. Acht Personen in den Wohnräumen des Hauses erlitten Rauchvergiftungen und mussten deswe-gen behandelt werden. Ein konkretes Motiv des Angeklagten bei der [X.] - 4 - gung konnte nicht festgestellt werden. Er litt aber zur Tatzeit nicht an Wahnvor-stellungen, sondern handelte möglicherweise zur Entlastung von inneren [X.]. In dieser Handlung hat das [X.] eine schwere Brandstiftung des Angeklagten in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in acht tateinheitli-chen Fällen gesehen. Es hat die §§ 306a Abs. 2, 306 Abs. 1 Nr. 1, 223 StGB angewendet. Eine weiter gehende Qualifikation nach § 306b Abs. 1 StGB we-gen Verursachung einer Gesundheitsbeschädigung bei einer großen Zahl von Menschen hat es nicht angenommen. Zugunsten des Angeklagten ist die [X.] von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit ge-mäß § 21 StGB ausgegangen. Seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat sie nicht angeordnet, weil die paranoide Schizophrenie mit Erfolg medikamentös behandelt werde. 3 Die Revision des Angeklagten beanstandet mit der Sachbeschwerde vor allem die Beweiswürdigung des [X.]s. 4 II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. 5 1. Die Beweiswürdigung des [X.]s ist bereits aus den vom Gene-ralbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. August 2010 genannten Gründen rechtsfehlerfrei. Die rechtliche Wertung des [X.]s ist im Er-gebnis zutreffend. 6 a) [X.] ist zu Recht vom Vorliegen einer schweren Brandstif-tung ausgegangen. § 306a Abs. 2 StGB greift ein, wenn ein Objekt im Sinne von § 306 Abs. 1 StGB in Brand gesetzt oder durch Brandlegung ganz oder teilweise zerstört wird und der Täter dadurch einen anderen Menschen in die 7 - 5 - Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt. Dies ist nach den Feststellungen geschehen. Durch Brandlegung wird die gänzliche oder teilweise Zerstörung des Ob-jektes verursacht, wenn diese auf einer tatbestandsrelevanten Handlung beruht. Es muss sich ein mit der Brandlegung typischerweise geschaffenes Risiko im [X.] verwirklicht haben, wozu auch Verrußungsschäden am Brandstiftungsobjekt zu zählen sind, wie sie hier vom Angeklagten verursacht wurden. Dadurch liegt im Einklang mit dem Wortlaut des Gesetzes auch ein teilweises Zerstören des Gebäudes vor. Der Normzweck gestattet hier ebenfalls die Anwendung von § 306a Abs. 2 StGB, obwohl für die Vollendung von § 306a Abs. 1 StGB für den Fall des Zerstörens eines Wohngebäudes vorauszusetzen ist, dass auch Wohnräume von der Zerstörungswirkung der Brandlegung betrof-fen sind. § 306a Abs. 2 StGB besitzt durch die Verweisung auf Objekte nach § 306 Abs. 1 StGB einen anderen Bezugspunkt als § 306a Abs. 1 StGB. Dies wirkt sich auf die Auslegung des Begriffes des teilweisen Zerstörens des [X.] aus. 8 Im Hinblick auf die hohe Strafdrohung des § 306a StGB muss nach der Rechtsprechung des [X.] ein "teilweises Zerstören" von Ge-wicht vorliegen (vgl. [X.], [X.]. vom 12. September 2002 - 4 [X.], [X.]St 48, 14, 19 f.; [X.]. vom 10. Januar 2007 - 5 [X.], [X.], 270; [X.]. vom 6. Mai 2008 - 4 StR 20/08, [X.], 519). Dies ist nur dann der Fall, wenn das Tatobjekt für eine nicht unbeträchtliche Zeit wenigstens für [X.] seiner Zweckbestimmungen unbrauchbar gemacht wird, ferner wenn ein für die ganze Sache nötiger Teil unbrauchbar wird oder wenn einzelne Bestand-teile der Sache, die für einen selbständigen Gebrauch bestimmt und eingerich-tet sind, vollständig vernichtet werden. Auch für die Qualifikation des § 306a Abs. 2 StGB ist diese einschränkende Auslegung des Merkmals des teilweisen 9 - 6 - Zerstörens von Gewicht vorauszusetzen; allerdings ist sie mit Blick auf die Be-zugsobjekte des § 306 Abs. 1 StGB rechtsgutsspezifisch zu verstehen. Einerseits ist der von § 306a Abs. 2 StGB in Bezug genommene Katalog der Brandstiftungsobjekte nach § 306 Abs. 1 StGB von demjenigen in § 306a Abs. 1 StGB qualitativ zu unterscheiden; andererseits nennt § 306a Abs. 2 StGB das zusätzliche Merkmal der Gefahr einer Gesundheitsschädigung für einen anderen Menschen. Lässt § 306a Abs. 1 StGB bereits die Verursachung einer abstrakten Gefahr für Leib oder Leben von Menschen im Einzelfall genü-gen, weil die teilweise Zerstörung u.a. von Wohngebäuden ein generell hohes Gefährdungspotenzial für Menschen einschließt, so wird in § 306a Abs. 2 StGB bei der teilweisen Zerstörung von Objekten, die nicht zum Wohnen oder zum ständigen Aufenthalt von Menschen bestimmt oder geeignet sind, zusätzlich eine konkrete Gefahr für die Gesundheit von Menschen vorausgesetzt [X.], StGB 58. Aufl. § 306a Rn. 10, 11). [X.] Zweck der [X.] ist es, auch bei [X.] mit geringeren Objektschäden, im Fall einer konkreten Gesundheitsgefährdung für Menschen dieselbe [X.] auszusprechen, wie sie in § 306a Abs. 1 StGB bereits für Fälle einer abs-trakten Gefährdung genannt wird (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 19 f.; 13/9064 [X.]). Ist das betroffene "Gebäude" im Sinne von § 306a Abs. 2 in Verbindung mit § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB zugleich ein "Wohngebäude", wie es der insoweit enger gefasste § 306a Abs. 1 StGB als Brandstiftungsobjekt voraussetzt, dann müssen zur Vollendung des Auffangtatbestands nicht notwendigerweise auch Wohnräume von der teilweisen Zerstörung durch Brandlegung betroffen sein. Es genügt hier, wenn ein anderer funktionaler Gebäudeteil, wie ein [X.]raum, für nicht unerhebliche Zeit nicht bestimmungsgemäß gebraucht werden kann, sofern durch die typischen Folgen der Brandlegung, wie Rauch- und Russent-wicklung, auch eine konkrete Gefährdung der Gesundheit eines Menschen ver-ursacht wird. 10 - 7 - Nach der Brandlegung in dem Wohnblock durch den Angeklagten [X.] mehrere [X.]räume durch Verrußung für nicht unerhebliche Zeit in dem bestimmungsgemäßen Zweck als Versorgungs- und Aufbewahrungsräume un-brauchbar. Die Stromleitungen mussten erneuert werden, die Russschäden waren zu beseitigen und die verbrannten [X.]türen zu ersetzen; der [X.] verursachte erhebliche Kosten. Der Senat entnimmt dem Gesamt-zusammenhang der Feststellungen, dass die Schadensbeseitigung nicht uner-hebliche Zeit in Anspruch nahm. Dieser [X.], zu dem eine konkrete Gefährdung von Menschen durch die Folgen der Brandlegung hinzukam, ge-nügt zur Anwendung von § 306a Abs. 2 StGB. 11 b) Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe tateinheitlich mit der schweren Brandstiftung eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB in acht tateinheitlichen Fällen begangen, ist rechtsfehlerfrei. 12 c) Auch soweit das [X.] einen Ausschluss der Unrechtseinsichts-fähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit gemäß § 20 StGB verneint hat, ist dies nicht zu beanstanden. Eine paranoide Schizophrenie führt nicht generell zum Ausschluss der Schuldfähigkeit. Dies ist zwar bei akuten Schüben in der Regel anzunehmen (vgl. Senat, [X.]. vom 24. März 1995 - 2 [X.], [X.], 405, 406; [X.], [X.]. vom 16. Januar 2003 - 1 [X.]). In lichten Mo-menten können aber Unrechtseinsicht und Steuerungsfähigkeit vorhanden ge-wesen sein. Das [X.] hat aufgrund der Einlassung des Angeklagten an-genommen, dass der Angeklagte nicht aufgrund von Wahnvorstellungen ge-handelt hat. Dagegen ist nichts zu erinnern. 13 - 8 - 2. Schließlich ist es im Ergebnis auch nicht zu beanstanden (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO), dass das sachverständig beratene [X.] keine Maßregel nach § 63 StGB angeordnet hat. Ob die Gefährlichkeit des Angeklag-ten nach erstmaliger Diagnose und medikamentöser Therapie der Schizophre-nie im Januar 2010 auszuschließen ist, kann offen bleiben. Jedenfalls ist ein Symptomzusammenhang zwischen der Erkrankung und der Brandlegung nicht festgestellt worden. 14 [X.] Appl [X.] [X.]

Meta

2 StR 399/10

17.11.2010

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.11.2010, Az. 2 StR 399/10 (REWIS RS 2010, 1320)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1320

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