Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2010, Az. 3 StR 390/10

3. Strafsenat | REWIS RS 2010, 1602

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafurteil wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern: Rechtsfehlerhafte Ablehnung einer Strafmilderung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. April 2010 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf eine Verfahrensbeanstandung und die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

2

Während die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.

3

Gegenstand der Verurteilung ist ein Missbrauchsgeschehen, das sich von 2001 bis zum 13. Mai 2008 hinzog und bei dem der Angeklagte jeweils  sexuelle Handlungen an seiner zu Anfang 7jährigen, am Ende 13jährigen leiblichen Tochter vornahm und dabei jeweils auch versuchte, mit dem Finger oder dem Glied vaginal in das Kind einzudringen. Das [X.] hat die Strafen für die zwölf Taten bis zum 31. März 2004 jeweils dem Strafrahmen des § 176a Abs. 1 StGB aF (Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr) und für die weiteren zwölf Taten jeweils dem Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB nF (Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren) entnommen. Dies erweist sich in zweifacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft.

4

Die Annahme von minder schweren Fällen hat das [X.] unter anderem mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe "rücksichtslos seine Autorität und das Vertrauen der Geschädigten sowie das der Zeugin S. B." (der Kindesmutter und Ehefrau) "ausgenutzt". Diese Wertung verstößt hier gegen § 46 Abs. 3 StGB. Zwar kann im Rahmen der Bestrafung wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes der Umstand, dass zwischen dem Täter und dem Opfer eine der besonderen Nähe- bzw. Vertrauenssituationen im Sinne von § 174 StGB bestand, die der Täter deshalb zusätzlich missbraucht hat, straferschwerend gewürdigt werden. Hier hat das [X.] indes dem Angeklagten unmittelbar danach auch die tateinheitliche Verwirklichung mehrerer Tatbestände, also auch des § 174 StGB, erschwerend zur Last gelegt.

5

Bei der Strafzumessung im Einzelnen hat das [X.] die Strafmilderung nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB abgelehnt und dies eingangs mit der vorangegangenen, teilweise rechtsfehlerhaften Gesamtwürdigung begründet. Zusätzlich hat es "bedacht, dass das Ausbleiben des Erfolgs nicht das Verdienst des Angeklagten war". Vielmehr sei es die Geschädigte gewesen, die durch ihre körperliche Gegenwehr verhindert hatte, dass der Angeklagte jeweils in sie eindringen konnte. Insoweit hat das [X.] verkannt, dass der Angeklagte nicht wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu bestrafen gewesen wäre, wenn die [X.] dieser Tatqualifikation "sein Verdienst" gewesen wäre, er also freiwillig die Ausführung der Taten aufgegeben hätte ([X.], Urteil vom 12. Juni 1985 - 3 [X.], [X.] 1985, 411 mwN; [X.], 12. Aufl., § 23 Rn. 31).

6

Es ist nicht auszuschließen, dass die Einzelstrafen von zwei Jahren bis zu zwei Jahren und neun Monaten sowie die unter Bezugnahme auf die übrigen Strafzumessungsgründe sowie "die inhaltliche Ähnlichkeit und zeitlichen Abstände der Taten" gebildete Gesamtstrafe auf diesen Fehlern beruhen. Eine Entscheidung nach § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO vermag der Senat nicht zu treffen. Die Strafe muss deshalb vom Tatrichter neu zugemessen werden.

[X.]

                     [X.]

Meta

3 StR 390/10

09.11.2010

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Krefeld, 30. April 2010, Az: 21 KLs 12/09, Urteil

§ 22 StGB, § 23 Abs 2 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 176a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2010, Az. 3 StR 390/10 (REWIS RS 2010, 1602)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1602

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 390/10 (Bundesgerichtshof)


3 StR 344/14 (Bundesgerichtshof)


3 StR 416/15 (Bundesgerichtshof)

Strafzumessung bei schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und/oder Schutzbefohlenen: Begründung bei Verhängung der gleichen Strafe …


3 StR 416/15 (Bundesgerichtshof)


3 StR 460/17 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern: Verwertbarkeit der Aussage eines zur Zeugnisverweigerung berechtigten Arztes


Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 98/23

3 StR 113/17

3 StR 113/17

3 StR 390/10

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.