Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2012, Az. 2 StR 199/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 3796

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
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StR 199/12
vom
21. August 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
versuchten Totschlags
u.a.

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Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. August 2012 ge-mäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20.
Dezember 2011 wird als unbegründet verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der [X.], des versuchten Totschlags in zwei [X.] jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie der gefährlichen Körperverletzung schuldig ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels sowie die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung und wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. 2 der Urteilsgründe) zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren ver-urteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und drei Monate als voll-streckt erklärt. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtferti-gung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Der Schuldspruch bedarf indes der aus der [X.] ersichtlichen Ände-rung.
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1. Das [X.] hat das Tatgeschehen im Fall II. 2 der Urteilsgründe als natürliche Handlungseinheit gewertet. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit liegt ei-ne Tat im sachlichrechtlichen Sinne nur dann vor, wenn mehrere, im [X.] gleichartige Handlungen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs so mitei-nander verbunden sind, dass sich das gesamte Tätigwerden (objektiv) auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches Geschehen darstellt (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.], 537; [X.]R StGB § 52 Abs.
1 Ent-schluss, einheitlicher 1; vgl. LK/[X.], StGB, 12. Aufl., vor § 52 Rn.
10 ff.). Richten sich die Handlungen des [X.] gegen höchstpersönliche Rechtsgüter der Opfer, wird die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sie liegt jedoch bereits nicht nahe (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., vor § 52 Rn. 7). Denn höchstpersönliche [X.] sind einer additiven Betrachtungsweise allenfalls in Ausnahmefällen zu-gänglich. Deshalb können solche Handlungen, die sich nacheinander gegen mehrere Personen richten, grundsätzlich weder durch ihre enge Aufeinander-folge noch durch einen einheitlichen Plan oder Vorsatz zu einer natürlichen Handlungseinheit und damit zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden. Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn ein einheitlicher Tatent-schluss gegeben ist und die Aufspaltung des Tatgeschehens in [X.] wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und räumlichen [X.], etwa bei Messerstichen oder Schüssen ohne
jegliche zeitliche Zä-sur, willkürlich und gekünstelt erschiene (vgl. [X.]R StGB §
232 Konkurrenzen 1; [X.], [X.], 82 mwN; StraFo 2012, 267; Urteil vom 23.
Mai 2012
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5 [X.]; LK/[X.], aaO, Rn. 14).

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b) Nach diesen Maßstäben können
die vorliegend gegen drei [X.] gerichteten Verletzungshandlungen des Angeklagten nicht zu einer ein-heitlichen Tat zusammengefasst werden. Nach den Feststellungen des Land-gerichts fühlte sich der Angeklagte zurückgesetzt, nachdem er von seinen Freunden davon abgehalten worden war, ein von ihm beabsichtigtes klärendes Gespräch mit dem [X.]

zu führen. Er lief deshalb nach einem
Gerangel zwischen seinen Freunden und mehreren Personen um den [X.]

, an dem er selbst nicht aktiv beteiligt war, mit vorgehaltener Pistole aus der Gruppe seiner Freunde heraus und schoss in Richtung einer Perso-nengruppe, die um den Geschädigten R.

und wenige Meter hinter H.

stand. Er traf R.

am Oberarm. Anschließend lief der Angeklagte auf H.

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zu und schoss diesem zielgerichtet in Bauch und Hals. Als nunmehr der mit einer Eisenstange bewaffnete Zeuge Ha.

auf den Angeklagten zurannte, um diesen von weiteren Schüssen auf H.

abzuhalten, entschloss sich der Angeklagte zur Flucht. Während des [X.] drehte er sich im Laufen um und gab drei Schüsse in Richtung des Oberkörpers des Geschädigten Ha.

ab, die diesen an beiden Armen und einem Bein trafen.

Auf der Grundlage dieses Geschehensablaufes, der insbesondere durch mehrere Tatentschlüsse des
Angeklagten gekennzeichnet ist, liegt keine der von der Rechtsprechung bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter mehre-rer Personen anerkannten Ausnahmen vor.

2. Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des §
354 Abs. 1 StPO selbst geändert, da ergänzende Feststellungen nicht zu er-warten sind. §
358 Abs. 2 StPO steht der Ergänzung des Schuldspruchs nicht entgegen, da er das Risiko einer Verschlechterung des Schuldspruchs nicht ausschließt (vgl. [X.]
NStZ 2011, 212, 213). Auch § 265 Abs. 1 StPO steht 4
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dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich insoweit nicht anders verteidi-gen können.

Die Änderung des Schuldspruchs erfordert nicht die Aufhebung des Strafausspruchs. Denn die vom [X.] bei der Bemessung der [X.] in den Vordergrund gestellten Belange eines gerechten Schuldausgleichs und erzieherischer Erfordernisse werden von der Schuldspruchänderung nicht berührt.

Fischer Appl

Berger

Eschelbach Ott
7

Meta

2 StR 199/12

21.08.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2012, Az. 2 StR 199/12 (REWIS RS 2012, 3796)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3796

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