Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2011, Az. IX ZR 100/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4989

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 100/10

Verkündet am:

7. Juli 2011

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 131 Abs. 1 Nr. 2
Die Frage der Inkongruenz von Verrechnungen im debitorischen Bankenkontokor-rent kann bei der Anfechtung von Rechtshandlungen innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor der [X.] für den gesamten Anfechtungszeit-raum nur einheitlich beantwortet werden. Wird das Kontokorrent nicht vorher ge-kündigt, läuft der [X.] bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
[X.], Urteil vom 7. Juli 2011 -
IX ZR 100/10 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
7.
Juli 2011 durch [X.]
Dr.
[X.],
[X.], Dr.
Pape, [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 2.
Zivilsenats des [X.] vom 27.
Mai 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 5.051,57

nebst anteiligen Zinsen abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten
des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des [X.] wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Schuldnerin nahm vor
Stellung eines Eigenantrags bei der beklagten Sparkasse ungekündigten Überziehungskredit in Anspruch, dessen Betrags-grenze bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 28.
November 2005
nicht überschritten wurde. Im dritten Monat vor der Antragstellung verringerte sich die Überziehung um 5.862,02

z-ten Monat erhöhte sie sich wieder um 63.185,33

iner Klage verlangt der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin den [X.]
-
3
-
betrag des Überziehungskredits
aus dem zweiten und dritten Monat vor An-tragsstellung von zusammen 68.236,90

Mit diesem Antrag ist der Kläger in beiden Tatsacheninstanzen [X.]. Eingeschlossen darin war der Betrag von 5.051,57

r-öffnung als Kreditrückführung verblieb. Mit der vom Berufungsgericht zugelas-senen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag mit Haupt-
und Hilfsbegrün-dung weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nur zum kleineren Teil begründet und die Sache in [X.] Umfang noch nicht zur Endentscheidung reif.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 1287
ff (mit Anmerkung Stiller, aaO 2011, 87
f) abgedruckt ist, hat angenommen, die von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen im
Bankkontokorrent
seien kongruent und als Bargeschäft der Anfechtung entzogen. Anders liege es nur bei dem Betrag von 5.051,57

das Kontokorrent innerhalb der gesetz-lichen Dreimonatsfrist insgesamt zurückgeführt worden sei. Dieser [X.] sei mit der Klage aber nicht erhoben worden. Dagegen wendet sich die Revision mit Sach-
und Verfahrensrügen. Mit Ausnahme des letztgenannten Punktes hat sie keinen Erfolg.

2
3
4
-
4
-
II.

Mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht die Einstellung der Gutschriften in das Sparkassenkontokorrent und die Verrechnungen der Beklagten innerhalb des [X.] nicht als nach §
131 Abs.
1 [X.] inkon-gruent gewertet.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist die bankmäßige Verrechnung von Gutschriften im ungekündigten Kontokorrent mit Überziehungskredit insoweit kongruent, als die Bank erneute Verfügungen des Schuldners über diese Deckungsmasse zugelassen hat. Die Kongruenzfrage kann hierbei innerhalb des [X.]s für den gleichen Betrag nur einheitlich beantwortet werden ([X.], Urteil vom 7.
März 2002 -
IX
ZR 223/01, [X.]Z
150, 122, 133 letzter Absatz der Entscheidung; Beschluss vom 6.
April 2006 -
IX
ZR 107/05, juris Rn.
9; Urteil vom 15.
November 2007 -
IX
ZR 212/06, NZI
2008, 184 Rn.
17; zur Möglichkeit betragsmäßiger Abspaltungen siehe auch [X.], FS [X.] 2008 S.
267, 275). Demgegenüber führt die Ver-rechnung in kritischer Zeit eingehender Zahlungen, denen keine Belastungsbu-chungen gegenüberstehen, bei ungekündigtem Überziehungskredit wegen der damit verbundenen Kredittilgung zu einer inkongruenten Deckung, weil die Er-füllung des Rückzahlungsanspruchs noch nicht verlangt werden kann ([X.], Urteil vom 11.
Oktober 2007 -
IX
ZR 195/04, NZI
2008, 175 Rn.
6; vom 7.
Mai 2009 -
IX
ZR 140/08, NZI
2009, 436
Rn.
8
f.).

2. Von den genannten Grundsätzen geht auch die Revision aus. Sie [X.] indes, als [X.] im Sinne dieser Rechtsprechung sei entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht der gesetzliche Zeitrahmen der besonderen
Insolvenzanfechtung zu verstehen, sondern die zeitlichen 5
6
7
-
5
-
Grenzen der Anfechtungstatbestände des §
131 Abs.
1 Nr.
1 [X.] einerseits -
der letzte Monat vor der Antragstellung und die Zeit danach
-
und der §
131 Abs.
1 Nr.
2 und 3 [X.] andererseits
-
der zweite und dritte Monate vor dem Eröffnungsantrag. Das ist rechtlich nicht richtig.

3. Der Senat hat allerdings für die Anfechtung nach §
131 Abs.
1 Nr.
1 [X.] die Prüfung der Gläubigerbenachteiligung und der Kongruenz der sie be-wirkenden Kontokorrentverrechnungen auf den
hier maßgebenden [X.] -
den
letzten Monat vor der Antragstellung oder die Zeit danach
-
be-schränkt
([X.], Urteil vom 15. November 2007 aaO Rn.
17). Denn eine voran-gegangene Rechtshandlung oder Gläubigerbenachteiligung ist für diesen An-fechtungstatbestand ohne Bedeutung. Werden Rechtshandlungen dagegen nach §
131 Abs.
1 Nr.
2 oder 3 [X.] angefochten, kann eine drohende Inkon-gruenz von Verrechnungen
durch die Weiterentwicklung des [X.] im letzten Monat vor der Antragstellung oder danach noch behoben werden. Eine Gläubigerbenachteiligung wäre nicht mehr gemäß §
131 Abs.
1 Nr.
2 oder 3, §
143 Abs.
1 [X.] wegen inkongruenter Deckung zu beseitigen, wenn das Kon-tokorrent zur [X.] oder der Verfahrenseröffnung einen ebenso hohen oder höheren [X.] aufgewiesen hätte wie zu Beginn des [X.]. Bis dahin fehlt es für die [X.] an einem abge-schlossenen Gläubigerverhalten. Die Frage des [X.] nach §
142 [X.] und der hierbei vorausgesetzte zeitliche Zusammenhang der Kontobewegun-gen spielt für die Kongruenzbeurteilung keine Rolle. Denn das Bargeschäft ist erst zu prüfen, wenn es auf die Gläubigerbenachteiligung einer kongruenten Deckung ankommt.
Ein Analogieschluss, die zeitliche Deckung
müsse sich in den Fällen des §
131 Abs.
1 Nr.
2 und 3 [X.] genauso ergeben
wie nach §
131 Abs.
1 Nr.
1 [X.], widerspricht dem Sinn des Gesetzes.

8
-
6
-

Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass die von Klage und [X.] vertretene Gesetzesauslegung willkürlichen Ergebnissen Tür und [X.] öffnen würde. Ebenso wie der höchste zwischenzeitliche Sollstand bei der besonderen Insolvenzanfechtung von Verrechnungen im Bankenkontokorrent innerhalb des [X.]s außer Betracht zu bleiben hat ([X.],
Urteil
vom 15.
No-vember 2007
aaO
Rn.
16
f.; Beschluss vom 27.
März 2008 -
IX
ZR 29/07, juris
Rn.
4), so gilt dies auch für den niedrigsten erreichten Zwischenstand.

4. Weil die Beklagte in Höhe von 63.185,33

erlangt hat, ist die allein auf §
131 Abs.
1 Nr.
2 [X.] gestützte Klage, Voraus-setzungen des §
130 [X.] sind nicht vorgetragen, in diesem Umfang nebst der darauf entfallenden
Zinsen unbegründet.

III.

Fehlerhaft ist das Berufungsurteil, soweit es die Klage darüber hinaus in vollem Umfang abgewiesen
hat, weil der Kläger angeblich
die inkongruente Kreditrückführung von 5.051,57

geltend gemacht habe. Das [X.] hat diese Hilfsbegründung als [X.] auch wegen Verjährung nach §
146 [X.] abgewiesen. Beides trifft nicht zu.

Ein selbständig [X.] in Höhe von 5.051,57

schon deshalb nicht vor, weil er nicht auf die Beseitigung einer anderen Gläubi-gerbenachteiligung gerichtet ist als die vom Kläger sonst erstrebte Verurteilung. Da insoweit die nach §
131 Abs.
1 Nr.
2 [X.] zur Schlüssigkeit führenden [X.] vorgetragen sind, ist die Klage auch hierauf gestützt. In der Sache 9
10
11
12
-
7
-
selbst ist der Rechtsstreit in diesem Umfang noch nicht spruchreif, weil [X.] zur streitigen Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im [X.] fehlen.

[X.]
Raebel
Pape

[X.]
Möhring
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.06.2009 -
3 [X.]/08 -

O[X.], Entscheidung vom 27.05.2010 -
2 U 907/09 -

Meta

IX ZR 100/10

07.07.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.07.2011, Az. IX ZR 100/10 (REWIS RS 2011, 4989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4989

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 100/10 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzanfechtung: Anfechtungszeitraum bei Inkongruenz von Verrechnungen im debitorischen Bankenkontokorrent vor dem Insolvenzantrag


IX ZR 140/08 (Bundesgerichtshof)


27 U 34/01 (Oberlandesgericht Hamm)


2 U 76/04 (Oberlandesgericht Köln)


IX ZR 195/04 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZR 100/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.