Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2010, Az. 1 StR 424/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 2570

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 [X.] vom 7. Oktober 2010 [X.]St: nein [X.]R: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ___________________________ StGB § 266a Abs. 1 StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei der Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt [X.]. § 266a Abs. 1 StGB in Fällen der [X.] ordnungsgemäß angemeldeter Sozial-versicherungsbeiträge. [X.], Beschluss vom 7. Oktober 2010 - 1 [X.] - [X.] in der Strafsache gegen wegen Untreue u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 7. Oktober 2010 beschlossen: 1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäu-mung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 23. April 2010 Wiedereinset-zung in den vorigen Stand gewährt. Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte. Damit ist der Beschluss des [X.] vom 7. Juli 2010, mit dem die Revision des Angeklagten als unzu-lässig verworfen worden ist, gegenstandslos. 2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tra-gen. Ergänzend bemerkt der Senat: In den [X.] 2. Taten 1 - 19 der Urteilsgründe hat das [X.] den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 StGB verurteilt, da er als verantwortlicher Geschäftsfüh-rer der [X.] unterlassen hatte, die jeweils fälligen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung an die zuständige Einzugsstelle abzuführen. - 3 - Für Fälle der vorliegenden Art - und so auch hier - ist typisch, dass der Arbeitgeber die [X.]e für die ordnungsgemäß gemeldeten [X.] bei der zuständigen Krankenkasse einreicht und lediglich in der Folge die auf der Grundlage der [X.]e geschuldeten [X.] nicht zahlt. Tathandlung ist insoweit - anders in Fällen illegaler Beschäftigung, bei denen der Arbeitgeber die von ihm beschäftigten [X.] nicht oder nicht in richtigem Umfang meldet - die schlichte [X.] der geschuldeten Beiträge; weitere Unrechtselemente enthält das [X.] in diesen Fällen nicht (Fischer StGB 57. Aufl. § 266a Rn. 10). Für Fälle dieser Art besteht - soweit die Taten nach dem 1. April 2003 datieren - nach Auffassung des Senats entgegen früherer Rechtsprechung (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Dezember 1991 - 1 StR 496/91, [X.], 145; [X.] vom 4. März 1993 - 1 StR 16/93, [X.], 364; Beschluss vom 22. März 2004 - 1 StR 31/94, [X.], 193; Urteil vom 20. März 1996 - 2 StR 4/96, [X.], 543) grundsätzlich kein Anlass dafür, im Urteil um-fangreiche Feststellungen über die Anzahl der Beschäftigten, deren Beschäfti-gungszeiten, das zu zahlende Arbeitsentgelt und zur Höhe des Beitragssatzes der zuständigen Krankenkasse zu treffen. Vielmehr bedarf es in solchen Fällen - anders als in Fällen illegaler Beschäftigungsverhältnisse (vgl. insoweit [X.], Urteil vom 11. August 2010 - 1 [X.]) - neben den Feststellungen, aus denen sich die Arbeitgeberstellung des [X.] und - daraus folgend - die [X.] obliegenden Meldepflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern ergeben, in der Regel lediglich der Feststellung der Höhe der vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge und der darin enthaltenen Arbeitnehmeran-teile, der durch das Vorenthalten geschädigten Krankenkasse sowie der [X.], in denen die Arbeitnehmeranteile vorenthalten wurden. - 4 - Weitergehende Feststellungen waren nach der bis zum 31. März 2003 geltenden Rechtslage insbesondere deshalb erforderlich, um ausschließen zu können, dass zu den Arbeitnehmern geringfügig Beschäftigte [X.]. § 8 [X.] zählten (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Dezember 1991 - 1 StR 496/91, [X.], 145; Beschluss vom 4. März 1993 - 1 StR 16/93, [X.], 364; [X.] vom 22. März 2004 - 1 StR 31/94, [X.], 193; Urteil vom 20. März 1996 - 2 StR 4/96, [X.], 543), für die allein Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung anfallen, deren Nichtabführen nicht gemäß § 266a Abs. 1 StGB strafbar ist (vgl. [X.], Urteil vom 20. März 1996 - 2 StR 4/96, [X.], 543 mwN). Durch Art. 2 Nr. 14 des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 ([X.] I, 4621, 4625) wurde indes § 28i [X.] mit Wirkung vom 1. April 2003 (vgl. Art. 17 Abs. 1a des [X.] am Arbeitsmarkt) dahingehend erweitert, dass bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen [X.]. § 8 [X.] ausschließlich die [X.] (nunmehr [X.]) als Träger der Rentenversiche-rung zuständige Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge ist (§ 28i Satz 5 [X.] nF). Vor diesem Hintergrund kann bei [X.], die zum Nachteil einer Krankenkasse vorenthalten wurden, ohne weite-re Feststellungen ausgeschlossen werden, dass sich darunter Beiträge für ge-ringfügige Beschäftigungsverhältnisse befinden. Auch zur Bestimmung der Höhe der vorenthaltenen Arbeitnehmeranteile - und somit zur Bestimmung des Schuldumfangs - sind in der Regel weiterge-hende Feststellungen als die vorgenannten nicht erforderlich. Denn nach § 28f Abs. 3 Satz 1 [X.] hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Höhe der [X.] Beiträge zur Sozialversicherung selbst zu berechnen und der [X.] 5 - stelle nachzuweisen (vgl. auch [X.] in [X.] Kommentar, [X.], § 28f [X.] Rn. 14). Dieser sog. [X.] gilt nach § 28f Abs. 3 Satz 3 [X.] für die Vollstre-ckung als Leistungsbescheid der Einzugsstelle und im Insolvenzverfahren als Dokument zur Glaubhaftmachung der Forderungen der Einzugsstelle. Er belegt somit die geschuldeten und demnach auch in der Regel die vorenthaltenen [X.]. Die Feststellung des im [X.] vom Ar-beitgeber nachgewiesenen Gesamtsozialversicherungsbetrags ermöglicht dem Revisionsgericht daher in hinreichendem Maße die Überprüfung des Urteils. Mit Feststellung des im [X.] vom Arbeitgeber nachgewiesenen [X.] geht einher, dass die nachgewiesenen Beiträ-ge auf Grundlage der im jeweiligen Beitragsmonat tatsächlich geschuldeten [X.] unter Anwendung des maßgeblichen Beitragssatzes berechnet wurden. Lediglich dann, wenn mangels rechtzeitiger Einreichung der [X.] das für die Beitragsberechnung maßgebende Arbeitsentgelt nach § 28f Abs. 3 Satz 2 [X.] geschätzt wurde, oder wenn sich im konkreten Fall aus anderen Gründen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die im [X.] ausgewiesenen Sozialversicherungsbeiträge mit dem den Arbeitnehmern im jeweiligen Beitragsmonat geschuldeten Bruttoarbeitsentgelt nicht in Einklang zu bringen sind, besteht Anlass zu weitergehenden Feststellungen. In Fällen der vorliegenden Art kann sich aufgrund der vorgenannten Um-stände regelmäßig auch die Beweiswürdigung darauf beschränken, darzulegen, dass seitens des Arbeitgebers [X.]e eingereicht wurden, in denen die Sozialversicherungsbeiträge in der festgestellten Höhe ausgewiesen sind. Lediglich dann, wenn aufgrund der Einlassung des Angeklagten oder anderwei-tiger besonderer Umstände Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im [X.] ausgewiesenen Sozialversicherungsbeiträge nicht den tatsäch-- 6 - lich geschuldeten entsprechen, wird das Tatgericht gehalten sein, die getroffe-nen Feststellungen eingehender, z.B. unter Berücksichtigung der kaufmänni-schen Erfahrung des Arbeitgebers oder der Ergebnisse durchgeführter Be-triebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 [X.], zu belegen. Denn weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst ist es geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhalts-punkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 27. April 2010 - 1 [X.], [X.], 310 mwN). [X.] Elf [X.]

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1 StR 424/10

07.10.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2010, Az. 1 StR 424/10 (REWIS RS 2010, 2570)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2570

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1 StR 424/10

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