Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2017, Az. VI R 70/15

6. Senat | REWIS RS 2017, 6227

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Gegenstand

Hinweis des Finanzamts auf den Wegfall der Besteuerung nach Durchschnittssätzen - Voraussetzungen für Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen - Gesetzesauslegung - Grundsatz von Treu und Glauben - Grundsatz der Abschnittsbesteuerung


Leitsatz

1. Einer Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG bedarf es, wenn die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen zunächst vorgelegen haben und sodann in einem späteren Wirtschaftsjahr weggefallen sind. Dies gilt auch für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen aufgrund einer Gesetzesänderung entfallen sind (Anschluss an BFH-Urteil vom 29. März 2007 IV R 14/05, BFHE 217, 525, BStBl II 2007, 816).

2. Haben die Voraussetzungen zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen dagegen von Anfang an nicht vorgelegen, bedarf es auch dann keiner Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG, wenn das FA die Gewinnermittlung nach § 13a EStG jahrelang nicht beanstandet hat. Ein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen in den (vorübergehenden) Fortbestand der für ihn günstigen, aber fehlerhaften Verwaltungspraxis besteht nicht.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2014  5 K 2518/13 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und [X.] (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2011) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Die Klägerin erzielte u.a. aus einem im Nebenerwerb bewirtschafteten Weinbaubetrieb Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Die selbst bewirtschaftete, zugepachtete Weinbaufläche betrug 38,42 Ar. Eine landwirtschaftliche Nutzung darüber hinaus lag nicht vor (reiner Weinbaubetrieb). Wirtschaftsjahr für die Ermittlung der Einkünfte aus dem Weinbaubetrieb war der Zeitraum vom 1. Juli bis 30. Juni. Bis einschließlich für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 und ebenso noch für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 ermittelte die Klägerin ihren Gewinn nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

2

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beantragten die Kläger wie in den Vorjahren die Ermittlung des Gewinns der Klägerin nach Durchschnittssätzen und setzten in der Anlage L für die Wirtschaftsjahre 2010/2011 und 2011/2012 nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 EStG jeweils einen Gewinn in Höhe von 162 € an.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) ermittelte den Gewinn für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 demgegenüber im Wege der Schätzung nach § 4 Abs. 3 EStG und setzte die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Streitjahr mit 4.247 € an. Der Gewinn für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 wurde unter Heranziehung eines Erfahrungswerts an Traubengeldzahlungen von 25.000 € je Hektar --ha-- (anteilig 9.605 €) als Einnahmen sowie der amtlich ermittelten [X.] von 2.400 € je ha für 2011/2012 (anteilig 923 €) und der Pachtzahlungen in Höhe von ... € als Betriebsausgaben geschätzt.

4

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das [X.] ([X.]) statt. Zwar sei es unstreitig, dass der Gewinn aus dem Weinbaubetrieb der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 nach objektiver Rechtslage nicht nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG, sondern nach § 4 Abs. 3 EStG oder durch [X.] nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln sei. Das [X.] sei jedoch nach den Grundsätzen von [X.] und Glauben nicht berechtigt gewesen, rückwirkend für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 eine Gewinnermittlung nach allgemeinen Grundsätzen (§ 4 EStG) zu verlangen.

5

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

6

Es beantragt,
das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die [X.]evision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der [X.]echtssache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

1. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da sich während des [X.]evisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen [X.]echtmäßigkeit das [X.] zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 [X.]O). Das [X.] hat über den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 22. August 2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2013 entschieden. An dessen Stelle ist während des [X.]evisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 15. Dezember 2016 getreten, der nach § 121 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Damit liegt dem [X.]-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos geworden und aufzuheben (s. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 28. Mai 2015 IV [X.] 27/12, [X.], 544, [X.], 837). Da sich durch die Bescheidänderung hinsichtlich des streitigen Punkts keine Änderungen ergeben und die Kläger auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt haben, bedarf es allein insoweit keiner Zurückverweisung der Sache an das [X.] gemäß § 127 [X.]O. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des [X.]s in der Sache (s. [X.]surteil vom 15. März 2007 VI [X.] 29/05, [X.], 1076). Der [X.] kann aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen jedoch nicht abschließend entscheiden, ob die Vorinstanz im Ergebnis zu [X.]echt davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 2011/2012 weiter nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG ermitteln durfte und das [X.] demnach insoweit nicht zu einer Schätzung des Gewinns nach [X.] berechtigt war (§ 162 der Abgabenordnung --AO--).

2. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist der Gewinn für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen (§ 13a Abs. 3 bis Abs. 6 EStG) zu ermitteln, wenn --neben anderen [X.] die selbst bewirtschaftete Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a des Bewertungsgesetzes --[X.]--) ohne Sonderkulturen (§ 52 [X.]) 20 ha nicht überschreitet.

Zwischen den Beteiligten besteht zu [X.]echt kein Streit, dass die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG im Streitjahr nicht vorlagen, da die Klägerin keine landwirtschaftlichen Flächen selbst bewirtschaftete. Nach der [X.]echtsprechung des IV. [X.]s des [X.], der der erkennende [X.] folgt, setzt die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG voraus, dass zu dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft selbst bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzflächen gehören, was nicht der Fall ist, wenn sich die Tätigkeit auf eine Sondernutzung (wie beispielsweise den Weinbau, vgl. § 13a Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c [X.]) beschränkt ([X.]-Urteile vom 14. April 2011 IV [X.] 1/09, [X.]/NV 2011, 1336, m.w.N., und vom 13. Dezember 2012 IV [X.] 51/10, [X.]E 240, 65, [X.], 857; [X.]-Beschluss vom 14. April 2011 IV B 57/10, [X.]/NV 2011, 1331). Hiervon ist im Übrigen auch das [X.] ausgegangen.

3. Liegen die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vor und ist der Steuerpflichtige vom [X.] darauf hingewiesen worden (§ 13a Abs. 1 Satz 2 EStG) oder ist ein solcher Hinweis nicht erforderlich, hat er seinen Gewinn durch [X.] nach § 4 Abs. 3 EStG oder durch [X.] nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln  (s. [X.]-Urteile vom 26. Juni 1986 IV [X.] 151/84, [X.]E 147, 152, [X.] 1986, 741; vom 26. Mai 1994 IV [X.] 34/92, [X.]E 175, 105, [X.] 1994, 891; vom 30. Oktober 2014 IV [X.] 61/11, [X.]E 247, 332, [X.], 478). Kommt danach eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nicht oder nicht mehr in Betracht, führt der Steuerpflichtige aber weder die nach § 4 Abs. 3 EStG erforderlichen Aufzeichnungen noch --freiwillig oder dazu verpflichtet-- Bücher (§ 141 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO), so ist die Finanzbehörde gemäß § 16[X.] zur Schätzung befugt ([X.]-Urteile in [X.]E 147, 152, [X.] 1986, 741; vom 29. November 2001 IV [X.] 13/00, [X.]E 197, 223, [X.] 2002, 147; in [X.]E 247, 332, [X.], 478).

4. Einer Mitteilung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG bedarf es, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG zunächst vorgelegen haben und in einem späteren Wirtschaftsjahr weggefallen sind. In diesem Fall führt der Wegfall der Voraussetzungen allein grundsätzlich noch nicht dazu, dass die Gewinnermittlung nicht mehr nach Durchschnittssätzen vorzunehmen ist ([X.]-Urteil in [X.]E 247, 332, [X.], 478). Erst die Mitteilung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG, die der Mitteilung gemäß § 141 Abs. [X.] nachgebildet ist (vgl. BTDrucks 8/3673, S. 16), schließt als rechtsgestaltender Verwaltungsakt konstitutiv die Möglichkeit der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen für die der Bekanntgabe der Mitteilung nachfolgenden Wirtschaftsjahre aus ([X.]-Urteil vom 29. März 2007 IV [X.] 14/05, [X.]E 217, 525, [X.] 2007, 816). Dies gilt auch für den Fall der Änderung der Voraussetzungen für die Anwendung des § 13a EStG, wie anlässlich einer Neufassung ([X.]-Urteil in [X.]E 217, 525, [X.] 2007, 816; Bruckmeier, in [X.][X.], EStG, § 13a [X.]z B 28).

Ziel der --vom Finanzausschuss des [X.] (BTDrucks 8/3673, S. 6) vorgeschlagenen-- Aufnahme des § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG in das [X.] vom 25. Juni 1980 --[X.]-- ([X.], 732, [X.], 400) war es, den genannten Umstellungszeitpunkt der Gewinnermittlung klarzustellen (BTDrucks 8/3673, S. 15). In der Einzelbegründung heißt es: "Mit der Vorschrift soll sichergestellt werden, dass der Steuerpflichtige --wie in § 141 Abs. [X.] auf den Beginn der [X.] auf die letztmalige Anwendung des § 13a EStG durch eine besondere Mitteilung der Finanzbehörde hingewiesen wird. Die Vorschrift dient der [X.]echtssicherheit" (BTDrucks 8/3673, S. 16). Die Vorschrift entspringt daher dem aus [X.] und Glauben folgenden Fürsorgegedanken ([X.]-Urteil in [X.]E 217, 525, [X.] 2007, 816).

5. Ausgehend von dem der Norm zugrunde liegenden Schutzgedanken und unter Heranziehung des Wortlauts des § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG hat der [X.] eine Mitteilung in den Fällen nicht für erforderlich erachtet, in denen der Steuerpflichtige einen Betrieb neu eröffnet ([X.]-Urteil in [X.]E 147, 152, [X.] 1986, 741; [X.]-Beschluss vom 1. Juli 1997 IV B 35/96, [X.]/NV 1997, 856) oder --damit vergleichbar-- in denen er einen Betrieb gemäß § 24 des Umwandlungssteuergesetzes in eine Personengesellschaft eingebracht hat ([X.]-Urteil in [X.]E 175, 105, [X.] 1994, 891). Daneben hat der [X.] das Erfordernis einer Mitteilung auch in den Fällen verneint, in denen das [X.] die Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen aufgrund wissentlich falscher Angaben des Steuerpflichtigen bejaht hat ([X.]-Urteil in [X.]E 197, 223, [X.] 2002, 147) oder der Steuerpflichtige für das Jahr, in dem die Voraussetzungen für die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen letztmalig vorgelegen haben, keine Steuererklärung eingereicht hat, obwohl er dazu verpflichtet gewesen war ([X.]-Urteil in [X.]E 247, 332, [X.], 478).

6. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das [X.] zu Unrecht davon ausgegangen, auch im Streitfall habe es allein aufgrund der langjährigen rechtswidrigen Verwaltungspraxis einer Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG bedurft.

a) Haben die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, können sie auch nicht [X.] von § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG "weggefallen" sein (so schon [X.]-Beschluss in [X.]/NV 1997, 856). [X.] ist die Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG jedoch schon nach dessen Wortlaut nur für den Wegfall der Voraussetzungen der Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen (ebenso [X.] in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 13a [X.]z 5). Einer besonderen Mitteilung des [X.] nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG bedarf es daher dann nicht, wenn die Voraussetzungen zur Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen wegen der in § 13a Abs. 1 EStG genannten Ausschließungsgründe von Anfang an nicht vorgelegen haben. In diesem Fall ist die Durchschnittssatzgewinnermittlung von Beginn an nicht zulässig, weil das Fehlen einer Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG hier keine negative Tatbestandsvoraussetzung ist (Gossert in Korn, § 13a EStG [X.]z 20.1 und 21.2).

b) Dem entsprechen auch die Motive, welche den Gesetzgeber zur Mitteilungspflicht des § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG veranlasst haben. Hauptziel des [X.] war es, innerhalb der Landwirtschaft für größere Steuergerechtigkeit zu sorgen, weil bisher die tatsächlichen Gewinne --vor allem durch den früheren § 13a [X.] nur sehr unzureichend erfasst waren (BTDrucks 8/3673, S. 13; vgl. dazu auch [X.]-Urteile in [X.]E 197, 223, [X.] 2002, 147, und in [X.]E 217, 525, [X.] 2007, 816). An diesem Ziel gemessen hatte die Klarstellung des genauen Umstellungszeitpunkts auf eine andere Gewinnermittlungsart nur dienende Bedeutung ([X.]-Urteil in [X.]E 197, 223, [X.] 2002, 147).

Die am Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) orientierte Zielsetzung des Gesetzgebers gebietet es, die beabsichtigte Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 13a EStG konsequent und frühestmöglich umzusetzen. Mit dem gesetzgeberischen Ziel wäre es deshalb nicht zu vereinbaren, wenn die unter Beachtung des Gleichheitssatzes gebotene Ermittlung des tatsächlichen Gewinns durch eine dem Sinn und Zweck wi[X.]prechende Auslegung des § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG weiter hinausgezögert würde ([X.]-Urteile in [X.]E 217, 525, [X.] 2007, 816, und in [X.]E 247, 332, [X.], 478).

c) Für eine analoge Anwendung des § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG ist vor diesem Hintergrund mangels einer [X.]egelungslücke --entgegen der [X.]echtsansicht des [X.]-- im Streitfall kein [X.]aum. Die für eine Analogie erforderliche "planwidrige Unvollständigkeit des positiven [X.]echts" ist (nur) dort gegeben, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände wi[X.]pricht ([X.]-Urteile vom 22. Dezember 2011 III [X.] 5/07, [X.]E 236, 137, [X.] 2012, 678; vom 14. September 1994 I [X.] 136/93, [X.]E 175, 406, [X.] 1995, 382). [X.]echtspolitische Unvollständigkeiten, d.h. Lücken, die nicht dem [X.] wi[X.]prechen, sondern lediglich vom [X.]echtsanwender als rechtspolitisch unerwünscht empfunden werden, können entsprechend dem Prinzip der Gewaltenteilung hingegen nicht von den Gerichten geschlossen werden. Sie zu schließen, bleibt Aufgabe des Gesetzgebers ([X.]-Beschluss vom 31. März 2014 III B 147/13, [X.]/NV 2014, 1035).

d) Aus dem vom [X.] herangezogenen Grundsatz von [X.] und Glauben ergibt sich nichts anderes. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, einer Mitteilung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG habe es deshalb bedurft, weil das [X.] die nach Durchschnittssätzen [X.] des § 13a EStG eingereichte Gewinnermittlung in der Vergangenheit nicht beanstandet habe.

aa) Die Verdrängung gesetzten [X.]echts durch den Grundsatz von [X.] und Glauben kann nur in beson[X.] gelagerten Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem [X.]echtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (z.B. [X.]-Urteile vom 5. Februar 1980 VII [X.] 101/77, [X.]E 130, 90, 95; vom 31. Oktober 1990 I [X.] 3/86, [X.]E 163, 478, [X.] 1991, 610; vom 23. Oktober 2013 [X.], [X.]E 243, 332, [X.] 2014, 103). In diesem Zusammenhang verlangt der Grundsatz von [X.] und Glauben einen Vertrauenstatbestand, aufgrund dessen der Steuerpflichtige disponiert hat ([X.]-Urteile in [X.]E 163, 478, [X.] 1991, 610, m.w.N.; vom 10. April 1991 XI [X.] 25/89, [X.]/NV 1991, 720, und vom 26. April 1995 XI [X.] 81/93, [X.]E 178, 4, [X.] 1995, 754). Der Vertrauenstatbestand besteht in einer bestimmten Position oder einem bestimmten Verhalten des einen Teils, aufgrund dessen der andere bei objektiver Beurteilung annehmen konnte, jener werde an seiner Position oder seinem Verhalten konsequent und auf Dauer festhalten (z.B. [X.]-Urteile in [X.]E 163, 478, [X.] 1991, 610, und in [X.]E 178, 4, [X.] 1995, 754). Ein schützenswertes nachhaltiges Vertrauen in den Fortbestand der früheren [X.]echtsauffassung ist demzufolge nur dann und solange gegeben, als der Steuerpflichtige nicht mit ihrer Änderung rechnen musste oder ihm zumindest Zweifel hätten kommen müssen; bei einer noch nicht geklärten [X.]echtslage ist kein Vertrauenstatbestand gegeben ([X.]-Urteil in [X.]E 243, 332, [X.] 2014, 103).

bb) Danach fehlt es im Streitfall schon an einem Vertrauenstatbestand, auf den sich die Klägerin hätte berufen können. Denn die streitige Besteuerung nach Durchschnittssätzen wi[X.]prach der niedergelegten Verwaltungsauffassung. Seit [X.] 13a.1 Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-[X.]ichtlinien 2008 ist die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen nur anwendbar, wenn selbst bewirtschaftete Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung vorhanden sind. Auch in der Literatur wurde diese Ansicht bereits bei Einführung des § 13a EStG in dessen im Streitjahr noch geltender Fassung durch das Steuerentlastungsgesetz ([X.]) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ([X.], 402) vertreten (so [X.], [X.], 449, [X.]. 31; Kanzler, [X.] Steuer-Zeitung [X.] 1999, 683, 685; ebenso auch Bruckmeier, in [X.][X.], EStG, § 13a [X.]z B 7, 9 und 20; a.A., aber zweifelnd Schild, [X.] 2007, 382).

Es entspricht zudem dem Grundsatz der [X.] (§ 25 Abs. 1 EStG), dass das [X.] in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat ([X.]-Urteile vom 17. Oktober 1990 I [X.] 182/87, [X.]E 162, 307, [X.] 1991, 136; vom 12. Dezember 1990 I [X.] 176/87, [X.]/NV 1991, 820; vom 30. März 2011 XI [X.] 30/09, [X.]E 233, 18, [X.] 2011, 613; vom 21. August 2012 VIII [X.] 11/11, [X.]E 239, 195, [X.], 117). Die Finanzverwaltung muss daher von einer [X.]echtsmeinung abrücken, sobald sie sich als unzutreffend erweist ([X.]-Urteile vom 7. November 1996 IV [X.] 69/95, [X.]E 182, 56, [X.] 1997, 245; in [X.]E 239, 195, [X.], 117); dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte ([X.]-Urteile vom 22. Juni 1971 VIII 23/65, [X.]E 103, 77, [X.] 1971, 749; in [X.]E 233, 18, [X.] 2011, 613), es sei denn, das [X.] hat eine entsprechende Behandlung in den Folgejahren zugesagt ([X.]-Urteil in [X.]E 239, 195, [X.], 117, m.w.N.). Das [X.] ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegte [X.]echtsauffassung selbst dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (vgl. [X.]-Beschluss vom 12. Juli 2006 IV B 9/05, [X.]/NV 2006, 2028, m.w.N.). Der Grundsatz der [X.] schließt danach die Bildung eines Vertrauenstatbestands aus, der über die im Steuerbescheid für ein Veranlagungsjahr zugrunde gelegte Entscheidung hinausgeht (Beschluss des [X.] vom 28. Juni 1993  1 Bv[X.] 1346/89, [X.] 1993, 544; [X.]-Beschluss vom 9. Dezember 2002 I B 7/02, [X.]/NV 2003, 630; [X.]-Urteile vom 14. Oktober 2009 X [X.] 37/07, [X.]/NV 2010, 406, und in [X.]E 239, 195, [X.], 117). Einschränkungen bestehen nur im [X.]ahmen des § 176 AO ([X.]-Urteil in [X.]E 182, 56, [X.] 1997, 245), dessen Voraussetzungen hier aber nicht gegeben sind.

Der Steuerpflichtige kann sich daher auch nicht darauf berufen, er habe es unterlassen, Belege zu sammeln und Aufzeichnungen zu führen, weil er davon ausgegangen sei, die rechtswidrige Verwaltungspraxis werde fortgesetzt; denn auch die unterbliebene [X.] ist allein seiner [X.] zuzurechnen ([X.]-Urteil in [X.]E 239, 195, [X.], 117, m.w.N.). Dadurch wird nicht rückwirkend eine Buchführungspflicht begründet, sondern erstmals die von Anfang an gegebene gesetzliche Pflicht durchgesetzt, den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG oder nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln.

Entstehenden Härten kann dadurch begegnet werden, dass dem Steuerpflichtigen gemäß § 148 Satz 1 AO --ggf. rückwirkend gemäß § 148 Satz [X.]-- in erforderlichem Umfang Erleichterungen zu bewilligen sind, falls eine Umstellung der Gewinnermittlung zum vorgesehenen Stichtag aufgrund der besonderen Umstände nicht mehr rechtzeitig möglich war. Darüber hinaus ist eine bei späterer Aufgabe dieser Würdigung entstehende Beweisnot des Steuerpflichtigen durch angemessene Abmilderung der [X.]egeln für die strenge richterliche Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 [X.]O zu berücksichtigen (vgl. [X.]-Beschluss vom 2. August 2004 IX B 41/04, [X.]/NV 2005, 68).

e) Entgegen der Ansicht des [X.] ist durch das Handeln des [X.] schließlich keine Verletzung von Verfassungsrecht gegeben.

Nach ständiger [X.]echtsprechung des [X.] begrenzen das [X.]echtsstaatsprinzip und die Grundrechte die Befugnis des Gesetzgebers, [X.]echtsänderungen vorzunehmen, die an Sachverhalte der Vergangenheit anknüpfen. Dabei findet das [X.]ückwirkungsverbot seinen Grund im Vertrauensschutz (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 10. Oktober 2012  1 BvL 6/07, [X.]E 132, 302, [X.] 2012, 932; vom 17. Dezember 2013  1 BvL 5/08, [X.]E 135, 1, [X.]/NV 2014, 653). Jedoch geht der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht so weit, den Staatsbürger vor jeglicher Enttäuschung seiner Erwartung in die Dauerhaftigkeit der [X.]echtslage zu schützen. Die schlichte Erwartung, das geltende [X.]echt werde auch in der Zukunft unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich nicht geschützt (vgl. [X.]-Beschluss vom 7. Dezember 2010  1 Bv[X.] 2628/07, [X.]E 128, 90). Erst recht gewährt das Verfassungsrecht keinen dahingehenden Schutz, dass eine Finanzbehörde eine dem geltenden [X.]echt wi[X.]prechende, für den Steuerpflichtigen günstige [X.]echtsauffassung auch künftig zunächst weiter praktizieren werde.

7. Die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen in § 13a EStG in der auch im Streitjahr geltenden Fassung ist durch das [X.] 1999/2000/2002 mit Wirkung ab dem Wirtschaftsjahr 1999/2000 (§ 52 Abs. 31 EStG i.d.F. des [X.] 1999/2000/ 2002) grundlegend neu geregelt worden, wobei insbesondere die Behandlung von Sondernutzungen umfassend geändert wurde.

a) Die davor geltende Fassung des § 13a EStG wurde mit dem [X.] neu gefasst. Voraussetzung der Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittssätzen war nach § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG a.F., dass der Landwirt nicht buchführungspflichtig war, der Ausgangswert mehr als 0 DM, jedoch nicht mehr als 32.000 DM betrug, keine erhöhte Tierhaltung gegeben und keine andere Form der Gewinnermittlung beantragt worden war. Der Ausgangswert war definiert in § 13a Abs. 4 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 EStG. Hiernach war Ausgangswert der in dem maßgebenden Einheitswert des Betriebs ausgewiesene Vergleichswert der landwirtschaftlichen Nutzung. Der Vergleichswert u.a. der weinbaulichen Nutzung gehörte dann zum Ausgangswert, wenn er (zusammen mit weiteren Sonderkulturen und Sondernutzungen) 2.000 DM insgesamt nicht überstieg. Damit unterlag ein reiner Sondernutzungsbetrieb --wie im Streitfall der Betrieb der [X.] unter Anwendung des § 13a EStG a.F. der Durchschnittssatzgewinnermittlung nur dann nicht, wenn der Vergleichswert die Grenze von 2.000 DM überstieg (vgl. auch [X.], Der Betrieb 1980, 1711, 1712; Kutscher, [X.]s Steuerrecht 1980, 547, 549; [X.]., [X.], 299, 303), was bei [X.] bis zu etwa 0,35 ha (Kutscher, [X.], 299, 305) oder auch bis zu 0,5 ha der Fall war (Freund, [X.] 1980, 529, 531).

b) Da das [X.] nicht festgestellt hat, ob die Klägerin ihren Betrieb erst unter Geltung des § 13a EStG i.d.F. durch das [X.] 1999/2000/2002 eröffnet hat und ob andernfalls die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung nach § 13a EStG a.F. zuvor erfüllt waren, wird es diese Feststellungen im zweiten [X.]echtsgang nachzuholen haben.

aa) Hat die Klägerin ihren reinen Weinbaubetrieb erst nach dem Wirtschaftsjahr 1998/1999 eröffnet, kommt eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen für das Wirtschaftsjahr 2011/ 2012 nicht in Betracht, so dass das [X.] in diesem Fall berechtigt war, den Gewinn nach § 16[X.] zu schätzen. Da die Klägerin das ihr zustehende Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht ausgeübt hat, käme in diesem Fall allerdings nur eine Gewinnschätzung gemäß § 4 Abs. 1 EStG in Betracht (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 21. Juli 2009 X [X.] 28/06, [X.]/NV 2009, 1979).

bb) Hatte die Klägerin ihren Weinbaubetrieb jedoch bereits zuvor eröffnet und betrug der Vergleichswert der von ihr bewirtschafteten Flächen weniger als 2.000 DM, sind die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen erst nachträglich durch die Neufassung des § 13a Abs. 1 Satz 1 EStG durch das [X.] 1999/2000/2002 entfallen, so dass es in diesem Fall zusätzlich einer Mitteilung [X.] des § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG bedurfte. Bis zum Erlass einer solchen Mitteilung durch das [X.] durfte die Klägerin ihren Gewinn weiter nach Durchschnittssätzen ermitteln.

8. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 70/15

23.08.2017

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 16. Dezember 2014, Az: 5 K 2518/13, Urteil

§ 13a Abs 1 S 1 EStG 2009, § 13a Abs 1 S 2 EStG 2009, § 13a Abs 5 S 1 EStG 2009, § 4 Abs 1 EStG 2009, § 4 Abs 3 EStG 2009, § 34 Abs 2 Nr 1 Buchst c BewG 1991, § 141 Abs 1 AO, § 162 AO, § 141 Abs 2 AO, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.08.2017, Az. VI R 70/15 (REWIS RS 2017, 6227)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 6227

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