Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.06.2019, Az. V ZB 27/18

5. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 5988

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Befugnisse eines Zwangsverwalters nach Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses


Leitsatz

Enthält ein vollstreckbarer Titel eine Kostengrundentscheidung zu Gunsten oder zu Lasten des Zwangsverwalters, ist der Zwangsverwalter in dem nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren ohne weiteres (aktiv oder passiv) prozessführungsbefugt, und zwar auch dann, wenn die Zwangsverwaltung vor Einleitung des Rechtsstreits, während des laufenden Prozesses oder nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens aufgehoben worden ist.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 1. Zivilkammer - vom 25. Januar 2018 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 516 €.

Gründe

I.

1

Der Beklagte war ab dem [X.] Zwangsverwalter einer Teileigentumseinheit. In dieser Eigenschaft nahm ihn die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Zahlung der Abrechnungsspitze aus der Jahresabrechnung 2013 in Anspruch. Mit Urteil des Amtsgerichts vom 14. August 2015 wurde der Beklagte zur Zahlung von 900,99 € verurteilt, und ihm wurden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Am 17. September 2015 wurde die Zwangsverwaltung aufgehoben, weil der betreibende Gläubiger seinen Antrag zurückgenommen hatte.

2

Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22. November 2016 die Kosten gegen den Beklagten festgesetzt. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will er erreichen, dass der [X.]sbeschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen wird.

II.

3

Nach Ansicht des [X.] sind die Kosten zu Recht gegen den beklagten Zwangsverwalter festgesetzt worden, obwohl die Zwangsverwaltung nach Erlass des Urteils aufgehoben worden ist. Streitige Tatsachen und schwierige Rechtsfragen seien im [X.]sverfahren im Grundsatz nicht zu klären. Wer Berechtigter und [X.] sei, richte sich nach der [X.]. Für einen Wechsel der Passivlegitimation durch Aufhebung der Zwangsverwaltung fehle es an einer rechtlichen Grundlage. Eine Vollstreckung in sein Privatvermögen müsse der Beklagte nicht befürchten. Da sich der Titel gegen ihn als Zwangsverwalter richte, könne eine Zwangsvollstreckung nur in das zwangsverwaltete Vermögen erfolgen. Ob etwas Anderes gelte, wenn die Zwangsverwaltung vollständig abgerechnet sei, könne dahinstehen; dies stehe nicht fest und sei im [X.]sverfahren ohnehin nicht zu prüfen. Seine fehlende Passivlegitimation müsse der Beklagte ggf. im Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

5

1. Im Ausgangspunkt ist Grundlage der [X.] ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel (§ 103 Abs. 1 ZPO), wie er hier mit dem Urteil des Amtsgerichts vom 14. August 2015 vorliegt. Der [X.]sbeschluss, der im [X.]sverfahren gemäß § 104 ZPO erlassen wird, füllt lediglich die [X.] hinsichtlich der Höhe des zu erstattenden Kostenbetrags aus (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Mai 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 1082 Rn. 5; Beschluss vom 21. März 2013 - [X.], NJW 2013, 2438 Rn. 11). Eine Korrektur der bindenden [X.] kommt im Verfahren der [X.] nicht in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Mai 2017 - [X.], Rpfleger 2017, 586 Rn. 7; Beschluss vom 24. Juni 2004 - [X.], [X.], 44, 45; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., §§ 103, 104 Rn. 21, Stichwort „Bindung”).

6

2. Infolgedessen trifft zunächst die Ansicht des [X.] zu, dass eine Festsetzung der Kosten gegen den Schuldner, die der Beklagte offenbar erreichen möchte, von vornherein ausscheidet. Da der Schuldner in der [X.] nicht genannt wird, könnten die Kosten gegen ihn nur dann festgesetzt werden, wenn der Titel (in Gestalt einer gegen ihn gerichteten vollstreckbaren Ausfertigung) umgeschrieben worden wäre (vgl. für den Aktivprozess [X.], Beschluss vom 13. April 2010 - [X.], [X.], 1160; für den [X.] 2012, 282, 284; vgl. auch MüKoZPO/[X.], 5. Aufl., § 103 Rn. 26, 28; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 2 Rn. 735). Ob ein gegen den Zwangsverwalter gerichteter Titel nach Aufhebung der Zwangsverwaltung in analoger Anwendung von § 727 ZPO gegen den Schuldner umgeschrieben werden könnte (so [X.], [X.] 1977, 250, 252; [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 161 Rn. 38), kann dahinstehen.

7

3. Geklärt werden muss hier allein, ob die Kosten auch nach Aufhebung der Zwangsverwaltung gegen den Zwangsverwalter festgesetzt werden können, oder ob die [X.] bei dieser Sachlage unterbleiben muss. Ersteres ist richtig.

8

a) Auszugehen ist davon, dass auch im [X.]sverfahren die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen müssen ([X.], ZPO, 23. Aufl., § 103 Rn. 17), zu denen die (aktive oder passive) [X.] des [X.] gehört. Deren Bestehen zieht die Rechtsbeschwerde deshalb in Zweifel, weil für das Erkenntnisverfahren jedenfalls im Grundsatz anerkannt ist, dass mit dem Aufhebungsbeschluss die aus § 152 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.] abgeleitete [X.] des [X.] für anhängige Prozesse entfällt, sofern das Gericht nicht eine Fortdauer im Zusammenhang mit der Aufhebung erkennbar bestimmt (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juli 2008 - [X.], [X.]Z 177, 218 Rn. 8; Beschluss vom 10. Januar 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 892 Rn. 8; [X.], Urteil vom 19. Oktober 2017 - [X.], [X.], 290 Rn. 26 f.; Urteil vom 8. Mai 2003 - [X.], [X.]Z 155, 38, 40 f.). Allerdings ist schon nicht abschließend geklärt, ob bei einer Antragsrücknahme im laufenden Passivprozess des [X.] etwas Anderes gilt und die [X.] des [X.] fortbesteht (dafür [X.], [X.], 2148; dagegen KG, [X.], 639 sowie [X.], Beschluss vom 15. Januar 2013 - 3 U 35/11, juris Rn. 77; offengelassen in [X.], Urteil vom 8. Mai 2003 - [X.], [X.]Z 155, 38, 46; zweifelnd etwa [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 152 Rn. 60a).

9

b) Auf die Frage, ob der Zwangsverwalter im Erkenntnisverfahren weiterhin prozessführungsbefugt gewesen wäre, kommt es aber nicht an. Enthält ein vollstreckbarer Titel eine [X.] zu Gunsten oder zu Lasten des [X.], ist der Zwangsverwalter in dem nachfolgenden [X.]sverfahren ohne weiteres (aktiv oder passiv) prozessführungsbefugt (so ohne nähere Begründung auch [X.]/[X.], Zwangsverwaltung, Rn. 1863; für den Testamentsvollstrecker [X.], [X.] 2011, 651, 652), und zwar auch dann, wenn die Zwangsverwaltung vor Einleitung des Rechtsstreits, während des laufenden Prozesses oder nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens aufgehoben worden ist.

aa) Obwohl der Zwangsverwalter mit dem Wirksamwerden des [X.] seine ihm kraft hoheitlichen Amtes übertragenen Befugnisse verliert, ist er weiterhin dazu berechtigt und verpflichtet, seine Geschäfte ordnungsgemäß abzuwickeln und die dazu dienenden Maßnahmen vorzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Januar 2008 - [X.], NJW-RR 2008, 892 Rn. 8; [X.], Urteil vom 8. Mai 2003 - [X.], [X.]Z 155, 38, 43 a.E.; Urteil vom 25. Mai 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 138, 139; [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 152 Rn. 60a). Insbesondere muss er eingeleitete Verwaltungsmaßnahmen abwickeln und die von ihm begründeten Verbindlichkeiten aus dem vorhandenen Kassenbestand begleichen (vgl. [X.], [X.]-Handbuch, 9. Aufl., Rn. 672; siehe auch § 12 Abs. 3 [X.]). In dem [X.] können sich gesonderte Rechte und Pflichten ergeben, obwohl die Beschlagnahme infolge der [X.] beendet ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 161 Rn. 17).

bb) Zu der ordnungsmäßigen Beendigung der Verwaltung gehört auch die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des [X.] in einem [X.]sverfahren, das der Umsetzung einer zu Gunsten oder zu Lasten des [X.] ergangenen [X.] dient; einer gesonderten Ermächtigung in dem Aufhebungsbeschluss bedarf es dazu nicht. Wird eine gegen den Zwangsverwalter gerichtete Klage angesichts der vor Rechtshängigkeit erfolgten Aufhebung der Zwangsverwaltung wegen der fehlenden passiven [X.] als unzulässig abgewiesen und werden die Kosten deshalb dem Kläger auferlegt (vgl. [X.], Urteil vom 9. Juni 2010 - [X.], [X.], 518 Rn. 13), kann der Zwangsverwalter die [X.] beantragen, obwohl seine [X.] im Erkenntnisverfahren verneint worden ist. Ist umgekehrt eine von dem Zwangsverwalter erhobene Klage abgewiesen worden, weil mit der Aufhebung der Zwangsverwaltung die [X.] im laufenden Verfahren entfallen ist, und sind dem Zwangsverwalter deshalb die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden (vgl. etwa [X.], Urteil vom 8. Mai 2003 - [X.], [X.]Z 155, 38 ff.), kann er gegen die von dem Beklagten beantragte [X.] nicht einwenden, dass er nicht prozessführungsbefugt sei; weil ihm gemäß § 91 ZPO (trotz fehlender [X.]) die Kosten des Rechtsstreits auferlegt worden sind, muss auch die [X.] gegen ihn erfolgen können. Dementsprechend können die Kosten auch dann für oder gegen den Zwangsverwalter festgesetzt werden, wenn die Zwangsverwaltung - wie hier - erst nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens aufgehoben worden ist. Allen Fallkonstellationen ist gemeinsam, dass das [X.]sverfahren der notwendigen Abwicklung einer Verwaltungsmaßnahme dient; die maßgebliche [X.] muss ohne Rücksicht auf das Ende der Beschlagnahme umgesetzt werden.

4. Auch das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass des [X.]sbeschlusses ist ohne weiteres gegeben. Insbesondere ist nicht zu prüfen, ob das Zwangsverwaltungsverfahren bereits abgerechnet ist oder ob weiterhin Masse vorhanden ist, aus der die Prozesskosten beglichen werden können. Wie das Beschwerdegericht zu Recht ausführt, lassen sich solche tatsächlichen Fragen im [X.]sverfahren nicht klären. Die Rechte des [X.] werden schon deshalb gewahrt, weil aus Titeln, die gegen ihn als Zwangsverwalter ergangen sind, nicht in sein Privatvermögen, sondern nur in die [X.] vollstreckt werden kann (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 51 Rn. 7 a.E.); andernfalls kann er Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) einlegen. Jedenfalls stellt die Aufhebung der Zwangsverwaltung - anders als das Beschwerdegericht meint - keinen Grund für die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) dar.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Brückner     

      

Weinland

      

Kazele     

      

[X.]     

      

Meta

V ZB 27/18

27.06.2019

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Rostock, 25. Januar 2018, Az: 1 T 281/17

§ 104 ZPO, § 161 ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.06.2019, Az. V ZB 27/18 (REWIS RS 2019, 5988)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1471-1472 WM2019,1884 NJW 2019, 3651 REWIS RS 2019, 5988

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 304/19 (Bundesgerichtshof)

Passive Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters nach Rücknahme des Antrags auf Zwangsverwaltung


IX ZR 289/14 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzanfechtung: Verpflichtung des Vollstreckungsgläubigers zur Rückgewähr von anfechtbaren Zahlungen des späteren Insolvenzschuldners an den Zwangsverwalter


XII ZR 181/08 (Bundesgerichtshof)

Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters: Herausgabeklage für in der Zeit vor Zuschlagserteilung in der Zwangsversteigerung gezogene Nutzungen …


XII ZR 181/08 (Bundesgerichtshof)


V ZB 154/18 (Bundesgerichtshof)

Pfändungsschutz zu Gunsten des Schuldners im Zwangsverwaltungsverfahren


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.