Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.06.2014, Az. IV B 184/13

4. Senat | REWIS RS 2014, 4860

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Gegenstand

Insolvenz eines Beigeladenen unterbricht nicht Verfahren über Nichtzulassungsbeschwerde eines anderen Beteiligten -  außergerichtliche Kosten des eingeschränkt beteiligten Beigeladenen


Leitsatz

1. NV: Hat der Beigeladene nicht selbst Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, ist er am Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde eines anderen Beteiligten nur eingeschränkt beteiligt. Auf das Beschwerdeverfahren kann er in einem solchen Fall erst von dem Zeitpunkt an Einfluss nehmen, in dem er vom BFH ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 116 Abs. 6 FGO hingewiesen wird.

2. NV: Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beigeladenen kann bis zu diesem Zeitpunkt nicht zur Unterbrechung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens führen.

3. Dem eingeschränkt beteiligten Beigeladenen entstandene außergerichtliche Kosten können nicht nach § 139 Abs. 4 FGO erstattet werden.

Gründe

1

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen nicht begründet und war daher insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

2

I. Das Verfahren ist nicht durch die Privatinsolvenz des Beigeladenen in [X.] unterbrochen worden.

3

1. Es kann dahinstehen, welche Bedeutung das ausländische Insolvenzverfahren für die Stellung als not[X.]dig Beigeladener gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) in einem Klageverfahren oder Revisionsverfahren haben kann, in dem --wie hier-- ein ehemaliger Gesellschafter einer liquidationslos untergegangenen Personengesellschaft gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid klagt und der Beigeladene ebenfalls ehemaliger Gesellschafter der Personengesellschaft ist. Selbst [X.]n ein Klage- oder Revisionsverfahren ebenso wie im Fall eines Insolvenzverfahrens nach [X.] Recht gemäß § 155 [X.]O i.V.m. § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung unterbrochen werden würde (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 7. Oktober 1987 II R 187/80, [X.], 15, [X.] 1988, 23; [X.], [X.] 2012, 103, 109), würde dies nicht für das Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde eines anderen Verfahrensbeteiligten gelten.

4

2. Zwar wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beschwerdeführers das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde unterbrochen ([X.] vom 5. November 2013 IV B 108/13, [X.], 379, Rz 18). Gleiches wird bei Insolvenz des Beschwerdegegners gelten müssen. Ein Beigeladener, der nicht selbst Beschwerdeführer ist, steht dem Beschwerdeführer oder Beschwerdegegner insoweit jedoch nicht gleich. Der Beigeladene ist am Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde eines anderen Verfahrensbeteiligten nur eingeschränkt beteiligt. Nach dem [X.] vom 14. März 2007 IV B 76/05 ([X.], 507, [X.] 2007, 466) ist der Beigeladene in der Weise zu beteiligen, dass er über Beginn und Stand des Verfahrens durch Übersendung der Schriftsätze des Beschwerdeführers und des Beschwerdegegners laufend informiert wird. Erst [X.]n der [X.] im Lauf der Bearbeitung des Verfahrens erkennt, dass eine Entscheidung nach § 116 Abs. 6 [X.]O in Betracht kommt, muss er dem Beigeladenen ausdrücklich Gelegenheit zur Stellungnahme geben.

5

Daraus folgt, dass ein etwaiger Verlust der Verfügungsbefugnis des Beigeladenen jedenfalls so lange ohne Bedeutung bleibt, wie der Beigeladene --sofern die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen-- nicht ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 116 Abs. 6 [X.]O hingewiesen wird. Bis zu diesem Zeitpunkt kann der Beigeladene, der nicht selbst Beschwerdeführer ist, auf das [X.] unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss nehmen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen kann deshalb auch nicht zur Unterbrechung des [X.]s führen. Dies gilt auch für ein ausländisches Insolvenzverfahren, und zwar unabhängig davon, welche Rechtsfolgen sich aus dem Verfahren für den Insolvenzschuldner ergeben.

6

3. Im Streitfall ist der Beigeladene weder auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 116 Abs. 6 [X.]O hingewiesen worden, noch käme ein solcher Hinweis überhaupt in Betracht. Dass dem Beigeladenen über seine prozessuale Stellung hinaus eine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, beeinträchtigt weder die Rechte des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) noch des Beigeladenen. Das über das Vermögen des Beigeladenen durchgeführte Privatinsolvenzverfahren hat danach keine Auswirkung auf das Verfahren über die von einem anderen Verfahrensbeteiligten erhobene Nichtzulassungsbeschwerde.

7

II. Die vom Kläger erhobenen [X.] haben keinen Erfolg.

8

1. Die Revision ist nicht wegen der vom Kläger gerügten Abweichungen von der Rechtsprechung des [X.] zuzulassen.

9

a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O ist die Revision zuzulassen, [X.]n die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert die Zulassung der Revision jedenfalls dann, [X.]n eine Entscheidung des [X.] geeignet und erforderlich ist, um künftige unterschiedliche Entscheidungen einer Rechtsfrage zu verhindern. Das kann dann der Fall sein, [X.]n das Finanzgericht ([X.]) von der Rechtsprechung des [X.] oder anderer Gerichte abgewichen ist oder Unterschiede in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung bestehen oder zu erwarten sind (vgl. z.B. [X.] vom 18. Juli 2001 [X.]46/01, [X.]/NV 2001, 1596). Ein [X.] weicht von einer Entscheidung des [X.] ab, [X.]n es bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in derselben Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt ([X.] vom 20. Februar 1980 II B 26/79, [X.]E 129, 313, [X.] 1980, 211).

b) Das [X.] ist danach nicht i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O von dem im Beschwerdeverfahren über die Beiladung ergangenen Beschluss vom 23. Oktober 2013 IV B 104/13 ([X.], 70) abgewichen. Das [X.] hat keinen von dem Beschluss abweichenden Rechtssatz aufgestellt.

Soweit dem Vorbringen des [X.] zu entnehmen sein sollte, der [X.] habe in dem Beschluss in [X.], 70 einen Rechtssatz über die Voraussetzungen für die Nichtigkeit eines Feststellungsbescheids aufgestellt, trifft dies nicht zu. Die vom Kläger zitierten Äußerungen betreffen allein die Frage, ob der Beigeladene vom Ausgang des Verfahrens betroffen sein kann, [X.]n das Vorbringen des [X.] in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zutreffend sein sollte. Ob die Rechtsauffassung des [X.] zutrifft und unter welchen Voraussetzungen ein Gewinnfeststellungsbescheid nichtig sein kann, war nicht Gegenstand des Beschlusses.

Soweit das diesbezügliche Vorbringen des [X.] weiter gehend dahin zu verstehen sein sollte, der [X.] habe für das [X.] bindend über die Nichtigkeit des Bescheids entschieden, trifft dies einerseits ebenfalls nicht zu. Andererseits hätte eine (behauptete) Bindungswirkung auch mit einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden müssen.

c) Das [X.] ist nicht von dem [X.]-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85 ([X.]/NV 1992, 73) abgewichen. Der [X.] hat dort den Rechtssatz aufgestellt, dass die Wirksamkeit eines Gewinnfeststellungsbescheids nicht davon abhängt, dass alle Gesellschafter als Adressaten im [X.] des Bescheids aufgeführt werden. Es genüge, [X.]n im [X.] die Personengesellschaft als solche bezeichnet werde und sich alle Gesellschafter eindeutig als Adressaten aus dem für die Verteilung des Gewinns vorgesehenen Teil des Bescheids entnehmen ließen. Das Urteil des [X.] kann nicht von diesem Rechtssatz abweichen, weil es nicht die Frage betrifft, ob eine Sammelbezeichnung im [X.] ausreicht, [X.]n sich die Feststellungsbeteiligten aus dem Teil des Bescheids ergeben, der die Gewinnverteilung regelt. Vielmehr handelt es sich im hiesigen Fall um einen allen ehemaligen Gesellschaftern einzeln bekannt gegebenen Bescheid, so dass unzweifelhaft war, an [X.] sich der Bescheid inhaltlich richtete. Dass die Nennung der [X.] fehlerhaft war, wirft eine andere Rechtsfrage auf, nämlich, ob die Inhaltsadressaten des Bescheids erkennen konnten, dass sich der Bescheid auf ihre Beteiligung an der [X.] bezog. Dieser Frage ist im Rahmen der [X.] in Bezug auf das [X.]-Urteil in [X.]/NV 1992, 73 nicht weiter nachzugehen.

d) Die [X.], das [X.] sei von den [X.]-Urteilen vom 17. November 2011 IV R 51/08 ([X.]/NV 2012, 723) und vom 3. März 1998 VIII R 66/96 ([X.]E 185, 422, [X.] 1998, 383) abgewichen, ist zumindest unbegründet. Dem [X.]-Urteil kann der vom Kläger behauptete Rechtssatz, Sonderbetriebsvermögen II setze nicht voraus, dass die Stellung in der Personengesellschaft durch das Wirtschaftsgut gestärkt werden muss, nicht entnommen werden. Das [X.] hat vielmehr auf der Grundlage der [X.]-Rechtsprechung als Voraussetzung für Sonderbetriebsvermögen II genannt, dass "das Wirtschaftsgut ein Mittel darstellt, um besonderen Einfluss auf die Personengesellschaft auszuüben und damit unmittelbar die Stellung des Gesellschafters in der Personengesellschaft zu stärken". Dafür hat sich das [X.] auf das [X.]-Urteil vom 17. Dezember 2008 IV R 65/07 ([X.]E 224, 91, [X.] 2009, 371) bezogen, das seinerseits auf das vom Kläger als Divergenzentscheidung genannte Urteil in [X.]E 185, 422, [X.] 1998, 383 Bezug nimmt.

Stützt sich ein [X.] erkennbar auf einen bestimmten Rechtssatz des [X.], liegt keine Divergenz vor, [X.]n es den betreffenden Rechtssatz sodann fehlerhaft auf den konkreten Rechtsstreit an[X.]det ([X.] vom 22. Juli 1971 V B 15/71, [X.]E 103, 44, [X.] 1971, 774). Es kann deshalb dahinstehen, ob die Rechtsan[X.]dung des [X.] insoweit fehlerhaft war, wie der Kläger geltend macht.

2. Die Verfahrensrüge des [X.] hat ebenfalls keinen Erfolg.

a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O ist die Revision zuzulassen, [X.]n ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Eine schlüssige [X.] erfordert, dass die Tatsachen, die den Mangel ergeben, im Einzelnen angeführt werden und dargelegt wird, weshalb die Entscheidung des [X.] auf dem Mangel beruhen kann ([X.] vom 13. September 1991 IV B 105/90, [X.]E 165, 469, [X.] 1992, 148). Wird gerügt, das Gericht habe seiner Sachaufklärungspflicht nicht genügt, ohne dabei aber einen Beweisantrag übergangen zu haben, so sind Ausführungen dazu erforderlich, welche Tatsachen hätten aufgeklärt oder welche Beweise hätten erhoben werden müssen, aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei weiterer Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sich daraus auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des Gerichts eine andere Entscheidung hätte ergeben können (vgl. z.B. [X.] vom 25. Juni 2002 [X.]199/01, [X.]/NV 2002, 1332).

Die Darlegung der Verletzung einer Verfahrensvorschrift, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können, setzt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] voraus, dass mit der Beschwerde bereits vorgetragen wird, dass der Verfahrensfehler entweder ordnungsgemäß gerügt wurde oder aber warum die [X.] nicht rechtzeitig erhoben werden konnte (vgl. z.B. [X.] vom 26. September 1996 V B 39/96, [X.]/NV 1997, 352). Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht stellt einen in diesem Sinne verzichtbaren Verfahrensmangel dar ([X.]-Urteil vom 22. September 1994 IV R 61/93, [X.]E 176, 350, [X.] 1995, 367, unter II.3.).

b) Die [X.], das [X.] habe verfahrensfehlerhaft auf die Vorlage eines finanzmathematischen Gutachtens zur Bestimmung des Werts der erteilten Versorgungszusagen verzichtet, ist danach nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Einerseits trägt der Kläger nicht vor, warum seine Bevollmächtigten den Verfahrensfehler nicht schon in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] gerügt haben und warum das [X.] ohne ausdrücklichen Beweisantrag zur Beweiserhebung verpflichtet gewesen wäre. Andererseits führt der Kläger nicht schlüssig aus, warum das [X.] auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung bei Vorlage des Gutachtens zu einer anderen Entscheidung hätte kommen müssen. Dass das [X.] die Pensionsverpflichtungen bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat, ergibt sich aus den Urteilsgründen (S. 22 der [X.]). Nach seiner Rechtsauffassung wurden die [X.] bei der Wertermittlung berücksichtigt.

III. Von einer weiteren Darlegung der Entscheidungsgründe sowie des Tatbestands sieht der Senat ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O).

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 139 Abs. 4 [X.]O kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beigeladene --wie ausgeführt-- an dem Verfahren nur eingeschränkt (passiv) zu beteiligen war.

Meta

IV B 184/13

17.06.2014

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 5. November 2013, Az: 1 K 1153/10, Urteil

§ 60 Abs 3 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 139 Abs 4 FGO, § 240 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.06.2014, Az. IV B 184/13 (REWIS RS 2014, 4860)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4860

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