Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2012, Az. V ZR 159/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8591

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
V [X.]
Verkündet am:

2. März 2012

Lesniak

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ErbbauRG § 9a
Bemisst sich
die vereinbarte Anpassung der Höhe des [X.] statt nach der Entwicklung des seit 2003 nicht mehr festgestellten [X.] eines [X.] mit mittlerem Einkommen des allein verdienenden [X.] nunmehr nach der Entwicklung des [X.] ([X.]), bleiben die ursprünglich vereinbarten Anpas-sungsvoraussetzungen maßgeblich.

[X.], Versäumnisurteil vom 2. März 2012 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

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2
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. März 2012 durch [X.]
Dr.
Krüger, die Richter Dr.
Lemke und Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 2.
Zivilkammer des [X.] vom 25.
Mai 2011

unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung verurteilt und [X.] worden ist, dass sie [X.] in Höhe von 2.514,05

schuldet.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 14.
Dezember 2010 teilweise abgeändert: Die Klage wird abgewiesen, soweit festgestellt worden ist, dass die Beklagte [X.] in Höhe von 2.514,05

t.

Im Übrigen wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

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Tatbestand:
Die Beklagte ist Erbbauberechtigte eines dem Kläger gehörenden Grund-stücks. In Abschnitt II §
4 des [X.] vom 1.
April 1974 heißt es u.a.:
"Die Vertragsparteien werden bei einer wesentlichen Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse die Höhe des [X.] den neuen veränderten Verhältnissen angleichen.
Sollte sich daher der vom [X.] in [X.] [X.] eines 4-Personen-Arbeitneh-mer-Haushaltes mit mittlerem Einkommen des alleinverdienenden [X.] gegenüber dem [X.]
oder gegenüber dem Tage einer später eintretenden Änderung des [X.] auf der Basis von 1962 um zehn oder mehr Punkte erhöhen, so ist der Erbbauberechtigte auf Antrag des Grundeigentümers verpflich-tet, einen zusätzlichen [X.] im gleichen Verhältnis zu der Erhö-hung des Indexes zu zahlen und entsprechend ein weiteres dingliches Erbbaurecht zu bestellen. Das Gleiche gilt entsprechend, wenn sich der Index um zehn oder mehr Punkte ermäßigt mit der Folge, dass sich der zu zahlende [X.] entsprechend ermäßigt.
Eine Verpflichtung des Erbbauberechtigten, einen zusätzlichen Erbbau-zins zu zahlen und entsprechend ein weiteres dingliches [X.]-recht zu bestellen, soll wiederholt in Betracht kommen, wenn die Vo-raussetzungen der Erhöhung des [X.] wiederholt eintreten sollten.

e-doch erstmals nach Ablauf von drei Jahren, also am 1.
April 1977, mög-lich sein."

Die letzte Anpassung des [X.] erfolgte zum 1.
Oktober 2005 auf 2.338,16

Oktober 2008 verlangte der Kläger eine Erhöhung auf 2.514,05

Januar 2009; seine Berech-nung stützte er auf Veränderungen des
[X.], weil der ver-traglich vereinbarte Index am 1.
Januar 2003 weggefallen war.
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Der auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 131,91

Zinsen und 64,41

Beklagte [X.] in Höhe von 2.514,05

jährlich schulde und für die künfti-gen [X.]anpassungen der Verbraucherpreisindex als Berechnungsgrund-lage anzuwenden sei, gerichteten Klage hat das

sachverständig beratene

Amtsgericht mit Ausnahme des zweiten Feststellungsantrags stattgegeben. Die Berufung des [X.] ist erfolgreich gewesen, die der Beklagten nicht.
Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision will die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Der Kläger ist in dem Revisions-verfahren anwaltlich nicht vertreten.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist eine "automatische Ersetzung"
des für die [X.]anpassung vereinbarten, ab dem 1.
Januar 2003 wegge-fallenen Indexes durch den Verbraucherpreisindex gerechtfertigt. Auf dieser Grundlage schulde die Beklagte den von dem Amtsgericht ausgeurteilten und festgestellten [X.]. Der für die Anpassung vereinbarten Erhöhung des [X.] um zehn oder mehr Punkte entspreche eine Erhöhung des [X.] um 2,93 Punkte oder
mehr. Dieser Wert sei über-schritten; der für die letzte Erhöhung maßgebliche Wert von Mai 2005 habe sich bis zu dem
für die jetzt verlangte Erhöhung maßgeblichen Zeitpunkt im Septem-ber 2008 um 7,5 Punkte erhöht. Daraus ergebe sich ein jährlicher [X.] von 2.514,05

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II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Der Kläger war trotz rechtzeitiger Bekanntmachung in dem [X.] nicht erschienen. Deshalb ist über die Revision der Beklagten durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4.
April 1962 -
V
ZR 110/60, [X.]Z 37, 79, 82).
2. Die Revision ist statthaft (§
543 Abs.
1 Nr.
1 ZPO). Zwar ist ihre Zulas-sung in dem Berufungsurteil rechtswidrig, weil keiner der in §
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO genannten Zulassungsgründe vorliegt; entgegen der Ansicht des [X.] ist nämlich eine höchstrichterliche Entscheidung, um, wie es formu-liert, "eine Vielzahl von Fällen zu regulieren, in denen eine Anpassung eines [X.], der üblicherweise auf die früheren [X.] beruhten", nicht mehr erforderlich, weil der [X.] sie bereits am 31.
Oktober 2008 (V
ZR 71/08, [X.], 679) getroffen hat. Aber das Revisionsgericht ist nach §
543 Abs.
2 Satz
2 ZPO an die Zulassung gebunden. Auch im Übrigen ist das Rechtsmittel zulässig (§§ 548
ff. ZPO).

III.
1. Die Revision ist begründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Berufungsgericht die vertraglichen Voraussetzungen für die Erhöhung des [X.] auf 2.514,05

a) Da der in dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag für die Anpassung des [X.] vereinbarte Lebenshaltungskostenindex seit dem 1.
Januar 2003 6
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weggefallen ist, muss die dadurch entstandene Lücke im Wege der ergänzen-den Vertragsauslegung geschlossen werden.
Dabei ist darauf abzustellen, was die Parteien bei Abwägung ihrer Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wobei zunächst an die in
dem Vertrag enthal-tenen Regelungen und Wertungen anzuknüpfen ist.
Die fortgefallene Bemes-sungsgrundlage ist durch diejenige zu ersetzen, die dem weggefallenen Index am nächsten kommt und deshalb am besten geeignet ist, den in Abschnitt II §
4 des [X.] zum Ausdruck gekommenen Willen der [X.] umzusetzen (vgl. [X.], Urteil vom 31.
Oktober 2008 -
V
ZR 71/08, [X.], 679 mwN). Ob sich das Berufungsgericht dieser [X.] bewusst war, ist angesichts des [X.] der Notwendigkeit einer "automatisierten" Vertragsanpassung zweifelhaft, kann jedoch offenblei-ben. Denn es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass es seiner Berechnung den Verbraucherpreisindex zugrunde gelegt hat; es entspricht allgemeiner Auffas-sung, dass dieser dem seit 2003 nicht mehr festgestellten Preisindex für die Le-benshaltung eines [X.] mit mittlerem Einkom-men am nächsten kommt ([X.], Urteil vom 31.
Oktober 2008 -
V
ZR 71/08, [X.], 679, 680 mwN).
b) Rechtsfehlerhaft bejaht das Berufungsgericht jedoch generell einen Erhöhungsanspruch des [X.]. Es hat nämlich die Regelung in Abschnitt II §
4 Abs.
3 Satz
2 des [X.] übergangen, nach der die Anpassung des [X.] nur bei einer wesentlichen Änderung der [X.] wirtschaftlichen Verhältnisse möglich ist. Zu dieser Voraussetzung verhält sich das Berufungsurteil nicht. Feststellungen hierzu sind jedoch schon deshalb notwendig, weil nicht ohne Weiteres erkennbar ist, weshalb die von dem gerichtlich bestellten Sachverständigen ermittelte Änderung von 2,93 Punk-ten bei Zugrundelegung des [X.] der vertraglich vereinbar-ten Änderung von zehn Punkten bei Zugrundelegung des [X.]
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kostenindexes, ab der von einer
wesentlichen Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse auszugehen ist, entsprechen soll, obwohl der neue Index dem weggefallenen Index am nächsten kommt.
c) Ebenfalls rechtsfehlerhaft ist die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für das Erhöhungsverlangen, bei der das Berufungsgericht ohne eigene Erwä-gungen den
Berechnungen des Amtsgerichts gefolgt ist,
das die Ausführungen des von ihm bestellten Sachverständigen übernommen hat. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass das Berufungsgericht -
ebenso wie das Amtsgericht
-
die von ihr vorgelegten Hinweise des [X.]es von Februar 2008 zu dem Verbraucherpreisindex für [X.] unberücksichtigt gelassen hat, in denen für den Umgang mit Punkteregelungen in alten [X.] empfohlen wird, für Anpassungen nur noch die Berechnung der reinen prozentualen Veränderung und keine Punkteberechnungen mehr durchzuführen sowie die Verträge auf [X.] umzustellen. Ob die Umsetzung die-ser Empfehlungen dem mutmaßlichen Willen der Parteien des [X.] entsprochen hätte, wenn sie den Wegfall des vereinbarten [X.] vorhergesehen hätten, musste das Berufungsge-richt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ermitteln.
d)
Nach den vorstehenden Ausführungen hat das Berufungsurteil keinen Bestand, soweit die Beklagte zur Zahlung verurteilt worden ist. Es ist deshalb aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO); die Sache ist insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO), damit es auf nachvollziehbarer Grundlage die Feststellung nachholen kann, ob sich die allgemeinen wirtschaft-lichen Verhältnisse im Sinne der Vertragsklausel seit der letzten [X.]an-passung wesentlich verändert haben, und damit es
die notwendige ergänzende Vertragsauslegung zur Ermittlung der Berechnungsgrundlage für das [X.] bei Anwendung des [X.] vornimmt.
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2. Begründet ist die Revision auch, soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, die Beklagte schulde [X.] in Höhe von 2.514,05

diesem [X.] zugrunde liegende Klageantrag ist unzulässig, weil der Kläger eine Leistungsklage hätte erheben können (st. Rspr. des [X.], siehe schon Beschluss vom 4.
April 1952 -
III
ZA
20/52, [X.]Z 5, 314, 315). Denn ein rechtliches Interesse im Sinne von §
256 ZPO ist regelmäßig dann zu vernei-nen, wenn hinsichtlich des positiv festzustellenden Anspruchs eine Leistungs-klage möglich und zulässig ist. So ist es hier. Der [X.] hat bereits entschieden, dass die Verpflichtung zur Zahlung künftigen [X.] auch dann Gegen-stand einer Leistungsklage nach §
258 ZPO sein kann, wenn sich -
wie hier
-
die Höhe des [X.] aufgrund einer vereinbarten Wertsicherungsklausel [X.] kann (Urteil vom 17.
November 2006 -
V
ZR 71/06, NJW 2007, 294
f.). Auch insoweit ist das Berufungsurteil somit aufzuheben. Da die Sache in diesem Punkt zur Endentscheidung reif ist, hat der [X.] selbst zu entscheiden (§
563 Abs.
3 ZPO). Das führt -
auf die Berufung der Beklagten hin
-
zur Abweisung der Klage insoweit.
3. Unbegründet ist die Revision jedoch, soweit sie sich gegen die weitere Feststellung richtet, dass für die künftigen [X.]anpassungen der Ver-braucherpreisindex als Berechnungsgrundlage anzuwenden
sei. Der diesem [X.] zugrunde liegende Klageantrag ist zulässig
und begründet.
a) Gegenstand einer Feststellungsklage nach §
256 ZPO kann nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein, d.h. der aus ei-nem konkreten Lebenssachverhalt entstandenen Rechtsbeziehungen von Per-sonen zu Personen oder von Personen zu Sachen; nicht zulässig ist eine Fest-stellung zur Klärung einzelner Vorfragen, zur Klärung der Elemente eines Rechtsverhältnisses oder zur Klärung der Berechnungsgrundlagen eines An-spruchs oder einer Leistungspflicht ([X.], Urteil vom 3.
März 1982 -
VIII
ZR 14
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10/81, NJW 1982, 1878, 1879). Auf Letzteres läuft der zweite Feststellungsan-trag des [X.] zwar seinem Wortlaut nach hinaus.
Aber er ist dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Verpflichtung der Beklagten festgestellt haben will, den Verbraucherpreisindex als Grundlage für künftige Anpassungen des [X.] zu akzeptieren.
Dabei handelt es sich um die Feststellung eines durch Auslegung ermittelten Teils des [X.] und damit um die Fest-stellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne von §
256 ZPO (vgl. [X.], Urteil vom 3.
März 1982 -
VIII
ZR 10/81, aaO). Dem so verstandenen Antrag fehlt es nicht an dem notwendigen Feststellungsinteresse (siehe vorstehend unter 2.); der Kläger könnte zwar eine Klage auf künftige Zahlung erheben und zur [X.] auf den Verbraucherpreisindex abstellen.
Bei Erfolg der Klage stünde aber nicht mit Rechtskraft fest, dass die Beklagte diesen Index auch für künftige [X.]anpassungen akzeptieren muss.
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b) Zur Begründetheit des Feststellungsantrags wird -
um bloße Wiederho-lungen zu vermeiden
-
auf die vorstehenden Ausführungen unter III.
1.
a) [X.].

Krüger

Lemke

Schmidt-Räntsch

[X.]

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.12.2010 -
31 [X.]/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 25.05.2011 -
2 S 3/11 -

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Meta

V ZR 159/11

02.03.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2012, Az. V ZR 159/11 (REWIS RS 2012, 8591)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8591

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 159/11

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