Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2014, Az. XII ZB 289/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1419

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 289/14

vom

12. November 2014

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 233 A, 294 Abs. 1
Grundsätzlich darf von dem anwaltlich als richtig oder an Eides Statt versicher-ten Vorbringen in einem Wiedereinsetzungsantrag ausgegangen werden. Das gilt aber dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte es ausschließen, den ge-schilderten Sachverhalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zutreffend zu erachten (im [X.] an Senatsurteil vom 2.
November 1988

IVb
ZR 109/87

FamRZ 1989, 373).
[X.], Beschluss vom 12. November 2014 -
XII [X.] 289/14 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
12.
November 2014 durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose, die Richterin [X.] und [X.], [X.] und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats des [X.] vom 12. Mai 2014 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.
Wert: 20.

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten nach Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Mietvertrags auf Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen
in Anspruch.
Das [X.] hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. [X.] das am 22.
November 2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19.
Dezember 2013 Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag hat das Oberlan-desgericht die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis Samstag, den 22.
Februar 2014, verlängert. Am 25.
Februar 2014 um 0.11
Uhr ist die auf den 24.
Februar 2014 datierende Berufungsbegründung
beim Berufungsgericht per Telefax eingegangen. Im [X.] daran sind fünf weitere
gleichlautende Schriftsätze zur Berufungsbegründung auf dem Telefaxgerät
des Berufungsge-richts eingegangen.

1
-
3
-
Mit Schriftsatz vom 25.
Februar 2014
hat der anwaltlich vertretene [X.] für den Fall, dass er die Berufungsbegründungsfrist nicht eingehalten haben sollte, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
beantragt.
Zur [X.] hat er ausgeführt, sein
neuer
Prozessbevollmächtigter
(im Folgenden: Beklagtenvertreter),
der
am 24.
Februar 2014 um 14.15
Uhr mandatiert worden sei, habe die Berufungsbegründung um 23.42
Uhr
ausgedruckt und unmittelbar danach unterschrieben,
in das Faxgerät gelegt und spätestens um 23.43
Uhr den [X.] an die Faxnummer des Berufungsgerichts gegeben. Das
Fax-gerät
des Beklagtenvertreters
habe auch bei mehrfachen Versuchen Übertra-gungsfehler angezeigt. Der Beklagtenvertreter habe dann
seine Telefonanlage neu gestartet, was ungefähr zwei bis drei Minuten gedauert habe. Nach dem Neustart
habe er weiter versucht, die Berufungsbegründung per Telefax an das Berufungsgericht zu senden.
Während der [X.] habe er um 23.53
Uhr bemerkt, dass die Uhr seines Telefaxgeräts falsch eingestellt gewe-sen sei und die Uhrzeit 0.09
Uhr angezeigt habe. Er habe dann die [X.] korrigiert und weiter versucht, die Berufungsbegründung an das [X.] zu senden. Insgesamt habe er dreizehn [X.] unter-nommen, von denen der
erste erfolgreiche Versuch der insgesamt
vierte Ver-such gewesen sei.
Der Beklagtenvertreter hat mit gesondertem Schriftsatz
an Eides statt
versichert, dass seine Angaben im Wiedereinsetzungsantrag der Wahrheit ent-sprächen, und in einem weiteren Schriftsatz vorgetragen, die Uhr des [X.] sei um mindestens 16, wenn nicht sogar 19
Minuten verstellt gewesen.
Das Berufungsgericht hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ver-sagt und die Berufung des Beklagten
verworfen. Hiergegen wendet sich dieser mit der Rechtsbeschwerde.
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4
-
4
-
II.
Die gemäß §§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Vorausset-zungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten nicht in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz
(Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf ei-nem Beteiligten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten seines Verfahrensbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer durch die Verfahrensordnung eröffneten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtferti-gender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 11.
Juni 2008

XII
[X.]
184/07

FamRZ 2008, 1605 Rn.
6 mwN).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde liegt auch kein entscheidungserheblicher Verstoß des [X.] gegen Art.
103 Abs.
1 GG vor.
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die Berufung sei zu verwerfen, weil die Berufungsbegründung nicht frist-gemäß eingegangen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu versagen sei.
Der Beklagte habe nicht glaubhaft gemacht, ohne Verschulden an der Ein-haltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen zu sein. Er müsse sich das
Verschulden seines anwaltlichen Bevollmächtigten zurechnen lassen. Die vorgelegten Unterlagen begründeten nicht ausräumbare Zweifel am be-5
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7
8
-
5
-
haupteten zeitlichen Ablauf des Vorgehens des Beklagtenvertreters nach dem Ausdrucken
der [X.] um 23.42
Uhr.
Die vorgelegten Sendeprotokolle
und das Journal selbst belegten unter Berücksichtigung der behaupteten Falscheinstellung der Uhrzeit am Gerät nicht, dass der erste Sendeversuch tatsächlich bereits um 23.42
Uhr oder 23.43
Uhr vorgenommen worden sei. Vielmehr bleibe möglich, dass er erst kurz vor 0.00
Uhr oder überhaupt erst danach stattfand.
Die Unterlagen bestätigten erfolglose [X.] um 0.09
Uhr, 0.10
Uhr und 0.11
Uhr. Im [X.] des Beklagtenvertreters seien in ununterbrochener zeitlicher Abfolge [X.] zwischen 0.09
Uhr und 0.39
Uhr protokolliert, ohne Rücksprung der Uhrzeitangabe um
16 oder gar 19 Minuten.
Die protokollierten erfolgreichen [X.] passten zeitlich mit nur vernachlässigbarer Abweichung zu den beim Berufungsgericht eingegangenen Faxsendungen.
Unter den protokollier-ten [X.]n sei der erste erfolgreiche der insgesamt vierte
Versuch
mit der Zeitangabe 0.13
Uhr.
Eine Störung des Faxgeräts des
Berufungsgerichts sei angesichts dessen Journals
und der dienstlichen Erklärung des hierfür [X.] auszuschließen. Schließlich seien auch die übri-gen zeitlichen Angaben des Beklagtenvertreters widersprüchlich, nachdem er angebe, erst um 14.15 mandatiert worden zu sein, aber bereits um 14.07
Uhr einen ersten Entwurf der Berufungsbegründung erstellt zu haben.
2. Dies hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
Das Berufungsgericht hat zu Recht wegen eines dem Beklagten nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnenden [X.] eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt
und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen.
Die [X.] der Rechtsbeschwerde gegen die dieser Entscheidung
zugrunde liegende Annahme, der Beklagte habe seinen zur Wiedereinsetzung 9
10
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-
6
-
gehaltenen Vortrag nicht gemäß §§ 236 Abs.
2 Satz
1 Halbsatz
2,
294 ZPO glaubhaft gemacht, greifen nicht durch.
a) Ohne Rechtsfehler ist
das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die bis Samstag, 22.
Februar 2014,
verlängerte Berufungsbegründungs-frist gemäß §
222 Abs.
2 ZPO am Montag, dem 24.
Februar 2014,
ablief, so dass die am 25.
Februar 2014 um 0.11
Uhr eingegangene Berufungsbegrün-dung nicht mehr fristgerecht
eingereicht worden ist. Hiergegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.
b) Die Rechtsbeschwerde rügt
ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Glaubhaftmachung dadurch überspannt, dass es bei seiner Würdigung, ob der Vortrag glaubhaft gemacht sei, neben der eidesstattli-chen Versicherung des Beklagtenvertreters
auch die übrigen vorgelegten [X.] berücksichtigt habe.
Die Verwertung dieser Unterlagen begegnet keinen rechtlichen Beden-ken. Zwar darf grundsätzlich von dem anwaltlich als richtig oder an Eides Statt versicherten Vorbringen in einem Wiedereinsetzungsantrag ausgegangen wer-den.
Das gilt aber
dann
nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte es ausschließen, den geschilderten Sachverhalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als
zutref-fend zu erachten (Senatsurteil vom 2.
November 1988

IVb
ZR 109/87

FamRZ 1989, 373, 374). Solche
Anhaltspunkte können sich auch aus dem üb-rigen Parteivortrag
sowie bei der Akte befindlichen Unterlagen ergeben
(vgl. nur [X.] Beschluss vom 20.
Dezember 2007

III
[X.] 73/07

juris Rn.
3 und 5).
Dies gilt unabhängig davon, ob die Vorlage der
Unterlagen pflichtgemäß oder über-obligatorisch erfolgt ist.

c) Das Berufungsgericht hat aus den vorliegenden Unterlagen zutreffend den Schluss gezogen, dass trotz der anders lautenden und an Eides statt versi-12
13
14
15
-
7
-
cherten Ausführungen des Beklagtenvertreters ein Sendebeginn noch am 24.
Februar 2014 nicht überwiegend wahrscheinlich und damit nicht glaubhaft gemacht ist.
aa) Die im [X.] der Rechtsanwaltskanzlei als erfolgreich ausge-wiesenen Vorgänge sind

jeweils am 25.
Februar 2014

mit den [X.] 0.13, 0.19, 0.22, 0.28, 0.31 und 0.35 aufgeführt. Das [X.] des [X.] listet ebenfalls sechs erfolgreiche Faxvorgänge vom An-schluss des Beklagtenvertreters aus auf, für die als Uhrzeiten 0.10, 0.16, 0.19, 0.24, 0.27 und 0.32 angegeben sind. Aus dem vom Beklagtenvertreter vorge-legten
Sendeprotokoll über den ersten erfolglosen Anwahlversuch ergibt sich unter dem Datum 25.
Februar 2014 die Uhrzeit 0.09; die weiteren [X.] schließen sich gemäß den [X.]
zeitlich an, wobei die danach erfolgreichen Versuche in der Uhrzeit mit den im [X.] der Rechtsanwaltskanzlei enthaltenen übereinstimmen.
Das [X.] hat hieraus geschlossen, dass die vom Beklag-tenvertreter behauptete Änderung der Zeiteinstellung an seinem Faxgerät (nach angeblichem Bemerken der verstellten Zeit) nicht belegt ist. Dies ist rechtlich in keiner Weise zu beanstanden
und
erscheint überdies denklogisch zwingend. Darüber hinaus lässt der vom
[X.] vorgenommene Vergleich der beiden [X.]e im Zusammenspiel mit den [X.] allein den Schluss zu, dass der erste fehlgeschlagene Faxversuch tatsächlich erst nach Mitternacht vorgenommen worden ist.
Für eine überwiegende Wahrscheinlich-keit, dass die Darstellung des Beklagtenvertreters zutreffend ist, bleibt mithin kein Raum.
bb) Die
Rechtsbeschwerde macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe
den Vortrag des Beklagten falsch und unvollständig 16
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-
erfasst.
Die [X.], das [X.] habe das Vorbringen übergangen, die Uhr des [X.] sei "16, wenn nicht gar 19 Minuten"
vorgegangen, ist schon inhaltlich unzutreffend.
Denn das Berufungsgericht hat das [X.] auch auf einen Zeitunterschied
von 19 Minuten
überprüft. Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil in der angegriffenen Entscheidung bereits beanstandungs-frei eine Änderung
der Zeiteinstellung und damit unzutreffende Zeitangaben im [X.] der Rechtsanwaltskanzlei als nicht glaubhaft gemacht erachtet wer-den.
d) Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die eidesstattliche Versicherung des Beklagtenvertreters
schon deshalb
kein geeignetes Mittel der Glaubhaftmachung
darstellt, weil sie Bezug auf in einem anderen Schriftsatz vorgetragene Tatsachen nimmt.
19
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-
Dadurch, dass in dem Schriftsatz sowohl tatsächliche als auch rechtliche Ausführungen enthalten und dass die Grenzen zwischen diesen oft fließend sind, können leicht Zweifel entstehen, inwieweit nunmehr die Angaben von der eidesstattlichen Versicherung gedeckt sind.
Deshalb ist ein eigener Sachvortrag in der eidesstattlichen Versicherung selbst erforderlich ([X.] Beschluss vom 13.
Januar 1988

IVa
[X.] 13/87

NJW 1988, 2045
f.). Die
sonst bestehende
Unsicherheit widerspricht gerade
dem Zweck der eidesstattlichen Versicherung, einen Sachvortrag zu bekräftigen.

Dose

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.11.2013 -
1 O 2757/12 (422) -
O[X.], Entscheidung vom 12.05.2014 -
7 [X.] -
20

Meta

XII ZB 289/14

12.11.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2014, Az. XII ZB 289/14 (REWIS RS 2014, 1419)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1419

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZB 1/13 (Bundesgerichtshof)


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Wird zitiert von

II ZB 7/15

Zitiert

XII ZB 289/14

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