Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2012, Az. 4 AZR 311/10

4. Senat | REWIS RS 2012, 7933

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Tenor

1. Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. März 2010 - 13 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin und daraus erwachsene Entgeltdifferenzansprüche.

2

Zwischen den Parteien besteht seit dem 3. Mai 2004 ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin ist als Kontrollschaffnerin bei der Beklagten beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.].

3

Der Klägerin sind als Kontrollschaffnerin folgende Aufgaben übertragen worden:

        

„-    

Durchführung von Fahrausweisprüfungen nach erfolgter Kontrollschaffnerausbildung

        

-       

Berechtigung und Verpflichtung zur Entgegennahme des erhöhten Beförderungsentgelts nach Maßgabe der Beförderungsbedingungen der [X.] des Kunden

        

-       

Überwachung der Einhaltung der Allgemeinen Beförderungsbedingungen

        

-       

Aktiver Dienst am Kunden in Form der Erteilung von Auskünften zu Verkehrsverbindungen, Tarifen und Örtlichkeiten sowie die Leistungs- und Hilfestellung gegenüber allen, insbesondere mobilitätsbehinderten Kunden

        

-       

Hilfestellung bei der Bedienung von Ticketautomaten

        

-       

Erkennen und Melden von Gefahrenzuständen“

4

In den Monaten Juli bis November 2009 arbeitete die Klägerin insgesamt 626 Tagstunden, von denen 116,5 auf einen Sonntag und 16 auf einen Feiertag fielen, sowie 86 Nachtstunden. 8 Stunden wandte sie für eine Schulung auf. Im November 2009 erhielt sie außerdem Urlaubsentgelt für 18 Tage. Die Beklagte berechnete dieses Entgelt auf der Grundlage von 9,14 Euro brutto je Arbeitsstunde. Die Klägerin machte demgegenüber mit Schreiben vom 27. August 2009 Entgelt nach der Lohngruppe 2.0.4 des [X.] für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in [X.] vom 11. Mai 2009, in [X.] ab 1. Mai 2009, ([X.]) mit einem Stundengrundlohn von 10,67 Euro geltend.

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie erfülle die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales der Lohngruppe 2.0.4 [X.]. Sie sei als „Kontrolleurin im Außendienst“ beschäftigt. Ihr stünden deshalb für den Streitzeitraum Entgeltdifferenzen in Höhe von - rechnerisch unstreitig - insgesamt 1.261,23 Euro brutto zu.

6

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.261,23 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. Januar 2010 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass die Klägerin die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmales der Lohngruppe 2.0.4 [X.] nicht erfülle. Wie sich aus der Systematik des Tarifvertrages und der Tarifgeschichte ergebe, beinhalte die Anforderung der „Kontrolle im Außendienst“ die Wahrnehmung von [X.] und sei allein auf die Kontrolle von anderen Arbeitnehmern des Arbeitgebers beschränkt. Sie erstrecke sich nicht auf eine Tätigkeit für einen externen Auftraggeber.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Sprungrevision zugelassen. Mit ihrer Sprungrevision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Sprungrevision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der [X.] bleibt erfolglos.

I. Das Arbeitsgericht hat die Klage für begründet erachtet. Die Klägerin sei als [X.]in als Kontrolleurin im Außendienst nach der Lohngruppe 2.0.4 [X.] eingruppiert. Hierfür sei entgegen der Auffassung der [X.] die Wahrnehmung einer [X.] nicht erforderlich. Dies ergebe sich auch nicht aus der Tarifgeschichte; ein evtl. hierauf gerichteter Wille der Tarifvertragsparteien habe im Wortlaut der Tarifnorm keinen Niederschlag gefunden.

II. Die hiergegen gerichtete Sprungrevision der [X.] ist unbegründet.

1. Die Revision ist zulässig.

a) Die Beklagte konnte die Revision als Sprungrevision gegen das erstinstanzliche Urteil einlegen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen einer Sprungrevision nach § 76 ArbGG vorliegen.

aa) Die Sprungrevision ist vom Arbeitsgericht auf Antrag der [X.] im Urteil zugelassen worden ( § 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ). Die Beklagte hat den Antrag im Schriftsatz vom 17. März 2010 gestellt. In dem am 19. März 2010 verkündeten Urteil des [X.] wurde die Sprungrevision in Ziff. 5 des Tenors zugelassen.

bb) Die nach § 76 Abs. 1 Satz 1 ArbGG erforderliche Zustimmung des Gegners zur Sprungrevision ist erteilt worden. Die Klägerin hat durch Erklärung ihrer Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz an den [X.]vertreter vom 5. Mai 2010 ihr Einverständnis mit der Durchführung, also auch der Einlegung, der Sprungrevision erklärt.

cc) Die Zustimmungserklärung der Klägerin ist der [X.] der [X.] im Original beigefügt worden und dem Revisionsgericht innerhalb der Revisionsfrist zugegangen.

b) Hinsichtlich der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Revision bestehen keine Bedenken.

2. Die Revision der [X.] ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Anspruch der Klägerin rechtsfehlerfrei bejaht.

a) Für das Arbeitsverhältnis der Parteien galt im Streitzeitraum von Juli bis November 2009 der allgemeinverbindliche [X.].

b) Der [X.], der auch für die Eingruppierung der Klägerin maßgebend ist, enthält dazu folgende Regelungen:

        

„1.     

Geltungsbereich

                 

Dieser Tarifvertrag gilt:

                 

...     

                 

fachlich:

für alle Betriebe des [X.] sowie für alle Betriebe, die Kontroll- und Ordnungsdienste betreiben, ...

                 

persönlich:

für alle in diesen Betrieben tätigen gewerblichen Arbeitnehmer.

                 

…       

        
        

2.    

Löhne 

        

2.0.   

Die Löhne betragen

        

A.    

        

€ ab 01.07.2009

        

…       

                 
        

2.0.4.

Kontrolleure im Außendienst und Schichtführer im Interventions-/Revierdienst

        
                 

Stunden-Grundlohn

10,67 

        

…       

                 
        

2.0.10.

Sicherheitsmitarbeiter in der Bewachung in [X.] des öffentlichen Personenverkehrs, sowie Sicherheitsmitarbeiter im Ordnungsdienst in Bahnhöfen und [X.] des öffentlichen Personenverkehrs

        
                 

Stunden-Grundlohn

11,27 

        

B       

                 
        

…       

                 
        

2.0.18.

Sicherheitsmitarbeiter im Kontroll-, Ordnungs- und Informationsdienst bei Messen und Veranstaltungen

        
                 

Stunden-Grundlohn

8,19“ 

c) Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit erfüllte die Anforderungen eines [X.]es der Lohngruppe 2.0.4 [X.].

aa) Die Auslegung eines [X.] durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen ([X.] 19. September 2007 - 4 [X.] - Rn. 30, [X.]E 124, 110). Dabei folgt die Auslegung des normativen Teils eines [X.] nach ständiger Rechtsprechung des [X.] den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (näher dazu [X.] [X.] 7. Juli 2004 - 4 [X.]/03 - [X.]E 111, 204; 30. Mai 2001 - 4 [X.] [X.]E 98, 35, jeweils mwN).

bb) Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt das [X.] „Kontrolleure im Außendienst“ der Lohngruppe 2.0.4 [X.]. Dies hat der Senat für einen ebenfalls bei der [X.] beschäftigten [X.] mit einem wörtlich identischen Tätigkeitsbereich für den [X.] 2008 bereits entschieden ([X.] 25. Februar 2009 - 4 [X.] - Rn. 32, [X.]E 129, 355). Hiervon abzuweichen geben auch die weiteren Erwägungen der [X.] keinen Anlass.

(1) Die Tätigkeit der Klägerin ist eine Kontrolltätigkeit iSd. tariflichen Regelung.

(a) Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 25. Februar 2009 (- 4 [X.] - Rn. 25 ff., [X.]E 129, 355) ausgeführt hat, hat der Begriff der „Kontrolle“ mehrere Bedeutungen und ist im vorliegenden Zusammenhang als „Überwachung“ und „Prüfung“ zu verstehen (vgl. [X.] Deutsches Universalwörterbuch 5. Aufl. Stichworte „Kontrolle“, „Kontrolleur“ und „kontrollieren“). „Überwachung“ meint ua. „Kontrollieren“ (vgl. [X.] 8. Aufl. Stichworte „überwachen“ und „Überwachung“) und ist in dieser Bedeutung darauf gerichtet, „dass in einem bestimmten Bereich alles mit rechten Dingen zugeht“ (vgl. [X.] Stichwort „überwachen“), also die Regeln eingehalten werden. Beispielsweise werden Fahrkarten bzw. Fahrscheine überprüft und kontrolliert (vgl. [X.] Stichworte „Kontrolle“ und „kontrollieren“). Die Kontrolltätigkeit geht jedoch auch über die Bewachung hinaus. So erfordert sie ein aktives Zugehen auf die Fahrgäste und deren Ansprechen zum Zweck der Kontrolle. Es reicht nicht aus, sie zu beobachten und nur anlassbezogen einzugreifen.

(b) Dem Begriff der „Kontrolle“ entspricht die Tätigkeit der Klägerin insbesondere beim „Durchführen von Fahrausweisprüfungen“ und der sich daraus teilweise ergebenden „Entgegennahme des erhöhten [X.]“. Dem entspricht in zweifachem Sinne auch die Berufsbezeichnung als „[X.]“, denn auch ein „Schaffner“ ist jemand, „der in öffentlichen [X.] Fahrausweise verkauft, kontrolliert“ ([X.] Stichwort „Schaffner“). Damit stehen die genannten Tätigkeiten im Mittelpunkt der arbeitsvertraglichen Aufgaben der Klägerin und geben ihr das Gepräge.

(c) Im Übrigen gehört auch der festgestellte Tätigkeitsaspekt „Erkennen und Melden von Gefahrenzuständen“ zum Bereich der Überwachung und Kontrolle. Lediglich das Erteilen von Auskünften und verschiedenen Hilfestellungen für Kunden ist nicht unmittelbar der „Kontrolle“ zuzurechnen.

(2) Die Kontrolltätigkeit der Klägerin wird auch „im Außendienst“ durchgeführt.

(a) Der Begriff des „Außendienstes“ umfasst viele Tätigkeitsorte. Er ist nur durch den Gegenbegriff des „Innendienstes“ begrenzt. Als „Kontrolleur im Außendienst“ ist deshalb jede Tätigkeit von Kontrolleuren anzusehen, die nicht im Innendienst verrichtet wird und für die es keine spezielle Regelung gibt ([X.] 25. Februar 2009 - 4 [X.] - Rn. 32, [X.]E 129, 355).

(b) Für die Tätigkeit einer [X.]in gibt es im [X.] keine - andere - spezielle Regelung. Soweit die Beklagte hier auf die in der Lohngruppe 2.0.18 [X.] aufgeführten Anforderungen verweist, ist diese offenkundig nicht einschlägig ([X.] 25. Februar 2009 - 4 [X.] - Rn. 31, [X.]E 129, 355). Eine [X.]in ist nicht im „Kontroll-, Ordnungs- und Informationsdienst bei Messen und Veranstaltungen“ tätig. Ebenso wenig ist das [X.] der Lohngruppe 2.0.10 [X.] einschlägig; dies hat der Senat für eine identische Tätigkeit in Bezug auf den insoweit nahezu wortgleichen [X.] 2008 bereits entschieden (vgl. [X.] 25. Februar 2009 - 4 [X.] - Rn. 20 ff., aaO).

cc) Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass dem Begriff der Kontrolle im [X.] der Lohngruppe 2.0.4 [X.] aus systematischen Gründen die Einschränkung zu entnehmen sei, sie beziehe sich lediglich auf Arbeitnehmer der [X.] selbst und beinhalte damit die Notwendigkeit einer [X.].

(1) Die Beklagte begründet diesen Einwand damit, dass in der betreffenden Lohngruppe des [X.] nicht nur „Kontrolleure im Außendienst“, sondern auch „Schichtführer im Revierwachdienst“ aufgeführt seien. Die grundsätzlich anzunehmende Gleichwertigkeit aller in einer einheitlichen Lohngruppe genannten Tätigkeiten könne nur dann gewahrt sein, wenn auch die Kontrolleure im Außendienst [X.] und [X.] hätten. Demnach sei der Tarifbegriff der „Kontrolle im Außendienst“ dahin auszulegen, dass die dort genannte Kontrolltätigkeit sich allein auf die Mitarbeiter des Arbeitgebers selbst beziehe und nicht auf externe Auftraggeber.

(2) Diese Auffassung ist unzutreffend.

(a) Das folgt bereits aus methodisch-systematischen Überlegungen. Wenn eine Entgeltordnung zwei konkrete Tätigkeiten nebeneinander in einer Lohngruppe aufführt, sind sie jeweils in ihrer konkreten Formulierung auf die Übereinstimmung mit den Anforderungen an die Tätigkeit des betroffenen Arbeitnehmers zu überprüfen. Wenn die konkreten, im Tarifvertrag benannten Tätigkeiten nicht als Richtbeispiele für die Erfüllung allgemeiner Anforderungen gekennzeichnet sind, verbietet es sich im Grundfall, zur Auslegung des einen [X.]es die dem anderen [X.] innewohnenden abstrakten Anforderungen herauszuarbeiten und zusätzlich als - im Wortlaut nicht genannte - weitere Voraussetzung an das erste [X.] anzulegen.

(b) Dies bedeutet konkret, dass die grundsätzlich zu unterstellende Gleichwertigkeit der in einer Lohngruppe zusammengefassten Tätigkeiten von den Tarifvertragsparteien im Wortlaut der [X.] abschließend zum Ausdruck gebracht wird und nicht im Nachhinein einer - entscheidungserheblichen - Kontrolle durch die Arbeitsgerichte unterzogen werden darf. Hierfür müssten die für die Tarifvertragsparteien maßgebenden [X.] klar formuliert und zweifelsfrei als - ggf. zusätzliche - Anforderung an die einzelne tariflich zugeordnete Tätigkeit erkennbar sein. Die Tarifvertragsparteien haben es selbst in der Hand, eine von ihnen gemeinsam für mehrere [X.]e vorausgesetzte Anforderung in einer Weise zu formulieren, dass sie auch für Außenstehende, insbesondere Tarifunterworfene und Arbeitsgerichte, klar erkennbar ist. So wird etwa ein tarifliches [X.] häufig durch einen allgemeinen Oberbegriff und konkrete Richtbeispiele bestimmt, deren Verhältnis zueinander im Tarifvertrag selbst bestimmt werden kann. Ergibt sich die Anforderung jedoch nicht aus dem Wortlaut des [X.] und ist sie auch nicht - zwingend - aus der Systematik zu schließen, kann sie bei der Auslegung des [X.] keine Berücksichtigung finden, selbst wenn sie - wie von der [X.] behauptet, aber in keiner Weise belegt - von den Tarifvertragsparteien „eigentlich“ einbezogen werden sollte.

(c) Im Streitfall kommt hinzu, dass sich eine Reihe anderer Faktoren aufdrängt, die die von der [X.] zugrunde gelegte „Gleichwertigkeit“ der beiden in Lohngruppe 2.0.4 [X.] genannten Tätigkeiten begründen kann. Die Wertigkeit einer Arbeit nach Lohngruppe 2.0.4 [X.] wird nicht notwendig allein danach bemessen, dass mit ihrer Ausübung eine [X.] verbunden ist. Dies mag für das [X.] des Schichtführers im Revierdienst von den Tarifvertragsparteien so gesehen worden sein. Ein Kontrolleur im Außendienst hat diese [X.] nicht zwingend. Er muss aber andere besondere Kriterien erfüllen, die ihrerseits bei einem Schichtführer im Revierdienst nicht notwendig gegeben sein müssen. So kann der Grad an Verantwortung bei der Tätigkeit von [X.]n [X.] für das durch die Inkassotätigkeit eingenommene erhöhte Beförderungsentgelt gesteigert sein. Auch die intellektuellen Anforderungen der Arbeit, [X.] im Zusammenhang mit der Beherrschung des Systems unterschiedlicher Fahrausweise und [X.] im öffentlichen Personennahverkehr oder der Funktionsweise von Fahrscheinautomaten können gesondert bewertet worden sein. Ferner spielt die Risikoträchtigkeit in der Kontrolle im Außendienst eine Rolle, [X.] bei der Überprüfung von Schwarzfahrern, die ein nicht unerhebliches Maß an Flexibilität und psychologischem Einfühlungsvermögen verlangen kann. Auch die Bedeutung der [X.]tätigkeit für die Außendarstellung des Verkehrsunternehmens im Hinblick auf Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft gegenüber dem Fahrgast mag einbezogen worden sein.

(d) Schließlich ist auch den sonstigen [X.]en des [X.] nicht zu entnehmen, dass die Lohngruppen nach der jeweiligen Personalverantwortung der Arbeitnehmer geordnet sind. Die „[X.]“ wird ausdrücklich nur in der Lohngruppe 2.0.6 [X.] erwähnt. Gleichwohl beträgt das hier zu zahlende Arbeitsentgelt mit 10,99 [X.] deutlich weniger als dasjenige von Beschäftigten in der Bewachung in [X.] des öffentlichen Personenverkehrs, sowie Mitarbeitern im Ordnungsdienst in Bahnhöfen und [X.] des öffentlichen Personenverkehrs nach Lohngruppe 2.0.10 [X.] mit 11,27 [X.]. Ersichtlich ist die Wahrnehmung einer Personalverantwortung in dieser Lohngruppe ebenso wenig erforderlich wie bei den [X.] mit einer Prüfung nach den Prüfungsordnungen einer [X.] nach der Lohngruppe 2.0.8 [X.] mit 11,28 bzw. 12,33 [X.].

dd) Ebenfalls erfolglos bleibt der Hinweis der [X.] auf die Tarifgeschichte.

(1) Die hier maßgebende Formulierung des [X.]es ist im [X.] im Jahre 2009 vereinbart worden. Sie entspricht weitgehend der Formulierung in den „Vorgängertarifverträgen“ derselben Tarifvertragsparteien, zuletzt dem vom 21. März 1990 ([X.] 1990). In dem bis dahin geltenden Lohntarifvertrag, zuletzt vom 2. Mai 1988 ([X.] 1988), war eine Lohngruppe 2.0.5 aufgeführt, deren Anforderungen folgenden Wortlaut hatten:

        

„2.0.5

Kontrolleure sowohl des Revierwachdienstes als auch aller anderen Außendienste“

Nach der Auffassung der [X.] handelte es sich dabei um den „tariflichen Vorläufer“ der späteren Lohngruppe 2.0.4. Diese sei jener gegenüber lediglich „sprachlich abgewandelt“ worden, was aber „nicht den Tätigkeitscharakter veränderte“. Die Neuformulierung habe lediglich „moderner“ sein sollen, jedoch nichts an der Voraussetzung geändert, dass es um die „Kontrolle eigener Arbeitnehmer“ gegangen sei.

(2) Diese Auffassung ist unzutreffend. Sie berücksichtigt nicht den Stellenwert des Wortlauts für die Auslegung eines [X.].

(a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich überhaupt um einen „tariflichen Vorläufer“ handelte. Die Lohngruppen 2.0.5 [X.] 1988 und 2.0.4 [X.] 1990 haben bereits verschiedene numerische Bezeichnungen, so dass bereits nicht ohne weiteres erkennbar wird, dass von dieser - neuen - Lohngruppe 2.0.4 [X.] 1990 dieselben Tätigkeiten - und zwar vollständig und abschließend - erfasst werden sollten wie von der Lohngruppe 2.0.5 [X.] 1988. Es ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich, dass die Beklagte sich in der Sache auf den Wortlaut des [X.]es im [X.] 2008 stützt („Kontrolleure im Außendienst und Schichtführer im Revierwachdienst“) und nicht auf den Wortlaut des [X.]es im hier einschlägigen, gegenüber dem [X.] 2008 sprachlich abgeänderten [X.] („Kontrolleure im Außendienst und Schichtführer im Interventions-/Revierdienst“).

(b) Eine entscheidende Abweichung ergibt sich aus dem Wortlaut selbst. Ist im [X.] 1988 noch von Kontrolleuren „des“ Außendienstes die Rede, so geht es im [X.] 1990 an der genannten Stelle um Kontrolleure „im“ Außendienst. Damit ist nicht mehr das Objekt der Kontrolle, sondern der Ort der Tätigkeit genannt. Es liegt nahe, aus der abweichenden Formulierung eine abweichende Regelungsabsicht zu folgern. Wenn Tarifvertragsparteien eine langjährig eingeführte Formulierung eines [X.]es zu einer dem Wortlaut nach neuen Bedeutung ändern, spricht dies zunächst dafür, dass sie auch die Anforderungen an die Tätigkeit ändern wollten; andernfalls hätte es keinen Anlass zur Änderung gegeben. Sollte insoweit nur eine „Modernisierung“ des Sprachgebrauchs ohne jede inhaltliche Änderung beabsichtigt gewesen sein, müsste sich dies aus der Änderung selbst ergeben (etwa wenn die Formulierung „Arbeiter und Angestellte“ durch den Begriff „Arbeitnehmer/in“ ersetzt wird) oder in sonstiger Weise so zum Ausdruck gebracht werden, dass das Fehlen einer Änderungsabsicht trotz bei Anwendung allgemeiner Auslegungsregeln auch inhaltlich ändernder Formulierung auch für Außenstehende erkennbar wird.

(3) Die Heranziehung der von der [X.] vorgetragenen „Tarifgeschichte“ verbietet sich auch aus grundsätzlichen Überlegungen.

(a) Wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, kann wegen der weitreichenden Wirkung von [X.] auf die Rechtsverhältnisse von Dritten, die an den [X.] unbeteiligt waren, im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der Wille der Tarifvertragsparteien nur dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar einen Niederschlag gefunden hat ([X.] 19. September 2007 - 4 [X.] - Rn. 32, [X.]E 124, 110; 31. Oktober 1990 - 4 [X.] - [X.]E 66, 177, 181). Die den Normen eines [X.] Unterworfenen müssen erkennen, welchen Regelungsgehalt die Normen haben. Zu dessen Ermittlung über den nicht zweifelhaften Wortlaut hinaus können sie nicht darauf verwiesen werden, sich Kenntnis über weitere Auslegungsmöglichkeiten zu verschaffen. So sind sie weder verpflichtet, Auskünfte ihrer Koalitionen einzuholen ([X.] 19. September 2007 - 4 [X.] - aaO; 23. Februar 1994 - 4 [X.] - [X.] § 1 Tarifverträge: Kirchen Nr. 2; 7. August 2002 - 10 [X.] - [X.] § 1 Tarifverträge: Druckindustrie Nr. 39 = EzA TVG § 4 Druckindustrie Nr. 30; 22. Juni 2005 - 10 [X.] - EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 41) noch etwaige „Vorgängertarifverträge“ ausfindig zu machen. Eine solche Verpflichtung widerspräche dem [X.] eines [X.]. Es nähme der Gewissheit des Geltungsgrundes und des Geltungsinhalts der [X.] die notwendige Sicherheit. Die Tarifvertragsparteien haben es in der Hand, eine von der Änderung des Wortlauts der Regelung des [X.] abweichende Absicht der Kontinuität des Inhalts der Regelung in einer auch für Außenstehende erkennbaren Weise zum Ausdruck zu bringen; sie müssen dies aber auch tun.

(b) Dies zeigt sich im Streitfall mit besonderer Deutlichkeit. Die von der Revision vorausgesetzten Anforderungen an den Rechtsanwender, also die Tarifunterworfenen und ihre Prozessvertretungen sowie die Arbeitsgerichte, zur Ermittlung der maßgebenden [X.] und ihrer Auslegung wären unter Zugrundelegung der Notwendigkeit einer Heranziehung der Tarifgeschichte weder gerechtfertig noch erfüllbar. Legte man die in der Revision formulierten Anforderungen zugrunde, müsste sich ein Arbeitnehmer oder Arbeitgeber bei der Auslegung jedes - im Wesentlichen - klaren Wortlauts einer Tarifnorm, der selbst zu keinen Zweifeln und weiteren Nachforschungen Anlass gibt, fragen, ob es hierfür einen „tariflichen Vorläufer“ gegeben hat. Es müsste sodann die aktuelle Fassung des [X.] mit einem Vorläufertarifvertrag verglichen werden. Weist dieser - wie vorliegend - dieselbe Formulierung auf, müssten die früher geltenden Tarifverträge derselben Tarifvertragsparteien ausfindig gemacht - hier [X.] vom 17. April 2008, vom 9. März 2007, vom 11. Mai 2006, vom 12. April 2005, vom 13. August 2003 - und womöglich bis auf einen Tarifvertrag zurückverfolgt werden, der diese Formulierung (noch) nicht enthalten hatte. Dieser historische Tarifvertrag müsste sodann auf eine Formulierung untersucht werden, die der späteren, eben gerade nicht identischen Formulierung insoweit nahekommt (ohne mit ihr identisch zu sein), dass der Gedanke, es könne sich um eine „Vorläufer-Formulierung“ handeln, jedenfalls nicht auszuschließen ist, auch wenn numerisch eine andere [X.] vorliegt. Sodann müsste die „Vorläufer-Formulierung“ ihrerseits ausgelegt und diese Auslegung mit derjenigen des aktuellen [X.] verglichen werden. Bei unterschiedlichen Ergebnissen gälte es abzuwägen, ob die Tarifvertragsparteien unabhängig von der - wie hier - vor vielen Jahren vorgenommenen Änderung der Formulierung und der unterschiedlichen numerischen Bezeichnung gleichwohl denselben Inhalt meinten, wie sie ihn dem Wortlaut der früheren Formulierung beigemessen haben. Welche Kriterien hierfür heranzuziehen wären (etwa die Möglichkeit, es handele sich lediglich um eine „modernere“ Formulierung), ist allerdings selbst hypothetisch kaum zu ergründen. Zu einer solchen Vorgehensweise wären bei Heranziehung der „Tarifgeschichte“ in dieser Form die Gerichte für Arbeitssachen auch bei klarem Wortlaut und bei Fehlen jedweder Problematisierung durch die Parteien verpflichtet. Denn die Auslegung von Tarifverträgen, auch von tariflichen [X.]en und den dort formulierten Anforderungen, hat das Arbeitsgericht selbst vorzunehmen, ohne an Vorgaben der Prozessparteien gebunden zu sein.

3. In der Höhe ist die Forderung ebenso unstreitig wie hinsichtlich des Zinsanspruchs.

III. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos bleibt (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Bepler    

        

    Winter    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Lippok    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 311/10

21.03.2012

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 19. März 2010, Az: 13 Ca 9433/09, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2012, Az. 4 AZR 311/10 (REWIS RS 2012, 7933)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7933

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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