Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.04.2005, Az. IV ZR 252/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3950

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]/03

Verkündet am:

20. April 2005

[X.]

[X.]ustizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein _____________________

[X.] Wohngebäudeversicherung

Zur Kausalität zwischen der in einer Wohngebäudeversicherung versicherten Gefahr "Überschwemmung des Grundstücks" und dem dabei eingetretenen Gebäudescha-den.

[X.], Urteil vom 20. April 2005 - [X.]/03 - SchlH OLG

LG Kiel

- 2 -

[X.] hat durch den [X.] und [X.], [X.], [X.] und Dr. [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2005
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 16. Zivil-senats des [X.] in [X.] vom 30. Oktober 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger begehren Ersatz für [X.] von 13.880,89 • aus einer Wohngebäudeversicherung, die sie bei der [X.] für ihr Haus auf dem am [X.] gelegenen Grundstück "zum gleitenden Neuwert gegen Schäden durch Feuer, Leitungswasser, [X.]/Hagel und Elementarschäden" abgeschlossen haben. Dem [X.] liegen "Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedin-gungen" (im folgenden: [X.]) und "Besondere Bedingungen für die Ver-sicherung weiterer Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung" (im folgenden: [X.]) der [X.] zugrunde. In bezug auf Über-- 3 -

schwemmungsschäden ist in den [X.] unter anderem folgendes be-stimmt:
"2.1: Wir leisten Entschädigung für versicherte Sachen, die durch

2.1.1 Überschwemmung des Versicherungsgrundstückes (Ziffer 3)


zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhanden kommen.



3.1: Überschwemmung ist eine Überflutung des Grund und Bo-dens, auf dem das versicherte Gebäude liegt ([X.]), durch

3.1.1 [X.] von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern;

3.1.2 Witterungsniederschläge."

Infolge des [X.] im [X.]uli/August 2002 breitete sich Was-ser des [X.]s auf dem Grundstück der Kläger in einer Höhe von bis zu zwei Metern aus. Wegen der Hanglage und der [X.] vor der Terrasse in Höhe von weiteren zwei Metern über dem [X.] erreichte der Wasserspiegel die Kelleraußenwand des Gebäudes selbst nicht. In dieser Zeit drang zwischen Bodenplatte und Estrich Was-ser in [X.]. Die Kläger beziffern die ihnen dadurch entstandenen - 4 -

Schäden auf die Klagesumme. Die Parteien streiten in erster Linie dar-über, ob es sich um von der Wohngebäudeversicherung erfaßte Über-schwemmungsschäden handelt.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr in beiden Vorinstanzen erfolglos gebliebenes Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.] Das Berufungsgericht hält - unter Bezugnahme auf die Entschei-dung des [X.] NVersZ 2001, 570 - einen [X.] Versicherungsfall nicht für gegeben, weil nicht Ober-flächenwasser, sondern erdgebundenes Wasser das Gebäude beschä-digt habe; dafür bestehe kein Versicherungsschutz. Insoweit könne sich ein Hauseigentümer durch Abdichtung des Hauses gut schützen.

Aus dem Sinn und Zweck der Erweiterung des Versicherungs-schutzes auf Elementarschäden und der Abgrenzung zu "Schäden durch Grundwasser", die - soweit nicht anders vereinbart - gemäß Ziffer 6.2.2 [X.] vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien, folge, daß zwi-schen der Beschädigung des Gebäudes und der Überschwemmung des Grundstücks ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen müsse. [X.] ergebe sich für den Versicherer ein unkalkulierbares Risiko, da - 5 -

fast jede Veränderung des Oberflächenwassers Auswirkungen auf das Grundwasser habe und damit fast jeder durch erhöhtes Grundwasser verursachte Schaden gleichzeitig als bedingungsgemäßer Überschwem-mungsschaden angesehen werden müßte. Zudem könnten Zufälligkeiten des jeweiligen Grundstückzuschnitts nicht für den Versicherungsfall "Überschwemmung" maßgeblich sein.

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß in der fraglichen Zeit das Versicherungsgrundstück im Sinne der [X.] überschwemmt gewesen ist (1). [X.] sind hingegen seine Erwägungen zu den [X.] und den dabei zu beachtenden Wasserzuständen (2).

1. Ziff. 3.1 [X.] verlangt für den Versicherungsfall "Überschwem-mung des [X.]" gemäß Ziff. 2.1.1 [X.] eine Über-flutung des Grund und Bodens, auf dem das versicherte Gebäude liegt, und zwar entweder durch [X.] von oberirdischen Gewässern oder durch Witterungsniederschläge. Nach dem Verständnis eines durch-schnittlichen Versicherungsnehmers ist eine - in den Bedingungen nicht näher definierte - "Überflutung von Grund und Boden" dann anzuneh-men, wenn sich erhebliche Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln ([X.], Wohngebäudeversicherung 2. Aufl. [X.] 4.1; [X.]/[X.], Handbuch des Versicherungsrechts § 4 Rdn. 97). Das war hier unstreitig der Fall. Das Wasser des [X.]s

war über die Ufer - 6 -

getreten, hatte sich auf das gesamte Ufergelände ergossen und dort bis zu einer Höhe von zwei Metern aufgestaut.

2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte sei nicht entschädigungspflichtig, weil nicht Oberflächenwasser, sondern erdge-bundenes Wasser in das Gebäude eingedrungen sei und es beschädigt habe, ist nicht tragfähig; sie findet insbesondere in den Versicherungs-bedingungen keine Grundlage. Das dafür herangezogene Urteil des [X.] (aaO) betrifft zum einen eine nicht ver-gleichbare Fallgestaltung. Zum anderen gibt die darin vorgenommene begriffliche Unterscheidung zwischen Oberflächen-, Grund- und erdge-bundenem Wasser - Begriffe, die in den Versicherungsbedingungen der [X.] für Überschwemmungsschäden nicht aufgenommen sind - für die Beurteilung des [X.] nichts her. Die beim [X.] möglicherweise bestehende Vorstellung, daß dem Eintritt von [X.] in Erdreich - und sei es auch nur in eine künstli-che [X.] - ein sonst gegebener Ursachenzusammenhang unter-brochen werde, ist mit den in den [X.] vorgegebenen [X.] nicht zu vereinbaren. Der vom Berufungsgericht - für sei-nen Lösungsweg nachvollziehbar - vorausgesetzte qualifizierte Ursa-chenzusammenhang zwischen der Überschwemmung und dem eingetre-tenen Schaden in dem Sinne, daß die Überschwemmung unmittelbar zu dem Gebäudeschaden geführt haben muß, beruht auf einer fehlerhaften Auslegung der Versicherungsbedingungen.

Dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der sich bei ver-ständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbar verfolgten Zwecks und Sinnzusammenhangs darum be-- 7 -

müht, das Bedingungswerk zu erfassen (vgl. [X.]Z 84, 268, 272; 123, 83, 85 und ständig) erschließt sich das vom Berufungsgericht offenbar zugrunde gelegte Verständnis nicht, daß Ersatz nur dann geleistet wer-den soll, wenn überflutendes Wasser unmittelbar (oberirdisch) in das Gebäude eindringt.

a) Auch das Berufungsgericht muß zunächst einräumen, daß die Bedingungen der [X.] für Überschwemmungsschäden - anders als etwa für Blitzschlag und [X.] (Ziff. 5.2 und 8.2.1 [X.]) - gerade keine Einschränkung auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der versicherten Gefahr "Überschwemmung" und dem Gebäudeschaden ent-halten. Nach dem Wortlaut - Ausgangspunkt jeder Auslegung - fordert Ziff. 2.1 [X.] nur, daß die versicherten Sachen "durch" eine Über-schwemmung beschädigt werden. Damit genügt für den Versicherungs-nehmer erkennbar der bloße Ursachenzusammenhang ohne weitere qua-lifizierende Beschränkungen, um die Ersatzpflicht des Versicherers [X.].

Aus der Definition der Überschwemmung in Ziff. 3.1 [X.] kann sich ihm nichts anderes erschließen, weil die Überflutung sich allein auf den Grund und Boden bezieht. Eine Sichtweise, überflutendes Wasser müsse sich unmittelbar auf die beschädigte Sache selbst ausgewirkt [X.], wird davon nicht getragen oder auch nur unterstützt.

b) Verstärkt wird diese Einschätzung durch den Blick auf die - vom Berufungsgericht selbst angeführten - Regelungen anderer Elementar-schäden, die das Unmittelbarkeitserfordernis enthalten. So ist beim [X.] ein unmittelbares Auftreffen des Blitzes und beim [X.]schaden - 8 -

eine unmittelbare Einwirkung auf die versicherte Sache erforderlich. Im Umkehrschluß muß sich dem verständigen Versicherungsnehmer [X.] aufdrängen, daß für Überschwemmungsschäden der Versicherer seine Leistungspflicht nicht von einem unmittelbaren Zusammenhang abhängig machen wollte.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen sich für den Versicherungsnehmer auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung keine strengeren Anforderungen an den [X.]. Der vom Berufungsgericht für seine abweichende Auffassung heran-gezogene Ausschluß von [X.] in Ziff. 6.2.2 [X.] betrifft die von der [X.] erfaßte Gefahr von Schäden durch Leitungswasser. Dieser Versicherungsschutz wird durch den Ausschluß bestimmter in Ziff. 6.2.1 bis 6.2.8 aufgezählter Risiken eingeschränkt. Diese [X.] gelten jedoch nur für die versi-cherte Gefahr, auf die sie sich beziehen; auf andere Gefahrengruppen sind sie nicht (entsprechend) anzuwenden (vgl. [X.], aaO F. 4).

Zudem schließt Ziff. 6.2.2 [X.] zusätzlich Schäden durch stehende oder fließende Gewässer und Witterungsniederschläge vom Leitungs-wasserversicherungsschutz aus. Diese sollen aber ihrerseits durch die den Versicherungsschutz auf Überschwemmungsschäden erweiternden [X.] gerade gedeckt werden. Angesichts dessen wird ein verständiger Versicherungsnehmer nicht zu dem vom Berufungsgericht gezogenen Schluß kommen können, daß Ziff. 6.2.2 [X.] der Abgrenzung zum Versi-cherungsfall "Überschwemmung" dienen, im Ergebnis also dessen Ein-schränkung bewirken soll.
- 9 -

c) Ob die Überlegungen des Berufungsgerichts zu den geophysika-lischen Zusammenhängen von Oberflächenwasser und Grundwasser zu-treffen, bedarf keiner Erörterung. Darauf und auf die angebliche Abhän-gigkeit des Versicherungsschutzes von Zufälligkeiten des Grundstückzu-schnitts kommt es ebenso wenig an wie auf die von der [X.] vor-genommene bedenkliche Gleichstellung von Grund- und erdgebundenem Wasser. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Rückgriff auf die vom [X.] (aaO) eingeführte, für die Kausalitätsfrage allein eher aussagearme begriffliche Abgrenzung frühzeitig den Blick [X.] verstellt, daß es nach der Prüfung, ob bedingungsgemäß eine Über-schwemmung eingetreten war, nur darum geht festzustellen, ob die ein-getretenen Schäden dadurch herbeigeführt worden sind, mithin adäquate Kausalität gegeben ist.

Das ist nach dem unterschiedlichen Vortrag der Parteien noch nicht abschließend zu beurteilen. Während die Kläger behaupten, auf ih-rem Grundstück befindliches Wasser des [X.]s sei durch die [X.] in [X.] eingedrungen und habe die Schäden verursacht, ist der Vortrag der [X.] dahin zu verstehen, daß unabhängig von dem überflutenden Seewasser das Grundwasser gestiegen und in das Haus eingedrungen sei. Diesem gegensätzlichen Vorbringen der [X.] wird das Berufungsgericht gegebenenfalls unter sachverständiger Be- - 10 -

ratung nachzugehen haben, um die gebotenen Feststellungen zum Ursa-chenzusammenhang treffen zu können. An einer eigenen Entscheidung in der Sache ist der Senat deswegen und wegen der möglicherweise noch festzustellenden Schadenshöhe gehindert.

Terno [X.] [X.]

[X.]

Dr. [X.]

Meta

IV ZR 252/03

20.04.2005

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.04.2005, Az. IV ZR 252/03 (REWIS RS 2005, 3950)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3950

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