Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2015, Az. 2 StR 383/14

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 12251

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 383/14
vom
22. April 2015
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Totschlags u.a.

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 22.
April
2015 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25.
März 2014 mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen ver-suchten Totschlags in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverlet-zung verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die [X.].
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des
[X.]s zurück-verwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Beleidigung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen 1
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Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§
349 Abs.
2 StPO).
1. [X.] in zwei Fällen hält rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen begegnet die Verurteilung wegen versuchten
Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob der Angeklagte zusammen mit seinem Mittäter strafbefreiend vom Versuch des versuchten Totschlags zurückgetreten sind.
a) Gemäß §
24 Abs.
2 Satz
1 StGB werden bei Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die [X.] verhindern. Hierfür kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbe-endeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (vgl. [X.], 286, 287; NStZ-RR 2012, 167, 168; NStZ 2007, 91, 92; [X.]St 44, 158, 162). Im Falle eines versuchten Totschlags ist es insoweit ausreichend, wenn die Täter freiwillig davon absehen, die Tötung des Opfers mit den verfügbaren [X.] weiter zu verfolgen.
b) Das Urteil verhält sich hierzu nicht, obwohl nach den getroffenen Fest-stellungen ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch des [X.] nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.
aa) Der Angeklagte und sein unbekannt gebliebener Mittäter, die beide ein Messer mit sich führten, überfielen am Abend des 24.
Juni 2013 gegen 22.40 Uhr das Tatopfer in der Absicht, es zu töten. Sie erwarteten
es vor dem Eingangsbereich des Hauses, in dem es wohnte, und versetzten ihm [X.] einen Stich in den oberen Nackenbereich und sodann ins Bein, so dass es zu Boden fiel. Es folgten Schläge, Tritte und weitere Messerstiche und -schnitte von beiden Angreifern. Dem Überfallenen gelang es nicht, wieder auf die Beine 2
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zu kommen oder sich der Angreifer zu entledigen. Er verlagerte das Geschehen aber so in den Hofbereich vor dem Haus, dass Nachbarn auf seine Schreie nach Hilfe und nach der Polizei aufmerksam
wurden. Ein Nachbar rief am [X.] stehend: "[X.], sonst rufe ich die Polizei", eine andere Nachbarin forderte die Täter auf aufzuhören. Dem Angeklagten und seinem Mittäter wurde hierdurch klar, dass sie bei weiterer Fortsetzung ihres Angriffs Gefahr laufen würden, von der Polizei angetroffen und festgenommen zu werden. Sie versetz-ten dem Opfer einen letzten Stich in den Nackenbereich, ließen dann von ihm ab und rannten eilig davon. Mehrere Nachbarn begaben sich nun in den Hof und fanden den Angegriffenen kaum noch ansprechbar und stark blutend vor. Der Notruf bei der Polizei ging um 22.43 Uhr ein. Das Tatopfer wurde in die [X.] verbracht und dort notfallmäßig versorgt. Dabei wurden insgesamt fünf Stichverletzungen festgestellt, darunter eine im
Rippenbereich mit einem [X.] von 8
cm Tiefe.
Der Angeklagte und sein Mittäter ließen -
nachdem sie im [X.] an die Rufe der Nachbarn einen letzten Stich in den Nackenbereich gesetzt hatten, über dessen Länge und Tiefe die Urteilsgründe keine Angaben enthalten
-
von dem Opfer ab und rannten davon.
bb) Dies könnte für einen strafbefreienden Rücktritt genügen, falls es sich aus Sicht des Angeklagten um einen unbeendeten Versuch handeln würde und der Verzicht auf ein [X.] freiwillig erfolgt wäre.
Den Urteilsausführungen
ist nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte da-von ausging, bereits die beigefügten Verletzungen seien dazu geeignet gewe-sen, den Tod des Opfers herbeizuführen, oder ob er der Ansicht war, dazu wä-ren weitere Stiche mit dem
Messer erforderlich gewesen. Angaben dazu waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Annahme eines beendeten Versuchs 6
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auf der Hand gelegen hätte. Zwar hatte das Opfer "in seiner Gesamtheit" le-bensgefährliche Verletzungen erlitten; ob das der Angeklagte aber erkannt [X.], könnte immerhin fraglich sein, nachdem das Opfer das Geschehen in den Hofbereich verlagerte und um Hilfe rief.
Der Rücktritt wäre auch nicht von vornherein ausgeschlossen, weil der Angeklagte nicht freiwillig von [X.] abgelassen hätte. Die [X.] ist zwar davon ausgegangen, dass den Angreifern durch die Rufe der Nachbarn bewusst geworden sei, dass sie bei weiterer Fortsetzung ihres Angriffs Gefahr laufen würden, von der Polizei angetroffen zu werden. Es ist aber schon unklar, worauf das [X.] diese Annahme im Einzelnen gestützt hat. Vor allem aber könnten allein der Umstand der Entdeckung und die sich anschließende Flucht die Annahme unfreiwilliger [X.] nicht tragen. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbre-chensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des [X.] hiervon (vgl. nur [X.], 9). Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt ([X.], 366 f.) oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt (s. [X.] NStZ 1988, 69 f.). Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbst-gesetzten Motiven nicht mehr erreichen will ([X.], 241).
Ob der Angeklagte die Ausführung seines Plans, die Tötung des Opfers, noch für möglich gehalten oder ob er sich nach den Rufen der Nachbarn außer-stande gesehen hat, sein Ziel noch zu erreichen, hätte das [X.] erörtern 9
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müssen. Denn es lag -
angesichts des Umstands, dass lediglich ein Nachbar für den Fall, dass die Täter sich nicht "verpissen" würden, die Anrufung der Polizei angedroht hatte, und mit Blick darauf, dass der Angeklagte vor Verlassen des [X.] noch einen weiteren Stich setzte
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auch nicht auf der Hand, dass sich der Angeklagte in dieser Situation ohne Weiteres gehindert sah, den Tod des Opfers noch herbeizuführen.
2. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags; erfasst wird auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheit-liche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch die Grundlage.
3. Die (teilweise) Aufhebung des Urteils erfasst nicht den [X.]; eine Aufhebung der Adhäsionsentscheidung ist dem Tatrichter vorbe-halten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Februar 2015 -
2 StR 388/14). Auf den [X.] des Senats vom 8.
Oktober 2014 -
2 StR 137/14 u.a. wird hingewiesen.
[X.] Eschelbach Ott

Zeng Bartel

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Meta

2 StR 383/14

22.04.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2015, Az. 2 StR 383/14 (REWIS RS 2015, 12251)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12251

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2 StR 383/14

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