Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. I ZR 188/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10025

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:010617BIZR188.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I [X.]/16
vom
1. Juni 2017
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 1.
Juni 2017 durch [X.]
Dr.
Büscher, die Richter Prof.
Dr.
Schaffert, Prof.
Dr.
[X.], Dr.
Löffler und Feddersen

beschlossen:
Die Beklagte wird darauf hingewiesen, dass der [X.], ihre zugelassene Revision gegen das Urteil des 20.
Zivil-senats des Oberlandesgerichts [X.]
vom 7.
Juli
2016 ge-mäß §
552a Satz
1 ZPO zurückzuweisen.

Gründe:
[X.] Die Parteien
sind in [X.] tätige Pharmaunternehmen, die Prä-parate mit dem Wirkstoff Botulinumtoxin Typ
A vertreiben. Die Klägerin vertreibt unter dem Handelsnamen "[X.]

" ein für neurologische Indikationen zugelas-
senes Produkt und unter dem
Handelsnamen "V.

" ein für die ästhetische
Anwendung zur Beseitigung von [X.] zugelassenes Produkt. Für die Beklagte ist ein Produkt unter dem Handelsnamen "X.

"
für die neurologische Indikation und ein Produkt "B.

" für die Behand-
lung von Glabella-
und Kanthalfalten zugelassen.
Die Beklagte unterhielt auf dem Anfang November 2013 von der derma-tologischen Klinik der [X.] in [X.] veranstalteten Fachkongress für ästhetisch-operative Medizin einen Messestand. Sie legte dort auf einem gesonderten Tisch die "[X.] Ästhetische Botulinumtoxin-Therapie" zur Mitnahme aus. Bei der Leitlinie handelt es sich um eine im Auftrag der [X.] und der [X.] erstellte wissenschaftliche Stellungnahme, in der die zugelassenen 1
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3
-
Präparate einschließlich der Präparate der Parteien dargestellt wurden und de-ren Anwendung erläutert wurde. Im Teil
B "Indikationen und Injektionspunkte" erfolgte
nach Ausführungen zu der seinerzeit einzigen zugelassenen Indikation für die Behandlung von [X.] die Darstellung als bewährt bezeichne-ter
Indikationen, die nicht von der Zulassung der Mittel der Parteien erfasst sind. Unter dem Punkt
A
6 "[X.]" wurde erläutert, welches [X.] nach Auffassung der Autoren zwischen den in [X.] zugelassenen [X.] besteht.
Nach Auffassung der Klägerin hat die Beklagte damit und insbesondere mit dem Passus zur [X.] für Arzneimittel außerhalb der zugelasse-nen Anwendungsgebiete sowie irreführend geworben.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des [X.] die als Anlage
K
1 beigefügte [X.] "Ästhetische Botulinumtoxin-Therapie" abzugeben oder abgeben zu lassen,
wie geschehen auf dem [X.] der [X.] bei der Messe "[X.]" im "Ruhrcongress" in [X.] vom 1. bis 3.
November 2013.
Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der [X.] ist ohne Erfolg geblieben.
Das Berufungsgericht hat die Abgabe der Leitlinie auf dem Messestand der [X.] als Werbung im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes angesehen. Zwar stellten wissenschaftliche Fachpublikationen als solche regelmäßig keine Werbung dar, wenn sie von den Autoren verbreitet würden, weil dies nicht der Förderung der Verschreibung diene. Anders sei der hier gegebene Fall zu beur-teilen, dass ein Pharmaunternehmen die wissenschaftliche Fachpublikation im Rahmen seiner Werbung für ein entsprechendes Arzneimittel einsetze. Die [X.] habe die Leitlinie verbreitet, um die Kongressbesucher zu veranlassen, in 3
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-
erheblichem Umfang Botulinumtoxin-Präparate wie ihr eigenes auch außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete zu verwenden. Da die Verwendung der unter anderem von der [X.] vertriebenen Präparate außerhalb der Zulas-sung in der Leitlinie umfassend beschrieben und als wirksam, erprobt und si-cher dargestellt werde, liege auch ein Verstoß gegen §
3a [X.] vor.
I[X.] Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene Revi-sion der [X.] durch einstimmigen Beschluss gemäß §
552a Satz
1 ZPO zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (dazu II
1). Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg (dazu II
2).
1. Der
vom Berufungsgericht angenommene Grund für die Zulassung der Revision liegt
nicht vor.
a) Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeu-tung zugelassen, weil die Frage, ob die Abgabe einer wissenschaftlichen Fach-publikation, deren Inhalt geeignet sei, sich positiv auf den Absatz auszuwirken, durch ein pharmazeutisches Unternehmen Werbung im Sinne des Heilmittel-werbegesetzes darstelle,
die obergerichtliche Rechtsprechung bereits mehrfach beschäftigt habe und ihre höchstrichterliche Klärung daher wünschenswert sei. Der Senat
hat jedoch schon
wiederholt
entschieden, dass der Begriff der [X.] für ein Arzneimittel im Sinne von §
1 Abs.
1
Nr.
1 [X.] alle produkt-
oder leistungsbezogenen Aussagen umfasst, die darauf angelegt sind, den Absatz des beworbenen Mittels zu fördern, wobei die Nennung eines bestimmten [X.] sich regelmäßig als eine für die Absatzförderung des Mittels geeignete Maßnahme darstellt (vgl. [X.], Urteil vom 26.
März 2009

I
ZR
213/06, [X.]Z 180, 355 Rn.
13
Festbetragsfestsetzung, mwN). Diese Auslegung steht im Einklang mit dem in Art.
86 Abs.
1 der Richtlinie 2001/83/[X.] zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel
(Humanarzneimittelkodex)
verwendeten Begriff der Werbung für Arzneimittel, der alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel umfasst, die Verschreibung, die Abgabe, den Ver-7
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5
-
kauf oder den Verbrauch
von Arzneimitteln zu fördern ([X.]Z 180, 355 Rn.
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-
Festbetragsfestsetzung). In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat etwa zu der Frage, inwieweit Angaben in der Packungsbeilage von Arzneimitteln als Werbung anzusehen sind, bereits wiederholt entschieden, dass die [X.] zu beachten sind, wenn eine Packungsbei-lage neben den in §
11 [X.] vorgeschriebenen oder danach zulässigen Anga-ben einen werblichen Überschuss enthält oder zu Werbezwecken verwendet wird (vgl. [X.], Urteil vom 13.
März 2008
I
ZR
95/05, [X.], 1014 Rn.
21 =
[X.], 1335
Amlodipin, mwN). Dasselbe gilt für Angaben auf Behältnissen und Umhüllungen von Arzneimitteln (vgl. [X.], [X.], 1014 Rn.
22
Amlodipin; [X.], Urteil vom 5.
Februar 2009
I
ZR
127/07, [X.], 990 Rn.
14 =
[X.], 990
Metoprolol). Danach kann kein Zweifel daran bestehen, dass die von einem pharmazeutischen Unternehmen vorge-nommene Abgabe einer wissenschaftlichen Fachpublikation, deren Inhalt sich positiv
auf den Absatz von Arzneimitteln auswirken kann, Werbung im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes darstellt.
b) Die vom Berufungsgericht als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage ist auch weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum umstritten. Die vom Berufungsgericht angeführte Rechtsprechung des [X.] ([X.]
1996, 533
juris Rn.
15 bis 17; Urteil vom 20.
Dezember 2007
3
U
160/06, juris Rn.
106; Urteil vom 4.
Dezember 2008
3
U
152/07, juris Rn.
29) steht ebenso im Einklang mit der Rechtsansicht, die das Berufungsgericht in seinem Urteil vertreten hat, wie die in [X.], 1143 veröffentlichte Entscheidung des [X.] vom 30.
Juli 2015 (vgl. dort Rn.
39).
c) Dass der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat, wird
auch durch den Umstand bestätigt, dass das Berufungsgericht selbst eine Vorlage an den [X.] mit der Begründung abgelehnt hat, die Auslegung des Werbebegriffs in Art.
86 des Humanarzneimittelkodexes erfasse den Streitfall hinreichend klar.
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11
-
6
-
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
a)
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die im Streitfall gegebenen objektiven Umstände für die Annahme einer Werbung der [X.] sprechen.
aa) Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen verste-hen die angesprochenen Fachkreise das Auslegen der Leitlinie so, dass die Beklagte mit den in ihr gemachten Aussagen über ihr Präparat übereinstimmt. Schon das Unterhalten des Messestandes als solches
diene der Absatzförde-rung der Produkte der [X.]. Danach sei die Verbreitung einer Leitlinie, die ersichtlich geeignet sei, die angesprochenen Fachkreise zu einer dort im [X.] beschriebenen und als sicher und wirksam dargestellten Verwendung außerhalb der Zulassung zu veranlassen, ebenfalls zur Absatzförderung be-stimmt. Sie sei geeignet und bestimmt, die Kongressbesucher zu veranlassen, in erheblichem Umfang Botulinumtoxin-Präparate wie das der [X.] auch außerhalb der zugelassenen Anwendungsgebiete zu verwenden.
bb) Soweit die Revision dieser Beurteilung entgegenhält, aus der maß-geblichen Sicht der Kongressteilnehmer führe das bloße Auslegen der Leitlinie nicht dazu, dass die darin enthaltenen Aussagen der [X.] wie eigene Werbeaussagen
zuzurechnen seien, setzt sie lediglich ihre
eigene
Beurteilung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts. Damit kann sie schon
deshalb keinen Erfolg haben, weil ihre eigene Beurteilung in der Sa-che nicht zu überzeugen vermag.
(1) Bei der ausgelegten Leitlinie handelt es sich nicht

wie die Revision geltend macht
um eine rein wissenschaftliche Abhandlung. So wird dort so-wohl in den Passagen über die [X.] als auch bei den Ausführungen über die Anwendungsgebiete und überdies
bei den Ausführungen über die Verwendung außerhalb der Zulassung ("Off-Label-Use") die Effektivität der Bo-tulinumtoxin-Typ-A-Präparate herausgestellt. Außerdem wird

auch insoweit 12
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-
anders als bei einer wissenschaftlichen Abhandlung

Möglichkeit eines "Off-Label-Use" nur in Bezug auf drei Mittel angesprochen.
(2) Davon abgesehen waren die in der Leitlinie enthaltenen Informatio-nen nach den getroffenen Feststellungen geeignet, sich positiv auf den Absatz des Mittels der [X.] "B.

" auszuwirken. Schon aus diesem Grund
ist
die zum Zwecke der Information an interessierte Kongressteilnehmer abge-gebene Leitlinie als Werbung anzusehen (vgl. [X.]Z 180, 355 Rn.
14

Fest-betragsfestsetzung).
(3) Ohne Erfolg macht die Revision des Weiteren
geltend, die Kongress-teilnehmer nähmen die in der Leitlinie enthaltenen Informationen erst an ihrem Wohn-
oder Geschäftssitz zur Kenntnis und könnten sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr daran erinnern, an welchem Stand sie die Leitlinie mitgenommen hätten. Unabhängig davon, ob diese Sichtweise mit der Lebenserfahrung in Einklang steht, liegt die die wettbewerbsrechtliche Haftung begründende Ver-haltensweise der [X.] bereits in der als geschäftliche Handlung im Sinne von §
2 Abs.
1 Nr.
1 UWG zu qualifizierenden Abgabe der Leitlinie an [X.]. Außerdem enthält die Leitlinie Aussagen zu den Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Botulinumtoxin und damit auch zu den in ihr positiv darge-stellten Arzneimitteln der [X.]. Dementsprechend
kommt es auch
aus diesem Grund nicht darauf an, ob sich die Kongressteilnehmer später noch [X.] erinnern, an welchem Stand
sie die Leitlinie auf dem Kongress erhalten ha-ben.
(4) Das Berufungsgericht konnte sich bei der von ihm vorgenommenen Beurteilung des Sachverhalts durchaus auf die von ihm herangezogene Recht-sprechung des [X.] stützen. Der Umstand, dass es dort nicht um in jeder Hinsicht identische Sachverhalte ging, steht
dem nicht entgegen. Entscheidend ist, dass es im Streitfall ebenso
wie bei den dortigen Sachverhalten
um das Auslegen wissenschaftlicher
Publikationen
und deren Abgabe an interessierte Mitglieder der Fachkreise auf einem Kongress ging. 17
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-
8
-
Eine solche
Verhaltensweise unterfällt, soweit sie auf die Förderung des Absat-zes von Arzneimitteln gerichtet ist, dem weiten Werbebegriff des Art.
86 Abs.
1 des Humanarzneimittelkodexes.
b) Keinen Erfolg hat auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe die subjektiv-rechtliche Komponente der Absatzförderung nicht geprüft, sondern
diese unausgesprochen aus der seiner Ansicht nach bestehenden ob-jektiven Werbewirksamkeit der Leitlinie hergeleitet.
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] erfordert die Beurteilung der Frage, ob die Verbreitung von Informationen über Arzneimittel ein [X.] im Sinne von Art.
86 Abs.
1 des Humanarzneimittel-kodexes beinhaltet, eine konkrete Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls ([X.], Urteil vom 5.
Mai 2011

316/09, [X.]. 2011, 3249 =
[X.], 1160 Rn.
33
[X.]).
Der Umstand, dass [X.] über ein Arzneimittel von dessen Hersteller verbreitet werden, erlaubt dabei als solcher noch nicht den Schluss, dass der Hersteller ein [X.] [X.]; hinzukommen muss, dass das Verhalten, die Initiative und das Vorgehen des Herstellers auf seine Absicht hinweisen, durch eine solche Verbreitung die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern ([X.], [X.], 1160 Rn.
34
[X.]).
bb) Nach diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass die Beklagte bei ihrer beanstandeten Verhaltensweise mit dem für die Anwendung des §
3a Satz
2 [X.] erforderlichen [X.] gehandelt hat.
(1) Das Berufungsgericht hat der Begründung, mit der das [X.]
der Klage stattgegeben hatte, in jeder Hinsicht zugestimmt und sich diese Be-gründung zu eigen gemacht.
(2) Das [X.] hat ausgeführt, die in subjektiver Hinsicht erforderli-che Absatzförderung sei aufgrund objektiver Umstände zu ermitteln, wobei ins-20
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-
9
-
besondere maßgeblich sei, ob der Inhalt der Werbeaussage nach dem [X.] der Werbeadressaten das Ziel der Absatzförderung habe.
Vom positi-ven Aussagegehalt der Passage in der Leitlinie über die [X.] profi-tiere zwar nicht allein, aber zumindest auch das Produkt der [X.]. Dass die angegriffene Aussage darüber hinaus
geeignet sei, den Absatz von Wett-bewerbern der [X.] zu fördern, stehe der Annahme einer Absatzförde-rungsabsicht nicht entgegen. Der Werbende könne eine Absatzförderung auch dadurch beabsichtigen, dass die [X.], zu der das Produkt gehöre, bekannter gemacht werde, zumal wenn diese
[X.]

wie vorliegend

überschaubar sei.
Nach dem Inhalt der Leitlinie würden neben dem Produkt der [X.] andere zugelassene
Botulinumtoxin-Typ-A-Präparate lediglich noch von zwei anderen Herstellern vertrieben. Der angesprochene [X.] werde aufgrund des überschaubaren Marktes und der namentlichen Bezeich-nung des Produkts der [X.] auch ausgehend von der positiven Bewer-bung der [X.] direkt auf das Produkt der [X.] schließen. Dass es sich bei der Abgabe der Broschüre um eine bloße Informationstätigkeit der [X.] handele, sei vor dem Hintergrund der weiteren Umstände der [X.] der Leitlinie lebensfremd. Die Beklagte präsentiere sich mit einem eigenen Messestand als Pharmaunternehmen auf einer Fachmesse auf dem Gebiet der ästhetisch-operativen Medizin, auf dem das von ihr vertriebene Produkt An-wendung finde.
Dass für sie trotz eines solchen Auftritts der [X.] im Vordergrund stehe, erschließe sich dem fachkundigen Messebesu-cher nicht. Das Fachpublikum von Anwendern und Ärzten treffe seine Entschei-dung über die Anwendung eines Arzneimittels typischerweise vor dem Hinter-grund von Fachinformationen und wissenschaftlichen Untersuchungen, weshalb hier Information und Werbung zusammenfielen.
(3) Die vorstehend wiedergegebenen Erwägungen des [X.]s, de-nen sich das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung angeschlossen hat, ste-hen in Übereinstimmung mit dem vorstehend unter II
2
b
aa dargestellten Maß-stäben, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] 25
-
10
-
für die Beurteilung der Frage gelten, ob aus den Umständen, unter denen die Verbreitung von Informationen über ein Arzneimittel durch den Hersteller [X.], auf
ein [X.] des Herstellers im Sinne von Art.
86 Abs.
1 des [X.] geschlossen werden kann.
c)
Der mit der Klage geltend gemachte Verstoß gegen §
3a Satz
2 [X.] ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil in der Leitlinie nach dem Vortrag der Revision die nicht zugelassenen Anwendungsgebiete klar von den zugelas-senen Anwendungsgebieten getrennt waren und es somit ausgeschlossen ge-wesen sei, dass die Leser der Leitlinie über den Umfang der Zulassung der Präparate getäuscht würden. Eine solche Trennung änderte nichts daran, dass in der Leitlinie der Eindruck einer wirksamen und sicheren Anwendung auch für die nicht zugelassenen Indikationen erweckt wurde und damit nicht [X.] war, dass
eine Anwendung gerade auch für diese Indikationen erfolg-te und deshalb die Gefahr einer Gesundheitsgefährdung bestand, vor der die arzneimittelrechtlichen Zulassungsvorschriften sowie die Bestimmung des §
3a [X.] gerade schützen sollen (vgl. [X.]/Hesshaus, [X.] 2006, 70, 71). Dementsprechend ist ein Hinweis in der Werbung, dass eine Zulassung für das beworbene Anwendungsgebiet nicht vorliegt, allenfalls geeignet, einer insoweit ansonsten möglicherweise auch gegebenen Irreführung gemäß §
3 [X.] ent-gegenzuwirken, nicht dagegen,
den Verstoß gegen §
3a [X.] auszuräumen (vgl. [X.], [X.] 1998, 290, 293; [X.] 2006, 631 juris Rn.
20; [X.], [X.] 1996, 212, 213; [X.] 2002, 119 juris Rn. 52; [X.] in Bülow/Ring/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., §
3a Rn.
1; [X.]/
Obergfell, UWG, 3.
Aufl., [X.] Rn.
471).
d) Die Auslegung und Abgabe der streitgegenständlichen Leitlinie ist nicht von der grundrechtlich geschützten
Meinungsfreiheit gedeckt.
aa) Der Anwendung des von der Revision insoweit angeführten Art.
5 Abs.
1 GG steht im Streitfall entgegen, dass bei der Auslegung des der [X.] dienenden nationalen Rechts nach 26
27
28
-
11
-
Art.
51 Abs.
1 Satz
2 der [X.] der Grundrechte der [X.] ([X.]) die dort niedergelegten Grundrechte zu beachten und [X.], soweit die Freiheit der Meinungsäußerung und Berichterstattung in Rede steht, vorrangig die insoweit einschlägigen Regelungen in Art.
11 Abs.
1 und 2 [X.] anzuwenden sind (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Mai 2003

465/00, [X.]/01 und [X.]/01, [X.]. 2003, 4989 = [X.], 232 Rn.
68 und 80
Rechnungshof/[X.] u.a.; BVerfGK
10, 153 = GRUR 2007, 1064 Rn.
20; [X.], Urteil vom 14.
Oktober 2010

I
ZR
191/08, [X.]Z 187, 240 Rn.
20
AnyDVD; Urteil vom 31.
März 2016

I
ZR
160/14, GRUR 2016, 710 Rn.
45 = WRP 2016, 843
Im [X.]; [X.], [X.] der Grundrechte der [X.], 3.
Aufl., Art.
51 Rn.
21
ff., 23).
Die Bestimmung des §
3a Satz
2 [X.] hat ihre unions-rechtliche Grundlage in Art.
87 Abs.
2 des Humanarzneimittelkodexes, wonach alle Elemente der Arzneimittelwerbung mit den Angaben in der Zusammenfas-sung der Merkmale des Arzneimittels vereinbar sein müssen (vgl. [X.]/Obergfell
aaO S
4 Rn.
472a; [X.] in Bülow/Ring/[X.]/[X.]
aaO
§
3a Rn.
24).
bb) Die Auslegung und Abgabe der Leitlinie durch die Beklagte fällt in den Schutzbereich der in Art.
11 der [X.] verankerten Frei-heit der Meinungsäußerung und der Information. Diese Freiheit gilt
auch für die Verbreitung von Informationen geschäftlicher Art durch einen Unternehmer und damit für
Werbebotschaften
([X.], Urteil vom 17.
Dezember 2015 -
C-157/14, [X.] 2016, 46 Rn.
64 -
Nephne Distribution, mwN). Gemäß
Art.
52 Abs.
3 der [X.] hat die in deren Art.
11 gewährleistete Meinungs-
und Informationsfreiheit die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die durch Art.
10 [X.] garantierte Freiheit ([X.], Urteil vom 4.
Mai 2016

547/14, [X.] 2016, 643 Rn.
147
PMI & BAT/Secretary of State for Health).
cc) Nach Art.
52 Abs.
1 Satz
1 der [X.] muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser [X.] verankerten Rechte und 29
30
-
12
-
Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Außerdem dürfen Einschränkungen nach Art.
52 Abs.
1 Satz
2 der [X.] unter Wahrung des Grundsatzes der [X.] nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der [X.] anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
dd) Nach diesen Maßstäben verstößt
weder das auf der Vorschrift des Art.
87 Abs.
2 des Humanarzneimittelkodexes aufbauende und
die Zulassungs-pflicht von Arzneimitteln gemäß Art.
6 des Humanarzneimittelkodexes und §
21 [X.] ergänzende Verbot der Werbung für nicht zugelassene Anwendungsge-biete eines zugelassenen Arzneimittels
in §
3a Satz
2 UWG noch
-
unter Be-rücksichtigung der Ausführungen zu vorstehend II
2
a bis c
-
die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe mit ihrem beanstandeten Verhalten ge-gen
diese Bestimmung
verstoßen,
gegen die in Art.
11 Abs.
1 der
[X.] geschützte Freiheit der Meinungsäußerung. Insbesondere hat das Berufungsgericht nach den Ausführungen zu vorstehend II
2
b mit Recht das Vorliegen eines von der [X.] mit ihrem beanstandeten Verhal-ten verfolgten [X.]s bejaht.
3. Nach den Ausführungen zu vorstehend II
2
a und b stellt sich die von der Revision formulierte Frage,
ob die Abgabe einer wissenschaftlichen Publikation, die sachlich, vollständig und ohne werblichen Überschuss über ein Präparat informiert, eine Werbung im Sinne des Art.
86 des Humanarzneimittelkodexes darstellt,
nicht in entscheidungserheblicher Weise. Zu den Kriterien, nach denen die [X.] zu beurteilen ist, ob eine Absicht zur Absatzförderung vorliegt, hat sich der [X.] bereits im Urteil "[X.]" geäußert (vgl. oben
unter II
2
b
aa). Auch ansonsten stellt sich im Streitfall kei-31
32
-
13
-
ne entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des [X.]srechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (vgl. [X.], Urteil vom 6.
Oktober 1982

[X.]/81, [X.].
1982, 3415 Rn.
21 = NJW
1983, 1257, 1258

C.[X.]L.F.[X.]T.; Urteil vom 1.
Oktober 2015 -
C-452/14, GRUR-Int.
2015, 1152 Rn.
43; [X.], mwN).
II[X.] Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei [X.] ab Zustellung dieses Beschlusses.
[X.] Streitwert der Revision: 100.000

Büscher
Schaffert
[X.]

Löffler
Feddersen
Hinweis:

Das Revisionsverfahren ist durch [X.] erledigt

worden.
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.03.2015 -
12 O 46/14 -

O[X.], Entscheidung vom 07.07.2016 -
I-20
U 47/15 -

33
34

Meta

I ZR 188/16

01.06.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.06.2017, Az. I ZR 188/16 (REWIS RS 2017, 10025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10025

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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