Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2012, Az. I ZB 48/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 699

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I
ZB
48/12
vom
5. Dezember 2012
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Die Heiligtümer des Todes
[X.] § 101 Abs. 9 Satz 1; FamFG § 62 Abs. 1 und 2 Nr. 2, § 63 Abs. 3
a)
Die Beschwerde eines Anschlussinhabers gegen die Gestattung der [X.] nach §
101 Abs.
9 Satz
1 [X.] ist gemäß §
62 Abs.
1 und 2 Nr.
2 FamFG auch dann statthaft, wenn sie erst nach Erteilung der Auskunft eingelegt worden ist.
b)
Die [X.] des §
63 Abs.
3 FamFG gelten nicht für [X.] gegen die Gestattung der Auskunftserteilung nach §
101 Abs.
9 Satz
1 [X.].
[X.], Beschluss vom 5. Dezember 2012 -
I [X.] -
[X.]

[X.]
-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 5.
Dezember 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. [X.] und die Richter Prof. Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, Dr.
Koch und Dr.
Löffler
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 10.
April 2012 aufgehoben.
Die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu
2
gegen den [X.] der 27.
Zivilkammer des [X.] vom 8.
Febru-ar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der weitere Beteiligte zu
2.
Gegenstandswert: 806

Gründe:
[X.] Die Antragstellerin ist ein
Hörbuchverlag. Sie ist Inhaberin der aus-schließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte an dem Hörbuch [X.]. Das Hörbuch ist im [X.] in [X.] veröffentlicht worden.
Die Antragstellerin hat die i.

GmbH beauftragt, Online-Tauschbör-
sen im Blick auf das Hörbuch
zu überwachen. Die i.

GmbH verfügt über
eine Software, mit der festgestellt werden kann, über welchen [X.]anschluss eine bestimmte Datei zum Download angeboten wird. Die von der Antragstelle-rin vorgelegte Anlage ASt
1 enthält von der i.

GmbH ermittelte IP-Adres-
1
2
-
3
-
sen, die Nutzern zugewiesen waren, die das Hörbuch

[X.]

in der [X.] zwischen dem 20.
Januar
und dem 23.
Januar
2011 über eine Online-[X.] anderen Nutzern zum [X.] angeboten hatten. Die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen waren den Nutzern von der weiteren Beteiligten zu
1, der [X.], als In-ternet-Provider zugewiesen worden.
Die Antragstellerin hat gemäß §
101 Abs.
9 [X.] in Verbindung mit §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] beantragt, der weiteren Beteiligten zu
1
zu ge-statten,
ihr unter Verwendung von Verkehrsdaten im Sinne des §
3 Nr.
30 TKG über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer Auskunft zu erteilen, denen die in der Anlage ASt
1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren.
Das [X.] hat dem
Antrag stattgegeben.
Die Beteiligte zu
1
hat der Antragstellerin die Auskunft erteilt, die fragli-che IP-Adresse sei am 20. Januar 2011 um 19:47:07 Uhr und um [X.] Uhr dem weiteren Beteiligten zu
2
zugewiesen gewesen. Die Antragstellerin hat den weiteren Beteiligten zu
2
daraufhin abgemahnt.
Der weitere Beteiligte zu
2
hat
gegen den Beschluss des [X.]s Beschwerde eingelegt, mit der er die Feststellung beantragt hat, dass der [X.] ihn in seinen Rechten verletzt hat.
Das Beschwerdegericht hat der Beschwerde stattgegeben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt
die Antragstelle-rin die Zurückweisung der Beschwerde des weiteren Beteiligten zu
2.
3
4
5
6
7
-
4
-
I[X.] Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Beschluss des Landge-richts habe den weiteren Beteiligten zu
2
in seinen Rechten verletzt. Das Land-gericht habe
der
weiteren Beteiligten zu
1
die Auskunftserteilung nicht gestatten dürfen, weil keine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß vorgelegen habe. Dazu hat es ausgeführt:
Werde ein einziges urheberrechtlich geschütztes Werk im [X.] zum Herunterladen angeboten, könne eine Rechtsverletzung in gewerblichem Aus-maß grundsätzlich nur angenommen werden, wenn eine hinreichend umfang-reiche Datei innerhalb der
relevanten Verwertungsphase von regelmäßig sechs Monaten nach der [X.] öffentlich zugänglich gemacht werde.
Ob die
relevante Verwertungsphase auch für Hörbücher sechs Monate betrage, könne offenbleiben, weil sich aus den Verkaufszahlen
des Werks [X.]

ergebe, dass die relevante Verwertungsphase zum [X.]punkt des
öffentlichen Zugänglichmachens
des Hörbuchs bereits ab-geschlossen gewesen sei.
Das gewerbliche Ausmaß ergebe sich auch nicht [X.], dass die angebotene Datei besonders wertvoll oder umfangreich sei.
II[X.]
Die gemäß §
101 Abs.
9
Satz
4 [X.], §
70 Abs.
1 FamFG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu
2
ge-gen den Beschluss des [X.]s zwar mit Recht als zulässig erachtet;
ins-besondere ist der Beteiligte zu
2
beschwerdeberechtigt (dazu
1), die
Beschwer-de
auch nach Auskunftserteilung statthaft (dazu
2) und das Rechtsmittel [X.] eingelegt (dazu
3). Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen [X.] kann dem Feststellungsantrag des weiteren Beteiligten zu
2
jedoch nicht stattgegeben werden
(dazu
4).
1. Der weitere Beteiligte zu
2
ist beschwerdeberechtigt. Die Beschwerde steht nach §
59 Abs.
1 FamFG demjenigen zu, der durch den Beschluss in sei-8
9
10
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-
5
-
nen Rechten beeinträchtigt ist. Die vom [X.] gemäß §
109 Abs.
1 Satz
1 [X.] beschlossene Gestattung der Auskunftserteilung über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer der [X.], denen die fraglichen IP-Adressen zu den besagten [X.]punkten zugewiesen waren, greift in das Grund-recht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art.
10 Abs.
1 GG) der [X.] Anschlussinhaber ein
(vgl. §
101 Abs.
10 [X.]).
2. Die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangene Entschei-dung des [X.]s ist nach §
58 Abs.
1 FamFG statthaft. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Hauptsache durch Erteilung der Auskunft erledigt hat. Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht gemäß §
62 Abs.
1 FamFG auf Antrag aus, dass die Ent-scheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in sei-nen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interes-se an der Feststellung hat.

a) Im vorliegenden Fall hat sich allerdings keine angefochtene

Ent-scheidung in der Hauptsache erledigt. Die hier in Rede stehende Entscheidung -
die Gestattung der Auskunftserteilung durch das [X.] -
hat sich bereits vor ihrer
Anfechtung durch den weiteren Beteiligten zu
2
mit Erteilung der [X.] durch die Beteiligte zu
1
in der Hauptsache erledigt. Die Bestimmung des §
62 Abs.
1 FamFG
ist zur Gewährleistung wirksamen
Rechtsschutzes jedoch auch anwendbar, wenn sich die angegriffene Maßnahme bereits vor Einlegung der Beschwerde erledigt hat ([X.], GRUR-RR
2011, 88, 89
= [X.], 1545
[X.]).
b) Der weitere Beteiligte zu
2
hat ein berechtigtes Interesse an der [X.]. Ein berechtigtes Interesse liegt gemäß §
62 Abs.
2 FamFG in der [X.] vor, wenn schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen (§
62 Abs.
2 Nr.
1
FamFG) oder eine Wiederholung konkret zu erwarten ist (§
62 Abs.
2 12
13
14
-
6
-
Nr.
2 FamFG).
Die
Gestattung der Auskunftserteilung gemäß §
101 Abs.
9 Satz
1 [X.] ist als
ein im Sinne des §
62 Abs.
2 Nr.
1 FamFG schwerwiegen-der Grundrechtseingriff anzusehen
([X.], [X.], 88, 89; [X.], ZUM 2011, 760
f.; [X.], 333; aA noch [X.], [X.], 321, 322). Sie
greift in das Grundrecht auf Wahrung des [X.] (Art.
10 Abs.
1 GG)
ein und hat erhebliches Gewicht (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
April 2012 -
I ZB 80/11, [X.], 1026 Rn.
43 bis 46 = [X.], 1250 -
Alles kann besser werden; [X.] 125, 260 Rn.
258
f.).
3. Der weitere Beteiligte zu
2
hat die Beschwerde fristgerecht eingelegt.
a) Die Beschwerde gegen die Entscheidung des [X.]s über den Antrag auf Gestattung der Auskunftserteilung unter Verwendung von Verkehrs-daten ist gemäß §
101 Abs.
9 Satz
7 [X.] binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Frist beginnt gemäß §
101 Abs.
9 Satz
4 [X.],
§
63 Abs.
3 Satz
1 FamFG jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist gemäß §
101 Abs.
9 Satz
4 [X.], §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des [X.]es.
b) Die [X.] des §
63 Abs.
3 FamFG sind
für den weiteren Beteiligten zu
2
nicht in Lauf gesetzt worden.
Sie
gelten
jedenfalls nicht für Be-schwerden von [X.] gegen die Gestattung der [X.] nach §
101 Abs.
9 Satz
1 [X.].

aa) Die [X.] des §
63 Abs.
3 FamFG gelten
für die Betei-ligten
des erstinstanzlichen Verfahrens. Der weitere Beteiligte zu
2
war nicht Beteiligter im erstinstanzlichen
Verfahren über den Antrag auf Gestattung der Auskunftserteilung nach §
101 Abs.
9 [X.]. Wer Beteiligter ist, ergibt sich aus 15
16
17
18
-
7
-
§
7 FamFG. Danach sind
in Antragsverfahren neben dem
Antragsteller (§
7 Abs.
1 FamFG) diejenigen Beteiligte
in einem Verfahren, die
das Gericht als Beteiligte zu dem Verfahren hinzugezogen hat
(vgl. §
7 Abs.
2 und 3 FamFG). Der weitere Beteiligte zu
2
gehört an sich zum Kreis derjenigen, die nach §
7 Abs.
2 Nr.
1 FamFG hätten hinzugezogen werden
müssen, weil sein Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird; schließlich greift die beantragte Gestattung der Auskunftserteilung unmittelbar in sein Grundrecht auf Wahrung des Fernmeldegeheimnisses (Art.
10 Abs.
1 GG) ein. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass das [X.]
ihn nicht hinzuziehen
konnte, weil das [X.] nach §
101 Abs.
9 [X.] dazu dient, ihn als Anschlussinhaber erst zu [X.], er also dem [X.] noch nicht bekannt sein konnte.
bb) Teilweise wird die Ansicht vertreten, wer am erstinstanzlichen Ver-fahren nicht beteiligt gewesen sei, aber von dem Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt werde und daher beschwerdebefugt sei, könne gemäß §
63 Abs.
3 Satz
1 FamFG nur fristgemäß Beschwerde einlegen, bis die Frist für den letzten Beteiligten abgelaufen sei (vgl. [X.], [X.] 2011, 558; [X.]/[X.], FamFG, 10.
Aufl., §
63 Rn.
6; [X.], FamFG, 17.
Aufl., §
63 Rn.
45). Diese Ansicht kann sich auf die Beschlussempfehlung des Rechtsaus-schusses zum Regierungsentwurf eines FGG-Reformgesetzes
stützen. Dort empfiehlt
der Rechtsausschuss, den Regierungsentwurf zu §
63 Abs.
3 FamFG, wonach die Frist mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, [X.] mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses beginnt, dahin abzuändern, dass die Frist jeweils

mit der schriftlichen Bekanntgabe des [X.]es an die Beteiligten

beginnt und [X.] mit [X.] von fünf Monaten nach Erlass des
Beschlusses beginnt
(vgl. BT-Drucks. 16/9733, S.
43). Der Rechtsausschuss begründet diese Empfehlung wie folgt
(vgl. BT-Drucks. 16/9733, S.
289):
19
-
8
-
Die Einfügung dient der Klarstellung des Gewollten. Einige Äußerungen aus dem Kreis der Sachverständigen geben Grund zur Annahme, dass im Entwurf bisher nicht hinreichend klar bestimmt ist, wann die Beschwerdefrist endet und Rechtskraft eintritt, wenn erstinstanzlich nicht alle materiell Betroffenen als Be-teiligte zu dem Verfahren hinzugezogen wurden. Für diesen
Fall stellt die Einfü-gung klar, dass die schriftliche Bekanntgabe an die nach §
7 am Verfahren be-teiligten Personen jeweils den Lauf der für diese geltenden
Beschwerdefrist auslöst. Wer am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt war, aber von dem Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt wird und daher beschwerdebefugt ist (§
59 Abs.
1), kann daher nur fristgemäß Beschwerde einlegen, bis die Frist für den letzten Beteiligten abgelaufen ist. Der Umstand, dass eine schriftliche Bekanntgabe des Beschlusses an den im erstinstanzlichen Verfahren nicht hin-zugezogenen, aber materiell Beeinträchtigten unterblieben ist, löst somit nicht die [X.] nach Erlass des Beschlusses aus. Die [X.] kommt vielmehr nur dann zur Anwendung, wenn eine Be-kanntgabe der Entscheidung an einen erstinstanzlich Beteiligten innerhalb die-ses [X.]raums nicht gelingt. Diese Lösung dient der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit für die Beteiligten. Die Hinzuziehungspflicht nach §
7 Abs.
2 Nr.
1 und die Benachrichtigungspflicht des Gerichts gemäß §
7 Abs.
4 stellen sicher, dass die dem Gericht bekannten Beteiligten zu dem Verfahren hinzuge-zogen werden oder in die Lage versetzt werden, einen Antrag
auf Hinzuziehung zu stellen.
cc) Dieser Ansicht
kann nicht zugestimmt
werden ([X.], ZUM 2011, 760, 761; [X.], 333; [X.]/[X.]/[X.], FamFG, 2.
Aufl., §
63 Rn.
7; [X.]/[X.], FamFG, 3.
Aufl., §
63 Rn.
7).
(1) Der Wortlaut des §
63 Abs.
3 FamFG bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass die dort geregelte Beschwerdefrist auch für diejenigen gelten soll, die am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt waren, aber von dem Beschluss in ihren Rechten beeinträchtigt werden und daher [X.] sind. Die Begründung zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschus-ses zu §
63 Abs.
3 FamFG kann für die Auslegung dieser Vorschrift daher nicht maßgeblich sein. Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann nicht durch Motive gebunden
werden, die im [X.] dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben
(vgl. [X.], [X.], 1026 Rn.
30 -
Alles kann besser werden, [X.]).
20
21
-
9
-
(2) Die Beschwerdefrist des §
63 Abs.
3 Satz
1 FamFG kann zudem deshalb
jedenfalls nicht für die in ihren Rechten betroffenen Anschlussinhaber in
Verfahren auf Gestattung der Auskunftserteilung gemäß §
101 Abs.
9 [X.] gelten, weil sonst
deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG), ein faires
Verfahren (Art.
20 Abs.
3 GG) und
die Gewährleistung von Rechts-schutz (Art.
19 Abs.
4 GG) verletzt
würde.
Einen
Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren hat nicht nur derjenige, der an einem gerichtlichen Verfahren als Partei oder in ähnlicher Stellung beteiligt ist, sondern auch derjenige, der unmittelbar rechtlich von ei-nem solchen
Verfahren betroffen ist (vgl. [X.] 101, 397, 404). Die Rechts-schutzgewährleistung des Art.
19 Abs.
4 GG erfordert zwar keine zeitlich unbe-grenzte Zugänglichkeit des Rechtsweges; der Anspruch des Einzelnen auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle darf aber nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. [X.] 101, 397, 408).
Könnten die von dem Verfahren auf Gestattung der Auskunftserteilung gemäß §
101 Abs.
9 [X.] unmittelbar in ihrem Grundrecht aus Art.
10 Abs.
1 GG betroffenen Anschlussinhaber nur fristgemäß Beschwerde einlegen, bis die zweiwöchige Frist für den letzten Beteiligten abgelaufen ist, wäre ihr Anspruch auf rechtliches Gehör, ein faires Verfahren und eine tatsächlich wirksame ge-richtliche Kontrolle nicht gewährleistet. Das erstinstanzliche Gericht kann die ihm unbekannten Anschlussinhaber in solchen Verfahren entgegen §
7 Abs.
2 Nr.
1 FamFG nicht als Beteiligte hinzuzuziehen
(vgl. oben Rn.
18). Die
An-schlussinhaber erfahren daher in aller Regel erst aufgrund ihrer
Abmahnung durch den Antragsteller von der Gestattung der Auskunftserteilung. Zu diesem [X.]punkt wäre die
zweiwöchige Beschwerdefrist meist abgelaufen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller es in der Hand hätte, die
Anschlussin-haber erst nach Ablauf der Beschwerdefrist abzumahnen. Die
Anschlussinha-22
23
24
-
10
-
ber wären
damit an das Ergebnis eines Verfahrens gebunden, auf das sie
kei-nen Einfluss nehmen konnten
und das sie
gerichtlich nicht überprüfen lassen können. Die Möglichkeit
einer
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§
17 bis 19 FamFG) reicht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes
nicht aus, weil eine Wiedereinsetzung nur in engen Grenzen möglich ist (vgl. [X.], [X.], 333; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.] aaO §
63 Rn.
7).

dd) Die [X.] des §
63 Abs.
3 Satz
2 FamFG gilt sowohl nach ih-rem Wortlaut als auch nach der Begründung der Beschlussempfehlung
des Rechtsausschusses zu dieser Vorschrift (vgl. oben Rn.
19) nur unter der Vo-raussetzung, dass die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht [X.] werden konnte. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, da der [X.] über die Gestattung
der Auskunftserteilung sowohl der Antragstellerin als auch der weiteren Beteiligten zu
1
und damit sämtlichen Beteiligten des erstinstanzlichen Verfahrens schriftlich bekanntgegeben werden konnte.
Die [X.] gilt ferner auch deshalb nicht für diejenigen, die -
wie die Anschlussinhaber im Verfahren auf Gestattung der Auskunftserteilung gemäß §
101 Abs.
9 [X.] -
am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen sind, aber von dem Beschluss in ihren Rechten beeinträchtigt werden, weil sonst deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG), ein faires Verfahren (Art.
20 Abs.
3 GG) und die Gewährleistung von Rechtsschutz (Art.
19 Abs.
4 GG)
verletzt würde (vgl. oben Rn.
22 bis 24; [X.]/[X.] aaO §
63 Rn.
6; [X.] aaO §
63 Rn.
45; §
63 FamFG Rn.
7; [X.]/[X.]/[X.] aaO §
63 Rn.
7 [X.]). Sie haben
-
anders als die Beteiligten dieses Verfahrens -
keine Kenntnis von dem Verfahren und daher auch keinen Anlass, sich nach dessen Stand zu erkundigen.

25
26
-
11
-
ee) Es kann offenbleiben, ob für denjenigen, der am erstinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt war, aber von dem Beschluss in seinen Rechten beein-trächtigt ist, danach keine Beschwerdefrist gilt oder ob die Beschwerdefrist für ihn in entsprechender Anwendung des §
63 Abs.
3 Satz
1 FamFG mit einer schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an ihn beginnt (vgl. [X.]/[X.]/[X.] aaO §
63 Rn.
7
f. [X.]). Dem
weiteren Beteiligten zu
2
ist der [X.] nicht schriftlich bekanntgegeben worden.
4. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann dem Feststellungsantrag des weiteren Beteiligten zu
2
jedoch nicht stattgegeben werden.

Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Beschluss des Landge-richts habe den weiteren Beteiligten zu
2
in seinen Rechten verletzt. Das Land-gericht hätte der weiteren Beteiligten zu
1
die Auskunftserteilung nicht gestatten dürfen, weil keine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß vorgelegen habe.
Der [X.] hat -
nachdem das Beschwerdegericht
den an-gegriffenen Beschluss erlassen hat -
entschieden, dass der in Fällen offensicht-licher Rechtsverletzung bestehende Anspruch aus §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] auf Auskunft gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechts-verletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte, nicht voraussetzt, dass die rechtsverletzenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben
([X.], [X.], 1026 Rn.
10 bis 30 -
Alles kann besser wer-den). Er hat ferner entschieden, dass auch die Begründetheit des Antrags nach §
101 Abs.
9 Satz
1 [X.] auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten [X.]punkten bestimmte (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, jedenfalls in den Fällen, in denen ein Auskunftsanspruch nach §
101 27
28
29
30
-
12
-
Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende [X.] genutzte Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbesondere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraussetzt ([X.], [X.], 1026 Rn.
40 bis 52 -
Alles kann besser werden).
IV.
Danach ist der Beschluss des [X.] auf die Rechtsbe-schwerde der Antragstellerin aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil diese zur Endentscheidung reif ist (§
101 Abs.
9 Satz
4 [X.], §
74 Abs.
6 Satz
1 FamFG). Auf die Beschwerde der Antragstellerin ist der [X.] des
[X.]
abzuändern
und die Beschwerde des weiteren Beteiligten
zu
2 zurückzuweisen. Der Feststellungsantrag des weiteren Beteilig-ten zu
2
ist unbegründet, weil
der Beschluss des [X.]s ihn nicht in sei-nen Rechten verletzt. Das [X.] hat der weiteren Beteiligten zu
1 mit Recht gestattet, der Antragstellerin gemäß §
101 Abs.
9 in Verbindung mit §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] Auskunft zu erteilen.
1. Die Antragstellerin hat gegen die Beteiligte zu
2 einen Anspruch aus §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] auf Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen die in der Anlage ASt
1 aufgeführten IP-Adressen zu den jeweiligen [X.]punkten zugewiesen waren.
a) Die Antragstellerin ist berechtigt, den Auskunftsanspruch geltend zu machen. Anspruchsberechtigt ist nicht nur der Urheber oder der Inhaber
eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten
Rechts, sondern auch der Inhaber eines ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechts. Die Antrag-stellerin ist Inhaberin der ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte
an dem urheberrechtlich geschützten Hörbuch

[X.]. Ihr steht daher auch
das ausschließliche Recht zu, das
Hörbuch
öf-fentlich zugänglich zu machen (§
19a [X.]).
31
32
33
-
13
-
b) Dieses ausschließliche Recht ist dadurch verletzt worden, dass ein Nutzer das Hörbuch

[X.]

am 20.
Januar 2011
über eine Online-[X.] anderen Nutzern zum [X.] angeboten hat. Die Rechtsverletzung ist auch offensichtlich; sie ist so eindeutig, dass eine ungerechtfertigte Belastung der Beteiligten ausgeschlos-sen erscheint (vgl. BT-Drucks. 16/5048, S.
39).
c) Die Beteiligte hat als [X.]-Provider den Nutzern die [X.]an-schlüsse zur Verfügung gestellt und die jeweiligen (dynamischen) IP-Adressen zugewiesen und damit in gewerblichem Ausmaß für die rechtsverletzenden [X.] genutzte Dienstleistungen erbracht.
d) Die Inanspruchnahme der Beteiligten auf Auskunftserteilung ist auch nicht unverhältnismäßig (§
101 Abs.
4 [X.]). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerin als Auskunftsberechtigte kein oder nur ein äußerst geringes Interesse daran haben kann, die Rechtsverletzter genannt zu bekommen (vgl. [X.], [X.], 1026 Rn.
36 -
Alles kann besser werden).
2. Die begehrte Auskunft über den Namen und die Anschrift derjenigen Nutzer, denen
die fraglichen
IP-Adressen
zu den besagten [X.]en zugewiesen waren, kann nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§
3 Nr.
30 TKG) im Sinne des §
101 Abs.
9 Satz
1 [X.] erteilt werden (vgl. [X.], [X.], 1026 Rn.
37 bis 39 -
Alles kann besser werden).
3. Die Begründetheit des Antrags nach §
101 Abs.
9 Satz
1 [X.] auf Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift der Nutzer, denen zu bestimmten [X.]punkten [X.] (dynamische) IP-Adressen zugewiesen waren, setzt jedenfalls in den Fällen, in denen -
wie hier -
ein Auskunftsanspruch nach §
101 Abs.
2 Satz
1 Nr.
3 [X.] wegen einer offensichtlichen Rechtsverletzung gegen eine Person 34
35
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38
-
14
-
besteht, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutz-te Dienstleistungen erbracht hat, grundsätzlich kein besonderes und insbeson-dere kein gewerbliches Ausmaß der Rechtsverletzung voraus. Ein solcher
An-trag ist vielmehr unter Abwägung der betroffenen Rechte des Rechtsinhabers, des Auskunftspflichtigen und der Nutzer sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in aller Regel ohne weiteres begründet (vgl. [X.], [X.], 1026 Rn.
40 bis 52 -
Alles kann besser werden).
V. [X.] beruht auf §
101 Abs.
9 Satz
4 [X.], §
81
Abs.
1 Satz
1, §
84
FamFG, die Festsetzung des [X.] auf §
30 Abs.
2 Satz
2 KostO.

Bornkamm
Schaffert
Kirchhoff

Koch
Löffler

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.02.2011 -
227 O 37/11 -

[X.], Entscheidung vom 10.04.2012 -
6 W 5/12 -

39

Meta

I ZB 48/12

05.12.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.12.2012, Az. I ZB 48/12 (REWIS RS 2012, 699)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 699

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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