Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.07.2014, Az. 9 AZR 1066/12

9. Senat | REWIS RS 2014, 3906

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Gegenstand

Weiterbeschäftigungsanspruch - Erfüllung - Vertragsschluss


Leitsatz

1. Stellt ein Arbeits- oder Landesarbeitsgericht fest, dass ein Arbeitsverhältnis durch eine Befristungsabrede nicht beendet wurde, ist der Arbeitgeber aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs grundsätzlich auch dann für die weitere Dauer des Rechtsstreits zur Beschäftigung verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer die Verurteilung des Arbeitgebers zur Weiterbeschäftigung nicht beantragt hatte und die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent einen Vertrag über die Weiterbeschäftigung geschlossen haben.

2. Kommt der Arbeitgeber dieser materiell-rechtlichen Verpflichtung nach und weist er den Arbeitnehmer darauf hin, dass er nur dessen Weiterbeschäftigungsanspruch erfüllen und weder das Arbeitsverhältnis über das Befristungsende hinaus fortsetzen noch ein neues Arbeitsverhältnis begründen will, hindert dies die Annahme einer vereinbarten Prozessbeschäftigung.

Tenor

1. Auf die Revision des beklagten [X.] wird das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 2012 - 11 [X.] 302/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 10. Januar 2012 - 5 Ca 363/11 [X.] - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen über den 30. Juni 2010 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der Kläger war aufgrund 23 befristeter Arbeitsverträge seit dem 1. April 1992 bei dem beklagten Land als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der [X.] beschäftigt. Er erhob wegen eines bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsvertrags vom 23./30. September 2008 eine Befristungskontrollklage. Seine Weiterbeschäftigung begehrte er mit der Klage nicht. Das Arbeitsgericht wies diese ab, das [X.] gab ihr mit einem dem beklagten Land am 31. Dezember 2009 und dem Kläger am 5. Januar 2010 zugestellten Urteil vom 8. Dezember 2009 statt und ließ die Revision nicht zu.

3

Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Januar 2010 vom beklagten Land seine Weiterbeschäftigung. In diesem Schreiben heißt es ua.: „Im Interesse der Existenzsicherung des Mandanten muss ich rechtzeitig sicherstellen, dass der Mandant tatsächlich auch über den 30.06.2010 hinaus entsprechend der gerichtlichen Entscheidung weiterbeschäftigt wird. Dazu bitte ich Sie um eine entsprechende Bestätigung, da ich andernfalls umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen würde.“ Der Prozessbevollmächtigte des beklagten [X.] teilte im Antwortschreiben vom 20. Januar 2010 mit, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, sodass die Entscheidung des [X.]s nicht rechtskräftig sei. Der Kläger werde allerdings bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Zur Weiterbeschäftigung wurde ausgeführt: „Insofern stellen wir ausdrücklich klar, dass die Weiterbeschäftigung Ihres Mandanten über den 30.06.2010 hinaus ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des [X.] des [X.] bestehenden allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruches erfolgt. Mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus wird somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen [X.]punkt hinaus fortgesetzt.“

4

Das [X.] ließ auf die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten [X.] vom 20. Januar 2010 die Revision gegen das Urteil des [X.]s vom 8. Dezember 2009 zu. Der Kläger wurde vom beklagten Land über den 30. Juni 2010 hinaus beschäftigt. Die [X.] bezeichnete ihn in einer Presseerklärung vom 18. Juni 2010 als „Studiengangskoordinator“ für den Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ und benannte ihn als Ansprechpartner für Bewerbungen zu diesem Studiengang zum Wintersemester 2010/11. Das Prüfungsamt bestellte den Kläger in der [X.] von Juli 2010 bis August 2011 für zehn Bachelorarbeiten zum Prüfer. In drei Promotionsverfahren im Oktober und November 2010 sowie im Mai 2011 war der Kläger Mitglied der Promotionskommission. Ihm wurden Hausarbeiten von Studierenden zur Korrektur vorgelegt. Er war verantwortlich für das Praktikumsmodul im Studiengang „Interkulturelle Bildung und Beratung“ (Bachelor-Studiengang für Zuwanderer).

5

Das [X.] hob am 24. August 2011 (- 7 [X.] - [X.] 139, 109) die Entscheidung des [X.]s vom 8. Dezember 2009 auf und stellte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wieder her. Der Kläger hat gegen diese Entscheidung des [X.]s Verfassungsbeschwerde eingelegt, über die zum [X.]punkt der mündlichen Revisionsverhandlung noch nicht entschieden war (- 1 BvR 167/12 -).

6

Mit Schreiben vom 24. August 2011 teilte der Prozessbevollmächtigte des beklagten [X.] dem Prozessbevollmächtigten des [X.] ua. mit, dass die Voraussetzungen für den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch entfallen seien und das beklagte Land die Arbeitsleistung des [X.] nicht weiter entgegennehmen werde.

7

Der Kläger hat gemeint, durch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus sei gemäß § 15 Abs. 5 [X.] ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Jedenfalls sei mangels Wahrung der nach § 14 Abs. 4 [X.] erforderlichen Schriftform aufgrund seiner Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2010 hinaus bis zur Entscheidung des [X.]s über seine Entfristungsklage ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet worden.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass er sich über den 30. Juni 2010 hinaus in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land in einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität O befindet, das auch nicht durch das Schreiben des Rechtsanwalts W vom 24. August 2011 beendet worden ist.

9

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es ist der Ansicht, es habe den Kläger nur aufgrund seines Obsiegens im Berufungsverfahren des [X.] und seines [X.] weiterbeschäftigt. Ein solches Beschäftigungsverhältnis bedürfe nicht der Schriftform.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat auf die Berufung des [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des beklagten [X.] ist begründet. Das [X.]arbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien festgestellt.

I. Die Parteien haben keinen Vertrag über die Neubegründung oder Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus geschlossen.

1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet (vgl. [X.]/[X.] ArbR-HdB 14. Aufl. § 29 Rn. 8; [X.]/[X.] 6. Aufl. § 611 Rn. 158 unter Hinweis auf [X.] 16. Februar 2000 - 5 [X.] - zu II 2 b bb der Gründe, [X.]E 93, 310). Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gemäß den §§ 145 ff. [X.] angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 [X.] sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist ([X.] 18. Mai 2010 - 3 [X.] - Rn. 36, [X.]E 134, 269). Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Im Zweifel ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien und den Interessen beider Vertragspartner gerecht werdenden Ergebnis führt. Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinne verstanden, so geht der wirkliche Wille dem Wortlaut des Vertrags und jeder anderweitigen Interpretation vor und setzt sich auch gegenüber einem völlig eindeutigen Vertragswortlaut durch ([X.] 18. Mai 2010 - 3 [X.] - aaO mwN). Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt (vgl. [X.] 2. März 1973 - 3 [X.] - zu 2 der Gründe).

2. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen obliegt in erster Linie den Tatsachengerichten. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln (§§ 133, 157 [X.]) verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat ([X.] 18. Mai 2010 - 3 [X.] - Rn. 32 mwN, [X.]E 134, 269; 17. Juli 2007 - 9 [X.] 819/06 - Rn. 19). Bei einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Berufungsgericht kann das Revisionsgericht die Auslegung selbst vornehmen, wenn die dafür maßgeblichen Tatsachen feststehen und ein weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist ([X.] 8. April 2014 - 9 [X.] 856/11 - Rn. 32 mwN). Dies gilt auch, wenn es um die Frage geht, ob mit einer Erklärung überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung eingegangen werden sollte ([X.] 12. Februar 2013 - 3 [X.] 100/11 - Rn. 17 mwN, [X.]E 144, 231).

3. Daran gemessen hat das [X.]arbeitsgericht rechtsfehlerhaft den Abschluss eines Arbeitsvertrags angenommen. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (vgl. [X.] 22. Oktober 2003 - 7 [X.] 113/03 - zu II 1 c der Gründe, [X.]E 108, 191). Danach hat das beklagte Land keine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben.

a) Das [X.]arbeitsgericht hat die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 [X.] verletzt, indem es bei der Auslegung des Schreibens des beklagten [X.] vom 20. Januar 2010 aus einem von ihm angenommenen Interesse der [X.] an einer verlässlichen Planung der Arbeitsleistung des [X.] auf eine auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtete Willenserklärung des beklagten [X.] geschlossen hat, obwohl der Wortlaut des Schreibens diesbezüglich eindeutig ist und die Annahme einer (befristeten) Vereinbarung ausschließt. Das beklagte Land hat mit der für die Weiterbeschäftigung angeführten Begründung „aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen [X.]es“ deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es keinen rechtsgeschäftlichen Erfolg in Form des Abschlusses eines Arbeitsvertrags herbeiführen wollte, sondern eine bereits bestehende, von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelte Rechtspflicht (vgl. [X.] [X.] 27. Februar 1985 - [X.] 1/84 - [X.]E 48, 122; [X.] 13. Juni 1985 - 2 [X.] 410/84 - zu [X.] 5 der Gründe) angenommen hat und diese gemäß § 362 Abs. 1 [X.] erfüllen wollte. Dies belegt auch die Formulierung, dass die Weiterbeschäftigung „ausschließlich und nur aufgrund des nach der Rechtsprechung des [X.] des [X.] bestehenden allgemeinen [X.]es erfolgt“ und „mit der Weiterbeschäftigung über den 30.06.2010 hinaus … somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das bis zum 30.06.2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt“ wird. Aufgrund dieses Wortlauts durfte der Kläger nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht von einer auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärung des beklagten [X.] ausgehen.

b) Entgegen der Annahme des [X.]arbeitsgerichts steht der Grundsatz protestatio facto [X.] dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die tatsächlichen Voraussetzungen einer vertraglichen Bindung nicht durch einen einseitigen Vorbehalt ausgeschlossen werden können, jedoch fehlt es bereits an zwei übereinstimmenden, auf denselben rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichteten Willenserklärungen.

aa) Der Sachverhalt im [X.] ist nicht vergleichbar mit dem, über den der Siebte [X.] des [X.] im Urteil vom 19. Januar 2005 (- 7 [X.] 113/04 -) zu entscheiden hatte. In jenem Fall, in dem der Abschluss eines Vertrags mit der Begründung angenommen wurde, dass die ausdrückliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung des Verhaltens unbeachtlich ist, wenn ein Verhalten vorliegt, das nach [X.] und Glauben und der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, hatte der Arbeitgeber nach einer von ihm erklärten Kündigung den Arbeitnehmer vor einer der Kündigungsschutzklage stattgebenden Entscheidung eines Gerichts aufgefordert, seine Tätigkeit nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur Entscheidung über die Kündigungsschutzklage fortzuführen. Damit waren anders als im vorliegenden Fall nach der Entscheidung des [X.]arbeitsgerichts vom 8. Dezember 2009 die Voraussetzungen des [X.]s (vgl. [X.] [X.] 27. Februar 1985 - [X.] 1/84 - [X.]E 48, 122; [X.] 26. Juni 1996 - 7 [X.] 674/95 - zu IV der Gründe mwN) nicht erfüllt. Das beklagte Land verhielt sich nicht widersprüchlich, sondern rechtskonform, als es der Aufforderung des [X.] nachkam, ihn über den 30. Juni 2010 hinaus zu beschäftigen.

bb) Unerheblich ist, dass der Kläger seinen [X.] nicht zusammen mit seinem Befristungskontrollantrag gemäß § 17 Satz 1 [X.] geltend gemacht hatte und das [X.]arbeitsgericht in seinem Urteil vom 8. Dezember 2009 das beklagte Land nicht zur Weiterbeschäftigung des [X.] verurteilt hat. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen [X.]s erfüllt, besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klage[X.] Urteil. Gibt ein Arbeitsgericht der Weiterbeschäftigungsklage eines Arbeitnehmers statt, tituliert es einen bestehenden Anspruch. Die Klage auf Beschäftigung ist eine Klage auf zukünftige Leistung ([X.] 29. Oktober 1997 - 5 [X.] 573/96 - zu I der Gründe; 13. Juni 1985 - 2 [X.] 410/84 - zu [X.] der Gründe). Es handelt sich nicht um ein Gestaltungsurteil, das die Rechtslage ändert.

c) Das Auslegungsergebnis widerspricht nicht dem Urteil des [X.]s vom 8. April 2014 (- 9 [X.] 856/11 -), sondern steht mit diesem im Einklang. In jener Entscheidung hat der [X.] angenommen, dass die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach einem Urteil des Arbeitsgerichts, das der Befristungskontrollklage und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung stattgegeben hat, noch nicht auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags schließen lässt ([X.] 8. April 2014 - 9 [X.] 856/11 - Rn. 25 ff.). Der konkludente Abschluss eines Arbeitsvertrags wurde nur deshalb bejaht, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch noch nach Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts und Abweisung der Klage durch das [X.]arbeitsgericht, also trotz des Wegfalls der [X.] weiterbeschäftigt hatte ([X.] 8. April 2014 - 9 [X.] 856/11 - Rn. 38).

d) Ein Verhalten des beklagten [X.], aus dem sich eine konkludente Erklärung ergeben könnte, es habe entgegen seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. Januar 2010 einen neuen Arbeitsvertrag mit dem Kläger schließen oder das bis zum 30. Juni 2010 befristete Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortsetzen wollen, hat das [X.]arbeitsgericht nicht festgestellt. Der Kläger hat ein solches Verhalten des beklagten [X.] auch nicht behauptet. Bei den dem Kläger nach dem 30. Juni 2010 übertragenen Aufgaben handelte es sich um solche, die ihm nach dem letzten befristeten Arbeitsvertrag gemäß § 106 [X.] zugewiesen werden konnten. Mit dieser Aufgabenübertragung hat das beklagte Land nur den [X.] des [X.] erfüllt. Aus ihr folgt kein weiter gehender Erklärungswert. Ob das beklagte Land zu einem späteren Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 nicht nur seiner Weiterbeschäftigungsverpflichtung nachgekommen ist, sondern sich so verhalten hat, dass daraus auf ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags geschlossen werden konnte, muss nicht geklärt werden. Diese Frage bedarf schon deshalb keiner Antwort, weil der Kläger ausschließlich das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus festgestellt haben will und den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu einem Zeitpunkt nach dem 30. Juni 2010 selbst nicht behauptet.

II. Die Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ab dem 1. Juli 2010 ergibt sich entgegen der Auffassung des [X.] nicht aus § 15 Abs. 5 [X.]. Das beklagte Land hat einer Fortsetzung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses rechtzeitig widersprochen.

1. Aufgrund der Entscheidung des Siebten [X.]s des [X.] vom 24. August 2011 (- 7 [X.] 228/10 - [X.]E 139, 109), mit dem das Urteil des [X.]arbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. Dezember 2009 (- 13 [X.]/09 -) aufgehoben wurde, steht rechtskräftig fest, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses im Arbeitsvertrag der Parteien vom 23./30. September 2008 zum 30. Juni 2010 wirksam ist. Soweit der Kläger gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde beim [X.] eingelegt hat, steht dies der Annahme einer rechtskräftigen Entscheidung nicht entgegen. Bei der Verfassungsbeschwerde handelt es sich um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf ([X.] 7. November 2002 - 2 [X.] 297/01 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 103, 290).

2. Die Annahme des [X.]arbeitsgerichts, wonach das beklagte Land mit dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Januar 2010 deutlich gemacht hat, dass es zu einer Verlängerung des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeitsverhältnisses nicht bereit ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die Auslegung des Schreibens durch das [X.]arbeitsgericht insoweit auch nicht mit [X.] angegriffen. Damit hat das beklagte Land gemäß § 15 Abs. 5 [X.] rechtzeitig einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2010 hinaus widersprochen.

a) Ein Widerspruch iSv. § 15 Abs. 5 [X.] kann als rechtsgeschäftliche empfangsbedürftige Willenserklärung bereits kurz vor Zweckerreichung oder Bedingungseintritt ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten erhoben werden (vgl. [X.] 11. Juli 2007 - 7 [X.] 501/06 - Rn. 25, 27; 5. Mai 2004 - 7 [X.] 629/03 - zu II der Gründe, [X.]E 110, 295; [X.]/[X.] 14. Aufl. § 15 [X.] Rn. 32). Allerdings liefe ein schon im Arbeitsvertrag erklärter Widerspruch der einseitig zwingenden Wirkung des § 22 Abs. 1 [X.] zuwider. Die in § 15 Abs. 5 [X.] angeordnete Rechtsfolge des Eintritts der Fiktion würde vollständig abbedungen. Auf die durch eine etwaige Weiterarbeit eintretende Rechtsfolge kann nicht von vornherein verzichtet werden. Um eine Umgehung von § 22 Abs. 1 [X.] auszuschließen, ist ein zeitlicher Zusammenhang mit dem vereinbarten Ende der Vertragslaufzeit erforderlich ([X.] 29. Juni 2011 - 7 [X.] 6/10 - Rn. 36 mwN, [X.]E 138, 242). Ein solcher Zusammenhang ist anzunehmen, wenn der Widerspruch zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem bereits ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Befristung anhängig ist und der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigt. Die Regelung des § 15 Abs. 5 [X.] beruht auf der Erwägung, die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitgebers sei im Regelfall der Ausdruck eines stillschweigenden Willens der Parteien zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses ([X.] 29. Juni 2011 - 7 [X.] 6/10 - Rn. 35 mwN, aaO). Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt insofern eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt kann nur noch bei Vorliegen besonderer Umstände vermutet werden, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis stillschweigend verlängern will. Aufgrund des laufenden gerichtlichen Verfahrens besteht grundsätzlich auch keine Gefahr, dass die Erinnerung des Arbeitnehmers an den Widerspruch verblasst.

b) Zum Zeitpunkt des Schreibens des beklagten [X.] am 20. Januar 2010 war der Befristungsrechtsstreit bereits seit langem anhängig. Zwar lag ein der Befristungskontrollklage des [X.] [X.] Berufungsurteil vor. Das beklagte Land hat jedoch zugleich mit dem Widerspruch darauf hingewiesen, dass es das Urteil nicht akzeptieren und Nichtzulassungsbeschwerde einlegen werde.

III. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

    Heilmann    

        

    Matth. [X.]    

                 

Meta

9 AZR 1066/12

22.07.2014

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Oldenburg (Oldenburg), 10. Januar 2012, Az: 5 Ca 363/11 Ö, Urteil

§ 133 BGB, § 157 BGB, § 17 S 1 TzBfG, § 15 Abs 5 TzBfG, § 22 Abs 1 TzBfG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.07.2014, Az. 9 AZR 1066/12 (REWIS RS 2014, 3906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3906

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