Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2011, Az. 4 AZR 552/09

4. Senat | REWIS RS 2011, 6553

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Gegenstand

Anforderungen an die Berufungsbegründung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 31. März 2009 - 14 [X.] 1783/08 - aufgehoben. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 29. Oktober 2008 - 1 Ca 1098/08 - wird als unzulässig verworfen.

2. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten für die [X.] ab 1. Januar 2007 über die zutreffende Eingruppierung der Tätigkeit des [X.] nach dem Entgeltrahmenabkommen in der Metall- und Elektroindustrie [X.] vom 18. Dezember 2003 ([X.]).

2

Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten als Werkstoffprüfer im mechanischen Labor eingesetzt, wo insgesamt vier Werkstoffprüfer mit der Arbeitsaufgabe [X.] unter einem Laborleiter im Zweischichtbetrieb tätig sind.

3

Die Beklagte bildet ua. Verfahrensmechaniker (Umformtechnik), Drahtzieher und Industriekaufleute aus, Werkstoffprüfer hingegen seit Jahren nicht mehr. Die Auszubildenden zu [X.] und zu [X.] werden jeweils vier Wochen im mechanischen Labor eingesetzt, wobei sie nicht jeden Tag anwesend sind. Bei Auszubildenden zu [X.] ist eine vierwöchige Ausbildung im mechanischen Labor Bestandteil des [X.] und die Inhalte sind prüfungsrelevant. Sie werden in Einzelfällen nach dieser Ausbildung im mechanischen Labor zur Urlaubs- oder Krankheitsvertretung eingesetzt. Außerdem werden für zwei bis drei Wochen pro Jahr zwei bis drei [X.] betreut. Grundsätzlich wird jeweils nur ein Auszubildender oder Praktikant dem mechanischen Labor zugewiesen, wobei es gelegentlich zu Überschneidungen kommt.

4

Im Hinblick auf die zum 1. Januar 2007 beabsichtigte Einführung des [X.] schloss die Beklagte mit dem bei ihr eingerichteten Betriebsrat am 28. April 2005 eine freiwillige Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Einführung von [X.] gemäß § 2 Nr. 4 [X.]-Einführungstarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie [X.] ([X.]-ETV).In Nr. 9 dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten die Betriebsparteien die Anwendung des besonderen Eingruppierungs- und Reklamationsverfahrens gem. § 7 [X.]-ETV, § 4 Nr. 3 [X.] und richteten im Rahmen dieses Verfahrens eine Paritätische Kommission ein.

5

Dem Kläger wurde von der Beklagten im November 2006 eine Aufgabenbeschreibung sowie die Eingruppierung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 nach der [X.] 11 [X.] mitgeteilt. Dagegen wandte er sich mit einem Widerspruch, der auf das [X.] „Kooperation“ gestützt war und der von der [X.] am 23. Januar 2007 abgelehnt wurde. Dies teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2007 mit, in dem sie gleichzeitig ankündigte, die Aufgabenbeschreibung hinsichtlich der zuvor nicht darin erwähnten Obliegenheit der Betreuung von Auszubildenden zu ergänzen.

6

Die im Juni 2007 insoweit ergänzte Aufgabenbeschreibung des [X.] bewertet die einzelnen [X.]e des [X.]; die Mitarbeiterführung ordnet sie der Stufe 1 zu, vergibt also insoweit 0 Punkte und kommt zu einem Gesamtwert von 110 Punkten, der eine Einstufung in [X.] 11 zur Folge hat.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Vergütung nach der [X.] 12 [X.] zu. Seine Tätigkeit sei wegen ihrer Prägung durch regelmäßige Betreuung von Auszubildenden und Praktikanten bezüglich des [X.]es „Mitarbeiterführung“ nach der Stufe 2 zu bewerten, so dass ihm weitere fünf Punkte zuzuerkennen seien und er einen für eine Einstufung in [X.] 12 ausreichenden Gesamtwert von 115 Punkten erreiche.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass er mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in die [X.] 12 des Entgeltrahmenabkommens ([X.]) der Metall- und Elektroindustrie [X.] einzugruppieren ist.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, dass die Bewertung des Anforderungsprofils „Mitarbeiterführung“ zutreffend sei. Das Tätigkeitsbild der Arbeitsaufgabe „Werkstoffprüfung“ beinhalte nicht die fachliche Anweisung, Anleitung und Unterstützung anderer Beschäftigter. Die zeitweise Betreuung der Auszubildenden während des vorübergehenden Einsatzes im mechanischen Labor präge die Tätigkeit des [X.] nicht.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung unzulässig. Sie wäre deshalb vom [X.] zu verwerfen gewesen.

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist [X.] für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung ([X.] 27. Juli 2010 - 1 [X.] - Rn. 17, [X.], 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. zB [X.] 27. Juli 2010 - 1 [X.] - aaO; 17. Januar 2007 - 7 [X.] - Rn. 10, [X.]E 121, 18 mzN). Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung iSd. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, hat das Revisionsgericht eine Sachentscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sie verworfen wird (im Ergebnis ebenso [X.] 15. August 2002 - 2 [X.] ZPO § 519 Nr. 55 = EzA ZPO § 519 Nr. 14). Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist hierbei ohne Bedeutung (vgl. [X.] 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 9; 9. Juli 2003 - 10 [X.] - Rn. 5 mwN, [X.] ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37; 29. November 2001 - 4 [X.]/00 - EzA ZPO § 519 Nr. 13).

II. Mit der [X.] ist die erstinstanzliche Entscheidung nicht ausreichend iSv. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG angegriffen worden. Es fehlt an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils.

1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den [X.] zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (st. Rspr., vgl. ua. [X.] 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - Rn. 11; 28. Mai 2009 - 2 [X.] - Rn. 14, [X.] ZPO § 520 Nr. 2; 6. März 2003 - 2 [X.] - [X.]E 105, 200). Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von [X.] gestellt werden ([X.] 28. Mai 2009 - 2 [X.] - aaO). Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll ([X.] 17. Januar 2007 - 7 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 121, 18; 25. April 2007 - 6 [X.] - Rn. 14 mwN, [X.]E 122, 190). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen ([X.] 15. März 2011 - 9 AZR 813/09 - aaO; 25. April 2007 - 6 [X.] - Rn 14 mwN, aaO).

2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des [X.] vom 12. Dezember 2008 nicht.

a) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klage sei unbegründet, weil sich die [X.] bereits nach dem eigenen Vortrag des [X.] bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem [X.] „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Mit § 7 [X.] hätten die Tarifvertragsparteien festgelegt, dass die Feststellung der Eingruppierung einem besonderen Verfahren unterworfen sei, das nur eine beschränkte Überprüfung des gefundenen Ergebnisses vorsehe. Aus § 7 Abs. 1 und Abs. 4 [X.] ergebe sich, dass die Entscheidung der [X.] gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne. Beides mache der Kläger jedoch nicht geltend. Da sich die [X.] nach seinem eigenen Vorbringen nicht mit dem Merkmal Mitarbeiterführung befasst habe, könne ihr insoweit auch kein Fehler unterlaufen sein. Das Unterlassen der Überprüfung des [X.] Mitarbeiterführung sei der [X.] nicht vorzuwerfen, da sich der Kläger gegenüber seiner tariflichen Ersteinstufung ausdrücklich nur auf das Merkmal „Kooperation“ bezogen habe. Deshalb habe das Gericht nicht zu prüfen, ob der Kläger im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe regelmäßig oder nur gelegentlich während eines [X.] Auszubildende und Praktikanten betreue.

b) Die [X.] des [X.] enthält keinerlei Bezug zu und nicht ansatzweise eine Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts. Entgegen den Anforderungen des § 520 ZPO ist nichts dazu vorgetragen, in welchen Punkten rechtlicher und tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wird in der Berufungsbegründung weder ausdrücklich noch implizit erwähnt. Es findet keinerlei argumentative Auseinandersetzung mit der Auffassung des Arbeitsgerichts statt, dass die Klage bereits unbegründet sei, weil sich die [X.] bei der Überprüfung der Eingruppierung mit dem [X.] „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Auch die Ansicht des Arbeitsgerichts, dass die Entscheidung der [X.] gerichtlich nur auf Verfahrensfehler und die grobe Verkennung der tariflichen Bewertungsgrundsätze überprüft werden könne, findet weder Erwähnung noch erfolgt irgendeine Auseinandersetzung mit diesem rechtlichen Ansatz.

Stattdessen enthält die [X.] ausschließlich Vortrag von bereits erstinstanzlich vorgetragenen Tatsachen, teils wiederholend, teils vertiefend. Nachdem referiert worden ist, dass das [X.] auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist, welche Bewertung der Tätigkeit des [X.] mit welchem Ergebnis erfolgt ist und woran es dabei aus Sicht des [X.] mangelt, wird auch der Ablauf des Verfahrens vor der [X.] geschildert. Die Ausführungen hierzu bleiben jedoch ausschließlich im Tatsächlichen. Es fehlt an jeder rechtlichen Argumentation, die sich mit den Ausführungen im angefochtenen Urteil auseinandersetzt.

Soweit der Kläger sich dahingehend äußert, die [X.] habe seine Beanstandung im Hinblick auf die nicht zutreffend vorgenommene Bewertung im Rahmen des [X.] „Mitarbeiterführung“ nicht abgearbeitet, zeigt er keinen Verfahrensfehler auf. Dieses Vorbringen kann zwar anfänglich dahingehend verstanden werden, der Kläger wolle vortragen, dass die [X.] sich mit dem von ihm vorgebrachten Merkmal der „Mitarbeiterführung“ nicht beschäftigt habe. Darin könnte - obwohl vom Kläger nicht ausdrücklich erwähnt - auf den ersten Blick der Vorwurf eines Verfahrensfehlers liegen. Allerdings ergibt sich aus seinen weiteren Ausführungen etwas anderes. So weist der Kläger ausdrücklich darauf hin, dass der [X.] der Themenbereich „Mitarbeiterführung“ bekannt gewesen, „eine Bewertung, insbesondere im Sinne des [X.], allerdings nicht“ erfolgt sei. Auch sei der Betriebsratsvorsitzenden von der [X.] erklärt worden, dass die Werkstoffprüfer selbstverständlich zur Ausbildung verpflichtet seien, die Aufgabenbeschreibung entsprechend abgeändert werde, eine Bewertung insofern allerdings nicht erfolge. Damit bringt der Kläger zum Ausdruck, dass er die aus seiner Sicht fehlerhafte Bewertung des [X.] Mitarbeiterführung durch die [X.] beanstandet, nicht aber einen Verfahrensfehler durch Nichtberücksichtigung seines Vorbringens rügt.

Auch die weiteren Ausführungen in der Berufungsbegründung, insbesondere zu den gleichzeitigen Anwesenheitszeiten von Mitarbeitern des mechanischen Labors und Auszubildenden und Praktikanten in den Jahren 2007 und 2008 und zur Beschreibung der Ausbildungsinhalte im mechanischen Labor, stellen keine argumentative Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts dar.

III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung und Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Pieper     

        

    Plautz    

                 

Meta

4 AZR 552/09

18.05.2011

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Iserlohn, 29. Oktober 2008, Az: 1 Ca 1098/08, Urteil

§ 64 Abs 6 ArbGG, § 520 Abs 3 S 2 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.05.2011, Az. 4 AZR 552/09 (REWIS RS 2011, 6553)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6553

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