Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.06.2014, Az. VII B 49/13

7. Senat | REWIS RS 2014, 5012

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(§ 104 Abs. 2 FGO: Abweichung des schriftlich niedergelegten vom fernmündlich mitgeteilten Tenor)


Leitsatz

NV: Sofern einem Beteiligten im Rahmen des § 104 Abs. 2 FGO fernmündlich ein Tenor mitgeteilt wird, der von dem an die Geschäftsstelle übermittelten und schriftlich niedergelegten Tenor abweicht, ist allein der schriftlich niedergelegte Tenor maßgeblich. Die abweichende fernmündliche Mitteilung führt nicht zu einer Bindung des Gerichts, und zwar unabhängig davon, wann und durch wen der Tenor fernmündlich mitgeteilt worden ist.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) hielt sich in der [X.] vom 15. August 2008 bis zum 19. August 2009 für ein Studium in [X.] auf. Im Oktober 2008 erwarb sie in [X.] für … US-Dollar ein Motorrad des Herstellers …. Der Kilometerstand betrug an diesem Tag zwei Meilen. Das Motorrad wurde am 8. Mai 2009 in [X.] erstmals für den Straßenverkehr zugelassen. Am 10. September 2009 meldete die Klägerin das Motorrad beim Beklagten und Beschwerdeführer (Hauptzollamt --[X.]--) als Übersiedlungsgut zur Überführung in den freien Verkehr an. Zu diesem [X.]punkt betrug der Kilometerstand zehn Meilen.

2

Das [X.] verneinte wegen des ungebrauchten Zustands des Motorrads die Voraussetzungen eines Übersiedlungsguts und erhob Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt … € (… € Zoll und … € Einfuhrumsatzsteuer). Die nach einem erfolglosen Einspruch eingereichte Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) bestätigte zwar die Versagung einer Einfuhrabgabenbefreiung, korrigierte aber die Bemessungsgrundlage, bei deren Ermittlung das [X.] den im Oktober 2008 gezahlten Kaufpreis zugrunde gelegt hatte. Da das Motorrad im Oktober 2008 nicht zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft, sondern zur Nutzung in [X.] verkauft worden sei, könne die Bemessungsgrundlage nicht nach dem Transaktionswert gemäß Art. 29 Abs. 1 des Zollkodex ([X.]) bestimmt werden. Maßgebend sei die Schlussmethode nach Art. 31 [X.], wobei nur eine Schätzung unter den Beschränkungen des Art. 31 Abs. 2 [X.] in Betracht komme. Entsprechend den Gepflogenheiten beim Verkauf von Kfz mit Tageszulassungen bzw. bei [X.] sei danach ein Abschlag in Höhe von 15 v.H. vorzunehmen. Daraus ergäben sich Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt … € (… € Zoll und … € Einfuhrumsatzsteuer).

3

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.], die es auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie auf einen Verfahrensmangel stützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 Alternative 2 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

4

Aus Art. 147 der Zollkodex-Durchführungsverordnung ([X.]DVO) ergebe sich, dass die [X.] auch bei weiter zurückliegenden Kaufgeschäften Anwendung finden könne. Im Streitfall liege auch ein "Verkauf zur Ausfuhr" vor, da die Klägerin gewusst habe, dass sie nicht auf Dauer in [X.] leben werde. Ob die Klägerin das Motorrad in [X.] i.S. des Art. 147 Abs. 2 [X.]DVO verwendet habe und damit ein niedrigerer Zollwert in Betracht komme, könne im Streitfall letztlich offenbleiben. Ein daraus resultierendes Wahlrecht sei jedenfalls verbraucht, da die Klägerin in der Zollanmeldung einen Warenwert in Höhe von … US-Dollar angegeben habe.

5

Der Verfahrensmangel ergebe sich aus einer telefonischen Auskunft des Vorsitzenden Richters des [X.] vom 18. Dezember 2012 zum Tenor des Urteils. Der Vorsitzende habe in diesem Telefonat mitgeteilt, dass der Zollwert um 10 v.H. zu mindern sei. Da die Auskunft mehr als zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung erteilt worden sei und die Urteilsformel zu diesem [X.]punkt bereits vorgelegen habe, handele es sich um eine Bekanntgabe des Urteils, die für das Gericht Bindungswirkung habe.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe z.T. nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O verlangt, jedenfalls aber nicht vorliegen.

7

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O).

8

Grundsätzliche Bedeutung ist einer Rechtsfrage beizumessen, deren Beantwortung in dem angestrebten Revisionsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/ oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist. Hierzu ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und substantiiert auf ihre Klärungsbedürftigkeit, ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung sowie darauf eingeht, weshalb von der Beantwortung der Rechtsfrage die Entscheidung über die Rechtssache abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juli 2012 VII B 167/11, [X.], 2029, m.w.N.).

9

Im Streitfall fehlt es insbesondere an der Klärungsfähigkeit der vom [X.] formulierten Rechtsfrage, ob die Transaktionswertmethode nach Art. 29 Abs. 1 ZK auch dann an[X.]dbar sei, [X.]n ein im [X.] praktisch nicht ver[X.]detes Fahrzeug bereits mehrere Monate vor der Ausfuhr aus dem [X.] in das Zollgebiet der [X.] in dem Wissen gekauft worden sei, es irgendwann in das Zollgebiet der [X.] einzuführen. Denn das [X.] hat in seinem Urteil ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin das Motorrad zum Zeitpunkt des Kaufs gerade nicht zur Ausfuhr, sondern zur Nutzung in [X.] erworben habe. An diese tatsächlichen Feststellungen des [X.] wäre der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 [X.]O). Unabhängig von dem Zeitraum, der zwischen Kauf und Ausfuhr lag, kann der von der Klägerin gezahlte Kaufpreis somit nicht zu einem Transaktionswert i.S. des Art. 29 Abs. 1 ZK führen. Damit bestand auch kein Wahlrecht, das die Klägerin durch die Angabe eines Warenwerts in der Zollanmeldung hätte ausüben können.

Das Vorbringen des [X.] erschöpft sich letztlich in der Rüge materieller Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils. Insbesondere geht das [X.] davon aus, dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Kaufs eine Ausfuhr des Motorrads in das Zollgebiet der [X.] beabsichtigt habe. Dies kann nicht zu einer Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Mai 2013 VII B 163/12, [X.], 1615, m.w.N.).

2. Die ordnungsgemäße Erhebung einer [X.] (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) setzt voraus, dass der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeitet und gegenüberstellt, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (Senatsbeschluss vom 2. Dezember 2011 VII B 110/11, [X.], 616). Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht, zumal das [X.] selbst hervorhebt, dass der Streitfall nicht mit den Sachverhalten vergleichbar ist, die den zitierten Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen [X.] vom 6. Juni 1990 [X.]/89 ([X.]. 1990, [X.]) und des Senats vom 19. Februar 1991 VII R 69/88 ([X.]NV 1992, 69) zugrunde lagen. Insbesondere besteht kein Widerspruch zu der Aussage im Urteil in [X.]. 1990, [X.], dass ein Importeur die Angaben zum Zollwert in der Zollanmeldung im [X.] an die zollrechtliche Freigabe der Ware nicht mehr ändern kann, auch [X.]n wegen einer Käuferkette mehrere Transaktionswerte zur Verfügung standen. Denn das [X.] hat --wie oben [X.] bindend festgestellt, dass die Klägerin das Motorrad gerade nicht zur Ausfuhr, sondern zur Nutzung in [X.] erworben hat. Damit liegt im Streitfall überhaupt kein Transaktionswert vor.

3. Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O) nicht vor.

Nach § 104 Abs. 2 [X.]O ist statt einer Verkündung die Zustellung des Urteils zulässig. In diesem Fall ist das Urteil binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Aufgrund einer entsprechenden An[X.]dung des § 105 Abs. 4 Sätze 2 und 3 [X.]O genügt hierfür die Niederlegung der von den Berufsrichtern unterschriebenen Urteilsformel (Beschluss des [X.] vom 26. Januar 2010 [X.] 147/09, [X.]NV 2010, 1081, m.w.N.). Die Entscheidung gilt mit einer anschließenden formlosen Bekanntgabe der Urteilsformel an einen Beteiligten als verkündet. Ab diesem Zeitpunkt --und damit nicht erst mit der Zustellung des [X.] ist das Gericht an seine Entscheidung gebunden ([X.] vom 8. März 2011 IV S 14/10, [X.]NV 2011, 1161, m.w.N.).

Im Streitfall zweifelt das [X.] nicht an einer Übergabe des Tenors an die Geschäftsstelle innerhalb der [X.] des § 104 Abs. 2 [X.]O. Das [X.] rügt lediglich, dass der telefonisch übermittelte Tenor von dem schriftlich niedergelegten Tenor abweicht. Entgegen der Auffassung des [X.] führt eine solche Abweichung aber nicht zu einem Verfahrensfehler. Vielmehr ist in diesem Fall allein der schriftlich niedergelegte Tenor maßgeblich. Die fernmündliche Mitteilung eines hiervon abweichenden Tenors kann im Rahmen des § 104 Abs. 2 [X.]O nicht zu einer Bindung des Gerichts führen (vgl. [X.] vom 11. Februar 1998 I R 125/97, [X.]NV 1998, 1108). Dies gilt unabhängig davon, wann und durch [X.] der Tenor fernmündlich mitgeteilt wird.

Im Übrigen läge auch dann kein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O vor, [X.]n der Tenor zum Zeitpunkt des Telefonats mit [X.] des [X.] noch nicht bei der Geschäftsstelle hinterlegt gewesen wäre. Zum einen hätte es sich in diesem Fall bei der telefonischen Mitteilung wie im Beschluss in [X.]NV 1998, 1108 um eine nicht bindende Vorabinformation gehandelt. Zum anderen wäre es zwar zu einem Verstoß gegen die [X.] des § 104 Abs. 2 [X.]O gekommen. Dieser Mangel kann aber nicht zu einer Zulassung der Revision führen, solange nicht dargetan oder sonst erkennbar ist, dass der [X.] bei [X.] Niederlegung anders als im zugestellten Urteil gelautet hätte ([X.] vom 23. August 2002 IV B 89/01, [X.]NV 2003, 177).

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII B 49/13

05.06.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 3. Dezember 2012, Az: 7 K 947/10, Urteil

§ 104 Abs 2 FGO, Art 29 ZK, Art 31 ZK

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.06.2014, Az. VII B 49/13 (REWIS RS 2014, 5012)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5012

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII R 2/19 (Bundesfinanzhof)

Zollwertermittlung - Grenzüberschreitende Geschäfte zwischen verbundenen Unternehmen - Vorabverständigung über Verrechnungspreise (Advance Pricing Agreement)


VII B 270/09 (Bundesfinanzhof)

Zollwertermittlung bei Zweifeln am angemeldeten Transaktionswert


VII R 65/10 (Bundesfinanzhof)

Ermittlung des Zollwerts nach der Schlussmethode


14 K 588/20 (FG München)

Zollwert, Zeitpunkt, Festsetzung, Ware, Unternehmen, Zollanmeldung, Berichtigung, Feststellung, Verbrauchsteuern, Rechnung, EuGH, Verkauf, Ermittlung, Zollschuld, Urteil …


VII R 37/10 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 7.6.2011 VII R 36/10 - Nacherhebung von Einfuhrabgaben wegen …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.