Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2015, Az. VII ZB 42/14

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1424

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:021215BVIIZB42.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 42/14
vom
2. Dezember 2015
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 775 Nr. 4, § 843
Schließen Gläubiger und Schuldner im Rahmen der Zwangsvollstreckung ohne Einverständnis des
Drittschuldners eine Ratenzahlungsvereinbarung, in der sich der Gläubiger gegenüber dem Schuldner verpflichtet, die [X.] einstweilen auszusetzen, kommt eine gerichtliche Anordnung gegenüber dem Drittschuldner mit dem Inhalt, dass der Schuldner über die vom Gläubiger durch Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss gepfändete und zur Einziehung überwiesene Forderung vereinbarungsgemäß vorläufig bis zu einem vom Gläubiger erklärten Widerruf oder der Zustellung einer an-derweitigen Pfändung eines nachrangigen Gläubigers verfügen kann, nicht in Betracht.
[X.], Beschluss vom 2. Dezember 2015 -
VII ZB 42/14 -
LG [X.]

[X.]
-
2
-
Der VII. Zivilsenat des [X.] hat am 2. Dezember 2015
durch den Vorsitzenden Richter
Dr.
[X.], die Richter
Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit
und die Richterinnen
Graßnack
und Wimmer
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 31.
Juli
2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:
I.
Die
Gläubigerin hat wegen einer Forderung in Höhe von 1.243,47

einen Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss erwirkt, mit dem die Forderun-gen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin auf Auszahlung der zu ihren Gunsten
bestehenden Guthaben der bei der Drittschuldnerin geführten Konten, insbesondere der bestehenden Spar-
und Girokonten, gepfändet und der Gläu-bigerin zur Einziehung überwiesen worden sind.
Nachdem die Gläubigerin
mit der Schuldnerin eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen hatte, in der sie sich dieser gegenüber verpflichtet
hatte, die Kontopfändung einstweilen auszuset-zen, hat sie ergänzend beantragt, dass angeordnet werde, dass die Schuldne-rin über das Girokonto bei der Drittschuldnerin verfügen könne, solange kein Widerruf von ihr
oder eine weitere nachrangige Kontopfändung eines anderen Gläubigers erfolge. Die Schuldnerin hat sich diesem Antrag angeschlossen.
1
-
3
-
Das Amtsgericht

Vollstreckungsgericht

hat die Anträge der Gläubige-rin und der Schuldnerin zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Be-schwerde der Gläubigerin ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Beschwerde-gericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag weiter.

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, das Amtsgericht habe den Antrag der Gläubigerin, anzuordnen, dass die Schuldnerin über das Konto bei der Drittschuldnerin verfügen könne, solange kein Widerruf der Gläubigerin oder eine weitere nachrangige Kontopfändung eines anderen Gläubigers erfolge, zu Recht zurückgewiesen. Mit ihrem Antrag begehre die Gläubigerin im Ergebnis eine [X.] beziehungsweise eine einstweilige Aussetzung der Pfän-dung.
Die Drittschuldnerin sei hiermit nicht einverstanden.
Die Möglichkeit einer [X.] eines Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses bezüglich einer Kontopfändung sei gesetzlich nicht vorgesehen. Zwar sei der Pfändungs-gläubiger Herr des [X.] und könne grundsätzlich über die Durchführung oder Aufhebung etwaiger Vollstreckungsmaßnahmen entscheiden. Insbesondere könne er sich mit dem Pfändungsschuldner auch über die Art und den Umfang der Zwangsvollstreckung einigen. Jedoch sei eine solche Einigung beziehungsweise ein derartiger Vollstreckungsvertrag nur in-soweit zulässig, als er ausschließlich die Interessen der Vollstreckungsparteien betreffe. Das heiße, dass eine zwischen dem Pfändungsgläubiger und dem Pfändungsschuldner geschlossene Zahlungsvereinbarung, die im Gegenzug 2
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4
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eine Aussetzung
der Kontopfändung vorsehe,
nicht zu Lasten eines Dritt-schuldners gehen könne. Der streitgegenständliche Vertrag stelle einen Vertrag zu Lasten Dritter dar, der nicht wirksam abgeschlossen werden könne. Denn durch eine derartige Vereinbarung werde der Drittschuldnerin im Ergebnis zu-gemutet, die Einhaltung der zwischen dem Pfändungsgläubiger
und
-schuldner getroffenen Vereinbarung unentgeltlich und mit einem gewissen Haftungsrisiko zu überwachen.
2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung
stand.
a) Eine [X.] der Zwangsvollstreckung aus einem Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss durch gerichtliche Feststellung mit der von der Gläubigerin begehrten
Rechtsfolge, dass die
Schuldnerin
über die gepfändete und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesene Forderung vorläufig bis zu einem von ihr erklärten Widerruf oder der Zustellung einer anderweitigen Pfän-dung verfügen kann, kommt nicht in Betracht, weil für eine solche einstweilige Aussetzung der Pfändungswirkungen eines Pfändungs-
und Überweisungsbe-schlusses eine gesetzliche
Grundlage nicht gegeben ist.
aa) Das Zwangsvollstreckungsrecht ist als formalisiertes Verfahrensrecht öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. [X.], Urteil vom 25.
Januar
1978

VIII
ZR
137/76, [X.]Z 70, 206, 210, juris Rn. 24; [X.]/Stöber, ZPO, 31.
Aufl., Vor §
704 Rn.
24). Der Gläubiger ist allerdings grundsätzlich berechtigt, über das Vollstreckungsverfahren zu disponieren, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht (vgl. [X.]/Stöber, aaO, Vor §
704 Rn.
19, 24;
Musielak/Voit/
Lackmann, ZPO, 12. Aufl., Vor § 704 Rn. 17;
[X.], ZPO, 22. Aufl., § 753 Rn. 9; [X.]/Walker/[X.], ZPO, 5.
Aufl., Einf.
Rn.
10;
Ehlenz/[X.], JurBüro
2010, 62, 63; [X.], NJW 1988, 665, 669). Dies be-deutet, dass der Gläubiger grundsätzlich sowohl die Art der Vollstreckungs-5
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5
-
maßnahme, den Gegenstand, in den vollstreckt werden soll, als auch den Zeit-punkt bestimmen kann, zu dem die Vollstreckung gegen den Schuldner erfolgen
soll, soweit nicht zwingende Pfändungsschutzvorschriften oder sonstige zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen
(vgl. [X.], Urteil vom 2.
April
1991

VI
ZR
241/90, NJW 1991, 2295, 2296, juris
Rn. 13; [X.]/Heßler,
4.
Aufl., §
753 Rn.
25, §
754 Rn.
24; [X.], aaO, Vor § 704 Rn. 100 m.w.N.). Der
Gläubiger kann danach eine beantragte Vollstreckungsmaßnahme inhaltlich beschränken oder zurücknehmen, die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßnahme oder die einst-weilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise bewilligen
oder auf die durch eine bewirkte Pfändung erlangten Rechte ganz oder teilweise ver-zichten, § 843 ZPO.
Der Gläubiger ist jedoch nicht befugt, die Rechtswirkungen der nach dem Gesetz vorgesehenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durch eine einseitige Anordnung dahin zu modifizieren, dass unter Aufrechterhaltung der Verstrickung die sich aus dem
Pfandrecht ergebenden Rechtswirkungen vorübergehend entfallen.
Die in der Zivilprozessordnung vorgesehenen [X.] der Beschränkung oder Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Vollstreckungsgericht oder ein anderes Vollstreckungsorgan sind im [X.] auf das streng formalisierte Zwangsvollstreckungsverfahren als abschlie-ßend anzusehen (vgl. [X.]/Stöber, aaO, §
775 Rn.
3; [X.]/Walker/
[X.], ZPO, 5.
Aufl., Einf.
Rn.
10; Ehlenz/[X.], [X.], 62, 63).
bb) Der Gläubigerin geht es im vorliegenden Fall, wie die Rechtsbe-schwerde ausführt, um eine vorläufige Aussetzung der Wirkungen der Pfän-dung mit dem Ziel, dass diese im Falle eines von ihr erklärten Widerrufs oder
einer anderweitigen Pfändung der Forderung durch einen nachrangigen Gläu-biger wieder aufleben.
Eine solche teilweise Aussetzung
der mit dem erwirkten Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss einhergehenden Rechtswirkungen ist 8
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nach den Vorschriften über die Pfändung von Geldforderungen des Schuldners nicht in der Weise möglich, dass unter Wahrung des Rangs der Gläubigerin die Pfändungswirkungen im Übrigen vorläufig entfallen. Hierfür besteht keine [X.] Grundlage
(vgl. Ehlenz/[X.], [X.], 62, 63;
LG München, BeckRS 2014, 13746; a.[X.]/Schütze/[X.], ZPO, 4. Aufl., Vor § 704 ZPO Rn. 28; [X.], Beschluss vom 25.
Oktober
2006

13
T
214/06, juris Rn.
3; [X.], JurBüro
2005, 499, juris Rn. 10; [X.], Rpfleger 2006, 329, 330, juris Rn.
9).
Ein einstweiliger Verzicht auf die Wirkun-gen des Pfandrechts ohne Aufhebung der mit der Pfändung bewirkten [X.] ist wegen des Zusammenhangs von Beschlagnahme und Pfandrecht ausgeschlossen (vgl. [X.]/Stöber, ZPO, 31.
Aufl., §
804 Rn.
13 a.E.; [X.]/Walker/[X.], aaO, § 843 Rn. 4 m.w.N.).
b) Die
Gläubigerin
kann die Anordnung einer [X.] der Pfän-dung mit dem beantragten
Inhalt auch nicht im Hinblick darauf verlangen, dass es um die Feststellung
der Wirkung
einer zwischen ihr
und der Schuldnerin ge-schlossenen vollstreckungsbeschränkenden Vereinbarung geht. Die Gläubige-rin erstrebt eine Feststellung des Vollstreckungsgerichts des Inhalts, dass die zwischen ihr und der Schuldnerin geschlossene vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung von der Drittschuldnerin zu beachten ist. Für eine solche Feststel-lung gibt es
keine gesetzliche Grundlage.
Die Drittschuldnerin ist zur Beachtung einer vollstreckungsbeschränken-den Vereinbarung, durch die ihr Mitwirkungspflichten auferlegt werden, nur ver-pflichtet, wenn sie ihr zugestimmt hat (vgl. [X.], NJW 1975, 1575, 1576, juris Rn. 10; [X.], aaO, Vor §
704 Rn.
99; [X.], 6.
Aufl., Vor §§
704-945 Rn.
9; [X.], Kontopfändung und P-Konto, 3.
Aufl., Rn.
1208).
Es kann
dahinstehen, ob der Auffassung des [X.] zu folgen ist, wonach
die zwischen der Gläubigerin und der Schuldnerin ge-9
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7
-
troffene vollstreckungsbeschränkende Vereinbarung deswegen einen [X.] zu Lasten Dritter darstellt, weil die Drittschuldnerin durch diesen verpflichtet werden sollte, die Einhaltung der zwischen der Gläubigerin und der Schuldnerin getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung zu überwachen.
Eine sol-che Verpflichtung ergibt sich aus der Vereinbarung zwischen der Gläubigerin und der Schuldnerin nicht mit hinreichender Deutlichkeit.
Die Drittschuldnerin trifft
indes im vorliegenden Fall
jedenfalls
eine Mit-wirkungspflicht dahingehend, dass sie bei
einem Widerruf der Gläubigerin oder
einer Pfändung durch einen nachrangigen Gläubiger die
Auszahlung des [X.] an die Schuldnerin einzustellen hatte. Eine solche Mitwirkungs-pflicht kann der Drittschuldnerin nur mit ihrem Einverständnis auferlegt werden. Nach den

von den Parteien unbeanstandeten

Feststellungen des [X.] liegt ein solches Einverständnis
der Drittschuldnerin nicht
vor.

11
-
8
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

[X.]
Halfmeier
Jurgeleit

Graßnack

Wimmer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.05.2014 -
M 560/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 31.07.2014 -
34 T 1586/14 -

12

Meta

VII ZB 42/14

02.12.2015

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.12.2015, Az. VII ZB 42/14 (REWIS RS 2015, 1424)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1424

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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