Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.11.2022, Az. II R 39/20

2. Senat | REWIS RS 2022, 8953

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Gegenstand

Bewertung eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft für Zwecke der Erbschaftsteuer


Leitsatz

1. Der bewertungsrechtliche Begriff "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" ist tätigkeitsbezogen. Zivilrechtliches Eigentum an Grund und Boden oder am Besatz ist unerheblich.

2. Ist für die Bewertung des Wirtschaftsteils eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Liquidationswert maßgebend, kann ausnahmsweise der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts geführt werden, wenn der festgestellte Wert das verfassungsrechtliche Übermaßverbot verletzt. Dies setzt aber regelmäßig voraus, dass der vom FA festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 11.11.2020 - 3 K 369/17 aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die am 18.09.2015 verstorbene Erblasserin war Eigentümerin verschiedener Grundstücke, die zum Teil als Ackerland genutzt wurden. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe der Erblasserin. Mit notariell beurkundetem [X.] veräußerte er die Grundstücke zu einem Gesamtkaufpreis von 292.000 €.

2

Das für die Erbschaftsteuer zuständige Finanzamt forderte den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) auf, die [X.] zum Todestag für Zwecke der Erbschaftsteuer festzustellen. Mit Bescheid vom 20.07.2016 über die gesonderte Feststellung des [X.] auf den 18.09.2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer stellte das [X.] für die als Ackerland genutzten Flächen als Art der wirtschaftlichen Einheit "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" und als Wert der wirtschaftlichen Einheit einen Grundbesitzwert in Höhe von 238.668 € fest. Dabei setzte das [X.] den Liquidationswert (§ 166 des Bewertungsgesetzes --[X.]--) an. Für die übrigen Flächen hatte das [X.] mit Bescheiden vom 15.06.2016 [X.] in Höhe von insgesamt 95.870 € festgestellt.

3

Der Einspruch "gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des [X.]s vom 20.07.2016", den der Kläger u.a. damit begründete, es liege zwar landwirtschaftliches Vermögen vor, nicht aber ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, blieb erfolglos. Zur Begründung seiner "gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des [X.]s vom 20.07.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 28.08.2017" gerichteten Klage trug der Kläger insbesondere vor, dass für die Höhe des festzustellenden [X.] auf einen anteilig erzielten Verkaufspreis in Höhe von 196.100 € als niedrigerer gemeiner Wert abzustellen sei.

4

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) ging zwar davon aus, dass im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auch für gemäß § 166 [X.] bewertete land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch einen zeitnahen Verkauf möglich sei. Erforderlich sei aber, dass sich der vom [X.] festgestellte Grundstückswert als extrem über das normale Maß hinausgehend erweise. Dies sei im Streitfall nicht gegeben, da der festgestellte Grundstückswert den (anteilig) vereinbarten Kaufpreis nur um das 1,217-fache übersteige.

5

Dagegen richtet sich die Revision des [X.]. Er ist der Auffassung, dass auch im Rahmen der Wertermittlung nach § 166 [X.] der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts unabhängig von etwaigen Erheblichkeitsgrenzen möglich sein müsse. Anderenfalls entscheide das Gericht nach eigenen Maßstäben, wann der individuelle Nachweis des Steuerpflichtigen und wann die pauschale Bewertung maßgeblich sei. Ein derartiges Normverständnis verwechsle Gesetzesauslegung mit [X.], wozu das Grundgesetz den [X.] gemäß dem [X.] nicht ermächtigt habe. Es hätte vielmehr einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung bedurft, wenn der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, in Fällen wie dem vorliegenden den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts auszuschließen. § 165 Abs. 3 Halbsatz 2 [X.] stehe einem solchen Nachweis jedenfalls nicht entgegen.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des [X.] auf den 18.09.2015 für Zwecke der Erbschaftsteuer vom 20.07.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 28.08.2017 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert in Höhe von 196.100 € festgestellt wird.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision ist begründet mit der Maßgabe, dass die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Feststellungen des [X.] tragen nicht dessen Schlussfolgerung, dass die Erblasserin einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft unterhalten hat. Der [X.] kann auf Grundlage der Feststellungen des [X.] deshalb nicht abschließend entscheiden, ob auf den Kläger ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft übergegangen ist. Von der Beantwortung dieser Frage hängt jedoch ab, nach welchen Vorschriften die typisierende Bewertung durchzuführen ist und an welche Voraussetzungen der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts geknüpft ist.

9

1. Die Wertfeststellung nach § 22 Abs. 1 [X.] und die Artfeststellung nach § 22 Abs. 2 [X.] sind jeweils, auch wenn sie in einem Bescheid verbunden sind, selbständige Feststellungen, die gesondert in Bestandskraft erwachsen können. Ist die Artfeststellung bestandskräftig geworden, ist sie bei der Wertfeststellung nicht mehr zu prüfen, sondern der Wertermittlung zugrunde zu legen (vgl. Urteil des [X.] --BFH-- vom 10.07.1991 - II R 64/90, juris, unter 1.).

Im Streitfall ist die Artfeststellung "Betrieb der Land- und Forstwirtschaft" für die Wertfeststellung jedoch nicht bindend, denn sie ist ebenso wie die Wertfeststellung Gegenstand des Verfahrens. Der Kläger hat mit seinem Einspruch wie auch mit seiner Klage beide Feststellungen angegriffen. Die jeweiligen Rechtsmittelschreiben differenzieren nicht nach den verschiedenen in dem Bescheid enthaltenen Feststellungen. In der Einspruchsbegründung wendet sich der Kläger ausdrücklich gegen die Annahme eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Damit wird deutlich, dass er auch die Artfeststellung angreifen wollte.

2. Nach § 12 Abs. 3 des [X.] ist Grundbesitz i.S. des § 19 [X.], zu dem nach § 19 Abs. 1 [X.] auch Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gehören, mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert anzusetzen. Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 157 Abs. 2 [X.] sind für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens die [X.] unter Anwendung der §§ 158 bis 175 [X.] zu ermitteln. Wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist gemäß § 158 Abs. 2 Satz 1 [X.] der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören nach § 158 Abs. 1 Satz 2 [X.] alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu diesem Zweck auf Dauer zu dienen bestimmt sind. Das bedeutet, dass eine Bewertung nach den für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen geltenden Grundsätzen nur erfolgen kann, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter zu einem entsprechenden Betrieb gehören.

a) Nach § 158 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist Land- und Forstwirtschaft die planmäßige Nutzung der natürlichen Kräfte des Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie die Verwertung der dadurch selbst gewonnenen Erzeugnisse. Diese Vorschrift knüpft an eine bestimmte Nutzung des Bodens, aber nicht an das Eigentum am Boden an. Einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft hat demnach derjenige inne, der Land- und Forstwirtschaft betreibt. Der [X.] ist tätigkeitsbezogen. Zivilrechtlichen Eigentums an Grund und Boden oder am Besatz bedarf es nicht (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.2020 - II R 9/19, [X.], 100, [X.] 2021, 491, Rz 16 bis 21).

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 158 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Die land- und forstwirtschaftliche Zweckbestimmung für den Betrieb eines [X.] reicht nicht aus, land- und forstwirtschaftliches Vermögen beim Eigentümer zu begründen. Dies widerspräche dem tätigkeitsbezogenen [X.].

c) Ein Umkehrschluss aus § 160 Abs. 7 [X.] bestätigt dieses Ergebnis. Nach § 160 Abs. 7 Satz 1 [X.] bilden einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auch Stückländereien, die als gesonderte wirtschaftliche Einheit zu bewerten sind. Nach Satz 2 der Vorschrift sind Stückländereien einzelne land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, bei denen die Wirtschaftsgebäude oder die Betriebsmittel oder beide Arten von Wirtschaftsgütern nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören, sondern am Bewertungsstichtag für mindestens 15 Jahre einem anderen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind. Daraus folgt, dass einzelne land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, die die in § 160 Abs. 7 [X.] normierten Voraussetzungen nicht erfüllen, namentlich die 15-Jahre-Frist unterschreiten, grundsätzlich bei dem Eigentümer keinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft bilden.

d) Nach den Grundsätzen der Betriebsverpachtung im Ganzen kann darüber hinaus auch beim Verpächter ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb als ruhender Betrieb fortbestehen (dazu etwa BFH-Urteile vom 29.03.2017 - VI R 82/14, [X.], 1313, Rz 16 f., und vom [X.] - VI R 26/17, [X.], 82, [X.] 2019, 660, Rz 21).

3. Ausgehend davon war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.

Die Feststellungen des [X.] tragen nicht dessen (implizit vorausgesetzte) Schlussfolgerung, dass die Erblasserin einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft unterhalten hat. Das [X.] hat insoweit nur festgestellt, dass die vererbten Grundstücke teilweise als Ackerland genutzt und zum Bewertungsstichtag für weniger als 15 Jahre zur Nutzung überlassen worden seien. Hieraus ist nur zu folgern, dass jedenfalls keine Stückländereien vorlagen. Es lässt sich aber nicht ersehen, ob die Erblasserin im Übrigen einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innehatte. Diese Prüfung wird das [X.] im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Sollte das [X.] dabei zu dem Ergebnis kommen, dass auf den Kläger ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft übergegangen ist, hätte das [X.] die Höhe des [X.] prinzipiell zutreffend mit dem [X.] in Höhe von 238.668 € gesondert festgestellt (dazu 4.). Sollte das [X.] hingegen zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger keinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft geerbt hat, wäre der streitgegenständliche Feststellungsbescheid aufzuheben (dazu 5.).

4. Sollte das [X.] zu dem Ergebnis kommen, dass auf den Kläger ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft übergegangen ist, hätte das [X.] die Höhe des [X.] prinzipiell zutreffend mit dem [X.] in Höhe von 238.668 € gesondert festgestellt.

a) Wird ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nach dem Bewertungsstichtag veräußert, erfolgt die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit grundsätzlich mit dem [X.] nach § 166 [X.] (§ 162 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Gleiches gilt für die Bewertung einzelner wesentlicher Wirtschaftsgüter, sofern diese dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nicht mehr auf Dauer zu dienen bestimmt sind (§ 162 Abs. 4 Satz 1 [X.]); zu den wesentlichen Wirtschaftsgütern in diesem Sinn gehört ausweislich § 162 Abs. 4 Satz 1 [X.] u.a. der Grund und Boden nach § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Ausnahmen hiervon gelten bei einer Reinvestition des jeweiligen [X.] in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb binnen sechs Monaten (§ 162 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 [X.]). Bei der Ermittlung des [X.]s nach § 166 Abs. 1 [X.] ist der Grund und Boden i.S. des § 158 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] mit den zuletzt vor dem Bewertungsstichtag ermittelten Bodenrichtwerten zu bewerten (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.]). Zur Berücksichtigung der [X.] ist der ermittelte Bodenwert um 10 % zu mindern (§ 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 [X.]).

b) Der Kläger hat die Grundstücke fünf Monate nach dem Bewertungsstichtag veräußert, ohne den Veräußerungserlös wieder in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu investieren. Das [X.] hätte daher zu Recht den [X.] nach § 166 [X.] zur Bewertung herangezogen und dessen Höhe entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen korrekt mit 238.668 € festgestellt. Der Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts scheidet nach den Feststellungen des [X.] vorliegend aus.

aa) Für den nach §§ 162 bis 164 [X.] für einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft anzusetzenden Wert des Wirtschaftsteils sieht das [X.] den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts vor. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert des --unveräußerten-- Wirtschaftsteils niedriger ist als der nach § 165 Abs. 1 und 2 [X.] ermittelte Wert, ist dieser Wert anzusetzen; § 166 [X.] ist zu beachten (§ 165 Abs. 3 [X.]). Im Rahmen des § 166 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 [X.] ist die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts für den Grund und Boden aber nicht eröffnet.

bb) Zwar hat der [X.] bereits entschieden, dass zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot der Steuerpflichtige auch bei der Veräußerung von Flächen, die einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zuzurechnen waren, entsprechend § 165 Abs. 3 Halbsatz 1 und § 198 [X.] den Nachweis eines vom [X.] wesentlich abweichenden niedrigeren gemeinen Werts erbringen kann, etwa durch ein Sachverständigengutachten oder durch einen zeitnahen Verkauf (vgl. BFH-Urteil vom 30.01.2019 - II R 9/16, [X.], 267, [X.] 2019, 599, Rz 24). Das Übermaßverbot ist allerdings nur dann verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem über das normale Maß hinausgehen. Dies erfordert den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts, der den festgestellten Grundstückswert so erheblich unterschreitet, dass sich der festgestellte Grundstückswert als extrem über das normale Maß hinausgehend erweist. Extrem über das normale Maß hinaus geht beispielsweise das Dreifache des gemeinen Werts bzw. das rund 1,4-fache eines sich aus dem Bodenrichtwert errechneten Verkehrswerts. Eine Bewertungsdifferenz von 10 % ist hingegen als Folge der typisierenden Bewertungsmethode aufgrund der mit der Wertschätzung verbundenen Ungenauigkeit hinzunehmen (vgl. BFH-Urteil in [X.], 267, [X.] 2019, 599, Rz 26, m.w.N.).

cc) An dieser Rechtsprechung ist entgegen der Ansicht des [X.] festzuhalten.

aaa) Soweit sich der Kläger darauf beruft, das Gesetz schließe auch im Falle einer Bewertung nach § 166 [X.] den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ohne Rücksicht auf bestimmte Wertschwellen nicht aus, ist dies unzutreffend. Zum einen fehlt eine ausdrückliche, dem § 198 [X.] vergleichbare Regelung. Zum anderen ordnet § 165 Abs. 3 Halbsatz 2 [X.] im Rahmen der Bewertung mit dem Fortführungswert auch dann den [X.] nach § 166 [X.] als absolute Untergrenze an, wenn der Steuerpflichtige einen niedrigeren gemeinen Wert nachweist. Dies entspricht auch dem eindeutigen Normverständnis des Gesetzgebers (vgl. BTDrucks 16/11107, S. 16: "Die Regelung ermöglicht dem Steuerpflichtigen einen Verkehrswertnachweis nur für den gesamten Wirtschaftsteil, der zur Gleichbehandlung mit dem Betriebsvermögen im [X.] seine unterste Grenze findet.").

bbb) Soweit der Kläger im Übrigen der bisherigen [X.]srechtsprechung entgegenhält, (verfassungskonforme) Gesetzesauslegung mit [X.] zu verwechseln, ist darauf hinzuweisen, dass beide Möglichkeiten gleichrangig zur Beseitigung eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot zur Verfügung stehen (vgl. BFH-Urteil vom 05.05.2004 - II R 45/01, [X.], 570, [X.] 2004, 1036, unter [X.], mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des [X.]). Die verfassungskonforme Auslegung beruht letztlich darauf, dass nach § 138 Abs. 3 Satz 3 [X.] bzw. § 157 Abs. 3 Satz 3 [X.] i.V.m. § 20 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] abweichende Wertfeststellungen aus Billigkeitsgründen (§ 163 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung) für eine Reihe von im [X.] geregelte Bewertungsverfahren gesetzlich ausgeschlossen sind (vgl. BFH-Urteil in [X.], 570, [X.] 2004, 1036, unter [X.]). Auch wenn dies für die Bewertung für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nicht gilt (in § 157 Abs. 2 [X.] fehlt ein Verweis auf § 20 Satz 2 [X.]), ist aus Gründen einer einheitlichen Konzeption, mit welcher das Übermaßverbot im Bereich des [X.] zur Geltung gebracht werden soll, an der verfassungskonformen Auslegung festzuhalten.

dd) Im vorliegenden Fall wäre das grundgesetzliche Übermaßverbot nach den Feststellungen des [X.] nicht verletzt.

aaa) Der [X.] hat für den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts in Fällen des § 166 [X.] bislang keine konkrete Grenze für die Verletzung des Übermaßverbots festgelegt. Den für unwesentlich erachteten 10 % (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2013 - II R 22/11, [X.], 1086, Rz 16; konkret 12,5 %) steht eine für wesentlich erachtete Schwelle von rund 40 % gegenüber (vgl. [X.] vom 23.10.2002 - II B 153/01, [X.], 393, [X.] 2003, 118, unter II.2.; konkret 41,4 %). Nach Ansicht des [X.] ist das Übermaßverbot nur dann verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Bewertung extrem über das normale Maß hinausgehen (vgl. [X.]-Beschluss vom 05.04.1978 - 1 BvR 117/73, [X.]E 48, 102, [X.] 1978, 441, unter C.II.3.). Die [X.] innerhalb der Spanne, die durch die bisherige Rechtsprechung des [X.]s vorgegeben ist, muss folglich am oberen Rand angesiedelt werden. So wäre z.B. eine Grenze von 20 % (so vorgeschlagen von [X.], Agrarbetrieb 2019, 278, 279) mit der Bedeutung des Wortes "extrem" (d.h. "bis an die äußerste Grenze gehend; radikal; krass"; vgl. [X.], [X.], 28. Aufl. 2020, S. 434) kaum in Einklang zu bringen. [X.] in solcher Höhe sind als Folge der typisierenden Bewertungsmethoden und unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um Schätzungen des Werts handelt, die stets mit Ungenauigkeiten verbunden sind, hinzunehmen (vgl. BFH-Urteil in [X.], 1086, Rz 16). Dem [X.] erscheint es deshalb angemessen, eine Verletzung des Übermaßverbots regelmäßig erst dann zu bejahen, wenn der vom [X.] festgestellte Grundstückswert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt.

bbb) Da nach den bisherigen Feststellungen des [X.] der vom [X.] nach § 166 [X.] ermittelte [X.] den vom Kläger durch den zeitnahen Verkauf nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert nur um 21,7 % übersteigt, ist das verfassungsrechtliche Übermaßverbot im Streitfall nicht verletzt. Daher kann im Ergebnis dahinstehen, ob die Feststellung, der ermittelte [X.] übersteige den gemeinen Wert um 21,7 %, überhaupt zutreffend ist. Sie beruht auf einer ungeprüften Übernahme einer Berechnung des [X.], mit der er den Gesamtkaufpreis für alle Grundstücke auf die als Ackerland genutzten Flächen und die übrigen Flächen verteilte. Diese Berechnung überzeugt schon deshalb nicht, weil sie davon ausgeht, dass der anteilige Kaufpreis für die nicht als Ackerland genutzten Flächen exakt den nach dem [X.] festgestellten Werten entspreche, wohingegen dies für die als Ackerland genutzten Flächen gerade nicht gelten solle. Zudem wären die Vorstellungen der damaligen Kaufvertragsparteien darüber maßgeblich, welchen Wert sie welchem Grundstück beimessen wollten.

5. Sollte das [X.] hingegen zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger keinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft geerbt hat, wäre der streitgegenständliche Feststellungsbescheid aufzuheben. Das [X.] hätte dann erneut eine Bewertung der Grundstücke durchzuführen; diesmal nach den Vorschriften über die Bewertung von Grundvermögen (§§ 157 Abs. 3 Satz 1, 176 bis 198 [X.]). Dem Kläger stünde in einem solchen Fall nach § 198 [X.] der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts offen.

6. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O.

7. Das Urteil ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 [X.]O).

Meta

II R 39/20

16.11.2022

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, 11. November 2020, Az: 3 K 369/17, Urteil

§ 158 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 160 Abs 7 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 162 Abs 3 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 162 Abs 4 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 165 Abs 3 Halbs 2 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 166 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 198 BewG 1991 vom 24.12.2008, Art 3 Abs 1 GG, § 157 Abs 2 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 20 S 2 BewG 1991, § 163 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.11.2022, Az. II R 39/20 (REWIS RS 2022, 8953)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8953

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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