Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.05.2016, Az. 30 W (pat) 524/15

30. Senat | REWIS RS 2016, 11452

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Dienstleistung mit Recht" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2015 032 141.9

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 12. Mai 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Professor Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 45 des [X.] vom 13. August 2015 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Wortfolge

2

Dienstleistung mit Recht

3

ist am 19. März 2015 als Marke für die Dienstleistungen der

4

„Klasse 35: Unternehmensberatung und -verwaltung; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Erstellen von Steuererklärungen, Hilfestellung bei der Erfüllung steuerlicher Pflichten durch Buchführung, Jahresabschlusserstellung und Abgabe von Steuererklärungen sowie Steuerdeklarationsberatung [soweit in Klasse 35 enthalten];

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Klasse 36: Dienstleistungen im Bereich der Insolvenz, nämlich [X.] [finanzielle Beratung beim Kauf oder Verkauf von Unternehmen sowie Unternehmensbeteiligungen] sowie Beratung in finanziellen Angelegenheiten, Finanzanalysen, Schuldnerberatung, Einziehen von [X.] [[X.]]; Insolvenzberatung, einschließlich Restrukturierungsberatung, Sanierungsberatung sowie insbesondere Beratung, Vorbereitung und Begleitung bei Eigenverwaltung, Schutzschirmverfahren und Insolvenzplänen; Gebäudeverwaltung; Grundstücksverwaltung; Immobilienverwaltung; Vermögensverwaltung sowie Vermögensanlageberatung [auch in Form des [X.] und des [X.]]; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Steuergestaltungsplanungen in finanzieller Hinsicht, Erstellung von Steuergutachten und –schätzungen;

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[X.]: Dienstleistungen eines Rechtsanwalts, insbesondere die Rechtsberatung und -vertretung, einschließlich im Bereich [X.]; juristische Dienstleistungen im Bereich Insolvenz [einschließlich Insolvenzverwaltung, Insolvenzberatung, Restrukturierungsberatung, Sanierungsberatung sowie insbesondere Beratung, Vorbereitung und Begleitung bei Eigenverwaltung, Schutzschirmverfahren und Insolvenzplänen], im Bereich Geschäftsführung [einschließlich der Übernahme von Organfunktionen und des Interimsmanagements], im Bereich der Grundstücksverwaltung, im Bereich der Immobilienverwaltung, in den Bereichen Nachlassverwaltung, [X.], Nachfolgeregelung [einschließlich bei der Unternehmensnachfolge], Erbvertrags- und Testamentsgestaltung, Testamentsvollstreckung sowie Stiftungen, insbesondere bei deren Gestaltung, Errichtung und Verwaltung, im Bereich der Vermögensverwaltung [auch in Form des [X.] und einschließlich der Beratung über und Prüfung von Angelegenheiten der Vermögensverwaltung, Vermögensanlage und des [X.]]; Dienstleistungen eines Steuerberaters, nämlich Vertretung vor Finanzbehörden und -gerichten, Steuerrechtsdurchsetzungsberatung sowie Hilfeleistung bei der Einziehung von Steuererstattungs- oder Vergütungsansprüchen [soweit in [X.] enthalten]“

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bei dem [X.] angemeldet worden.

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Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für [X.] hat die Anmeldung mit [X.]uss vom 13. August 2015 wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) zurückgewiesen.

9

Dienstleistung mit Recht vermittele im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen den beschreibenden Sinngehalt, dass einerseits „Rechtsdienstleistungen“ Gegenstand des Angebots seien und andererseits Dienstleistungen „zurecht“ („mit Recht“) erbracht würden, etwa um einen Anspruch durchzusetzen. Ohne Erfolg versuche der Anmelder, die Schutzfähigkeit der Anmeldemarke mit deren Doppeldeutigkeit zu begründen. Denn auch Rechtsdienstleistungen im engeren Sinne würden „mit Recht“ (im Sinne von „entsprechend dem Rechtsempfinden“) erbracht. Die vorgebrachte Doppeldeutigkeit werde im Übrigen erst im Wege einer analysierenden Betrachtung des Angebots wie auch der Leistung(en) ersichtlich. Doch selbst wenn die angesprochenen Verkehrskreise die Doppeldeutigkeit erkennen sollten, würden sie dem Zeichen keinen Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistungen aus einem bestimmbaren Unternehmen entnehmen. Vielmehr erschöpfe sich die angemeldete Wortkombination in einer werbeüblichen Anpreisung der Dienste.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders.

Dienstleistung mit Recht bei Wahrnehmung durch den Verkehr zunächst diffus. Die Wortfolge sei sprachregelwidrig gebildet, da Dienstleistungen nicht „Dienstleistung mit Recht werde hingegen nachweislich alleine von dem Anmelder verwendet. Damit finde das von der Markenstelle unterstellte Verkehrsverständnis keine Grundlage.

Dienstleistung mit Recht veranlasse den angesprochenen Verkehr, anders als bei sprachüblichen Wortfolgen, zu einer analysierenden Betrachtung, was aber für und nicht – wie von der Markenstelle angenommen – gegen die Annahme von Unterscheidungskraft spreche.

Schließlich handele es sich bei der angemeldeten Wortfolge weder um eine geläufige Redewendung, noch werde sie im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen von Dritten verwendet. Insoweit seien auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses rechtfertigen könnten.

Der Anmelder beantragt,

den angefochtenen [X.]uss der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenlage Bezug genommen.

II.

Dienstleistung mit Recht für die beanspruchten Dienstleistungen weder jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], noch stellt es eine freihaltebedürftige beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.] 2012, 610 ([X.]) - [X.]; [X.], 608, 611 ([X.]) - [X.]; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) - [X.]; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.] 2010, 1008, 1009 ([X.]) - [X.]; [X.], 608, 611 ([X.]) - [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 - Standbeutel; [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) - My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. [X.] 2015, 173, 174 (Nr. 15) - for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) - smartbook; [X.] 2012, 1143 (Nr. 7) - [X.]; [X.] 2012, 270 (Nr. 8) - [X.] economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; [X.] 2012, 270, 271, Nr. 11 - [X.] economy; [X.] 2009, 952, 953, Nr. 10 - [X.]; [X.] 2006, 850, 854, Nr. 19 - [X.]; [X.] 2005, 417, 418 - [X.]; [X.] 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; [X.] 2001, 1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. [X.] 2006, 850, 854, Nr. 19 - [X.]; [X.] 2003, 1050, 1051 - [X.]; [X.] 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten).

Davon ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen auszugehen, ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortmarken gerechtfertigt sind. Es wäre daher unzulässig, besondere Kriterien aufzustellen, die das Kriterium der Unterscheidungskraft ersetzen oder von ihm abweichen ([X.] [X.] 2010, 228, Nr. 38 - Vorsprung durch Technik; [X.] 2004, 1027, Nr. 35, 36 - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT), etwa dergestalt, dass die sloganartige Wortfolge phantasievoll sein und ein begriffliches Spannungsfeld, das einen Überraschungs- und damit Merkeffekt zur Folge habe, aufweisen müsse ([X.] [X.] 2010, 228, Nr. 39 - Vorsprung durch Technik; [X.] 2004, 1027, Nr. 31, 32 - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT; [X.] 2002, 1070, 1071 - Bar jeder Vernunft).

Auch wenn solche spruch- oder sloganartigen Wortfolgen keinen strengeren Schutzvoraussetzungen unterliegen, ist jedoch zu berücksichtigen, dass solche Wortfolgen vom Verkehr nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen werden wie andere Markenkategorien. So wird der Verkehr in [X.] oder spruchartigen Wortfolgen regelmäßig dann keinen Herkunftshinweis sehen, wenn diese eine bloße Werbefunktion ausüben - diese kann z. B. darin bestehen, die Qualität der betreffenden Waren oder Dienstleistungen anzupreisen - es sei denn, dass die Werbefunktion im Vergleich zu ihrer behaupteten Herkunftsfunktion offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. [X.] [X.] 2004, 1027, Nr. 35 - DAS [X.] DER BEQUEMLICHKEIT; [X.] 2001, 1047, 1049 - [X.], [X.]; [X.] 2001, 735, 736 - Test it.).

2. Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Hintergrunds kann vorliegend - entgegen der von der Markenstelle vertretenen Auffassung - nicht festgestellt werden, dass die angemeldete Wortfolge dem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] unterliegt.

a) Mit dem Anmelder ist der Senat zunächst der Auffassung, dass der Spruch Dienstleistung mit Recht nicht sprachregelgerecht gebildet ist. Darüber hinaus kann ihm unmittelbar keine sinnhafte Aussage und infolgedessen auch kein im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt entnommen werden. Zwar fehlt dieser Wortfolge, die aus einfachen und für sich ohne weiteres verständlichen Worten des [X.] Sprachschatzes zusammengesetzt ist, nicht jeder Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen, bei denen es sich eben um Dienstleistungen aus dem Rechtsbereich handelt. Das ändert aber nichts daran, dass der Aussagegehalt der konkreten Wortfolge Dienstleistung mit Recht im Dunkeln bleibt. Das gilt auch dann, wenn man „mit Recht“ im Sinne von „zurecht“ verstehen wollte. Auch die Wortfolge „Dienstleistung zurecht“ ergibt schlicht keinen Sinn. Zu einer fassbaren beschreibenden Aussage der angemeldeten Wortfolge gelangt der Verkehr somit nur mithilfe eines nicht unerheblichen Interpretationsaufwandes oder aber auf [X.]. Das aber reicht - auch darin ist dem Anmelder beizupflichten - nicht aus, um der angemeldeten Marke jede Unterscheidungskraft abzusprechen, sondern spricht im Gegenteil für das Vorliegen eines gewissen Maßes an Unterscheidungskraft.

b) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Wortfolge im Verkehr stets nur als solche und aus diesem Grund nicht als Mittel zur betrieblichen Herkunftsindividualisierung aufgefasst wird (vgl. zu diesem [X.] ausführlich und m. w. N. BPatG PAVIS PROMA, [X.]. v. 30. Januar 2014 – 30 W (pat) 30/12 - you smile we care; [X.], [X.] 2001, 630 ff.).

Dienstleistung mit Recht - wie ausgeführt - keinen beschreibenden Bezug auf. Auch eine allgemeine Anpreisung oder Werbeaussage liegt nicht vor. Dafür, dass Dienstleistung mit Recht in dieser Form als Werbespruch im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. [X.] 2013, 1143, Rn. 15 - Aus Akten werden Fakten) bereits verwendet wurde, fehlen Nachweise. Ebenso wenig ist belegbar, dass vergleichbar gebildete Wortverbindungen in der Werbesprache gängig sind. Insoweit sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es rechtfertigen würden, der angemeldeten Bezeichnung im Allgemeininteresse den nachgesuchten Schutz zu versagen.

3. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann für Dienstleistung mit Recht auch ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.

Der angegriffene [X.]uss war deshalb aufzuheben.

Meta

30 W (pat) 524/15

12.05.2016

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.05.2016, Az. 30 W (pat) 524/15 (REWIS RS 2016, 11452)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 11452

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