Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2010, Az. 1 StR 644/09

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 7047

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 644/09 vom 29. April 2010 in der Strafsache gegen wegen [X.] u.a. - 2 - Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 29. April 2010 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. August 2009 mit den [X.]) soweit der Angeklagte wegen Nichtabgabe der [X.] 2007 und der Abgabe inhaltlich unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis März 2008 verurteilt wurde; b) im Ausspruch über die Einzelstrafe, die für die Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 verhängt wurde; c) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. Die weitergehende Revision wird verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen. - 3 - Gründe: [X.] Der Angeklagte wurde wie folgt verurteilt: 1 1. Steuerhinterziehung in fünf Fällen. 2 Diese - ohne klar auf die einzelne Tat bezogene weitere Untergliederung insgesamt in Abschnitt [X.] der Urteilsgründe geschilderten - Taten hängen nach den Feststellungen der [X.] mit dem vom Angeklagten als Gewerbe be-triebenen Verkauf von Multimedia- und Internetdienstleistungen zusammen. Er setzte in großem Stil über die Plattform [X.] Speichermedien ab, die er von der Großhandelsfirma M.

GmbH erworben hatte. Im [X.] an die Auktionen kam er seinen umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen nicht nach. Verurteilt wurde er, weil er in den Jahren 2006 und 2007 keine Umsatz-steuerjahreserklärung und für die Monate Januar bis März 2008 jeweils falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abgab. Die hierfür verhängten Strafen betrugen acht Monate (für 2006), ein Jahr und vier Monate (für 2007) und jeweils sechs Monate (für Januar bis März 2008). 3 2. Computerbetrug in 20 Fällen und versuchter Computerbetrug in 15 Fäl-len. 4 Insoweit hatte der Angeklagte im Zusammenhang mit der nicht ordnungs-gemäßen Verwendung von —[X.] in großem Umfang mit der wahrheitswidri-gen Behauptung, von ihm aufgegebene Einschreibesendungen seien nicht zuge-stellt worden, von der Post Schadensersatzzahlungen erhalten oder zu erhalten versucht. Für diese Taten verhängte die [X.] vier Strafen von je einem 5 - 4 - Jahr und vier Monaten, 20 Strafen von je einem Jahr und zwei Monaten und elf Strafen von je einem Jahr. Aus den genannten Einzelstrafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten gebildet. Außerdem wurden näher bezeichnete Gegenstände (Computer und Zubehör) als Tatmittel des [X.] ein-gezogen. 6 I[X.] Die Revision des Angeklagten ist auf Verfahrensrügen und die näher [X.] Sachrüge gestützt. Eine der Verfahrensrügen führt zur Aufhebung der Schuldsprüche wegen der unterbliebenen Umsatzsteuerjahreserklärung 2007 und der falschen Umsatzsteuervoranmeldungen in den ersten drei Monaten des Jahres 2008. Zugleich hat der Senat die Strafe wegen der unterbliebenen [X.] 2006 aufgehoben; außerdem war die Gesamtfreiheits-strafe aufzuheben (§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehende Revision blieb erfolg-los (§ 349 Abs. 2 StPO). 7 1. Der Verfahrensrüge, mit der die Revision Erfolg hat, liegt Folgendes zu Grunde: 8 Neben anderweitigen, im Einzelnen von der [X.] geschilderten Maßnahmen zur Verdeckung seiner geschäftlichen Aktivitäten im [X.] mit den Speichermedien ging der Angeklagte nach den Feststellungen der [X.] ab [X.] 2007 auch dazu über, die Bezugsquelle seiner Waren zu verschleiern. Er kaufte die Speichermedien bei der Großhandelsfirma nicht mehr unter seinem Namen ein, sondern unter dem Namen der Firma [X.], [X.]([X.]) mit deren Kundennummer, wobei er sich als der inländische 9 - 5 - Vertreter dieser Firma ausgab. Dadurch bezweckte der Angeklagte, die Artikel um 19 % billiger - weil umsatzsteuerbefreit - zu erhalten. a) In diesem Zusammenhang stellte der Angeklagte unter Beifügung einer Reihe von im November 2007 und später im Detail ausgefüllter CMR-Frachtbriefe den Antrag, —den Sachbearbeiter des [X.] [X.] , zuständig für die Firma [X.]

–. als Zeugen zu vernehmen.fi Er werde bekunden, dass die aus den Frachtbriefen ersichtlichen Waren von der [X.] ordnungsgemäß gemeldet und versteuert wurden. In der Begründung des Antrags ist ausgeführt, der Angeklagte habe die bei der Großhandelsfirma bestellten Waren lediglich als —[X.] angenommen und sodann einem Spediteur der [X.] Firma weitergegeben. Die Ware sei dann tat-sächlich in [X.] eingeführt, angemeldet und versteuert worden. Eine Umsatz-steuerpflicht bestehe in [X.] insoweit nicht. 10 Die [X.] hat den Antrag durch einen auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützten Beschluss zurückgewiesen. 11 b) Der [X.] hat geltend gemacht, auf die Einzelheiten der Begründung des Beschlusses der [X.] und des hiergegen gerichte-ten Vorbringens der Revision komme es nicht an. Es liege nämlich überhaupt kein Beweisantrag vor, da der genannte Zeuge nicht genügend individualisiert sei. Aus dem Kreis sämtlicher im fraglichen Zeitraum bei dem [X.] Finanz-amt tätigen Sachbearbeiter müsse erst derjenige herausgefunden werden, der die behaupteten steuerlichen Vorgänge bearbeitet hat. Daher liege ein Beweis-ermittlungsantrag vor, über den nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht zu [X.] sei. Diese sei, wie er näher darlegt, hier nicht verletzt. 12 c) Es trifft zu, dass die Zurückweisung eines Beweisermittlungsantrags nach der Rechtsprechung des [X.] die Revision nur dann [X.] - 6 - gründet, wenn dadurch die Aufklärungspflicht verletzt wurde. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn das Gericht den Antrag (zu Unrecht) für einen Beweisan-trag hielt und ihn nach den hierfür geltenden Regeln beschieden hat ([X.], 581; BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 23 jew. m.w.[X.]). Hier hat jedoch die [X.] rechtsfehlerfrei den in Rede stehenden Antrag als Be-weisantrag angesehen. Grundsätzlich sind bei einem auf die Vernehmung eines Zeugen gerichte-ten Beweisantrag Name und (hier unproblematisch) Anschrift des Zeugen zu nennen. Dies ist aber nicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Es genügt viel-mehr, wenn die zu vernehmende Person derart individualisiert ist, dass eine Verwechslung mit anderen nicht in Betracht kommt. Die Nennung eines Namens ist in diesem Zusammenhang dann entbehrlich, wenn der Zeuge unter Berück-sichtigung des Beweisthemas über seine Tätigkeit insbesondere in einer [X.] zu individualisieren ist (vgl. [X.], 426, 427; [X.] 1980, 269; [X.] NStZ-RR 2007, 150; einschränkend BGHSt 40, 3, 7; vgl. auch [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 244 Rdn. 105; [X.], [X.] Aufl. § 244 Rdn. 21 jew. m.w.[X.]). Hier ist der Sachbearbeiter eines bestimmten Finanzamts für im Detail gekennzeichnete steuerrechtlich erhebliche Vorgänge im Geschäftsbetrieb einer bestimmten Firma als Zeuge benannt. Die [X.] hat durch die Behandlung dieses Antrags als Beweisantrag der Sache nach zum Ausdruck gebracht, den Anforderungen an die Kennzeichnung des Beweismittels in einem Beweisantrag sei hier Genüge getan. Dies ist jedenfalls vertretbar und daher vom Revisionsgericht hinzuneh-men. 14 d) Die [X.] hat die auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützte Ableh-nung des Beweisantrags damit begründet, dass —die Vernehmung des Zeugen nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts nicht erforderlich erscheint. 15 - 7 - [X.] unterstellt als wahr, dass ein Mitarbeiter des Finanzamtes K. die im Beweisantrag – genannten Angaben machen würde.fi Weitere Ausführungen enthält der Beschluss nicht. In den Urteilsgründen ist dann im Einzelnen dargelegt, warum die [X.] davon ausgeht, dass tatsächlich keine Lieferungen nach [X.] erfolgt sind. 16 2. Zu Recht rügt die Revision die Begründung des Beschlusses. 17 Über die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts hinaus ergibt der genannte Beschluss, dass die [X.] offenbar erwartet, dass der Zeuge die in sein Wissen gestellten Behauptungen zwar bestätigen werde, diese Angaben jedoch wahrheitswidrig seien. Eine solche Prognose hinsichtlich des Inhalts der zu [X.] Aussage und dessen Bewertung als unwahr kann Grundlage der Ab-lehnung eines Beweisantrags gemäß § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO sein (vgl. BGHSt 40, 60, 62). Der hierfür erforderliche Gerichtsbeschluss (§ 244 Abs. 6 StPO) muss jedoch die für die Ablehnung wesentlichen Gesichtspunkte, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in [X.] verdeutlichen. Die Begründung der Ablehnung eines Beweisantrages ist nicht nur gegebenenfalls Grundlage einer revisionsrechtlichen Überprüfung der Ablehnung, sondern sie hat auch die Funktion, den Antragsteller davon zu unterrichten, wie das Gericht den Antrag sieht, damit er sich in seiner Verteidigung auf die Verfahrenslage [X.] kann, die durch die Antragsablehnung entstanden ist (BGHSt 40, 60, 63 m.w.[X.]). Diesen Anforderungen wird der Beschluss der [X.] nicht ge-recht, weil er nicht konkretisiert ist. 18 Allerdings ist in den Urteilsgründen näher dargelegt, warum nicht davon auszugehen ist, dass es die vom Angeklagten behaupteten Lieferungen nach [X.] gegeben hätte. Ohne dass dies hier im Detail nachzuzeichnen wäre, er-gibt sich dies nach Auffassung der [X.] aus einer Gesamtschau von 19 - 8 - [X.], Kontoauszügen, Lieferadressen auf Rechnungen, [X.] Hinweisen auf behördliche Bearbeitung auf den vorgelegten Frachtbriefen und näher ausgeführten steuerrechtlichen Überlegungen. Diese Ausführungen würden zwar für sich genommen rechtlicher Überprüfung standhalten. Der [X.], dem Antragsteller zu ermöglichen, sein Prozessverhalten an die für die Ablehnung des Beweisantrags maßgeblichen Gründe anzupassen, werden [X.] solche Gründe nicht gerecht, von denen der Antragsteller erst durch das Urteil erfährt. Dementsprechend kann ein unzulänglich begründeter Beschluss zur Ablehnung eines Beweisantrags nicht anhand der Urteilsgründe ergänzt wer-den (st. Rspr.; vgl. zusammenfassend [X.], [X.] Aufl. § 244 Rdn. 42 m.w.[X.]). Anderes könnte im Ergebnis möglicherweise gelten, wenn den Urteilsgründen der Sache nach die [X.] zu Grunde gelegt wä-ren. Hier ist die [X.] jedoch in den Urteilsgründen vom Gegenteil der [X.] ausgegangen. Sie hat lediglich - in dem Beschluss - als wahr unterstellt, dass der Zeuge die in sein Wissen gestellten Behauptungen (wahrheitswidrig) bestätigen werde. 3. Der nach alledem fehlerhaft beschiedene Beweisantrag bezog sich auf Lieferscheine aus den Jahren 2007 und 2008, kann also nur im Zusammenhang mit den Steuererklärungen für diese Zeit stehen. Dementsprechend waren die hierauf bezogenen Schuldsprüche (unterlassene Umsatzsteuerjahreserklärung 2007, falsche Umsatzsteuervoranmeldungen Januar, Februar und März 2008) aufzuheben. Wegen eines nahe liegenden inneren Zusammenhangs hat der [X.] zugleich die für die unterbliebene Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 ver-hängte Einzelstrafe aufgehoben. Zugleich muss über die Gesamtstrafe neu ent-schieden werden. 20 - 9 - II[X.] Im Übrigen (Schuldspruch wegen der unterbliebenen [X.]; Schuldsprüche und Einzelstrafen wegen Computerbetru-ges und versuchten [X.]; [X.]) ist die [X.] unbegründet. Für sich genommen hat insoweit die auf Grund der Revi-sionsrechtfertigung gebotene Überprüfung des Urteils keinen den Angeklag-ten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben, wie dies auch der Generalbun-desanwalt zutreffend ausgeführt hat. Darüber hinaus gibt es aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die wenigen in Rede stehenden Strafen we-gen Umsatzsteuerhinterziehung auf die Höhe der zahlreichen Strafen wegen der anders gelagerten Taten wegen [X.] und versuchten [X.] ausgewirkt haben. 21 [X.]Wahl Hebenstreit Herr RiBGH Prof. Dr. [X.] befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unterschrift verhindert. [X.]

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1 StR 644/09

29.04.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2010, Az. 1 StR 644/09 (REWIS RS 2010, 7047)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7047

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