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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Unmittelbarkeitsgrundsatz bei der Zeugenvernehmung: Protokollverlesung zur Gedächtnisstütze bei verschiedenen Beweisthemen im Rahmen eines komplexen Verfahrensstoffs
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.]vom 5. Mai 2010 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, die durch das weitere [X.]nicht entkräftet werden, bemerkt der Senat:
Die von dem Angeklagten beanstandeten Verletzungen des § 253 StPO sind nicht in zulässiger Weise ausgeführt. Die rügebegründenden Tatsachen werden jeweils durch den Beschwerdeführer nicht vollständig vorgetragen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Den Verfahrensbeanstandungen liegen vier durch den Vorsitzenden der [X.]nach § 253 Abs. 1 StPO angeordnete Verlesungen von Niederschriften über polizeiliche Zeugenvernehmungen zum Zwecke der Gedächtnisunterstützung zugrunde. Die Verlesungen erfolgten jeweils, nachdem die Zeugin T. erklärt hatte, sie könne sich auch auf Vorhalt nicht an einzelne ihrer Angaben im Rahmen früherer polizeilicher Vernehmungen erinnern. Ausweislich des [X.]– und mangels staatsanwaltschaftlicher Gegenerklärung unwiderlegt – wurde die Zeugin nach jeder einzelnen Verlesung weiter vernommen und machte jeweils „weitere Angaben zur Sache“. Der Beschwerdeführer erblickt in diesem sukzessiven Vorgehen der [X.]eine rechtsfehlerhafte Durchbrechung des [X.]durch den Urkundenbeweis.
Im Grundsatz zutreffend hebt die Revision darauf ab, dass ein Zeuge vor Anordnung der [X.]nach § 253 Abs. 1 StPO vollständig, gegebenenfalls auch unter Einsatz von Vernehmungsbehelfen – die regelmäßig ausreichen werden – vernommen werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 1965 – 1 StR 4/65, BGHSt 20, 160, 162; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 253 Rn. 3; Alsberg/Nüse/Meyer, [X.]im Strafprozess, 5. Aufl., S. 277 mN). Im Sinne bestmöglicher Wahrheitsermittlung ist der Zeuge dabei zu veranlassen, im Zusammenhang anzugeben, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist (§ 69 Abs. 1 Satz 1 StPO); daran anschließend ist er zu vernehmen (§ 69 Abs. 2 StPO).
Diese Vorgaben verbieten es indes nicht, die Zeugenvernehmung im Interesse des Zeugen, aber auch einer zügigen Verfahrensführung angemessen zu strukturieren, namentlich komplexen Verfahrensstoff in einzelne Abschnitte zu gliedern (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juli 1965 – 4 StR 343/65, bei [X.]1966, 25; E. Schmidt, [X.]zur Strafprozessordung und zum Gerichtsverfassungsgesetz Teil II, § 69 Rn. 4; zur Strukturierung der Sachvernehmung des Angeklagten vgl. KK-Schneider, StPO, 6. Aufl., § 243 Rn. 39). Umfasst eine Anklageschrift mehrere Taten im prozessualen oder materiell-rechtlichen Sinne und damit naheliegenderweise verschiedene Beweisthemen im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO (vgl. [X.]in SK-StPO, 45. Lfg., § 69 Rn. 12), ist eine daran orientierte [X.]regelmäßig sogar geboten. Der Zeuge hat sein Wissen jeweils für das einzelne Beweisthema im Zusammenhang vorzutragen. Kann er sich dabei nach einer vollständigen auch unter Einsatz von Vorhalten durchgeführten Vernehmung an einzelne Tatsachen nicht erinnern, so begründet eine daran anknüpfende [X.]einen Verstoß gegen § 253 Abs. 1 StPO grundsätzlich auch dann nicht, wenn anschließend die Vernehmung bezogen auf weitere Beweisthemen fortgeführt wird.
Daher ist zum Gegenstand einer zulässigen Verfahrensbeanstandung nach § 253 Abs. 1 StPO namentlich bei umfangreichen Anklagevorwürfen auch zu machen, ob und in welcher Weise die Vernehmung durch die [X.]gegliedert wurde. Anderenfalls ist dem Revisionsgericht eine Überprüfung verschlossen, ob das Erfordernis einer der Verlesung vorangehenden vollständigen Zeugenvernehmung durch das Tatgericht erfüllt worden war. Dazu verhält sich das [X.]hier nicht.
Der [X.]kann mit Blick auf diesen Zulässigkeitsmangel es dahin stehen lassen, ob der Revisionsführer zum Erhalt seiner Verfahrensrüge bei sämtlichen einzelnen Anordnungen nach § 253 Abs. 1 StPO vom Zwischenrechtsbehelf des § 238 Abs. 2 StPO hätte Gebrauch machen müssen (vgl. [X.]in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 253, Rn. 26) und ob auf einem etwaigen Verstoß mit der hier gegebenen Zielrichtung ein Urteil überhaupt beruhen könnte.
Basdorf Raum Brause
Schaal Schneider
Meta
08.02.2011
Bundesgerichtshof 5. Strafsenat
Beschluss
Sachgebiet: StR
vorgehend LG Dresden, 5. Mai 2010, Az: 113 Js 29273/06 - 5 KLs, Urteil
§ 69 Abs 1 S 1 StPO, § 253 Abs 1 StPO, § 344 Abs 2 S 2 StPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2011, Az. 5 StR 501/10 (REWIS RS 2011, 9683)
Papierfundstellen: REWIS RS 2011, 9683
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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