Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2004, Az. 3 StR 185/03

3. Strafsenat | REWIS RS 2004, 4578

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/03vom12. Februar 2004in der Strafsachegegen1.2.wegen Körperverletzung mit Todesfolge- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom15. Januar 2004, in der Sitzung am 12. Februar 2004, an denen teilgenommenhaben:[X.] am [X.] Prof. Dr. Tolksdorf,die [X.] am [X.] Dr. [X.], [X.], [X.], [X.]als beisitzende [X.],Oberstaatsanwalt beim [X.] ,Staatsanwalt als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten [X.],[X.]als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -- 4 -Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. November 2002 mit den Feststellungenaufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.]des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat die Angeklagten wegen Körperverletzung mit [X.] zu Freiheitsstrafen von zehn Jahren ([X.] ) beziehungsweisesieben Jahren ([X.]) verurteilt. Mit ihren Revisionen machen [X.] die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts geltend. [X.] haben mit einer von beiden Angeklagten erhobenen Verfahrens-rüge Erfolg.Zu Recht beanstanden die Beschwerdeführer, daß die [X.] dieVideoaufzeichnung einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung ihres gemein-samen [X.] vorgeführt und bei der Urteilsfindung verwertet hat.[X.] -Den [X.] liegt folgender Sachverhalt zugrunde:Am Morgen des 22. April 2002 verstarb [X.], die dreijährigeTochter der Angeklagten, an den Folgen von Mißhandlungen, die ihr - nachden Feststellungen des [X.] - die Angeklagten in der vorangegange-nen Nacht zugefügt hatten. Da deren [X.] [X.] B. als Tatzeuge in [X.] kam, beantragte die Staatsanwaltschaft für den knapp fünfjährigen [X.] die Einrichtung einer [X.] mit dem Wirkungskreis "Ent-scheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts (und) Erteilungder Aussagegenehmigung nach § 52 [X.]". Mit Beschluß vom 24. April 2002bestellte das Amtsgericht das Jugendamt zum Ergänzungspfleger, das seiner-seits mit der Wahrnehmung der Pflegschaft eine Mitarbeiterin beauftragte. [X.] erklärte am 26. April 2002 schriftlich gegenüber dem Polizeipräsidium, daßim Strafverfahren gegen die Angeklagten auf die Ausübung des [X.] gemäß § 52 [X.] verzichtet und die Zustimmung zur [X.] erteilt werde.Der Ermittlungsrichter bestimmte daraufhin Termin zur Vernehmung [X.]s, verständigte hiervon die Verteidiger der Angeklagten und schloß [X.] gemäß § 168 c Abs. 3 [X.] von der Anwesenheit bei der [X.] der Begründung aus, es sei zu befürchten, daß das Kind in Gegenwart [X.] nicht die Wahrheit sagen werde. Am 29. April 2002 wurde [X.]in Gegenwart des Verteidigers der Angeklagten [X.]als Zeuge ver-nommen, nachdem ihn der Ermittlungsrichter zu Beginn der Vernehmung übersein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hatte. [X.] beantwortete die Frage,ob er die Belehrung verstanden habe, mit einem Kopfnicken und war zur [X.] bereit. Er gab an, die Angeklagten hätten seine Schwester [X.] undihn mißhandelt, wobei der Angeklagte [X.] mit einem Gürtel geschlagen ha-- 6 -be. Die Vernehmung wurde zeitgleich von zwei Kameras aus verschiedenenPerspektiven aufgenommen und auf Videobänder aufgezeichnet.Im [X.] vom 24. September 2002 gab die [X.] in Wahrnehmung der [X.] ab: "Ich bin befugt, insoweit die elterliche Gewalt auszuüben, daßich auch über das Zeugnisverweigerungsrecht von [X.] B. entscheidenkann. [X.] B. macht von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.Er ist das Kind der Angeklagten und soll mit den Eltern nicht konfrontiert wer-den." Die [X.] sah daraufhin von der zunächst beabsichtigten Ladung[X.]s ab. Statt dessen wurde am 14. Oktober 2002 der [X.] das Ergebnis der richterlichen Vernehmung vom 29. April 2002 als [X.]; in seiner Gegenwart wurde eine der beiden Videoaufzeichnungen [X.] "in Augenschein genommen". Nach den Urteilsgründen hat das[X.] seine Überzeugung von der Schuld der Angeklagten ganz wesent-lich auf den Inhalt dieser Videoaufzeichnung gestützt.II.Die zulässigen [X.] sind begründet.Unter welchen Voraussetzungen die gemäß § 250 [X.] grundsätzlichgebotene persönliche Vernehmung eines Zeugen in der [X.] das Vorführen der [X.] einer früheren [X.] ersetzt werden kann, bestimmt sich nach der durch das [X.] in die Strafprozeßordnung eingefügten Bestimmung des§ 255 a [X.]. Danach durften die Angaben, die [X.] B. bei seiner [X.] durch den Ermittlungsrichter gemacht hatte, nicht durch [X.] 7 -der Videoaufzeichnung zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht undverwertet werden. Dabei kann dahinstehen, ob die Verwertung der Videoauf-zeichnung - auch soweit als Rechtsgrundlage § 255 a Abs. 2 [X.] in [X.] - bereits deshalb unzulässig war, weil sie nicht durch förmlichen Ge-richtsbeschluß angeordnet wurde. Insofern wird zwar - anders als bei Anwen-dung des § 255 a Abs. 1 [X.], die nach der entsprechend anzuwendendenVorschrift des § 251 Abs. 4 [X.] einen mit Gründen versehener Gerichtsbe-schluß voraussetzt - mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung das Erfor-dernis eines Gerichtsbeschlusses unterschiedlich beurteilt (bejahend [X.] in[X.]. § 255 a [X.]. 14; [X.] in Löwe/[X.], [X.] Aufl.§ 255 a [X.]. 17; ablehnend [X.], [X.] Aufl. § 255 a [X.]. 11).Die Streitfrage bedarf hier indes keiner vertieften Erörterung. Ein entsprechen-der Rechtsfehler wäre jedenfalls nicht gerügt.1. Einer Vorführung der Videoaufzeichnung nach § 255 a Abs. 1 [X.] das entsprechend anzuwendende Verlesungs- und Verwertungsverbotdes § 252 [X.] entgegen.a) Die Voraussetzungen des § 252 [X.] liegen vor. Als [X.] der Ange-klagten war [X.] B. gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 [X.] zur Verweigerungdes Zeugnisses berechtigt. Er hat zwar nicht - wie § 252 [X.] dies seinemWortlaut nach voraussetzt - in der Hauptverhandlung sein Zeugnisverweige-rungsrecht geltend gemacht; indes hat das zur Entscheidung über die erforder-liche Zustimmung zur Vernehmung (§ 52 Abs. 2 [X.]) berufene [X.] seine mit der Wahrnehmung der [X.] beauftragte [X.] die Zustimmung versagt. Dies steht dem Gebrauchmachen desZeugnisverweigerungsrechts durch den minderjährigen Zeugen mit der Folgegleich, daß [X.] in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden durfte- 8 -(§ 52 Abs. 2 Satz 1 [X.]) und eine Niederschrift über seine frühere Verneh-mung nicht hätte verlesen werden dürfen.b) Eine Verwertung der Aussage [X.]s bei der ermittlungsrichterlichenVernehmung durch Vorführung der Videoaufzeichnung war - entgegen [X.] des [X.] - auch nicht mit Blick auf die in der Ent-scheidung [X.], 203 entwickelten Grundsätze zulässig. Nach diesem Ur-teil ist allerdings der von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch ma-chende Zeuge nicht gehindert, nach ordnungsgemäßer Belehrung die Verwer-tung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage zu ge-statten. Ob dem gefolgt werden könnte, kann der [X.] erneut offenlassen(zweifelnd schon [X.] NStZ 2003, 498). Ferner kann dahinstehen, ob die Ent-scheidung [X.], 203 bei Gestattung eine Verwertung der früheren [X.] gegen die ausdrückliche Regelung des § 252 [X.] auch durch Verlesungund damit im Falle des § 255 a Abs. 1 [X.] durch Vorführung der Videoauf-zeichnung oder nur durch Anhörung der nichtrichterlichen [X.] zulässig erklärt hat. Denn der Verwertung der Videoaufzeichnung steht un-ter dem Gesichtspunkt der Gestattung entscheidend entgegen, daß - woraufdie Revisionen zutreffend hinweisen - eine wirksame Gestattung nur dann [X.] werden könnte, wenn sich (auch) [X.] mit der Verwertung seinerfrüheren Aussage einverstanden erklärt hätte. Der gesetzliche Vertreter einesim Sinne von § 52 Abs. 2 Satz 1 [X.] verstandesunreifen Zeugen entscheidetnicht an dessen Stelle über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts,was mit der höchstpersönlichen Natur dieses Rechts unvereinbar wäre; er hatvielmehr lediglich darüber zu befinden, ob er einer Vernehmung des Zeugenzustimmt oder nicht (BGHSt 21, 303, 305 f.; 23, 221, 222). Der kindliche Zeugesoll damit vor einer Aussagebereitschaft geschützt werden, deren möglicheFolgen er vielleicht nicht erkennen oder beurteilen kann (BGHSt 19, 85, 86; 23,- 9 -221, 222). Dem Zustimmungserfordernis kommt daher eine ausschließlich [X.] Bedeutung zu: Versagt der gesetzliche Vertreter seine Zustimmung, darfdas Kind auch dann nicht vernommen werden, wenn es zur Aussage bereit wä-re; stimmt der gesetzliche Vertreter einer Vernehmung zu, kann das Kind den-noch das Zeugnis rechtswirksam verweigern (BGHSt 23, 221, 222).Diese für die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts entwickeltenGrundsätze müßten - falls der Entscheidung [X.], 203 zu folgen wäre -für die Gestattung der Verwertung früherer Aussagen in gleicher Weise gelten.[X.] ist aber nicht befragt worden, ob er mit einer Vorführung und Verwer-tung des Videos einverstanden war oder nicht. Eine Vorführung der Videoauf-zeichnung nach § 255 a Abs. 1 [X.] kam deshalb nicht in [X.]) Es ist nicht zu verkennen, daß sich die Regelung des § 255 a Abs. 1[X.], soweit sie für die Vorführung der [X.] einer [X.]vernehmung nicht nur die §§ 251, 253 und § 255 [X.], sondern auch § 252[X.] als anwendbar erklärt, für Fälle, in denen die Aufzeichnung einer richter-lichen Vernehmung betroffen ist, nicht stimmig in die bestehende [X.]. Danach kann zwar bei Zeugnisverweigerung gemäß § 52 [X.] in [X.] - entsprechend der ausdrücklichen Anordnung des § 252[X.] - das Protokoll einer früheren Zeugenvernehmung, auch das einer rich-terlichen Vernehmung, nicht verlesen werden. Auch kann die frühere [X.] nicht durch Vernehmung der Verhörsperson in die [X.] eingeführt werden. Eine Ausnahme gilt indes für den Fall einer frühe-ren richterlichen Vernehmung. Nach ständiger Rechtsprechung hindert § 252[X.] nicht, über den Inhalt einer Aussage, die ein Zeuge bei einer richterli-chen Vernehmung nach ordnungsgemäßer Belehrung über sein Zeugnisver-weigerungsrecht gemacht hat, durch Vernehmung des [X.]s Beweis zu er-- 10 -heben, wenn der Zeuge sich in der Hauptverhandlung auf sein Zeugnisverwei-gerungsrecht beruft (BGHSt 2, 99; 21, 218; 36, 384; 46, 189, 195).aa) Diese Einschränkung des aus § 252 [X.] abzuleitenden umfassen-den [X.] wird mit dem Unterschied begründet, den das Straf-verfahrensrecht zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungenmacht. In älteren Entscheidungen hat sich der [X.] in erster [X.] darauf berufen, daß der [X.] - anders als der vernehmende Polizeibe-amte oder Staatsanwalt - verpflichtet sei, Zeugen auf ihr Zeugnisverweige-rungsrecht hinzuweisen (BGHSt 2, 99, 106). Seit Inkrafttreten des § 163 aAbs. 5 [X.], der auch für Vernehmungen durch die Polizei und die Staatsan-waltschaft eine Belehrung der Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrechtvorschreibt, sieht die Rechtsprechung das tragende Argument für die unter-schiedliche Behandlung richterlicher und nichtrichterlicher Vernehmungendarin, daß das Gesetz- wie aus § 251 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] zu entnehmen ist - richterlichen [X.]en ganz allgemein höheres Vertrauen entgegenbringt (BGHSt 21,218, 219; 36, 385, 386).Dieser Beschränkung der Reichweite des sich aus § 252 [X.] ergeben-den [X.] durch die Rechtsprechung ist zwar vielfach entgegen-gehalten worden, daß sie mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die vorrangigdem Zeugenschutz diene, nicht in Einklang zu bringen sei. Indes kann [X.] nicht überzeugen. Auch mit Blick auf den Konflikt des zeugnisverwei-gerungsberechtigten Zeugen zwischen einerseits der Wahrheitspflicht und an-dererseits dem Interesse, den Angehörigen nicht zu belasten, läßt sich die Zu-lässigkeit der Vernehmung des [X.]s über die frühere Aussage des Zeugenerklären. Sie rechtfertigt sich auch dadurch, daß dem Zeugen wegen der für- 11 -ihn erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöhten [X.] richterlichen Vernehmung für das Strafverfahren nach der Belehrung durchden [X.] deutlicher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor Augen steht,daß er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwiderstreit durch Ge-brauchmachen von dem Zeugnisverweigerungsrecht befreien, aber, falls [X.], diese Angaben vor einem [X.] nicht ohne weiteres wieder beseiti-gen kann.bb) Vor diesem Hintergrund ist die in § 255 a Abs. 1 [X.] m. § 252 [X.]getroffene Regelung wenig verständlich, soweit sie auch die Vorführung [X.] einer richterlichen Vernehmung untersagt. Während dasschriftliche Protokoll die Aussage des Zeugen in der Regel nicht wörtlich wie-dergibt, vermittelt die Videoaufzeichnung die frühere Aussage des [X.] einschließlich der nonverbalen Vernehmungsinhalte und der erfolgten [X.] - in allen Einzelheiten sehr viel genauer, als der auf der Grundlageseiner Erinnerung aussagende [X.] es könnte. Ihre Unverwertbarkeit in [X.] des § 252 [X.] führt deshalb zu dem mit Blick auf die Qualität der [X.] der früheren Aussage schwer verständlichen Ergebnis, daß die [X.] des qualitativ höherwertigen Beweismittels untersagt, der Rückgriff aufein weniger zuverlässiges aber gestattet ist. Der darin liegende Wertungswi-derspruch vergrößert sich noch, wenn zur Unterstützung des Gedächtnissesdes [X.]s als Vorhalt nicht nur die [X.] verlesen (vgl.BGHSt 11, 338, 341; 21, 149, 150), sondern auch eine [X.]der früheren Vernehmung vorgespielt werden darf, - was in konsequenterÜbertragung dieser Rechtsprechung naheliegt - (vgl. [X.], [X.]. § 255 a [X.]. 3), jedoch nicht unbestritten ist (kritisch hierzu RießStraFo 1999, 1, 3).- 12 -cc) Angesichts dieser Widersprüche könnte es naheliegen, den in§ 255 a Abs. 1 [X.] enthaltenen Verweis auf § 252 [X.] einschränkend dahinauszulegen, daß die Vorführung von Videoaufzeichnungen richterlicher [X.]en stets zulässig ist, wenn der [X.] über den Inhalt der früherenAussage als Zeuge vernommen werden darf. Im Ergebnis scheidet eine [X.] des § 255 a Abs. 1 [X.] jedoch aus. Zwar finden sich in den Ge-setzesmaterialien zum Zeugenschutzgesetz keine Anhaltspunkte dafür, daßder Gesetzgeber der ihm bekannten Rechtsprechung, nach der bei [X.] eine Vernehmung des [X.]s über den Inhalt derfrüheren Aussage zulässig ist, die Grundlage entziehen wollte. Einer restrikti-ven Auslegung des § 255 a Abs. 1 [X.] steht aber der eindeutige Gesetzes-wortlaut entgegen: Der Gesetzgeber hat die Vorführung einer [X.] bewußt den strafprozessualen Vorschriften unterworfen, die sichauf die Verlesung der Niederschrift über eine Zeugenvernehmung beziehen([X.]. 13/7165 S. 11). Macht ein Zeuge nachträglich von seinem [X.] Gebrauch, darf deshalb die Videoaufzeichnung seinerfrüheren richterlichen Vernehmung ebensowenig vorgeführt werden, wie eineVerlesung der [X.] in Betracht käme; in diesem Fall kannnur auf das weniger zuverlässige Beweismittel einer Vernehmung des [X.]sals Zeuge zurückgegriffen werden.Eine Korrektur dieses mit Blick auf die Qualität der Beweismittel wider-sprüchlichen Ergebnisses muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. [X.], ob die aufgezeigten Unstimmigkeiten um den Preis einer nachhaltigenVerschlechterung der Beweissituation in einer Vielzahl von Verfahren dadurchausgeräumt werden muß, daß die Rechtsprechung zur Zulässigkeit der [X.] der richterlichen Verhörsperson aufgegeben wird, besteht im gege-benen Fall kein Anlaß. Der [X.] würde indes auch dazu neigen, an der bishe-- 13 -rigen Rechtsprechung festzuhalten, gegen die sich der Gesetzgeber nicht aus-gesprochen hat, und damit die Systemunstimmigkeit hinzunehmen.2. Auf § 255 a Abs. 2 Satz 1 [X.], der es unter weitergehender Durch-brechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes in Verfahren wegen [X.] gestattet, die persönliche Vernehmung eines noch nicht 16 [X.] Zeugen durch das Abspielen der [X.] einer früherenrichterlichen Vernehmung zu ersetzen, ließ sich die Vorführung der Videoauf-zeichnung im vorliegenden Fall ebenfalls nicht stützen.a) Die Anwendung der Vorschrift scheitert allerdings nicht bereits daran,daß der den Angeklagten zur Last gelegte Straftatbestand der Körperverlet-zung mit Todesfolge (§ 227 StGB) im Deliktskatalog des § 255 a Abs. 2 Satz 1[X.] nicht ausdrücklich genannt wird. Diese Aufzählung ist zwar abschlie-ßend; eine Videovorführung nach § 255 a Abs. 2 [X.] wird aber nicht dadurchausgeschlossen, daß sich der [X.] auch auf eine andere, tatein-heitlich begangene, in diesem Katalog nicht enthaltene Straftat erstreckt([X.]. 13/4983 S. 8; [X.] in [X.] 19. Lfg. § 255 a [X.]. 11;[X.] inLöwe/[X.] [X.] Aufl. § 255 a [X.]. 10 f.; [X.] in [X.] 255 a [X.]. 8; [X.], [X.] Aufl. § 255 a [X.]. 8). [X.] die Regelung ihren Zweck, in Verfahren wegen bestimmter, das Kin-deswohl schwer beeinträchtigender Straftaten junge Zeugen vor den zusätzli-chen psychischen Belastungen oder gar Schädigungen durch eine erneuteVernehmung in der Hauptverhandlung zu schützen ([X.]. 13/4983 S. 5;[X.] in [X.]. § 255 a [X.]. 7; [X.] aaO). Aus [X.] muß die Vorführung einer Videoaufzeichnung nach dieser Vorschriftauch dann möglich sein, wenn eine tatbestandlich verwirklichte [X.] im- 14 -Wege der [X.] durch das angeklagte Delikt verdrängt wird.Das war hier der Fall: Der den Beschwerdeführern zur Last gelegte Tatbestandder Körperverletzung mit Todesfolge schließt stets den im Katalog des § 255 aAbs. 2 [X.] aufgeführten Tatbestand der fahrlässigen Tötung (§ 222 StGB) mitein (BGHSt 8, 54).b) Der Verwertung der Videoaufzeichnung gemäß § 255 a Abs. 2 Satz 1[X.] steht aber die einschränkende Voraussetzung des letzten [X.] entgegen. Die Beschwerdeführer hatten keine Gelegenheitgehabt, an der auf Videoband aufgezeichneten ermittlungsrichterlichen [X.] [X.]s mitzuwirken, da sie gemäß § 168 c Abs. 3 [X.] von der An-wesenheit bei dieser Vernehmung ausgeschlossen worden waren.Die von § 255 a Abs. 2 Satz 1 [X.] vorausgesetzte Gelegenheit zur Mit-wirkung umfaßt neben dem Recht auf Anwesenheit bei der Vernehmung insbe-sondere die Befugnis, dem Zeugen Fragen zu stellen (vgl. Art. 6 Abs. 3 [X.] MRK) und Vorhalte zu machen ([X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 255 a [X.]. 12; [X.] in [X.]. § 255 a [X.]. 10). Zwar hattenhier die Verteidiger der Angeklagten in dem beschriebenen Sinn die Gelegen-heit, an der ermittlungsrichterlichen Vernehmung [X.]s mitzuwirken. [X.] war den Angeklagten selbst, nachdem der Ermittlungsrichter sie gemäߧ 168 c [X.] von der Vernehmung ausgeschlossen hatte, diese Möglichkeitverschlossen. Damit waren die Voraussetzungen einer Vorführung nach§ 255 a Abs. 2 [X.] nicht gegeben. Der vollständige Ausschluß eines Ange-klagten gemäß § 168 c Abs. 3 [X.] - bzw. ein Absehen von der Benachrichti-gung vom Vernehmungstermin nach § 168 c Abs. 5 [X.] - entzieht einer spä-teren Vorführung der Videoaufzeichnung in der Hauptverhandlung gemäߧ 255 a Abs. 2 Satz 1 [X.] stets die Grundlage, ohne daß es darauf [X.] -ob der Ausschluß im konkreten Fall rechtlich zulässig war oder nicht (ebenso[X.] aaO; Wache in [X.]. § 168 e [X.]. 7; [X.] aaO§ 255 a [X.]. 8 a; [X.] in [X.] Aufl. § 255 a [X.]. 9).In der Literatur wird zwar abweichend auch die Auffassung vertreten,daß der zulässige Ausschluß des Beschuldigten von der Vernehmung nach§ 168 c Abs. 3 [X.] durch die Teilnahme seines - gegebenenfalls zu bestel-lenden - Verteidigers kompensiert werden könne ([X.] in [X.]. § 255 a[X.]. 10; [X.], [X.] der [X.], 4. Aufl. [X.]. 1328 l; [X.], [X.]4. Aufl. § 255 a [X.]. 3). Eine Auslegung des § 255 a Abs. 2 Satz 1 [X.]. [X.] dahin, daß die Mitwirkungsmöglichkeit nur nach Maßgabe der von§ 168 c [X.] getroffenen, auch einschränkenden Regelungen [X.] sein mußte, ist indes schon mit dem eindeutigen Wortlaut des [X.] nicht in Einklang zu bringen. Danach setzt § 255 a Abs. 2 Satz 1 [X.]- abweichend von der zwischen Verteidigung und Angeklagten differenzieren-den Regelung des § 168 c [X.] - eine kumulative Mitwirkungsmöglichkeit [X.] und seines Verteidigers voraus; von einer Gelegenheit zur Mitwir-kung des Angeklagten kann aber nicht ausgegangen werden, wenn er - wie imgegebenen Fall - von der Anwesenheit bei der Vernehmung ausgeschlossenist. Eine andere Auslegung des § 255 a Abs. 2 Satz 1 letzter Halbs. [X.] wi-derspräche auch den Vorstellungen des Gesetzgebers, der den Anwendungs-bereich der Vorschrift bewußt auf [X.]en richterlicher [X.]vernehmungen beschränkt hat, weil nur bei diesen (gemäß § 168 c Abs. 2[X.]) dem Beschuldigten die Anwesenheit gestattet ist (vgl. [X.].13/4983 S. 8; [X.] in [X.] 19. Lfg. § 255 a [X.]. 13). Eine § 168 cAbs. 3 [X.] berücksichtigende, restriktive Auslegung von § 255 a Abs. 2Satz 1 letzter Halbs. [X.] wäre schließlich auch mit Blick auf die schutzwürdi-gen Interessen des Angeklagten an einer effektiven Wahrnehmung [X.] nicht in Einklang zu bringen. Gerade da § 255 a Abs. 2 Satz 1[X.] in weitergehender Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes zumSchutze junger Zeugen eine Ersetzung ihrer Vernehmung und damit gleichsamdie Vorverlagerung eines Teiles der Hauptverhandlung aus ihr heraus in [X.] zuläßt, muß sichergestellt sein, daß dem Zeugen schonbei dieser Vernehmung Fragen gestellt werden können, die etwaige Schwä-chen seiner Aussage verdeutlichen oder ihren Beweiswert erschüttern. Dazu istder Verteidiger, der in dieser Phase des Ermittlungsverfahrens regelmäßignoch keine Akteneinsicht hatte, im allgemeinen aber nur in der Lage, wenngleichzeitig auch der Angeklagte bei der Vernehmung anwesend ist. Nicht er-forderlich ist, daß Angeklagter und Verteidiger sich dabei im gleichen Raumwie der Zeuge aufhalten; es genügt zur Wahrung der Mitwirkungsbefugnissevielmehr, daß die Vernehmung gemäß § 168 e [X.] zeitgleich in Bild und [X.] einen anderen Raum übertragen wird, von dem aus die [X.] durch Vermittlung des [X.]s Fragen an den Zeugen richten kön-nen ([X.] in Löwe/[X.], [X.] Aufl. § 255 a [X.]. 12; [X.], [X.] Aufl. § 255 a [X.]. 8 a).c) Da die Vorführung der Videoaufnahme nach § 255 a Abs. 2 Satz 1[X.] schon mangels Mitwirkungsmöglichkeit des Angeklagten unzulässig war,kann offenbleiben, ob ihr - wie die Revisionen meinen - auch entgegenstand,daß die Mitarbeiterin des [X.] die erforderliche Zustimmung zur [X.] [X.] B. s nicht erteilt hatte (§ 252 [X.] m. § 52 Abs. 2 [X.];s. oben 1.). Der [X.] neigt allerdings der Auffassung zu, daß dies nicht derFall gewesen wäre (aA [X.] aaO § 255 a [X.]. 20; [X.] in [X.] 255 a [X.]. 11; [X.] aaO § 255 a [X.]. 8):- 17 -§ 255 a Abs. 2 Satz 1 [X.] nimmt im Unterschied zu Absatz 1 dieserVorschrift auf § 252 [X.] nicht Bezug. Zwar wurde in einem frühen Stadiumdes Gesetzgebungsverfahrens, das zu dem nunmehr geltenden § 255 a [X.]führte und in welchem zunächst eine dem heutigen § 255 a Abs. 2 [X.] ver-gleichbare Regelung als neuer § 250 Abs. 2 [X.] vorgesehen war, die [X.] vertreten, daß § 252 [X.] im Hinblick auf die beabsichtigte [X.] Änderung bedürfe, da es sich von selbst verstehe, daß in den Fällen derUnzulässigkeit einer Protokollverlesung auch eine [X.] einerfrüheren richterlichen Vernehmung nicht abgespielt werden dürfe (vgl. den [X.] zur Änderung der [X.] vom 19. Juli 1996, BT-Drucks. 13/4983 S. 8). Diese Überlegungen betrafen indes noch eine [X.]konzeption, die mit der schließlich Gesetz gewordenen Regelung des§ 255 a Abs. 2 Satz 1 [X.] nicht vergleichbar war. Diese ist maßgeblich vondem Bestreben bestimmt, in der Hauptverhandlung die Verwertbarkeit von [X.] früherer richterlicher Vernehmungen junger Zeugen zu er-leichtern, um solche Zeugen soweit wie möglich vor den mit wiederholten [X.]en verbundenen Belastungen zu bewahren. Die mehrmalige persönli-che Vernehmung solcher Zeugen sollte deshalb zur Ausnahme gemacht wer-den (vgl. jetzt § 255 a Abs. 2 Satz 2 [X.]). Um dieses Ziel zu erreichen, hatder Gesetzgeber im weiteren Gesetzgebungsverfahren Regelungen geschaf-fen, die im Ergebnis dazu führten, daß ein Teil der Hauptverhandlung, nämlichdie persönliche Vernehmung des jungen Zeugen, in das [X.] wurde. Dies hat er verfahrensrechtlich dadurch sichergestellt, daßer dem Beschuldigten und seinem Verteidiger die nicht einschränkbare Gele-genheit der Mitwirkung an der ermittlungsrichterlichen Vernehmung des [X.] garantierte, um damit die Verwertbarkeit der Videoaufzeichnung in [X.] zu gewährleisten. Gerade diese Garantie der [X.] -zur Mitwirkung des Beschuldigten und seines Verteidigers an der richterlichenVernehmung war in dem zitierten vorangegangenen Entwurf eines neuen § 250Abs. 2 [X.] nicht vorgesehen.Handelt es sich aber bei der aufgezeichneten ermittlungsrichterlichenZeugenvernehmung um einen vorverlagerten Teil der Hauptverhandlung, kannder Zeuge seine hierbei gemachte Aussage und damit auch die gefertigte Auf-zeichnung durch eine nachträgliche Ausübung seines Zeugnisverweigerungs-rechts ebensowenig unverwertbar machen, wie es ihm möglich wäre, beimehrfacher Vernehmung in der Hauptverhandlung durch nachträgliche Zeug-nisverweigerung seine Angaben, die er an einem früheren [X.] gemacht hatte, der Verwertung durch das Gericht zu entziehen. Er istdaher auch nicht zu befragen, ob er nachträglich von seinem Zeugnisverweige-rungsrecht Gebrauch macht oder nicht. Gleiches müßte im übrigen auch [X.], wenn der Zeuge sich erstmals bei einer Nachvernehmung gemäß § 255 aAbs. 2 Satz 2 [X.] auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft.3. Auf der unzulässigen Vorführung und Verwertung der Videoaufzeich-nung beruht das angefochtene Urteil, weil die [X.] ihre Überzeugungvon der Täterschaft der Angeklagten maßgeblich auf die vorgespielte Video-aufnahme gestützt hat. Das Beruhen kann nicht mit der Erwägung ausge-schlossen werden, daß die [X.] den Inhalt der früheren Aussage [X.] B. s in zulässiger Weise auch durch die Vernehmung des Ermittlungs-richters zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht hat; denn auf [X.] des [X.], das allein Grundlage der [X.] könnte, nimmt das Urteil an keiner Stelle Bezug.- 19 -Tolksdorf [X.] [X.] [X.] [X.]Nachschlagewerk: jaBGHSt: [X.]: ja[X.] § 255 a1. Macht ein Zeuge nachträglich von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach§ 52 [X.] Gebrauch, darf die [X.] seiner früheren rich-terlichen Vernehmung nach § 255 a Abs. 1 [X.] [X.] m. § 252 [X.] nichtzu Beweiszwecken vorgeführt werden, obgleich auf das weniger zuverlässi-ge Beweismittel der Vernehmung des [X.]s zurückgegriffen werden kann.2. Die Vorführung der [X.] nach § 255 a Abs. 2 Satz 1 [X.]scheidet aus, wenn der Beschuldigte gem. § 168 c Abs. 3 [X.] bei der er-mittlungsrichterlichen Vernehmung ausgeschlossen war und daher [X.] zur Mitwirkung hatte. Dies gilt auch dann, wenn sein Verteidigeran dieser Vernehmung teilgenommen [X.] -3. Sind die Voraussetzungen des § 255 a Abs. 2 Satz 1 [X.] erfüllt, kann [X.] durch nachträgliche Ausübung seines Zeugnisverweigerungsrechtsdie Verwertung der [X.] seiner früheren richterlichen [X.] nicht verhindern (nicht entscheidungstragend).BGH, Urt. vom 12. Februar 2004 - 3 [X.]/03 - [X.]

Meta

3 StR 185/03

12.02.2004

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.02.2004, Az. 3 StR 185/03 (REWIS RS 2004, 4578)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4578

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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