Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2007, Az. IX ZB 47/06

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 4979

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[X.]BESCHLUSS [X.]/06vom 1. März 2007 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 70 a) Ein Mitglied des Gläubigerausschusses ist aus wichtigem Grund zu entlassen, wenn sein Verbleiben im Amt die Belange der Gesamtheit der Gläubiger und die Rechtmäßigkeit der Verfahrensabwicklung objektiv nachhaltig beeinträchtigen würde. b) Eine Störung des Vertrauensverhältnisses zu anderen Verfahrensbeteiligten, die keine Grundlage in einem objektiv pflichtwidrigen Verhalten des Gläubigeraus-schussmitglieds hat, rechtfertigt dessen Entlassung nicht. [X.], [X.]uss vom 1. März 2007 - [X.]/06 - [X.]AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], die Richter [X.] und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] am 1. März 2007 beschlossen: Auf die Rechtsmittel der weiteren Beteiligten zu 1 werden der Be-schluss der 13. Zivilkammer des Landgerichts [X.] vom 9. März 2006 und der [X.]uss des Amtsgerichts [X.] vom 29. November 2005 aufgehoben. Der Antrag der Gläubigerversammlung auf Entlassung der weite-ren Beteiligten zu 1 aus ihrem Amt als Mitglied des Gläubigeraus-schusses vom 29. November 2005 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren fallen der Insolvenzmasse zur Last. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt. - 3 - Gründe: [X.] Am 1. Januar 2005 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Die erste Gläubigerversammlung am 2. Februar 2005 beschloss die Einsetzung eines aus fünf Mitgliedern bestehenden Gläubiger-ausschusses. Neben vier anderen Personen - dem Vater des Geschäftsführers der Schuldnerin, einem Vertreter der [X.], einem Vertreter der [X.]und dem Angestellten, der den fortgeführten Betrieb der Schuldnerin leitete - wurde die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Beteiligte) in den Gläubigerausschuss gewählt. 1 Am 15. August 2005 erstattete der weitere Beteiligte zu 2 (fortan: [X.]) Strafanzeige gegen den Geschäftsführer der Schuldnerin, gegen dessen Eltern sowie gegen die Beteiligte. Hintergrund waren [X.] über die Verwendung von Mietkautionen im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Geschäftsführers der Schuldnerin. Mit Schreiben vom 22. August 2005 bat die Beteiligte den Verwalter, ihr bestimmte Unterlagen zur Verfügung zu stellen (Bilanz zum 30. Dezember 2004, betriebswirtschaftliche Auswertung zum 30. Juni 2005 inkl. Summen- und [X.]; aktuelle be-triebswirtschaftliche Auswertung zum 30. Juli 2005, Auflistung der aktuell vor-genommenen größeren Investitionen), und regte eine Sitzung des Gläubiger-ausschusses an, bei der ein Zwischenbericht erstattet werden solle. Die Sitzung des Gläubigerausschusses fand am 21. Oktober 2005 statt, ohne dass die [X.] zuvor die erbetenen Unterlagen oder eine Möglichkeit zur Einsichtnahme erhalten hatte. Auf Anregung zweier anderer Mitglieder des [X.] - 4 - schusses berief das Insolvenzgericht am 29. November 2005 eine außerordent-liche Gläubigerversammlung mit den Tagesordnungspunkten "Prüfung nach-träglich angemeldeter Forderungen" und "[X.]ussfassung über die Neuwahl bzw. Beibehaltung des bisherigen Gläubigerausschusses und [X.]ussfas-sung über die Beibehaltung oder Neufestlegung der Zahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses" ein. Am 29. November 2005 erläuterte der Verwalter zunächst, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der Beteiligten nicht möglich sei. Die Gläubigerversammlung stimmte sodann mehrheitlich für eine "Abwahl" der Beteiligten. Noch während der Gläubigerversammlung verkündete das Insolvenzge-richt - Rechtspflegerin - den [X.]uss, die Beteiligte werde aus wichtigem Grund aus dem Gläubigerausschuss entlassen. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten gegen diesen [X.]uss ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechtsbe-schwerde verfolgt die Beteiligte weiterhin das Ziel der Aufhebung des [X.] über ihre Entlassung als Mitglied des Gläubigerausschusses. 3 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 7, 6, 70 Satz 3 Halbsatz 2 [X.] statt-haft und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen [X.]üsse und zur Zurückweisung des Antrags der [X.]. 4 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Ein wichtiger Grund im Sinne von § 70 [X.], der die Entlassung der Beteiligten aus ihrem Amt als Mitglied des Gläubigerausschusses rechtfertige, liege in dem gestörten Verhältnis zwi-5 - 5 - schen ihr und dem Verwalter, das auch von den anderen Mitgliedern des [X.] als Behinderung und Blockade bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben empfunden worden sei. Der Beteiligten habe auch das Vertrauen der Mehrheit des Gläubigerausschusses und der Gläubigerversammlung in Bezug auf ihre Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit gefehlt. Sie habe "de-monstrativ", ohne Absprache mit anderen Mitgliedern und ohne Angabe von Gründen ihre Kontrollbefugnisse in Anspruch genommen, nachdem der [X.] in anderer Sache Strafanzeige gegen sie erstattet habe. Auch für [X.] sei so der Eindruck entstanden, dass ihre Aktivität persönlich motiviert sei. Da die Beteiligte Beraterin des Geschäftsführers der Schuldnerin im Insol-venzverfahren über dessen Vermögen gewesen sei, bestehe die Gefahr des Vorrangs partieller Interessen vor der Unterstützung des Verwalters in Bezug auf eine möglichst günstige Verwertung des [X.]. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Störungen des Vertrauensverhältnisses zwischen einem Mitglied des [X.] einerseits, dem Insolvenzverwalter, anderen Mitgliedern des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung andererseits rechtferti-gen die Entlassung nicht, wenn sie nicht auf einem pflichtwidrigen Verhalten des Mitglieds beruhen. Gleiches gilt für die nur abstrakte Gefahr einer Interes-senkollision. 6 a) Gemäß § 70 [X.] kann das Insolvenzgericht ein Mitglied des [X.] entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Regelung des § 70 [X.] ist derjenigen des § 59 [X.] nachgebildet worden, welche den Insolvenzverwalter betrifft (BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Auch dieser kann nur aus wichtigem Grund aus seinem Amt entlassen werden. Gleiches gilt aufgrund der Verweisungen in § 296 Abs. 3 Satz 2, § 313 Abs. 1 Satz 3 [X.] für [X.] - 6 - händer im Verfahren der Restschuldbefreiung sowie im vereinfachten Insol-venzverfahren. b) Ein Insolvenzverwalter ist zu entlassen, wenn sein Verbleiben im Amt unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen des Verwalters die Be-lange der Gesamtheit der Gläubiger und die Rechtmäßigkeit der [X.] objektiv nachhaltig beeinträchtigen würde ([X.], [X.]. v. 8. Dezem-ber 2005 [X.] [X.] ZB 308/04, [X.], 440, 441). Die Tatsachen, die den [X.] bilden, müssen in der Regel zur vollen Überzeugung des [X.] nachgewiesen sein. Ausnahmsweise kann bereits das Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für die Verletzung von wichtigen Verwalterpflich-ten für eine Entlassung genügen, wenn der Verdacht im Rahmen zumutbarer Amtsermittlung nicht ausgeräumt und nur durch die Entlassung die Gefahr grö-ßerer Schäden für die Masse noch abgewendet werden kann. Eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzgericht, die nur auf persönlichem Zwist beruht, reicht niemals für eine Entlassung aus ([X.], [X.]. v. 8. Dezember 2005, aaO). 8 c) Für die Entlassung eines [X.] gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Auslegung und Anwendung der Bestimmung des § 59 Abs. 1 [X.] werden zwar auch durch das Grundrecht des Insolvenzverwalters aus Art. 12 GG geprägt. Bei § 70 [X.] kann dieses Grund-recht keine Rolle spielen; denn das Mitglied des Gläubigerausschusses übt als solches keinen "Beruf" im Sinne von Art. 12 GG aus. Dieser Unterschied erlangt jedoch erst im Rahmen der Abwägung der Interessen des Ausschussmitglieds einerseits, der übrigen Verfahrensbeteiligten andererseits Bedeutung. Voraus-setzung einer Entlassung aus wichtigem Grund ist eine Situation, in der die wei-tere Mitarbeit des zu entlassenden Mitgliedes die Erfüllung der Aufgaben des 9 - 7 - Gläubigerausschusses nachhaltig erschwert oder unmöglich macht und die Er-reichung der Verfahrensziele objektiv nachhaltig gefährdet (MünchKomm-[X.]/[X.], § 70 Rn. 6; [X.], Festschrift [X.], 510). Diese Auslegung entspricht derjenigen anderer Bestimmungen, in denen ein "wichtiger Grund" für die Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses oder einer Funktion vorausgesetzt wird. Ein Dienstverhältnis kann aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des [X.] bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Be-endigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB). Hier ist der "wichtige Grund" im Gesetz selbst definiert. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG, bei dessen Vorliegen die Bestel-lung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft aus wichtigem Grund wi-derrufen werden kann, ist nach der Rechtsprechung des [X.] anzunehmen, wenn die Fortsetzung des [X.] bis zum Ende der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist; dabei sind alle Umstände des [X.] gegeneinander abzuwägen ([X.], [X.]. v. 23. Oktober 2006 - [X.], [X.], 119). 10 d) Die Vorinstanzen haben nicht festgestellt, dass die Beteiligte gegen ihre Pflichten als Mitglied des Gläubigerausschusses verstoßen hat. Die Straf-anzeige des Insolvenzverwalters bezieht sich auf Vorgänge, die mit dem vor-liegenden Insolvenzverfahren nichts zu tun haben. Ein konkreter Vorwurf gegen die Beteiligte lässt sich der bei den Akten befindlichen Kopie der Strafanzeige nicht entnehmen; zudem geht es um gegenseitige Vorwürfe des [X.] - 8 - nerseits, der Familie des Geschäftsführers der Schuldnerin andererseits, deren Berechtigung die Vorinstanzen nicht überprüft haben. Dass die Beteiligte die [X.] erstmalige [X.] Einberufung einer Sitzung des Gläubigerausschusses angeregt hatte, war nicht pflichtwidrig. Gleiches gilt für ihre Bitte um Einsicht in bestimmte Unterlagen. Nach § 69 Satz 2 [X.] haben sich die Mitglieder des [X.] zu unterrichten, die Bücher und Geschäftspapiere einzusehen und den Geldverkehr und [X.]bestand prüfen zu lassen. Diese Verpflichtung trifft - ebenso wie die Haftung bei Verletzung der Kontrollpflicht gemäß § 71 [X.] - die einzelnen Ausschussmitglieder persönlich, nicht den Ausschuss als Organ, so dass der Beteiligten zunächst nicht [X.] werden kann, sich nicht mit allen Ausschussmitgliedern abgestimmt zu haben. Wenn alle Ausschussmitglieder unabhängig voneinander agieren [X.], könnte dies zwar zu erheblichen Behinderungen des Verfahrens führen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um einen einmaligen Vorgang. Die Anfrage wurde nur deshalb wiederholt, weil der Verwalter die Einsicht ohne triftigen Grund verweigerte. Hat sich die Beteiligte nicht pflichtwidrig verhalten, besteht auch kein Grund zu der Annahme, dass sie zukünftig ihre Aufgaben als Mitglied des Gläubigerausschusses nicht ordnungsgemäß erfüllen wird. e) Die von den Vorinstanzen für ausschlaggebend gehaltene Störung des Vertrauensverhältnisses zu anderen Verfahrensbeteiligten, die keine Grundlage in einem objektiv pflichtwidrigen Verhalten des Ausschussmitglieds hat, kann schon deshalb keine Gefährdung des [X.] darstellen, weil die [X.] ein solches Vertrauensverhältnis nicht voraussetzt. 12 aa) Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern des Gläubigerausschusses einerseits, dem Insolvenzverwalter andererseits setzt das Gesetz nicht voraus. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben den 13 - 9 - Insolvenzverwalter bei seiner Geschäftsführung zu unterstützen, ihn dabei aber auch zu überwachen (§ 69 Satz 1 [X.]). Kontrollen können stets zu Meinungs-unterschieden führen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände rechtfertigt eine Störung des Vertrauensverhältnisses zum Insolvenzverwalter die Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses daher nicht ([X.] Z[X.] 2002, 88, 89 [zu § 15 [X.]]; [X.], [X.] 12. Aufl. § 70 Rn. 7; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 70 Rn 4; [X.] in [X.]/Prütting, [X.] § 70 Rn. 7; HambKomm-[X.]/Frind, § 70 Rn. 3; [X.] WM 2002, 2040, 2044; Pape [X.], 19, 20). Solche weiteren Umstände sind nicht festgestellt worden. [X.]) [X.] eines Mitglieds des Gläubigerausschusses hängt auch nicht vom Vertrauen der Mehrheit der Gläubigerversammlung ab. 14 (1) Nach der Begründung des [X.] zum heutigen § 67 [X.] (BT-Drucks. 12/2443, [X.]) ist der Gläubigerausschuss allerdings das-jenige Organ, durch das der ständige Einfluss der beteiligten Gläubiger auf den Ablauf des Insolvenzverfahrens sichergestellt werden soll. Seine Aufgabe ist es, die Interessen der beteiligten Gläubiger zur Geltung zu bringen (Begründung zu § 79 [X.], BT-Drucks. 12/2443, [X.] f). Die Entscheidung darüber, ob über-haupt ein Gläubigerausschuss eingesetzt wird und ein etwa vom Insolvenzge-richt vorläufig bestellter Ausschuss (§ 67 [X.]) im Amt bleibt, hat die [X.] daher der ersten Gläubigerversammlung übertragen (§ 68 [X.]). Unter diesem Gesichtspunkt könnte man daran denken, auch den Fortbestand des Amtes eines von der ersten Gläubigerversammlung gewählten [X.] vom Vertrauen der Mehrheit der Gläubigerversammlung abhängig zu machen, also eine schlichte Abwahl von Ausschussmitgliedern zuzulassen. 15 - 10 - (2) Die Konkursordnung enthielt in § 92 eine entsprechende Regelung. Die durch die Gläubigerversammlung erfolgte Bestellung eines [X.] konnte durch [X.]uss der Gläubigerversammlung widerrufen werden, ohne dass eine Begründung erforderlich gewesen wäre ([X.]/[X.], [X.] 17. Aufl. § 92 [X.]. 2). Die [X.] ist jedoch einen anderen Weg gegangen. Voraussetzung der Entlassung eines Mitglieds des Gläubigerausschusses ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Dieses [X.] ist ausdrücklich deshalb eingefügt worden, um die [X.] der Mitglieder des Gläubigerausschusses zu stärken (BT-Drucks. 12/2443, [X.]). "Unabhängig" ist die Stellung der Mitglieder des Gläubiger-ausschusses nicht nur gegenüber dem Gericht (vgl. bereits [X.], Urt. v. 12. Juli 1965 - [X.], [X.], 1158, 1159) und dem Insolvenzverwalter, des-sen Tätigkeit sie zu überwachen haben, sondern auch gegenüber der [X.] ([X.] WM 2002, 2040, 2045; MünchKomm-[X.]/[X.], § 70 Rn. 5; § 69 Rn. 10; HK-[X.]/[X.], 4. Aufl. § 69 Rn. 6). Die Aufgaben des Gläubigerausschusses ergeben sich ausschließlich aus dem Gesetz. Er steht zur Gläubigerschaft in keinem Auftragsverhältnis ([X.] 124, 86, 93 [zu § 88 KO]). Das Erfordernis eines "wichtigen Grundes" für eine Entlassung des Mitglieds stärkt dessen Stellung gegenüber der [X.]. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses sollen auch schwie-rige Entscheidungen allein nach sachlichen Gesichtspunkten treffen können, ohne eine A[X.]erufung aus ihrem Amt fürchten zu müssen. 16 (3) Nach diesem Ziel hat sich die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "wichtiger Grund" zu richten. Eine nicht mit einem konkreten Fehlverhalten [X.], sondern allein auf einen "Vertrauensverlust" gestützte [X.] der Gläubigerversammlung rechtfertigt die Entlassung des Aus-schussmitglieds nach der [X.] nicht. Hat die erste [X.] - 11 - sammlung sich für die Einsetzung eines Gläubigerausschusses entschieden und dessen Mitglieder gewählt, haben spätere Versammlungen nur noch die Befugnis, die Entlassung einzelner Mitglieder zu beantragen. Die Entscheidung obliegt dem Insolvenzgericht, welches eigenständig zu prüfen hat, ob ein die Entlassung rechtfertigender Grund im Sinne von § 70 [X.] gegeben ist. Jedes andere Ergebnis würde auch den Sinn des eigens auf Vorschlag des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 12/7302, [X.]) eingeführten Rechts des Mitglieds, sofortige Beschwerde einzulegen, in Frage stellen. (4) Ob, wie teilweise vertreten wird, eine "tief greifende Zerrüttung des Verhältnisses zwischen dem Ausschussmitglied und der [X.]" eine Entlassung rechtfertigen würde (z.B. [X.] Z[X.] 2002, 88, 89; [X.], in [X.]/Prütting, [X.] § 70 Rn. 7; [X.]/[X.]/[X.], [X.] § 70 Rn. 7), braucht im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Tatsachen, die eine entsprechende Schlussfolgerung erlauben würden, haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. 18 cc) Dass sich drei Mitglieder des Gläubigerausschusses, also die Mehr-heit, für eine Entlassung der Beteiligten ausgesprochen haben, ist ebenfalls kein wichtiger Grund im Sinne von § 70 [X.]. Die Stellung des [X.] hängt nicht vom fortbestehenden Vertrauen der übrigen Ausschussmit-glieder ab. 19 Die [X.] unterscheidet zwischen den Mitgliedern des [X.] und dem Gläubigerausschuss als Organ. Die Pflichten des § 69 [X.] sind ausdrücklich den Mitgliedern des Gläubigerausschusses aufer-legt worden. Auch die Haftung für schuldhafte Verletzungen dieser Pflichten trifft die Mitglieder persönlich (§ 71 [X.]). Das einzelne Mitglied handelt [X.] - 12 - weit selbständig und in eigener Verantwortung. Die Rechte "des Gläubigeraus-schusses" stehen demgegenüber dem Ausschuss als Organ zu, etwa die [X.], eine Gläubigerversammlung einzuberufen (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 [X.]), oder der Vorbehalt der Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters (§ 160 [X.]). Das einzelne Mitglied ist nicht berechtigt, diese Befugnisse allein, aus eigenem Recht, wahrzunehmen. Entscheidungen werden durch [X.]uss getroffen; ein [X.]uss ist gültig, wenn die Mehrheit der Mitglieder an der [X.]ussfassung teilgenommen hat und der [X.]uss mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst worden ist (§ 72 [X.]). Solange dieses Verfahren funktioniert, besteht kein Anlass für die Entlassung eines Mitgliedes, das - möglicherweise - andere Ansichten vertritt als die übri-gen Mitglieder. f) Die vom Beschwerdegericht ergänzend herangezogene "Gefahr des Vorrangs partieller Interessen" rechtfertigt eine Entlassung der Beteiligten aus dem Amt als Mitglied des Gläubigerausschusses schließlich ebenfalls nicht. 21 aa) Die Gläubigerinteressen der Mitglieder des Gläubigerausschusses stimmen nicht notwendig überein, wie auch die Gläubigergruppen und die [X.] Gläubiger selbst unterschiedliche Interessen verfolgen können. Im vor-läufigen Gläubigerausschuss, der vom Insolvenzgericht eingesetzt wird, sollen deshalb die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen, die Kleingläubiger sowie gegebenenfalls die [X.] vertreten sein (§ 67 Abs. 2 [X.]). Für den von der [X.] gewählten Ausschuss fehlt eine entsprechende Regelung (vgl. § 68 [X.]). Der entsprechende Vorschlag des [X.] (§ 79 Abs. 2 [X.]), der ein übermäßiges Gewicht der Großgläubiger verhindern sollte (BT-Drucks. 12/2443, [X.]), wurde vom Rechtsausschuss zur Stärkung der [X.] - 13 - tonomie im Insolvenzverfahren gestrichen (BT-Drucks. 12/7302, [X.]). An den - möglicherweise - unterschiedlichen Interessen der einzelnen Mitglieder ändert das allerdings nichts. Das Gesetz erwartet von den [X.], dass sie ihre unzweifelhaft vorhandenen, durchaus gegenläufigen persön-lichen Interessen zurückstellen, soweit das Ziel der bestmöglichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger (§ 1 Satz 1 [X.]) und die ordnungsgemäße Abwicklung des Verfahrens dies erfordert (vgl. etwa [X.], [X.] 12. Aufl. § 69 Rn. 7) [X.]) Verfolgt ein Ausschussmitglied im Rahmen seiner Ausschusstätigkeit Partikularinteressen, verstößt es gegen diese Pflicht ([X.], [X.]. v. 15. Mai 2003 - [X.] ZB 448/02, [X.], 1259; v. 2. Februar 2006 - [X.] ZB 73/05, n.v.; [X.] WM 2002, 2040, 2044; Pape [X.], 19, 20 f; MünchKomm-[X.]/[X.], § 70 Rn. 6; [X.], [X.] 12. Aufl. § 70 Rn. 7). Im [X.] Fall haben die Vorinstanzen jedoch keine Tatsachen festgestellt, die einen entsprechenden Vorwurf gegen die Beteiligte begründen könnten. Die abstrakte Gefahr eines Interessenwiderspruchs zu anderen Gläubigern rechtfer-tigt eine Entlassung der Beteiligten nicht. 23 - 14 - II[X.] Der angefochtene [X.]uss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben (§ 577 Abs. 4 ZPO). Da die Aufhebung der Entscheidung nur we-gen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sach-verhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat eine eigene Sachentscheidung zu treffen. Auf die sofortige Be-schwerde der Beteiligten wird der [X.]uss des Insolvenzgerichts aufgehoben; der Antrag der Gläubigerversammlung auf Entlassung der Beteiligten aus ihrem Amt als Mitglied des Gläubigerausschusses wird zurückgewiesen. 24 Dr. [X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 29.11.2005 - 8 IN 475/04 - LG [X.], Entscheidung vom 09.03.2006 - 13 T 13/06 -

Meta

IX ZB 47/06

01.03.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2007, Az. IX ZB 47/06 (REWIS RS 2007, 4979)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4979

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