Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.08.2020, Az. 2 ARs 147/20

2. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1450

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Gegenstand

Strafvollzugsbegleitende Kontrolle bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung: Örtlich zuständige Strafvollstreckungskammer nach Verlegung des Verurteilten; Bindungswirkung einer Verweisung an die für die aufnehmende Justizvollzugsanstalt zuständige Strafvollstreckungskammer


Tenor

Zuständig für das Verfahren nach § 119a [X.] ist die Strafvollstreckungskammer des

[X.].

Gründe

1

Die Vorlage betrifft die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichtes im Verfahren zur Feststellung der Vereinbarkeit von Maßnahmen im Strafvollzug mit dem Gesetz (§ 14 StPO, §§ 119a, 120 [X.]).

I.

2

Das [X.] verhängte gegen den Verurteilten am 31. März 2000 wegen Mordes u.a. eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe, stellte die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Der Verurteilte verbüßt die Strafe in der [X.] ([X.]), nachdem er zwischenzeitlich von dort vom 9. April 2019 bis 1. Oktober 2019 im Rahmen einer sog. länderübergreifenden Verlegung „vorübergehend“ in die [X.] in [X.] überstellt worden war. Das [X.] – Strafvollstreckungskammer – stellte zuletzt mit Beschluss vom 15. Februar 2018 – dem Verteidiger des Verurteilten zugegangen am 23. Februar 2018 – fest, dass die dem Verurteilten von der Vollzugsbehörde seit dem 6. Januar 2016 angebotene Betreuung den gesetzlichen Anforderungen des § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht entsprochen habe.

3

Nachdem dem [X.] – Strafvollstreckungskammer – am 12. August 2019 durch die [X.] die bereits am 9. April 2019 erfolgte Verlegung des Verurteilten in die [X.] mitgeteilt worden war, verwies es mit Beschluss vom 13. August 2019 das Verfahren für nach § 119a [X.] zu treffende Entscheidungen an das [X.].

4

Die Akten gingen am 28. August 2019 bei dem [X.] ein. Dort wurde im weiteren Verlauf die am 1. Oktober 2019 erfolgte Rückverlegung des Verurteilten in die [X.] bekannt, weswegen die Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer am 20. November 2019 die Rückübersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft [X.] verfügte.

5

Im Hinblick auf den am 23. Februar 2020 endenden [X.] nach § 119a Abs. 3 Satz 1 [X.] legte die Staatsanwaltschaft [X.] die dort eingegangenen Akten nunmehr mit Datum vom 2. Dezember 2019 dem [X.] zur Entscheidung vor. Auf Grund der Verfügung der Vorsitzenden der dortigen Strafvollstreckungskammer vom 9. Dezember 2019 wurden die Akten der Staatsanwaltschaft [X.] zurückübersandt mit dem Hinweis, dass eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.] nicht mehr gegeben sei; die Verweisung an das [X.] mit Beschluss vom 13. August 2019 sei bindend.

6

Nach erneutem Eingang der Akten beim [X.] – Strafvollstreckungskammer – verwies dieses das Verfahren nach § 119a [X.] mit Beschluss vom 12. Februar 2020 an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.] mit der Begründung, der Verurteilte sei am 1. Oktober 2019 in die [X.] zurückverlegt worden. Zwar habe das [X.] das Verfahren mit Beschluss vom 13. August 2019 an das [X.] verwiesen; da sich auf Grund der zwischenzeitlichen Verlegung des Verurteilten in die [X.] jedoch die Anknüpfungstatsachen geändert hätten, sähe das [X.] diesen Beschluss nicht als bindend an.

7

Das [X.] – Strafvollstreckungskammer – hat die dort eingegangenen Akten am 1. April 2020 an die Staatsanwaltschaft [X.] zur Vorlage an den [X.] übersandt.

II.

8

1. Der [X.] ist als gemeinschaftliches oberstes Gericht der Landgerichte [X.] – Bezirk des [X.] – Bezirk des [X.] – zur Entscheidung des [X.] nach § 120 [X.], § 14 StPO berufen.

9

2. Zuständig für das Verfahren zur Feststellung der Vereinbarkeit von Maßnahmen im Strafvollzug mit dem Gesetz (§ 119a [X.]) ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.].

a) Nach § 119a Abs. 6 Satz 3 in Verbindung mit § 110 [X.] ist grundsätzlich die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Die Dauer des vom Gericht zu überprüfenden Zeitraums ist in § 119a Abs. 3 Satz 1 [X.] mit zwei Jahren festgesetzt und kann verlängert, aber nicht abgekürzt werden. In dem [X.] kann es zu einer Zuständigkeitsänderung durch eine nicht nur vorübergehende „Verlegung“ des Verurteilten in eine Vollzugsanstalt im Bezirk eines anderen Gerichtes kommen, weil das Gesetz für das Verfahren nach § 119a [X.], anders als im Verfahren nach § 462a StPO, keine Fortwirkung der zuerst begründeten Gerichtszuständigkeit vorsieht (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 2 ARs 5/16, BeckRS 2016, 21432, Rn. 32). Da durch den Verweis von § 119a Abs. 6 Satz 3 [X.] auf die Vorschrift des § 110 [X.] die Zuständigkeit der auch räumlich möglichst vollzugsnahen Strafvollstreckungskammer begründet werden soll ([X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., § 110 [X.], Rn. 2), ist diejenige Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk sich der Verurteilte am Ende des [X.]es aufhält; dies deshalb, weil diese Strafvollstreckungskammer die für das Verfahren nach § 119a [X.] größte Sachnähe aufweisen wird (vgl. [X.], Beschluss vom 22. November 2018 – 1 Vollz ([X.]) 309/18, BeckRS 2018, 42721, Rn. 21 f.).

Zur Zeit des Antrages der Staatsanwaltschaft [X.] vom 2. Dezember 2019 und des Ablaufs des [X.]es nach § 119a Abs. 3 Satz 1 [X.] am 23. Februar 2020 befand sich der Verurteilte in der [X.] ([X.]). Damit ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts [X.] für die Entscheidung zuständig, zumal sie bereits auch vor der Verlegung des Verurteilten in die [X.] die Entscheidungen nach § 119a [X.] getroffen hat.

b) Eine Zuständigkeit des [X.] ist nicht durch den Verweisungsbeschluss des Landgerichts [X.] – Strafvollstreckungskammer – vom 13. August 2019 begründet worden. Eine durch „Verlegung“ des Verurteilten bedingte etwaige Änderung in der gerichtlichen Zuständigkeit führt nicht zwangsläufig zu einer Anhängigkeit eines Verfahrens nach § 119a [X.] bei der für die aufnehmende Vollzugsanstalt zuständigen Strafvollstreckungskammer. Vielmehr gilt dies nur dann, wenn an diese das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 83 VwGO verwiesen wird (vgl. Senat, Beschlüsse vom 1. Dezember 1989 – 2 [X.], juris Rn. 4; vom 8. Dezember 2016 – 2 ARs 5/16, BeckRS 2016, 21432, Rn. 33). Grundsätzlich ist ein solcher Beschluss für das darin bestimmte Gericht nach § 83 Satz 1 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend, selbst wenn dieser fehlerhaft ist. Etwas anderes gilt in Ausnahmefällen, wenn die Verweisung offensichtlich rechtswidrig erfolgt ist (vgl. [X.]/[X.]/Bier/Ortloff/Riese, VwGO, 37. EL, § 83 Rn. 16). So liegt der Fall hier.

Bei dem Verfahren nach § 119a [X.] handelt es sich nicht um ein über die gesamte Dauer der Strafvollstreckung fortwährend anhängiges Verfahren. Wie sich nicht zuletzt aus § 119a Abs. 7 [X.] ergibt, handelt es sich bei den jeweiligen Entscheidungen nach § 119a Abs. 1 [X.] um solche der Rechtskraft zugänglichen Abschlüsse isoliert zu betrachtender (Einzel-) Verfahren. Von dem Beginn eines Verfahrens nach § 119a [X.] und damit seiner Anhängigkeit bei Gericht ist dann auszugehen, wenn dieses mit der Sache befasst ist. Ein solches [X.] liegt zunächst dann vor, wenn ein entsprechender Antrag auf eine Entscheidung nach § 119a Abs. 1 [X.] gestellt wird, beispielsweise durch die Vollzugsbehörde, § 119a Abs. 2 Satz 1 [X.]. Dies gilt auch unabhängig davon, ob ein solcher Antrag unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist (vgl. für das [X.] im Sinne von § 462a StPO: [X.] in [X.], 8. Aufl., § 462a Rn. 18).

Da nach § 119a Abs. 3 Satz 1 [X.] eine Entscheidung durch das Gericht jedoch alle zwei Jahre von Amts wegen zu treffen ist, kommt es für das Vorliegen eines [X.]s nicht in jedem Falle auf die Stellung eines Antrages an. Vielmehr ist ein [X.] auch dann gegeben, wenn eine Entscheidung des Gerichtes erforderlich wird, weil der Ablauf der gesetzlichen Frist des § 119a Abs. 3 Satz 1 [X.] bevorsteht (vgl. für das [X.] im Sinne von § 462a StPO: [X.] in [X.], aaO). Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt, in dem das Gericht tätig werden musste. Zwar ist die Ausgestaltung des Verfahrens nach § 119a [X.] – abgesehen von den [X.] nach § 119a Abs. 6 Satz 2 [X.] – weitestgehend in das Ermessen des Gerichtes gestellt; dieses wird jedoch regelmäßig zu erwägen haben, ob es sich zur Verschaffung der notwendigen Sachkunde hinsichtlich der Tauglichkeit der Betreuungsangebote im Vollzug der Hilfe eines Sachverständigen bedient (vgl. [X.]/[X.], [X.], § 119a [X.], aaO Rn. 10). Damit insoweit eine rechtzeitige Entscheidung vor Ablauf der in § 119a Abs. 3 Satz 1 [X.] genannten Frist gewährleistet ist, kommt bezüglich des zeitlichen Ablaufes ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 54a Abs. 2 Satz 1 StVollstrO und damit in der Regel ein Befasstein der Strafvollstreckungskammer mit einem von Amts wegen zu betreibenden Verfahren nach § 119a [X.] drei Monate vor Ablauf der Überprüfungsfrist in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 25. Februar 2019 – 1 Vollz ([X.]) 93/19, BeckRS 2019, 30904). Jedenfalls sind im vorliegenden Fall keine Umstände ersichtlich, die ein Tätigwerden des Landgerichts [X.] – Strafvollstreckungskammer – rund sechs Monate vor Ablauf der Überprüfungsfrist nach § 119a [X.] erforderlich erscheinen ließen.

Da zum Zeitpunkt der Verweisung durch das [X.] – Strafvollstreckungskammer – am 13. August 2019 auch kein entsprechender Antrag auf Durchführung des Verfahrens nach § 119a [X.] vorlag, war, gemessen an den soeben dargestellten Grundsätzen, ein [X.] der Kammer mit einem Verfahren nach § 119a [X.] nicht gegeben. Insoweit fehlte es an einem Verfahren im prozessualen Sinne, das durch das [X.] – Strafvollstreckungskammer – hätte verwiesen werden können. Der Beschluss vom 13. August 2019 ging somit „ins Leere“, war insoweit rechtswidrig und konnte keine Bindungswirkung entfalten.

[X.]     

      

Krehl     

      

Zeng   

      

Grube     

      

[X.]     

      

Meta

2 ARs 147/20

12.08.2020

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 17a Abs 2 S 3 GVG, § 119a Abs 3 S 1 StVollzG, § 120 StVollzG, § 54a Abs 2 S 1 StrVollstrO, § 83 VwGO, § 14 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.08.2020, Az. 2 ARs 147/20 (REWIS RS 2020, 1450)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1450

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Wird zitiert von

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2 ARs 5/16

1 Vollz (Ws) 309/18

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