Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2018, Az. 5 StR 629/17

5. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14448

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Gegenstand

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch den Angestellten eines Ladens mit Internetcafé: Garantenpflicht des Betriebsinhabers zur Verhinderung von betriebsbezogenen Straftaten von Mitarbeitern


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 19. Juli 2017 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]      wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie den Angeklagten [X.]      wegen einer zu dieser Tat durch Unterlassen begangenen Beihilfe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die jeweils mit der Sachrüge begründeten Revisionen der Angeklagten erweisen sich im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.

2

Der Erörterung bedarf nur die Frage, ob das [X.] zu Recht von einer Garantenstellung des Angeklagten [X.]     ausgegangen ist:

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s war [X.]    Eigentümer und Betreiber eines Spätkaufs mit Internetcafe in         . Seinen Bruder [X.]beschäftigte er dort als Angestellten. [X.]     beschloss, Drogen zu verkaufen und sich dabei die Infrastruktur und den Laden von [X.]zu Nutze zu machen. Er besorgte sich im [X.] 2016 500 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von ca. 80 Gramm THC und 30 Gramm Kokain guter Qualität, um die Drogen gewinnbringend weiterzuverkaufen.

4

In der Folgezeit wurden aus diesem Vorrat etwa fünf Gramm [X.] und ca. 200 Gramm Marihuana verkauft. [X.]     bezog in den Verkauf ab Januar 2017 den im Laden ebenfalls beschäftigten Nichtrevidenten   E.      ein und gab ihm etwas vom [X.] zum Verkaufen an die [X.], die er zu ihm schickte. In unmittelbarer Nähe zu dem Aufbewahrungsort der im Laden zu verkaufenden Drogen unter dem Verkaufstresen lag für [X.]    griffbereit ein Baseballschläger und auf dem Tresen ein Teleskopschlagstock. Beide Gegenstände hatte er dazu bestimmt, den Spätkauf zu schützen, notfalls aber auch den [X.] hiermit absichern oder verteidigen zu können. [X.]      wusste hiervon. Ein großer Teil der angeschafften Drogen konnte bei einer Durchsuchung im Februar 2017 im Laden und in der Wohnung von [X.]     festgestellt werden.

5

Der Ladeninhaber [X.]    , der sich nahezu täglich und vielfach gemeinsam mit [X.]      im Laden aufhielt, erfuhr alsbald von der Tätigkeit seines Bruders, billigte diese und schritt nicht ein. Dabei war ihm klar, dass das Geschäft von [X.]     in dieser Form nur möglich war, weil der Laden mit seinen abgeklebten Scheiben, seiner schweren Einsehbarkeit von außen, dem separaten Lagerraum hinter dem Verkaufstresen und der recht hohen Frequenz von Lauf- und Stammkundschaft sowie der geringen Anzahl von Mitarbeitern (nur [X.]    und der Nichtrevident) hierfür optimale Bedingungen bot. Aufgrund seiner Position als Eigentümer und Betreiber wäre es [X.]     ohne weiteres möglich gewesen, den Handel seines Bruders zu unterbinden.

6

2. Diese Feststellungen belegen die Voraussetzungen der vom [X.] angenommenen Garantenstellung des Angeklagten [X.]      aus seiner Stellung als Betriebsinhaber nach den Grundsätzen der strafrechtlichen Geschäftsherrenhaftung (vgl. hierzu näher insb. [X.], [X.], 689; Bülte, [X.] 2012, 176; [X.]/[X.] JZ 2010, 981; [X.], StGB, 65. Aufl., § 13 Rn. 67 ff.; [X.], [X.] 2012, 259; [X.] in [X.], 3. Aufl., § 13 Rn. 31 f.; [X.]/Kühl, 28. Aufl., § 13 Rn. 14; [X.]/Trüg, [X.], 432; [X.]/[X.], [X.], 268, 269; [X.], [X.], 2014, [X.]; [X.], [X.], S. 239, und Strafrecht [X.], § 32 Rn. 134 ff.; [X.] in [X.], 9. Aufl., § 13 Rn. 35a; [X.], FS [X.], [X.], und [X.], [X.]; Schlösser, [X.] 2012, 281; [X.]/[X.] 2015, 1057; [X.], wistra 1982, 41; Spring, [X.] betrieblich Vorgesetzter für Straftaten Untergebener, 2009, und [X.] 2010, 222; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 13 Rn. 53 f.; Weigend in [X.], 12. Aufl., § 13 Rn. 56).

7

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.], Urteil vom 20. Oktober 2011 - 4 [X.], [X.]St 57, 42, 45 f.) kann sich aus der Stellung als Betriebsinhaber bzw. Vorgesetzter je nach den Umständen des Einzelfalls eine Garantenpflicht zur Verhinderung von Straftaten von Mitarbeitern ergeben. Diese beschränkt sich auf die Verhinderung [X.] Straftaten und umfasst nicht solche Taten, die der Mitarbeiter lediglich bei Gelegenheit seiner Tätigkeit im Betrieb begeht. [X.] ist eine Tat dann, wenn sie einen inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit des Begehungstäters oder mit der Art des Betriebes aufweist ([X.], aaO, S. 46).

8

b) Dies war nach den Feststellungen des [X.]s hinsichtlich des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln der Fall. Der Angeklagte [X.]    hat Betäubungsmittel unter Nutzung der Verkaufs- und Lagerräume gleichsam in Erweiterung des legalen Geschäftsbetriebes an die [X.] verkauft. Diese Geschäfte unter Einschaltung des Nichtrevidenten   E.       waren Ausfluss seiner betrieblichen Tätigkeit als Verkäufer im Ladenlokal seines Bruders, was auch die Einbindung von Stammkundschaft in den Betäubungshandel belegt. Die Ausstattung der Räume (abgeklebte Scheiben) sowie die Art und Weise des Geschäftsbetriebes (hohe Frequenz, kurze Aufenthaltszeiten) erleichterten zudem das Durchführen illegaler Geschäfte.

9

c) Angesichts dieser Umstände bedarf es keiner näheren Erörterung, ob [X.]    die Handelsaktivitäten seines Bruders [X.]nicht vielmehr bewusst durch [X.] wie etwa die Übergabe der [X.] oder sonstige Handlungen unterstützt hat. Ein etwaiger Rechtsfehler insoweit beschwert den Angeklagten [X.]     nicht.

[X.]     

      

Dölp     

      

König 

      

[X.]     

      

[X.]     

      

Meta

5 StR 629/17

06.02.2018

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 19. Juli 2017, Az: 530 KLs 14/17

§ 13 StGB, § 29 BtMG, § 30a Abs 2 Nr 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2018, Az. 5 StR 629/17 (REWIS RS 2018, 14448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14448

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Referenzen
Wird zitiert von

5 StR 629/17

Zitiert

4 StR 71/11

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