Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.10.2020, Az. 1 WB 79/19

1. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2020, 4156

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Gegenstand

Verweisung an das Arbeitsgericht


Leitsatz

Für Streitigkeiten um die Kosten, die durch die Tätigkeit der Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bei einer militärischen Dienststelle entstehen, ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.

Tenor

Der Rechtsweg zu den [X.] ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das Arbeitsgericht ... verwiesen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller war Berufssoldat, zuletzt im Dienstgrad Hauptfeldwebel. Er wurde zum 31. Oktober ... gemäß § 44 Abs. 3 SG wegen Dienstunfähigkeit zur Ruhe gesetzt. Bis zur Zurruhesetzung war er Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim ...

2

Mit Schreiben vom 7. Februar 2017 beantragte der Antragsteller in seiner Funktion als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen die Übernahme von Anwaltskosten für die rechtliche Prüfung mehrerer beteiligungspflichtiger Maßnahmen sowie die Gestellung einer halbtags beschäftigten Bürokraft für fünf Tage pro Woche zur Unterstützung seiner Tätigkeit als Vertrauensperson.

3

Mit Bescheid vom 11. April 2017 lehnte der ... diese Anträge ab. Hiergegen erhob der Antragsteller unter dem 3. Mai 2017 Beschwerde. Mit Bescheid vom 11. März 2019 wies der Generalinspekteur der [X.] diese als unzulässig zurück, weil dem Antragsteller nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst und der dadurch bedingten Beendigung seiner Funktion als Vertrauensperson das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die dagegen eingelegte weitere Beschwerde vom 18. April 2019 wies das [X.] mit Bescheid vom 27. Mai 2019 zurück.

4

Hiergegen hat der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. Juni 2019 die Entscheidung des [X.] beantragt. Das [X.] hat den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 13. Dezember 2019 dem Senat vorgelegt.

5

Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung verfolgt der Antragsteller seine Anliegen weiter und beantragt,

1. festzustellen, dass die Wertung seines Schreibens vom 7. Februar 2017 als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim ... an den ... als Wehrbeschwerde rechtswidrig gewesen ist und ihn in seinen Rechten aus dem Sozialgesetzbuch, [X.], insbesondere § 179 [X.], folgenden spezialgesetzlich geregelten Rechten als Vertrauensperson von Menschen mit Behinderungen verletzt hat,

2. (nicht belegt),

3. festzustellen, dass die Regelungen des [X.] auf die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen in dieser Funktion keine Anwendung finden, auch wenn sie im Status Soldatin oder Soldat ist,

4. festzustellen, dass der Vertreter des Dienstherrn in seiner Funktion als Arbeitgeber nicht darüber entscheiden durfte, ob er, der Antragsteller, im Rahmen der Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung einen Rechtsanwalt zur Beratung und gegebenenfalls zur Prozessführung hinzuziehen darf, sondern die Antragsgegnerin gemäß § 96 Abs. 8 [X.] die Übernahme der Kosten erklären musste, sowie

5. festzustellen, dass das [X.] das unzuständige Gericht ist, da es sich bei dem Konflikt um eine organschaftliche Streitigkeit der Schwerbehindertenvertretung handelt, und das Verfahren an das zuständige Gericht zu verweisen.

6

Das [X.] beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

7

Der Antrag sei unzulässig, soweit er die Verletzung von Rechten des Antragstellers als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen betreffe. Der Antragsteller sei seit seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst nicht mehr antragsbefugt. Seine Nachfolger in der Funktion als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen hätten den Rechtsstreit nicht fortgeführt. Wegen der Unzulässigkeit des Antrags bedürfe es auch keiner Verweisung des Rechtsstreits an ein [X.]. Soweit es dem Antragsteller um die Feststellung von Rechtsverletzungen in seiner Eigenschaft als ehemaliger Soldat mit Behinderungsgrad gehe, sei seine Beschwerde unbegründet. Insoweit fehle es an einem berechtigten Feststellungsinteresse.

8

[X.] hat den Beteiligten mit Verfügung vom 19. August 2020 Gelegenheit gegeben, zur Frage der Verweisung des Rechtsstreits an ein [X.] Stellung zu nehmen. Der Antragsteller stimmt einer Verweisung des Rechtsstreits an das [X.] ... zu. Das [X.] vertritt in erster Linie die Auffassung, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen sei; für den Fall einer Verweisung sei das [X.] ... örtlich zuständig.

9

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des [X.] und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Für das [X.] des Antragstellers ist der Rechtsweg nicht zu den [X.], sondern zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet. Die Sache ist deshalb an das zuständige [X.] ... zu verweisen. Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne [X.] (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2009 - 1 WB 77.08 - [X.] 449 § 82 SG Nr. 4 Rn. 26 m.w.[X.]).

1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] (hier [X.]. § 21 Abs. 2 Satz 1 [X.]) entscheiden die [X.], wenn die Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber zum Gegenstand hat, die im [X.] Unterabschnitt des [X.] mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Insoweit tritt das Verfahren vor den [X.] an die Stelle des [X.] gemäß § 82 des Soldatengesetzes (§ 17 Abs. 2 [X.]).

Dem Antragsteller geht es vorliegend nicht um seine persönlichen Rechte als Soldat, deren Verletzung er ggf. auch nach Beendigung seines Wehrdienstverhältnisses geltend machen (§ 1 Abs. 3 [X.]) oder in einem entsprechenden Verfahren weiterverfolgen könnte (§ 15 [X.]), wenn der [X.] in die [X.] fällt. Vielmehr beruft sich der Antragsteller erklärtermaßen auf Rechte aus seiner früheren Funktion als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim ... Diese Rechte sind nicht im Soldatengesetz, sondern im [X.] ([X.]) in den §§ 177 ff. (bis zum 31. Dezember 2017: §§ 94 ff. [X.]) geregelt. Sie unterfallen deshalb nicht der Rechtswegzuweisung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.].

Der Rechtsweg zu den [X.] wird auch nicht durch eine normative Verweisung auf das Beschwerderecht nach der [X.] eröffnet. Anders als für die Vertrauensperson im Sinne des [X.] (§ 17 [X.]), für die weiteren soldatenbeteiligungsrechtlichen [X.] (§ 33 Abs. 7 Satz 2, § 42 Abs. 6, § 63 Abs. 3 [X.]) und für die Gleichstellungsbeauftragte (§ 22 SGleiG) fehlt es für die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bei einer militärischen Dienststelle an einer Vorschrift, die auf diese Weise eine Zuständigkeit der [X.] begründet.

Eine Zuständigkeit des Senats besteht auch nicht beschränkt auf die Frage der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs. Auch insoweit obliegt die Beurteilung dem zuständigen Gericht. Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs könnte nur dann dahingestellt bleiben und auf eine Verweisung verzichtet werden, wenn nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. August 2010 - 1 [X.] 3.10 - Rn. 8); so liegt der Fall hier jedoch nicht.

2. Nach der Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 30. März 2010 - 7 [X.] - [X.], 51 Rn. 4 ff.; vgl. auch [X.], in: GK-[X.], Stand Dezember 2018, § 179 Rn. 154 m.w.[X.]), der sich der Senat anschließt, sind Rechtsstreitigkeiten über die nach dem [X.] bestehende Pflicht des Arbeitgebers, die Kosten der Schwerbehindertenvertretung zu tragen (bis 31. Dezember 2017: § 96 Abs. 8 Satz 1 [X.]; ab 1. Januar 2018: § 179 Abs. 8 Satz 1 [X.]), in entsprechender Anwendung von § 2a Abs. 1 Nr. 3a und Abs. 2 ArbGG im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des [X.] (a.a.[X.] Rn. 15) gilt dies auch dann, wenn die Schwerbehindertenvertretung in einer Dienststelle des öffentlichen Dienstes errichtet ist. Es besteht kein Anlass, Schwerbehindertenvertretungen bei militärischen Dienststellen hiervon auszunehmen.

Danach umfasst die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen zunächst das für den Antragsteller im Vordergrund stehende [X.], das die Kostenübernahme gemäß § 96 Abs. 8 [X.] (jetzt § 179 Abs. 8 Satz 1 [X.]) für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zur Beratung und gegebenenfalls Prozessführung im Rahmen der Tätigkeit der Schwerbehindertenvertretung betrifft (Antrag zu 4). Die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit erstreckt sich aber auch auf die beiden anderen [X.], weil diese lediglich das vorgerichtliche Verfahren zu dem Antrag auf Kostenübernahme gemäß § 96 Abs. 8 [X.] bzw. § 179 Abs. 8 Satz 1 [X.] betreffen. Denn mit dem Antrag zu 1 wendet sich der Antragsteller dagegen, dass sein Schreiben vom 7. Februar 2017, mit dem er sich wegen der Kostenübernahme an den ... gewandt hatte, als Auslöser für ein Verfahren nach der [X.] genommen wurde; mit dem Antrag zu 3 beanstandet er, dass der Generalinspekteur der [X.] in dem Beschwerdebescheid die für Vertrauenspersonen im Sinne des [X.], nicht aber für Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen geltende Vorschrift des § 16 [X.] (jetzt § 17 [X.]) herangezogen hat. Auch diese im vorgerichtlichen Verfahren angefallenen Fragen unterliegen der Beurteilung durch das zuständige [X.]. Denn auch damit hat der Antragsteller nur eine Verletzung seiner Rechte aus § 179 [X.] im Zusammenhang mit den kollektivrechtlichen Angelegenheiten der Schwerbehindertenvertretung geltend gemacht; er hat nicht vorgetragen, dass sich die behauptete Benachteiligung auf seine individuellen soldatischen Rechte ausgewirkt hätte (vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2010 - 7 [X.] - [X.], 51 Rn. 15). Das [X.] hat daher über diese Anträge einschließlich der Frage zu entscheiden, ob der Antragsteller diese Teilaspekte zulässigerweise zum Gegenstand selbständiger Feststellungsanträge machen kann.

Der Rechtsstreit ist daher gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 [X.]. § 18 Abs. 3 Satz 1 [X.] an das zuständige Gericht für Arbeitssachen zu verweisen. Dies ist nach § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG und § 15 Nr. 3 des Gesetzes über die Justiz im [X.] vom 26. Januar 2010 (GV. [X.]. [X.]) das [X.] ..., weil der Dienstsitz des - als "Betrieb" im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG anzusehenden - ... in ... liegt.

Meta

1 WB 79/19

13.10.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: WB

§ 17 Abs 1 WBO, § 18 Abs 3 WBO, § 2a Abs 1 Nr 3a ArbGG, § 2a Abs 2 ArbGG, § 82 Abs 1 S 1 ArbGG, § 179 Abs 8 SGB 9 2018, § 17 SBG 2016, § 33 Abs 7 SBG 2016, § 42 Abs 6 SBG 2016, § 63 Abs 3 SBG 2016, § 22 SGleiG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 13.10.2020, Az. 1 WB 79/19 (REWIS RS 2020, 4156)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4156

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7 AZB 32/09

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