Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2015, Az. 4 StR 335/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 5674

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BUNDE[X.]GERICHT[X.]HOF

BE[X.]CHLU[X.][X.]
4 [X.]tR 335/15

vom
9. [X.]eptember
2015
in der [X.]trafsache
gegen

wegen räuberischer Erpressung

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Der 4.
[X.]trafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 9.
[X.]eptember
2015
gemäß §
349 Abs.
4 [X.]tPO beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 24.
Februar 2015 mit den [X.] aufgehoben.
Die [X.]ache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.]trafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat bereits mit der [X.]achrüge in vollem Umfang Erfolg. Einer Erörterung der Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.
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I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1.
In den frühen Morgenstunden des 27.
April 2013 nahmen der Ange-klagte und der gesondert Verfolgte

[X.].

am Bahnhof in P.

ein Taxi zur Fahrt nach K.

. Der Angeklagte lotste den nicht orts-
kundigen Taxifahrer H.

,
den Nebenkläger,
in K.

zu einem Platz
hinter dem Gebäude einer Bäckerei, wo sie gegen 8.00
Uhr eintrafen. Während der gesondert Verfolgte [X.].

das Taxi sofort kommentarlos verließ, ver-
blieb der Angeklagte, der ebenfalls ausgestiegen war, auf der rechten [X.]eite des Fahrzeugs und gab vor, auf [X.].

zu warten, der an einer nahe gelege-
nen [X.]parkasse Geld hole, um die Taxifahrt bezahlen zu können. Der [X.] blieb in der
Zwischenzeit in seinem Taxi sitzen und wartete auf die Rück-kehr des [X.].

. Nach kurzer Zeit ging der Angeklagte zum Geschädigten
an die Fahrertür und gab vor, das Taxameter sehen zu wollen. Plötzlich legte er jedoch die Hand auf die [X.]chulter des [X.], der ein Klickgeräusch hör-Nebenkläger, der damit rechnete, dass der Angeklagte ihm ein Messer entgegen hielt, händigte ihm daraufhin aus Furcht um sein körperliches Wohlbefinden das in seinem Geldbeutel befindliche [X.] in Höhe von 120 bis 130

dem Geldbetrag flüchtete der Ange-klagte zu Fuß und verwendete das Geld später für sich.
2.
Das [X.] hat angenommen, dass der Angeklagte sich der räu-berischen Erpressung im [X.]inne der §§
253, 255, 249 [X.]tGB strafbar gemacht habe. Das Klickgeräusch habe beim Nebenkläger die Angst hervorgerufen, der
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Angeklagte könne ihn mit einem Messer bedrohen, weshalb er ihm die Tages-einnahmen ausgehändigt habe. Dass der Angeklagte tatsächlich ein Messer bei sich geführt habe, habe sich nicht feststellen lassen.
II.
Die Annahme des [X.], der Angeklagte habe sich der räuberi-schen Erpressung schuldig gemacht, wird von den Feststellungen nicht getra-gen.
1.
Der Tatbestand der Erpressung im [X.]inne von §
255 [X.]tGB verlangt
in objektiver Hinsicht eine die Freiheit der Willensentschließung und der Willens-betätigung beeinträchtigende Drohung
als Mittel zum Zweck der Zufügung
eines Nachteils und der Erlangung der (beabsichtigten) Bereicherung, die dann anzunehmen ist, wenn der
Bedrohte die Ausführung der Drohung für möglich hält, dadurch in Furcht versetzt und durch diese Furcht in seinem Entschluss beeinflusst wird. Unerheblich ist, ob der Täter die Ausführung seiner Drohung beabsichtigt und ob sie für ihn überhaupt ausführbar
ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 30.
Juni 1970

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[X.]tR
127/70, [X.][X.]t 23, 294, 295
f.). [X.] ist der subjektive Tatbestand der Vorschrift zwar auch dann erfüllt, wenn der Täter den Bedrohten nicht von der Ernsthaftigkeit der Drohung überzeugen will. In jedem Fall bedarf es dazu jedoch der Feststellung, dass der
Täter
weiß oder zumindest billigend in Kauf nimmt, die Drohung sei geeignet, bei dem Be-drohten Furcht vor ihrer Verwirklichung hervorzurufen. Dafür kann es ausrei-chen, wenn das Opfer die Ausführung der Drohung nur für möglich halten soll. Denn schon ein Zweifel, ob der Täter die Drohung wahrmachen werde, kann
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die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung beeinträchtigen ([X.], Urteile
vom 16.
März 1976

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[X.]tR
72/76, [X.][X.]t 26, 309, 310
f.; vom 30.
Juni 1970,
aaO; LK-[X.]tGB/[X.], 12.
Aufl., §
253 Rn.
28 mwN).
2.
Indem die [X.]trafkammer einseitig auf die Vorstellung des [X.] abgestellt hat, wonach dieser auf Grund des [X.] damit rechnete, dass der Angeklagte ihm ein Messer entgegenhielt, hat sie sich den Blick dafür verstellt, dass es zum Beleg der subjektiven Tatseite auf die tatsachenfundierte Vorstellung des [X.] ankommt, er setze das Nötigungsmittel final zur Erlan-gung des Vermögensvorteils ein
und der [X.] werde an die Ernstlichkeit der (gegebenenfalls gar nicht ernst gemeinten Drohung) glauben und ihre Realisierung mindestens für möglich halten. Zur Vorstellung des Ange-klagten in dem Zeitpunkt, in dem er dem Nebenkläger die Hand auf die [X.]chulter legte, hat das [X.] keine Feststellungen getroffen. [X.]oweit es im Rah-men der rechtlichen Würdigung des [X.]achverhalts ausgeführt hat, der Angeklag-l-lung zu wecken, ihm werde ein Messer an den Hals gehalten, fehlt es an dem Beleg, dass der Angeklagte dieses Geräusch verursachte. Dies hätte schon deshalb unter dem Gesichtspunkt einer konkludenten Drohung in objektiver und subjektiver Hinsicht der Prüfung bedurft, da die [X.]trafkammer letztlich nicht fest-gestellt hat, dass der Angeklagte tatsächlich ein Messer oder einen anderen Gegenstand mit sich führte und der Nebenkläger entgegen seiner Aussage im Ermittlungsverfahren in der Hauptverhandlung angab, er habe nur auf Grund des klickenden Geräusches auf das Vorhandensein eines Messers zurückge-schlossen.
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3.
Zur Ablehnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt nach §
64 [X.]tGB bemerkt der [X.]enat:
a)
Es kann dahinstehen, ob die Erwägung, die Tat des Angeklagten sei seiner allgemeinen Geldknappheit geschuldet gewesen, nicht aber dem [X.], in den Besitz von Geld zur Beschaffung von Drogen und Alkohol zu gelan-gen, für sich genommen ausreichend tragfähig ist, um einen symptomatischen Zusammenhang zu verneinen. Denn an anderer [X.]telle geht das [X.], im Ansatz zutreffend, davon aus, für die Bejahung dieses Zusammenhangs reiche die Mitursächlichkeit des Hangs zum [X.] für die Tatbegehung schon aus. Eine solche Mitursächlichkeit bedurfte
im vorliegenden Fall [X.] weiterer Erörterung, weil sich die [X.]trafkammer zugleich der Einschätzung des medizinischen [X.]achverständigen angeschlossen hat, der Angeklagte werde weiter ein sozial randständiges Leben führen, Drogen konsumieren und zur [X.] dieses Konsums auch wieder straffällig werden.
b)
[X.]oweit das [X.] den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zur Begründung der [X.] der Maßregel heranzieht, weist der [X.]enat da-rauf hin, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung nach §
64 [X.]tGB nur in besonderen Ausnahmefällen von dieser abgesehen werden kann (Fischer, [X.]tGB, 63.
Aufl., §
64 Rn.
23 m. Nachw. z. Rspr.).
III.
Die zu neuer Entscheidung berufene [X.]trafkammer wird das [X.] je nach den sich in der Verhandlung ergebenden Feststellungen auch unter
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dem Gesichtspunkt eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§
316a [X.]tGB) zu würdigen haben.
[X.]ost-[X.]cheible
Roggenbuck
Cierniak

Franke
Quentin

Meta

4 StR 335/15

09.09.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2015, Az. 4 StR 335/15 (REWIS RS 2015, 5674)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5674

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4 StR 335/15

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