Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.12.2013, Az. 4 StR 422/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 570

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Gegenstand

Räuberische Erpressung: Tatbestandsverwirklichung durch harmlos erscheinende Äußerungen und Warnungen; Ausnutzen der Fortdauer früherer Drohungen bei mehreren Einzelakten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Juni 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s verhielt sich der stark alkoholisierte Angeklagte bei einem Familientreffen aus Anlass der Beerdigung seines [X.] in der Wohnung seiner Mutter aggressiv und beleidigend gegenüber den anwesenden Familienmitgliedern, wobei er in [X.] und in [X.] herumschrie. Seine Mutter bezeichnete er dabei als „Alte Schlampe". Er holte ein Jagd- oder Anglermesser mit einer Klingenlänge von etwa 20 cm aus seinem Rucksack und fuchtelte damit herum, jedoch ohne eine der anwesenden Personen damit gezielt zu bedrohen. Dabei schrie er, er werde auf der Beerdigung alle abstechen. Nachdem er das Messer wieder in seinen Rucksack gesteckt oder unter seiner Jacke verborgen hatte, fasste er spätestens jetzt den Entschluss, seiner Mutter durch Drohung mit Gewalt 50 Euro abzupressen, wobei er darauf hoffte, der durch das [X.] mit dem Messer geschaffene Eindruck werde fortwirken und die Ernstlichkeit seiner Drohung unterstreichen. Er äußerte hierzu sinngemäß: „Ich stech die Alte ab, die muss [X.] 50 Euro geben!" Dann baute er sich vor seiner Mutter auf und schrie: „[X.] [X.] nun die 50 Euro oder nicht, du alte Schlampe?" Dass die Geschädigte dem Angeklagten tatsächlich das Geld übergab, konnte nicht sicher festgestellt werden. Dieser verließ mit seinem Rucksack eilig die Wohnung, nachdem er mitbekommen hatte, dass seine Schwester, die Zeugin S.     , mit ihrem Mobiltelefon die Polizei angerufen hatte.

3

Der Angeklagte habe, so das [X.], mit der Drohung gegenüber seiner Mutter, er werde sie abstechen, wenn sie ihm das Geld nicht gebe, zur Verwirklichung einer versuchten schweren räuberischen Erpressung unmittelbar angesetzt. Da er von der weiteren Tatausführung nur Abstand genommen habe, weil er mitbekam, dass seine Schwester bereits die Polizei verständigt hatte, habe er die Tat auch nicht freiwillig aufgegeben.

II.

4

Diese rechtliche Würdigung begegnet in zweifacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

5

1. Zum einen ist die für den Tatbestand des § 255 StGB erforderliche Drohung mit einer „gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben" gegenüber der Geschädigten nicht ausreichend belegt.

6

a) In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass eine Drohung im Sinne der §§ 253, 255 StGB nicht nur mit klaren und eindeutigen Worten, sondern auch mit allgemeinen Redensarten und mit unbestimmten, versteckten Andeutungen ausgesprochen werden kann, es also auf deren äußere Form regelmäßig nicht ankommt (Senatsurteil vom 17. März 1955 - 4 StR 8/55, [X.], 252, 253; Urteil vom 21. Februar 1989 - 5 [X.], [X.]R StGB § 255 Drohung 6; vgl. auch LK-StGB/[X.], 12. Aufl., § 253 Rn. 6). Das Tatbestandsmerkmal der erpresserischen Drohungen kann danach auch hinter harmlos erscheinenden Äußerungen, Mitteilungen, Ratschlägen, Vorschlägen, Mahnungen oder Warnungen gesehen werden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Erklärende in Wahrheit droht ([X.], jeweils aaO). Voraussetzung ist jedoch in jedem Fall eine seelische Einwirkung auf den Bedrohten in Gestalt einer auf Angst und Furcht abzielenden Ankündigung eines hinreichend erkennbaren Übels, die der Täter an den Bedrohten richtet, dessen Willen gebeugt werden soll ([X.], 281, 283; Senatsurteil vom 17. März 1955 aaO; vgl. auch [X.], Urteil vom 16. März 1994 - 2 StR 8/94, [X.]R StGB § 255 Drohung 7; [X.] aaO).

7

b) Gemessen daran fehlt es im angefochtenen Urteil an ausreichenden Feststellungen für eine Drohung des Angeklagten gegenüber seiner Mutter.

8

aa) Für den Zeitpunkt, als der Angeklagte in aggressiver Stimmung in das Wohnzimmer zurückkehrte und mit dem Messer „herumfuchtelte", hat das [X.] eine gezielte, an eine der anwesenden Personen gerichtete Drohung mit gegenwärtiger Leibesgefahr ebenso verneint wie einen [X.], den er nach den Feststellungen erst fasste, nachdem er das Messer wieder eingesteckt hatte. Ob die nachfolgend an keinen konkreten Adressaten gerichtete Äußerung, „Ich stech die Alte ab, die muss [X.] 50 Euro geben" als ernst gemeinte Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gerade seiner Mutter gegenüber zu werten war, hätte schon vor dem Hintergrund des zwar aggressiven, aber nicht gegen eine bestimmte Person gerichteten Vorverhaltens des stark alkoholisierten Angeklagten näherer Erörterung bedurft. Dabei wäre auch zu bedenken gewesen, dass sich der Angeklagte erst nach dieser Äußerung konkret an seine Mutter wandte und sie - wenn auch in beleidigender Form - ohne eine ausdrückliche Drohung lediglich nach Geld fragte.

9

bb) Auch der [X.] ist nicht hinreichend mit Tatsachen belegt. Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe gehofft, der durch das [X.] mit dem Messer geschaffene Eindruck werde noch fortwirken, reicht dafür nicht aus. Zwar können frühere Drohungen grundsätzlich eine in die [X.] fortwirkende Drohwirkung entfalten (vgl. [X.], StGB, 61. Aufl., § 177 Rn. 20 mwN zum „Ausnutzen [X.] der Gewalt" bei sexuellen Übergriffen). Ob sich der Täter dieser Umstände bewusst ist, bedarf indes genauer Prüfung und Darlegung in den Urteilsgründen. Hier verstand sich die Annahme einer solchen Fallgestaltung schon deshalb nicht von selbst, weil die [X.] im Verhalten des Angeklagten vor Fassung des Tatentschlusses gerade keine gezielte Drohung gegenüber seiner Mutter gesehen hat.

2. Zum anderen sind die Erwägungen lückenhaft, mit denen das [X.] einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch verneint hat.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kommt es für die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. nur [X.], Beschluss vom 19. Mai 1993 - [X.], [X.]St 39, 221, 227; [X.], StGB, 61. Aufl., § 24 Rn. 14 mwN). Gleichermaßen kommt es auf die Sicht des [X.] für die Beantwortung der Frage an, ob der Versuch fehlgeschlagen, ein Rücktritt also ausgeschlossen ist ([X.] aaO, Rn. 7 mwN). Zum diesbezüglichen Vorstellungsbild des Angeklagten verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht. Vielmehr beschränkt sich die [X.] auf die Feststellung, der Angeklagte habe sich vor der Geschädigten aufgebaut und sie mit den Worten: „[X.] [X.] nun die 50 Euro oder nicht, du alte Schlampe?" angeschrien. Er habe daraufhin die Wohnung eilig verlassen, als er bemerkte, dass seine Schwester die Polizei benachrichtigte.

b) Auch die Annahme des [X.]s, der Angeklagte sei jedenfalls nicht freiwillig vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung zurückgetreten, hält auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des [X.] in seiner Antragsschrift vom 31. Oktober 2013.

Sost-Scheible                        Roggenbuck                          [X.]

                         Bender                               [X.]

Meta

4 StR 422/13

04.12.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Arnsberg, 11. Juni 2013, Az: II-2 KLs 282 Js 84/12 - 17/12

§ 255 StGB, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.12.2013, Az. 4 StR 422/13 (REWIS RS 2013, 570)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 570

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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