Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.03.2014, Az. III B 74/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 6974

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Gegenstand

Zur Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Grund- und des Kinderfreibetrags im Jahr 2011


Leitsatz

NV: Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Existenzminimum im Veranlagungszeitraum 2011 in ausreichender Höhe durch den Grundfreibetrag und die Freibeträge gemäß § 32 Abs. 6 EStG berücksichtigt worden ist.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Höhe des [X.] und des [X.] den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Steuerfreistellung des Existenzminimums genügt.

2

Die Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) sind Eheleute, die im Streitjahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie leben mit ihrer minderjährigen Tochter in [X.]. Bei der Festsetzung der Einkommensteuer berücksichtigte der Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt --[X.]--) die genannten Freibeträge in gesetzlicher Höhe. Über den Einspruch, mit dem die Verfassungswidrigkeit dieser gesetzlichen Grundlagen geltend gemacht wird, hat das [X.] noch nicht entschieden. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) blieben beim [X.] wie beim Finanzgericht ([X.]) erfolglos.

3

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Beschwerde machen die Antragsteller geltend, das [X.] habe unreflektiert die Zahlen des Siebten [X.]s vom 21. November 2008 (BTDrucks 16/11065) übernommen, ohne den Mindestbedarf unter unmittelbarem Rückgriff auf die sozialrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln. Auszugehen sei von den Leistungen zur Grundsicherung erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nach dem [X.] ([X.]) und nicht von den Sozialhilfeleistungen nach dem [X.] ([X.]). Danach sei gemäß § 20 [X.] von einem monatlichen Regelbedarf in Höhe von 364 € auszugehen, [X.] Kosten für die Unterkunft in Höhe von mindestens 378 €. Hieraus ergebe sich ein jährlicher sozialhilferechtlicher Anspruch in Höhe von 8.904 €. Wenn Einzel- und Mehrbedarfe in Anlehnung an die Rechtsprechung des [X.] ([X.]) mit einem Aufschlag von 25 % auf die Regelleistung berücksichtigt würden, folge daraus ein jährlicher Mindestbedarf in Höhe von 11.130 €, der deutlich über dem steuerlichen Grundfreibetrag liege. Ferner sei im Hinblick auf ihre minderjährige Tochter zu beanstanden, dass der im [X.] angesetzte Bedarf für Kinder außerhalb jeglicher Realität liege. Mit dem Freibetrag in Höhe von 7.008 € (einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung) könne eine Minderung der [X.] bis maximal 2.943,36 € erreicht werden oder es werde im Jahr ein Kindergeld von 2.208 € gewährt. Es könne niemand ernsthaft behaupten, dass ein Kind mit Beträgen dieser Größenordnung seinen existenznotwendigen Lebensunterhalt decken könne.

4

Die Antragsteller beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des Beschlusses des [X.] die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids vom 10. Dezember 2012 in Höhe von 1.756,15 € auszusetzen.

5

Das [X.] beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat den Antrag auf [X.] zu Recht abgelehnt.

7

1. a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 [X.]O). [X.] von § 69 Abs. 2 Satz 2 [X.]O sind u.a. dann zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (vgl. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, [X.], 447, [X.] 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung). Dies gilt auch für ernstliche Zweifel an der verfassungsrechtlichen Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm. An die Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen als im Fall der Geltendmachung fehlerhafter Rechtsanwendung ([X.] vom 26. August 2010 I B 49/10, [X.], 445, [X.], 826, m.w.N.).

8

b) Beruhen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift, dann setzt die Gewährung der [X.] nach langjähriger Rechtsprechung des [X.] wegen des [X.] jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes voraus ([X.] vom 1. April 2010 II B 168/09, [X.]E 228, 149, [X.], 558, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung von [X.] sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Diese Rechtsprechung ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar ([X.] vom 6. April 1988  1 BvR 146/88, [X.], Finanzgerichtsordnung, § 69, [X.], und vom 3. April 1992  2 BvR 283/92, [X.] --HFR-- 1992, 726).

9

2. Die Voraussetzungen für eine [X.] lagen danach im Streitfall nicht vor. Es kann dahinstehen, ob ein (besonderes) berechtigtes Interesse der Antragsteller an der Gewährung von [X.] besteht. Denn der [X.] hat im Hinblick auf den im Streitjahr geltenden Grund- und Kinderfreibetrag keine ernstlichen Zweifel an deren Verfassungsmäßigkeit.

a) Grundfreibetrag
Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (Beschlüsse vom 25. September 1992  2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, [X.]E 87, 153, [X.] 1993, 413; vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06, [X.]E 120, 125, m.w.N.) ist dem Steuerpflichtigen das Existenzminimum zu belassen. Die Höhe dieses Existenzminimums, welches unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) für eine Familie zu betrachten ist, orientiert sich dabei am Mindestbedarf, wie ihn das Sozialrecht in Form der Sozialhilfeleistungen konkretisiert (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]E 87, 153, [X.] 1993, 413). Zur verfassungsrechtlichen Überprüfung der Höhe des steuerlichen Grundfreibetrags ist dieser dem Mindestbedarf gegenüberzustellen.

aa) Für zusammenveranlagte Steuerpflichtige betrug der Grundfreibetrag gemäß § 32a Abs. 1 und 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 16.008 €.

bb) Was die Höhe des für 2011 anzusetzenden [X.] angeht, entnimmt der [X.] die maßgeblichen Daten dem Siebten und ergänzend auch dem [X.] der Bundesregierung (BTDrucks 16/11065 und 17/5550). Zwar wird der nur alle zwei Jahre vorzulegende Bericht (Beschluss des [X.] vom 31. Mai 1995, BTDrucks 13/1558) für ein bestimmtes Jahr und für das Folgejahr --in prognostischer Art und [X.] aufgestellt, so dass eigentlich ausschließlich der für das [X.] erstellte Siebte [X.] heranzuziehen wäre. Jedoch berücksichtigt der Achte Bericht die in Folge der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (sog. "Hartz IV"-Urteil des [X.] vom 9. Februar 2010  1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, [X.]E 125, 175) erfolgte Neuermittlung der Regelbedarfe zum 1. Januar 2011. Bei der gesetzlichen Festlegung des "neuen" Regelbedarfs (§ 20 [X.]; Anlage zu § 28 [X.]) wurden die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtet (Urteile des [X.] --BSG-- vom 12. Juli 2012 B 14 [X.] 153/11 R, [X.], 211; B 14 [X.] 189/11 R, juris; vom 28. März 2013 B 4 [X.] 12/12 R, Sozialrecht --[X.]-- 4-4200 § 20 Nr. 18). Mit dem --auch von den Antragstellern wiederholt zitierten-- Vorlagebeschluss des Sozialgerichts (SG) [X.], in dem die Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des "neuen" Regelbedarfs geäußert wird (Beschluss des SG [X.] vom 25. April 2012 S 55 [X.] 9238/12, juris), hat sich das BSG in den Gründen seiner Entscheidung(en) auseinandergesetzt. Das BSG hat die Argumentation des SG [X.] nicht geteilt. Verfassungsbeschwerden, die gegen die Entscheidungen des 14. [X.]s des BSG eingelegt wurden, hat das [X.] nicht zur Entscheidung angenommen ([X.] vom 20. November 2012  1 BvR 2203/12; vom 27. Dezember 2012  1 BvR 2471/12; vgl. [X.] in [X.], § 20 Rz 109.9). Der erkennende [X.] schließt sich der Rechtsprechung des BSG an und legt seiner Entscheidung in Übereinstimmung mit dem [X.] die "neuen" Regelbedarfssätze zugrunde.

(1) Nach den [X.] setzt sich der [X.] aus drei Positionen zusammen (Regelsatz, Kosten der Unterkunft, Heizkosten). Zu unterscheiden sind drei Personengruppen (Alleinstehende, Ehepaare, Kinder). Da die Antragsteller verheiratet sind, können entgegen ihren Berechnungen in der Beschwerdeschrift nicht die Daten für Alleinstehende herangezogen und einfach verdoppelt werden. Denn bei Ehepaaren ist im Hinblick auf den Regelbedarf --die [X.]e sprechen nicht vom Regelbedarf, sondern vom [X.] eine Haushaltsersparnis zu berücksichtigen, die sich auf dessen Höhe auswirkt (vgl. [X.]-Urteil vom 18. November 2009 [X.], [X.]E 227, 99, [X.], 414; [X.] in [X.] 4-4200 § 20 Nr. 18, Rz 25 der Gründe). Auch was die Unterkunfts- und Heizungskosten angeht, sind ausschließlich die für Ehepaare geltenden Daten (angemessene Wohnungsgröße u.ä.) anzusetzen.

(2) Beim Regelsatz ist bei Ehepaaren von einem Betrag in Höhe von 656 €/Monat, also jährlich von 7.872 € auszugehen (Achter [X.] unter Ziffer 4.1.1; 2 x 328 € gemäß § 20 Abs. 4 [X.] und Regelbedarfsstufe 2 gemäß Anlage A zu § 28 [X.], jeweils in der im Streitjahr geltenden Fassung). Das sog. [X.] Existenzminimum wurde bei der Berechnung des "neuen" Regelsatzes bereits erfasst (vgl. [X.] in [X.], § 20 Rz 43 f.).

(3) Bei den Kosten der Unterkunft geht der [X.] auf der Grundlage der im Siebten und Achten Bericht angegebenen Daten von einem Jahresbetrag in Höhe von 4.272 € aus (die Multiplikation der durchschnittlichen monatlichen Bruttokaltmiete pro qm in Höhe von 5,93 € mit der angemessenen Wohnungsgröße von 60 qm ergibt einen Monatsbetrag von 356 €). Der [X.] [X.] hat bei den Wohnkosten die im [X.] (BTDrucks 15/2462) niedergelegte Bedarfsermittlung für das [X.] ausführlich überprüft und ausdrücklich gebilligt ([X.]-Urteil in [X.]E 227, 99, [X.], 414). Der [X.] schließt sich dieser Auffassung an. Er kann der Beschwerdebegründung keine Argumente entnehmen, die eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würden. Auf die dort aufgeworfene Frage, ob für einen Alleinstehenden eine Wohnungsgröße von 30 qm, so die [X.]e, oder von 50 qm angemessen ist, so die Beschwerdebegründung, kommt es für den Streitfall nicht an, da die Antragsteller zusammen leben. Für Ehepaare hat der [X.] in Übereinstimmung mit dem Bericht eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen erachtet ([X.]-Urteil in [X.]E 227, 99, [X.], 414). Die von den Antragstellern herangezogene --allerdings erst am 3. April 2012 erlassene (Gesetz- und Verordnungsblatt [X.] 2012, [X.] ([X.]) [X.] weist in ihrer Anlage 1 für einen Zweipersonenhaushalt ebenfalls eine 60 qm-Wohnung als angemessen aus (vgl. auch [X.] in [X.], § 22 Rz 69). Auch gegen die Herleitung der Durchschnittsmieten aus der Wohngeldstatistik hat der [X.] keine Einwendungen erhoben ([X.]-Urteil in [X.]E 227, 99, [X.], 414). Soweit die Antragsteller auch diesbezüglich auf die [X.] [X.] verweisen, ist zum einen anzumerken, dass das [X.] eine Regionalisierung des Grundfreibetrags im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft nicht gefordert hat. Vielmehr hat es darauf abgestellt, dass angesichts des erheblichen Preisgefälles Preisunterschiede durch das Wohngeld ausgeglichen werden können ([X.]-Beschluss in [X.]E 87, 153, [X.] 1993, 413). Zum anderen weist die [X.] [X.] für Zwei-Personen-Haushalte nur geringfügig höhere Bruttokaltmieten aus als der [X.]. Soweit in der Literatur teilweise die Notwendigkeit gesehen wird, die Ballungsraumproblematik bei den Kosten der Unterbringung im Rahmen der Bemessung des Grundfreibetrags zu berücksichtigen (z.B. [X.], [X.] 2008, 124), können die Antragsteller hieraus keinen Vorteil für sich ableiten. Denn das Mietniveau in [X.] bleibt deutlich hinter vergleichbaren Großstädten wie [X.] oder [X.] zurück (vgl. www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/mietspiegel/de/download: Dokument "Ausstellung [X.]er Mietspiegel 2011").

(4) Die dem [X.] zugrunde liegende Berechnung der Heizkosten auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ([X.]) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 227, 99, [X.], 414). Für das [X.] ist danach für Ehepaare von einem Jahresbetrag von 835 € auszugehen (vgl. Achter [X.], Ziffer 4.1.3). Dass dieser Betrag ausreichend ist, bestätigt der Blick in andere öffentlich verfügbare Quellen, wie z.B. den durch das [X.] geförderten bundesweiten Heizkostenspiegel. Danach kostete das Beheizen einer 70-qm-Wohnung im Abrechnungsjahr 2011 mit Heizöl durchschnittlich 890 €, mit Erdgas 715 € und mit Fernwärme 785 € (Quelle: www.heizspiegel.de).

cc) Damit beträgt der Mindestbedarf von Ehepaaren 12.979 €. Zwischen dieser Summe und dem steuerlichen Freibetrag in Höhe von 16.008 € besteht eine Differenz von 3.029 €. Der [X.] vermag bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht zu erkennen, durch welche zusätzlichen Bedarfspositionen dieser "Puffer" aufgezehrt werden könnte. Für den von den Antragstellern befürworteten pauschalen 25 %-igen Zuschlag auf den Regelsatz zur Abgeltung von einmaligen Hilfen und Mehrbedarfen --dies entspricht einem Betrag von 1.968 €-- ist kein Raum. Der Rechtsprechung des [X.] lässt sich nicht entnehmen, dass dieser Bedarf überhaupt und auf diese Weise berücksichtigt werden müsste. Die maßgeblichen Entscheidungen des [X.] sind zur Rechtslage nach dem [X.] ([X.]) ergangen. Das [X.] hat die folgenden im [X.] vorgesehenen Leistungen als Maßgröße für das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum herangezogen: Regelsatz; Leistungen für Unterkunft und die Heizung; einmalige Hilfen, die einen zusätzlichen Grundbedarf berücksichtigen, der durch die laufenden Leistungen nicht gedeckt ist; Mehrbedarf für Erwerbstätige ([X.]-Beschluss in [X.]E 87, 153, [X.] 1993, 413). Danach sind Mehrbedarfe, die das [X.] beispielsweise für Schwangere, Alleinerziehende oder Behinderte anerkannte (§ 23 [X.] i.d.F. vom 20. Januar 1987; vgl. jetzt auch § 21 [X.] und § 30 SGB XII), nicht Teil des sozialhilferechtlichen [X.], der allgemein durch Hilfen zum notwendigen Lebensunterhalt an jeden Bedürftigen befriedigt wird. Die im Zuge der sog. [X.] erfolgten Änderungen im Sozialrecht haben dazu geführt, dass einmalige Beihilfen zum Lebensunterhalt, von wenigen Ausnahmen (§ 24 Abs. 3 [X.], § 31 Abs. 1 [X.]) abgesehen, nicht mehr gewährt werden ([X.] in Oestreicher, [X.]/[X.], § 20 [X.] Rz 12 und 26). Dem Wegfall der vom [X.] noch zahlreich vorgesehenen einmaligen Beihilfen (z.B. zur Anschaffung von Kleidung oder Gebrauchsgütern längerer Nutzungsdauer) wurde durch eine Erhöhung der Regelleistung und neu eingeführte Sonderbedarfstatbestände (vgl. z.B. § 24 Abs. 3 [X.]) Rechnung getragen (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 125, 175, m.w.N.). Das [X.] und das [X.] sehen im Unterschied zu § 23 Abs. 4 Nr. 1 [X.] (in der zum 1. Januar 1987 geltenden Fassung) auch keinen Mehrbedarf für Erwerbstätige mehr vor. Es erscheint daher naheliegend, dass dieser Bedarf bei der Ermittlung des [X.] auch nicht mehr zu berücksichtigen ist (a.A. wohl [X.], [X.] im Recht, 2000, S. 188 f.).

Aus den genannten Gründen kann es jedenfalls nicht angehen, pauschal 25 % des --erhöhten-- Regelbedarfs als Teil des sozialhilferechtlichen [X.] anzuerkennen, um [X.] und einmaligen Leistungsgewährungen Rechnung zu tragen. Im Übrigen würde der oben erwähnte "Puffer" ausreichen, um selbst einen --auf diese Weise [X.] zusätzlichen Bedarf auch noch abzudecken.

b) Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG
Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass im Streitjahr das [X.] steuerlich verschont wurde.

aa) Was die Steuerfreiheit des Existenzminimums der Kinder des Steuerpflichtigen angeht, gesteht das [X.] (Beschluss vom 14. Juni 1994  1 BvR 1022/88, [X.]E 91, 93, [X.] 1994, 909, unter [X.], m.w.N.) dem Gesetzgeber einerseits zu, die steuerliche Entlastung in Höhe des Existenzminimums der Kinder für alle Altersstufen und im ganzen [X.] einheitlich festzulegen, erkennt andererseits aber, dass die Leistungen der Sozialhilfe weder für alle in Betracht kommenden Altersstufen der Kinder noch in allen Bundesländern einheitlich sind. Daraus folgert es, dass für den Vergleich aus den unterschiedlichen Sätzen ein Durchschnittssatz des im Sozialhilferecht anerkannten Bedarfs gebildet werden muss. Die Kriterien für die Ermittlung des sozialrechtlichen [X.] hat das [X.] in seinem Beschluss vom 10. November 1998  2 BvL 42/93 ([X.]E 99, 246, [X.] 1999, 174) dahingehend weiter präzisiert, dass der Wohnbedarf des Kindes nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern nach dem Mehrbedarf zu ermitteln ist.

bb) Auf der Basis dieser Grundsätze vermag der [X.] nicht zu erkennen, dass die für 2011 geltenden Freibeträge verfassungsrechtlich zu beanstanden sein könnten. Die vergleichende Betrachtung mit dem Mindestbedarf zeigt, dass ausgehend von den Daten der [X.]e die Freibeträge ausreichend bemessen waren.

(1) Im Veranlagungszeitraum 2011 waren gemäß § 32 Abs. 6 EStG Freibeträge für das sächliche Existenzminimum in Höhe von 4.368 € und für den Betreuungs- oder Erziehungs- und Ausbildungsbedarf eines Kindes in Höhe von 2.640 € zu gewähren. Nach dem Siebten beziehungsweise [X.] betrug das sächliche Existenzminimum eines Kindes für das [X.]  3.864 € und für das [X.]  4.272 €.

(2) Bei der Ermittlung des [X.] geht der Achte [X.] unter Ziffer 5.1.1 zunächst von dem seit 1. Januar 2011 geltenden "neuen" Regelbedarf aus. Altersabhängige Unterschiede werden durch die Berechnung eines nach Lebensjahren gewichteten durchschnittlichen Regelbedarfs berücksichtigt, wobei nur minderjährige Kinder einbezogen wurden. Regionale Unterschiede bleiben unbeachtet. Das alles ist methodisch nicht zu beanstanden, was sich inzident aus der Rechtsprechung des [X.] ergibt. Im Verfahren 1 BvR 1022/88 hat es die vergleichbaren Berechnungen des [X.] wiedergegeben und nicht verworfen ([X.]-Beschluss in [X.]E 91, 93, [X.] 1994, 909). Auch der [X.] für das [X.] vom 17. Dezember 1997 (BTDrucks 13/9561, Ziffer 4.1), der Grundlage für die eigenen Berechnungen des [X.] im Verfahren 2 BvL 42/93 war (Beschluss in [X.]E 99, 246, [X.] 1999, 174), beruht auf derselben Vorgehensweise.

Hilfe zum Lebensbedarf umfasst auch die mit Wirkung ab 2011 neugeregelten Bildungs- und Teilhabeleistungen für Kinder (§ 28 [X.] und § 34 [X.]; vgl. hierzu [X.] in jurisPK-[X.], § 34 Rz 10 ff. und 25). Der Achte [X.] (Tz. 5.1.2) setzt hierfür --unter Ausgrenzung von Sonderbedarfslagen (z.B. Nachhilfeunterricht, mehrtägige [X.] pro Kind und Monat 19 € an (100 € jährlich für Schulbedarf, 3 € monatlich für Ausflüge sowie 10 € monatlich insbesondere für Vereinsmitgliedschaften, vgl. § 28 Abs. 3 und 7 [X.], § 34 Abs. 3 und 7 [X.]). Der Betrag wurde als nach Lebensjahren gewichteter Durchschnitt berechnet. Der Bericht qualifiziert diese Leistungen als Teil des sächlichen Existenzminimums, der dem entsprechenden steuerlichen Freibetrag in Höhe von 4.368 € gegenübergestellt wird. Dies erscheint dem [X.] zweifelhaft, weil offenkundig auch ein Bedarf befriedigt wird, der steuerlich durch den Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf zusätzlich abgegolten wird. Angesichts der im Bericht vollzogenen sachlich nachvollziehbaren Abgrenzung zwischen Sonder- und Regelbedarfslagen, der schlüssigen Berechnungen und des ohnehin bestehenden "Puffers" zwischen Existenzminimum und den Freibeträgen des § 32 Abs. 6 EStG sieht der [X.] keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine verfassungsrechtliche Beanstandung. Solche ergeben sich insbesondere auch nicht aus der Beschwerdebegründung.

Bei der Berechnung der Kosten der Unterkunft wird für ein Kind eine Wohnfläche von 12 qm zugrunde gelegt (Achter [X.], Ziffer 5.1.3). Die Methode stellt damit auf den für Kinder notwendigen Mehrbedarf an Wohnraum ab und nicht auf eine Aufteilung der Wohnkosten nach [X.] (so aber die Beschwerdebegründung). Das [X.] hat die Ermittlung nach der [X.] ausdrücklich verlangt ([X.]-Beschluss in [X.]E 99, 246, [X.] 1999, 174). Der Achte [X.] legt sodann die bei kinderlosen Ehepaaren berücksichtigte monatliche Bruttokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche auch für Kinder zugrunde. Beim [X.] werden somit Alleinerziehende mit einem Kind einem Zwei-Personen-Haushalt gleichgestellt. Bereits im [X.] für 1999 (BTDrucks 13/9561, Ziffer 5.3), der den Berechnungen des [X.] im soeben zitierten Beschluss vom 10. November 1998 zugrunde lag, wurde der Wohnbedarf auf diese Weise ermittelt.

Da in der [X.] die Heizkosten nicht kindbezogen erfasst sind, werden im [X.] die Heizkosten für Kinder als Relation zu deren Bruttokaltmiete entsprechend dem Verhältnis der Heizkosten eines kinderlosen Paares zu dessen Bruttokaltmiete in Ansatz gebracht.

Da es bei der Ermittlung des kindbezogenen [X.] angesichts der großen regionalen und altersbedingten Bandbreiten letztendlich nur darum geht, einen Richtwert auf statistisch nachvollziehbare Weise zu erhalten, sind für den [X.] keine Gründe dafür ersichtlich, warum die im [X.] verarbeiteten Daten und die dort angewandten Berechnungsmethoden diesem Zweck nicht genügen sollten.

(3) Aus den umfangreichen Darlegungen und Berechnungen der Antragsteller ergibt sich jedenfalls nichts Gegenteiliges. Sie beruhen schon im Ansatz auf unzutreffenden rechtlichen Annahmen. Es kommt nach der Rechtsprechung des [X.] gerade nicht darauf an, welchen konkreten Sozialhilfeanspruch die Antragsteller als Ehepaar mit einem Kind unter 14 Jahren an ihrem Wohnort [X.] --bei unterstellter [X.] hätten. Dass der kindbezogene Sozialhilfeanspruch im Einzelfall höher ist --im Streitfall nach den Angaben der Antragsteller 5.220 €-- als der steuerliche Freibetrag, führt damit nicht per se zu dessen Verfassungswidrigkeit.

Auch die übrigen Berechnungen der Antragsteller sind rechtlich unerheblich. Es kommt entgegen ihrer Meinung nicht darauf an, ob mit dem gesamten jährlichen Kindergeldzahlbetrag oder dem sich aus der Anwendung der Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG ergebenden durchschnittlichen oder maximalen Steuerersparnisbetrag der existentielle Lebensunterhalt eines Kindes gedeckt werden kann. Es kommt stets nur darauf an, dass derjenige Teil des selbst erzielten Einkommens, der zur Bestreitung des existenznotwendigen Bedarfs der Familie eingesetzt werden muss, unbesteuert bleibt.

Meta

III B 74/13

19.03.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 18. Juni 2013, Az: 7 V 7054/13, Beschluss

§ 32a Abs 1 EStG 2009, § 32a Abs 5 EStG 2009, § 32 Abs 6 EStG 2009, § 69 Abs 3 FGO, § 20 Abs 4 SGB 2, § 21 SGB 2, § 24 Abs 3 SGB 2, § 28 Abs 3 SGB 2, § 28 Abs 7 SGB 2, § 28 SGB 12, § 30 SGB 12, § 31 Abs 1 SGB 12, § 34 Abs 3 SGB 12, § 34 Abs 7 SGB 12, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.03.2014, Az. III B 74/13 (REWIS RS 2014, 6974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6974

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