Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.08.2006, Az. X ZR 146/03

X. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2338

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 1. August 2006 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 126 a) An einer echten Chance im Sinne von § 126 [X.] fehlt es, wenn die Leistungs-beschreibung fehlerhaft war und deshalb mangels Vergleichbarkeit die abgege-benen Angebote nicht gewertet werden können. b) Ist dem Bieter bekannt, dass die Leistungsbeschreibung fehlerhaft ist, und gibt er gleichwohl ein Angebot ab, steht ihm wegen dieses Fehlers der Ausschreibung ein Anspruch aus culpa in contrahendo auf Ersatz des [X.] nicht zu. [X.], [X.]. v. 1. August 2006 - [X.] - [X.] [X.] - 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 1. August 2006 durch [X.] Melullis, den [X.], die Richterinnen [X.] und Mühlens und [X.] [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das am 14. August 2003 verkündete [X.]eil des 27. Zivilsenats des [X.]s wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin verlangt von der beklagten [X.] Ersatz des Schadens, der ihr als Bieter durch die Teilnahme an einem Verga-beverfahren entstanden ist. Die Klägerin bietet Beratungs- und Dienstleistungen im Rahmen sozialpolitischer Maßnahmen an und ist vornehmlich für öffentliche Auftraggeber tätig. 1 - 3 - Die Klägerin bewarb sich auf eine Ausschreibung der Beklagten vom 11. Mai 2000. Sie wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 14. Juni 2000, dem ein Leistungskatalog beigefügt war, zur Abgabe eines Angebots aufgefor-dert. Mit Schreiben vom 20. Juni 2000 rügte die Klägerin, dass der [X.] nicht ausreichend spezifiziert sei. Die Beklagte nahm in ihrer Antwort den Standpunkt ein, eine weitere Spezifizierung sei für ein qualifiziertes Ange-bot nicht nötig. Die Klägerin gab am 26. Juli 2000 ein Angebot ab. Einer der beiden weiteren Bewerber erhielt den Zuschlag. 2 Am 14. Juni 2000 stellte die Klägerin den Antrag, ein Vergabeprüfverfah-ren durchzuführen. Dieses Verfahren endete mit einem Beschluss des [X.] vom 14. Februar 2001, durch den festgestellt wurde, dass die Ausschreibung wegen Unvollständigkeit des Leistungskatalogs nicht den vergaberechtlichen Anforderungen genügt und die Klägerin in ihren Rech-ten verletzt habe. 3 Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe eine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt, und beziffert ihren Schaden auf rund 37.000,-- •. Dieser Schaden sei ihr durch die Tätigkeit und durch Reisen ihrer Mitarbeiter im Zu-sammenhang mit der Erstellung des Angebots entstanden. Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 37.071,95 • nebst Zinsen zu verurteilen. 4 Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. 5 - 4 - Entscheidungsgründe: Die Revision ist nicht begründet. 6 I. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch aus § 126 [X.] verneint, weil dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe keine echte Chance im Sinne dieser Vorschrift gehabt. Eine Vergleich-barkeit der Angebote habe aufgrund der nur unvollständigen und den Be-stimmtheitserfordernissen der §§ 8 und 16 Nr. 1 VOL/A nicht genügenden Aus-schreibungsbedingungen nicht erreicht werden können. Das [X.] habe in seinem Beschluss vom 14. Februar 2001 ausgeführt, dass die Ausschreibungsunterlagen, die die Beklagte dem Vergabeverfahren zugrunde gelegt habe, insbesondere der Leistungskatalog, unvollständig und nicht hinreichend bestimmt gewesen seien. Es handele sich um eine so ge-nannte funktionale Ausschreibung, die Beklagte habe jedoch nicht die [X.] und die wesentlichen Einzelheiten des zu vergebenden Auftrags festgelegt. Art und Umfang der erwarteten Leistungen seien nicht klar genug umschrieben gewesen. Es habe an der [X.] gefehlt, weil die Ausschreibung der Beklagten nicht als Grundlage für einen Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot geeignet gewesen sei. Die Vergleichbarkeit der ein-gegangenen Angebote sei auf dieser Grundlage nicht gewährleistet gewesen. Es könne mangels Vergleichbarkeit der Angebote mithin nicht festgestellt wer-den, dass die Klägerin ohne den [X.] eine echte Chance [X.] hätte, den Zuschlag zu erhalten. 7 Einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo hat das [X.] verneint, weil die Klägerin kein schutzwürdiges Interesse im [X.] auf die Vergabe des Auftrags gehabt habe. Ihr sei der Verstoß der [X.] gegen die Vorschriften des öffentlichen Vergaberechts von Anfang an bekannt gewesen. [X.] Dies hält rechtlicher Prüfung stand. 9 1. a) Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs nach § 126 [X.] ist es, dass der Bieter ohne den behaupteten [X.] eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten. § 126 [X.] ist durch das [X.] mit Wirkung zum 1. Januar 1999 eingeführt [X.]. Die Vorschrift erweitert den Kreis der Anspruchsberechtigten. Dies sind alle am Vergabeverfahren beteiligten Bieter mit echter Chance und nicht nur derjenige Bieter, der bei ordnungsgemäß durchgeführter Ausschreibung den Zuschlag erhalten hätte ([X.]/Mestmäcker/[X.], [X.], 3. Aufl., § 126 Rdn. 2). 10 b) An einer echten Chance fehlt es jedoch, wenn die Leistungsbeschrei-bung fehlerhaft war und es deshalb an einer Vergleichbarkeit der abgegebenen Angebote und damit an einer Grundlage für die Beurteilung der echten Chance fehlt. Die fehlerhafte Leistungsbeschreibung stellt eine solche Grundlage dann nicht dar, weil auf die daraufhin abgegebenen Angebote von vornherein kein Zuschlag erteilt werden darf. 11 c) Zu der Frage, wer eine echte Chance im Sinne des § 126 [X.] hat, besteht weitgehend Einigkeit, dass ein Bieter, der bei Geltung der [X.]/A nicht in die engere Wahl nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 [X.]/A gekommen wäre, auch keine echte Chance auf die Erteilung des Zuschlags gehabt hat ([X.]/ [X.]/Müller-Wrede, [X.], 15. Aufl., § 126 [X.] Rdn. 4; [X.] 12 - 6 - /Mestmäcker/[X.] aaO; [X.]/[X.]/[X.], Kommentar zum Verga-berecht, 2. Aufl., § 126 [X.] Rdn. 1288). Die Ansicht von [X.] (in [X.], Öf-fentliches Auftragswesen im Umbruch, [X.], 91), wonach jedes Angebot eine echte Chance hat, das alle formellen Voraussetzungen der Ausschreibung er-füllt, wird überwiegend als zu weit gehend angesehen. Statt dessen soll es [X.] ankommen, ob ein Bieter zur Spitze der [X.] gehört hat ([X.], [X.] 1998, 16) oder ob die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers für oder gegen ein Gebot aufgrund des im Rahmen des § 25 Nr. 3 Abs. 3 [X.]/A vorhandenen Ermessens beziehungsweise des dem öffentlichen [X.] zustehenden [X.] rückblickend nicht mehr ge-richtlich nachprüfbar sei (Schnorbus, Baurecht 1999, 77 ff., 93; [X.]/ [X.], aaO; Boesen, Vergaberecht, § 126 Rdn. 25; [X.]/ Mestmäcker/[X.], aaO, Rdn. 14; [X.]/[X.]/[X.] aaO, Rdn. 1294). Eine echte Chance soll demnach dann anzunehmen sein, wenn die Erteilung des Zuschlags an den Anspruchsteller innerhalb der Grenzen des Wertungsspielraums liegt, der dem Auftraggeber bei der Angebotsbewertung zusteht. d) Voraussetzung ist jedoch stets, dass überhaupt ein Angebot vorliegt, das den Zuschlag hätte erhalten können. Daran fehlt es, wenn bereits die [X.] nicht besteht, weil eine nicht hinreichend spezifizierte und [X.] unklare Ausschreibung zu sachlich unterschiedlichen Geboten führt, zwi-schen denen eine Vergleichbarkeit nicht hergestellt werden kann. Nur über ei-nen solchen Vergleich ist aber das Bestehen einer echten Chance festzustellen. 13 2. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht einen Anspruch aus culpa in contrahendo verneint. Ein solcher Anspruch wäre zwar ergänzend zu der [X.] - 7 - zialregelung des § 126 [X.] grundsätzlich denkbar, seine Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Eine Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers aus culpa in [X.] hat nach der Rechtsprechung des Senats ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter darauf, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägi-gen Vorschriften des Vergaberechts, insbesondere unter Beachtung der [X.] abgewickelt wird ([X.] 139, 281, 283 für eine Ausschrei-bung nach [X.]/A). 15 Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin mehrmals auf die Unzulänglichkeit der Verdingungsunterlagen hingewiesen worden sei und sodann das Vergabenachprüfverfahren eingeleitet habe. Dies zeige, dass die Klägerin seit der Übersendung des Leistungskatalogs erkannt habe, dass die Ausschreibung nicht den Anforderungen der §§ 8, 16 VOL/A entsprochen habe und dass die Abgabe eines mit den Angeboten anderer Bieter vergleichbaren Angebots nicht möglich gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus dem eindeuti-gen Wortlaut der Schreiben der Klägerin vom 20. und 27. Juni 2000. Die Kläge-rin habe daher auf eigenes Risiko die Aufwendungen für die Erstellung des [X.] veranlasst, was einen Anspruch aus culpa in contrahendo ausschließe. 16 Voraussetzung eines Anspruchs aus culpa in contrahendo ist, dass der Bieter sein Angebot tatsächlich im Vertrauen darauf abgibt, dass die Vorschrif-ten des Vergabeverfahrens eingehalten werden. An diesem [X.] fehlt es, soweit dem Bieter bekannt ist, dass die Ausschreibung fehlerhaft ist. Er vertraut dann nicht berechtigterweise darauf, dass der mit der Erstellung des Angebots und der Teilnahme am Verfahren verbundene Aufwand nicht nutzlos ist. Erkennt der Bieter, dass die Leistung nicht ordnungsgemäß [X.] - 8 - schrieben ist, so handelt er bei der Abgabe des Angebots nicht im Vertrauen darauf, dass das Vergabeverfahren insoweit nach den einschlägigen Vorschrif-ten des Vergaberechts abgewickelt werden kann. Ein etwaiges Vertrauen [X.], dass gleichwohl sein Angebot Berücksichtigung finden könnte, ist jedenfalls nicht schutzwürdig. I[X.] [X.] beruht auf § 97 ZPO. 18 [X.] [X.]

Mühlens [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.06.2002 - 23 O 209/01 - [X.], Entscheidung vom 14.08.2003 - 27 U 264/02 -

Meta

X ZR 146/03

01.08.2006

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.08.2006, Az. X ZR 146/03 (REWIS RS 2006, 2338)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2338

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