Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2006, Az. X ZR 39/03

X. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4907

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 21. Februar 2006 Weschenfelder Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.]/A § 26 Nr. 1 Erklärt ein Privater ohne Einschränkung, dass er eine Ausschreibung nach den Regeln der [X.]/A durchführen werde, begründet er in gleicher Weise wie ein öffentlicher Auftraggeber einen Vertrauenstatbestand bei den Teilnehmern der Ausschreibung. Die Teilnehmer dürfen deshalb in einem solchen Fall auch bei der Ausschreibung eines Privaten darauf vertrauen, dass der [X.] bei der Vergabe des Auftrags insgesamt die Regeln der [X.]/A einhält. Wird dieses Vertrauen enttäuscht, können den Teilnehmern der Ausschreibung Schadensersatzansprüche nach denselben Grundsätzen zustehen, die für öf-fentliche Auftraggeber gelten. [X.], [X.]. v. 21. Februar 2006 - [X.] - [X.] - 2 - [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 21. Februar 2006 durch [X.] Melullis, [X.], die Richterin Mühlens und [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das am 21. Februar 2003 [X.] [X.]eil des 1. Zivilsenats des [X.] in [X.] aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.]. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin ist ein Tiefbauunternehmen Sie ist auf den Gebieten der Umwelttechnik und des [X.] tätig. Die Beklagte betreibt Abfallentsor-gung. 1 - 3 - Die Beklagte schrieb im Mai 2000 die Bauleistungen für die Baumaß-nahme "Zentrale Mülldeponie A. , Basisabdichtung, Bauabschnitt [X.])" zur Erweiterung dieser Mülldeponie gemäß § 17 Nr. 1 [X.]/A öffentlich aus. Die Klägerin beteiligte sich an dieser Ausschreibung und gab das güns-tigste Angebot ab. Nachdem sie erfahren hatte, dass die Beklagte [X.], einer anderen Bieterin den Zuschlag zu erteilen, rief sie die Vergabeprüf-stelle beim Innenministerium des Landes [X.]-Holstein an. Diese empfahl der Beklagten, das Angebot der Klägerin anzunehmen, führte aber weiter aus, der Beklagten sei es unbenommen, die Ausschreibung aufzuheben und eine neue Ausschreibung mit geändertem Leistungsumfang durchzuführen. [X.] stellte die Beklagte das Vergabeverfahren ein und kündigte eine erneute öffentliche Ausschreibung an. Sie begründete die Aufhebung mit einer Ände-rung der technischen Konzeption und der Zeitschiene. Die neue Ausschreibung sah mehrere Änderungen vor. Die Klägerin beteiligte sich auch an dieser [X.]. Den Zuschlag erhielt jedoch nicht sie, sondern die [X.], der die Beklagte schon bei der ersten Ausschreibung den Zuschlag hat-te erteilen wollen und die bei der zweiten Ausschreibung das günstigste Ange-bot abgegeben hatte. 2 Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz. Sie behauptet, es sei ihr nicht gelungen, Ersatzaufträge zu erlangen; wäre zwischen ihr und der Beklagten ein Vertrag zustande gekommen, so hätte sie dadurch einen [X.] zur Deckung ihrer Geschäftskosten in Höhe von 12,33 % der [X.] erzielt, nämlich einen Betrag von 236.145,90 DM. Außerdem seien ihr Kosten durch die Teilnahme an der Ausschreibung in Höhe von 15.079,96 DM entstanden. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf culpa in contrahendo. Sie ist der Ansicht, sie könne Ersatz ihres [X.] 3 - 4 - beanspruchen, für das die Beklagte in gleicher Weise wie ein öffentlicher [X.] hafte. Mit der uneingeschränkten Erklärung, für die Ausschreibung solle die [X.]/A gelten, habe die Beklagte kundgetan, dass sie sich dem Gleichheitssatz unterwerfen und ihr Recht auf Privatautonomie entsprechend einschränken wolle. Das [X.] hat durch Grundurteil die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche [X.]eil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klage-begehren weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. 4 Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]eils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht. 5 Das Berufungsgericht hat angenommen, dass Streitgegenstand allein das Begehren der Klägerin sei, sie so zu stellen, als sei der Zuschlag aufgrund der - aufgehobenen - Ausschreibung an sie erteilt worden; das Begehren der Klägerin richte sich demnach nur auf das [X.]. 6 Dem tritt die Revision nicht entgegen. Rechtsfehler sind insoweit nicht zu erkennen. 7 - 5 - Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin aus culpa in contrahendo auf Ersatz des [X.] verneint. Die Beklagte habe die Ausschreibung nach [X.]/A als privater Auftraggeber vorgenommen. Als solcher sei sie, für jeden Bieter erkennbar, nicht an den Gleichheitssatz ge-bunden, sondern unterliege der Privatautonomie. Die Beklagte habe deshalb nach freiem Belieben entscheiden können, mit wem sie habe kontrahieren [X.]. Führe ein privater Auftraggeber eine Ausschreibung nach [X.]/A durch, könne der Bieter nicht darauf vertrauen, dass es auf jeden Fall zu einem Ver-tragsschluss zwischen dem günstigsten Bieter und dem [X.]n kommen werde. Halte sich der [X.] schuldhaft nicht an die Rege-lungen der [X.]/A, komme lediglich der Ersatz des negativen Interesses in [X.]. 8 Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 9 Eine Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers kann sich nach der Rechtsprechung des [X.]ats aus den Grundsätzen der culpa in contrahendo ergeben. Die Ersatzpflicht findet ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter darauf, dass das Vergabeverfahren nach den [X.], insbesondere unter Beachtung der [X.]/A, abge-wickelt wird. Wird eine Ausschreibung aufgehoben, ohne dass einer der in § 26 [X.]/A genannten Gründe vorliegt, so setzt der auf Ersatz auch des entgange-nen Gewinns gerichtete Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo nicht nur voraus, dass dem Bieter bei Fortsetzung des Verfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, weil er das annehmbarste Angebot abgegeben hat; Voraussetzung ist vielmehr außerdem, dass der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden ist ([X.]. [X.] 139, 259, 268, 280, 282 f.; [X.].[X.]. v. 16.04.2002 - [X.]/00, NJW 2002, 2558; [X.].[X.]. v. 16.12.2003 10 - 6 - - [X.], NJW 2004, 2165). Die Pflicht des [X.]n, unter die-sen Voraussetzungen Schadensersatz zu leisten, folgt daraus, dass der [X.] an der Ausschreibung darauf vertrauen darf, dass die Vorschriften der [X.]/A eingehalten werden. Andererseits muss jeder Bieter mit der Möglichkeit rechnen, dass die Vergabe des Auftrags unterbleiben kann, da ein Anspruch auf den Zuschlag nicht besteht (vgl. [X.].[X.]. v. 05.11.2002 - [X.], [X.] 2003, 659). Ersatz des [X.] ist deshalb nur für den nach den Regeln des Vergaberechts bestimmten Bestbieter denkbar, dem der tatsächlich vergebene Auftrag unter Verstoß gegen das Vergaberecht nicht erteilt wurde. Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs auf Ersatz des [X.] ist demnach hier nicht nur, dass die Ausschreibung unter Missachtung der Regelungen der [X.]/A aufgehoben worden ist und dass dem Bieter bei Fortsetzung des Verfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen, weil er das annehmbarste Angebot abgegeben hatte, sondern darüber hinaus, dass der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt worden ist. Diese Grundsätze gelten zunächst uneingeschränkt dann, wenn der [X.] Normadres-sat des Vergaberechts ist, weil er öffentlicher Auftraggeber im Sinne der §§ 97, 98 GWB ist. Ob diese Voraussetzungen, insbesondere diejenigen des § 98 Abs. 2 GWB, hier auf die Beklagte zutreffen, hat das Berufungsgericht bisher nicht abschließend geprüft. Hierauf kommt es jedoch im vorliegenden Fall nicht entscheidend an. Auch wenn es sich bei der Beklagten nicht um einen öffentlichen Auftraggeber handelt, bleibt dies ohne Einfluss auf die Voraussetzungen eines Schadenser-satzanspruchs der Klägerin. Erklärt ein privater Auftraggeber, wie hier die [X.], dass er die von ihm durchgeführte Ausschreibung nach den Regeln der [X.]/A durchführen werde, begründet er in gleicher Weise wie ein öffentlicher Auftraggeber, für den dies bei einem oberhalb der Schwelle liegenden Auftrag 11 - 7 - ohne ausdrückliche Vereinbarung gilt, Vertrauen bei denjenigen, die sich am Ausschreibungsverfahren beteiligen. Derjenige, der an einer solchen [X.] teilnimmt, vertraut berechtigterweise darauf, dass sich der [X.] wie ein öffentlicher Auftraggeber an die Regeln der [X.]/A halten werde. Sieht die Ausschreibung keine Ausnahme hinsichtlich der Geltung der [X.]/A-Regelungen vor, so darf der Bieter deshalb auch bei einer solchen [X.] eines Privaten davon ausgehen, dass der [X.] die [X.] insgesamt der [X.]/A unterworfen hat. Er muss nicht annehmen, dass der [X.] nur ihm günstige Regelungen der [X.]/A akzeptieren, ihn beschränkende jedoch nicht anwenden will, solange kein ausdrücklicher entsprechender Ausschluss bestimmt ist. Will der [X.] nur Teile der [X.]/A auf seine Ausschreibung angewandt wissen, muss er dies zum Aus-druck bringen, anderenfalls darf der Bieter berechtigterweise darauf vertrauen, dass das Regelungswerk der [X.]/A insgesamt gilt. Dies bedeutet für den [X.], der die Ausschreibung der [X.]/A unterstellt, dass er in gleicher Weise und unter den gleichen Voraussetzungen haftet wie ein öffentlicher [X.]. Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, kann der [X.]at nicht ab-schließend entscheiden. Das Berufungsgericht wird insbesondere noch zu klä-ren haben, ob der Auftrag, der Gegenstand der aufgehobenen ersten [X.] war, erteilt worden ist, d.h. ob der Auftrag, den die Beklagte der [X.] letztlich erteilt hat, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise be-reits Gegenstand der ersten aufgehobenen Ausschreibung war. Dies ist eine Frage, deren Beantwortung von einem Vergleich des Inhalts des ausgeschrie-benen und dem des vergebenen Auftrags in tatsächlicher Hinsicht abhängt und deshalb zunächst von der Feststellung von Tatsachen und einer anschließen-den tatrichterlichen Bewertung abhängt, so dass sie im vorliegenden Revisions-12 - 8 - rechtszug nicht erfolgen kann. Entscheidend für die zutreffende Wertung wird sein, ob der vergebene Auftrag im Vergleich zu dem zunächst [X.] Vorhaben wesentliche Änderungen aufweist (vgl. [X.].[X.]. v. 05.11.2002 - [X.], [X.], 168, 169; [X.]. v. 16.12.2003 - [X.], NJW 2004, 2165). Dabei werden allerdings solche Unterschiede unberücksichtigt bleiben müssen, die allein durch die spätere Ausführung der Arbeiten [X.] sind. Dazu könnte beispielsweise die in der späteren Ausschreibung ent-haltene Wintersicherung gehören. Melullis [X.] Mühlens

Meier-Beck [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.]/01 - OLG [X.], Entscheidung vom 21.02.2003 - 1 U 57/02 -

Meta

X ZR 39/03

21.02.2006

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2006, Az. X ZR 39/03 (REWIS RS 2006, 4907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4907

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