Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2007, Az. XII ZR 168/04

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5603

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 24. Januar 2007 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja BGB § 269 Abs. 1; ZPO § 29 Abs. 1 Bei einem Beherbergungsvertrag kommt ein einheitlicher Erfüllungsort für die beiderseitigen Leistungen regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn ein Reisebü-ro für seinen Kunden [X.] im eigenen Namen bestellt. Erfüllungsort für den Zahlungsanspruch (und damit Gerichtsstand für die [X.]) ist dann regelmäßig der Sitz des Reisebüros. [X.], Urteil vom 24. Januar 2007 - [X.]/04 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2007 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], Dr. [X.] und die Richterin Dr. [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des [X.] vom 8. Juli 2004 wird auf Kosten des [X.] zu-rückgewiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Der Kläger, Inhaber eines Hotels in [X.]

, macht gegen die [X.], die ein Reisebüro in [X.]

betreibt, vor dem Amtsgericht [X.] Zahlungsansprüche aus einem Beherbergungsvertrag geltend. 1 Die Beklagte buchte für die [X.] vom 18. bis 21. Juni 2003 bei dem Klä-ger für ihre Kunden [X.]. Die Rechnung sollte an die Beklagte über-sandt und von dieser bezahlt werden. 2 Das Amtsgericht hat nach vorherigem Hinweis auf die fehlende örtliche Zuständigkeit die Klage durch unechtes Versäumnisurteil als unzulässig abge-wiesen. Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. 3 - 3 - Entscheidungsgründe: 4 Die Revision hat keinen Erfolg. [X.] 5 Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: 6 Entgegen der Auffassung des [X.] ergebe sich eine örtliche Zustän-digkeit des [X.] nicht aus § 29 ZPO, der für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis den besonderen Gerichtsstand des [X.] vorsehe. Der Erfüllungsort bestimme sich nach § 269 BGB. Danach sei der Wohnsitz des Schuldners bzw. der Ort seiner gewerblichen Niederlassung der Leistungsort, wenn nicht die Parteien etwas anderes vereinbart hätten oder sich aus den Umständen ein anderer Leistungsort ergebe. Die Parteien hätten keinen Leistungsort bestimmt. Auch aus den Um-ständen, insbesondere der Natur des Vertragsverhältnisses, sei kein vom Sitz der [X.] abweichender Leistungsort zu entnehmen. 7 Anders als bei einem herkömmlichen Beherbergungsvertrag, bei dem der Gast als Vertragspartner die Beherbergungsleistung selbst in Anspruch nehme und gemäß der Verkehrssitte vor Ort bar bezahle, habe die Beklagte im [X.] Fall den Beherbergungsvertrag im eigenen Namen für ihre Kunden ab-geschlossen und - für den Kläger erkennbar - den Beherbergungsort nie aufsu-chen wollen. Der Leistungsort für die Zahlung, die, wie in der Buchung aus-drücklich vermerkt sei, über die Beklagte habe erfolgen sollen, sei der Sitz der [X.] und nicht, wie beim herkömmlichen Beherbergungsvertrag, der [X.]. 8 - 4 - I[X.] 9 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. 10 1. Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass eine örtliche Zuständigkeit des [X.] als Gericht des Erfüllungsortes ge-mäß § 29 ZPO nicht begründet ist. 11 a) Der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO bestimmt sich nach materiel-lem Recht. Für vertragliche Verpflichtungen regelt § 269 BGB den Leistungsort, der dem Erfüllungsort entspricht. Danach hat die Leistung vorbehaltlich gesetz-licher Sondervorschriften in der Regel an dem Ort zu erfolgen, an welchem der Schuldner zur [X.] der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz, bei juristischen Personen den Sitz hatte. Etwas anderes gilt erst dann, wenn festgestellt wird, dass die Vertragsparteien einen anderen Leistungsort be-stimmt haben oder die Umstände des Falls einen solchen ergeben (vgl. [X.] 157, 20, 23 m.w.N., [X.] Urteil vom 4. März 2004 - [X.]/03 - NJW-RR 2004, 932). Dabei ist der Leistungsort für jede einzelne Verpflichtung gesondert zu bestimmen. Auch bei gegenseitigen Verträgen richtet er sich für die [X.] Leistungen jeweils nach den unterschiedlichen Wohnsitzen der Vertrags-parteien; er ist daher nicht notwendig einheitlich ([X.] Urteil vom 9. März 1995 - [X.] - NJW 1995, 1546; Beschluss vom 5. Dezember 1985 - [X.] 737/85 - NJW 1986, 935; [X.], 67, 69). 12 b) Für die hier geltend gemachten Zahlungsansprüche ist danach gemäß §§ 270 Abs. 4 i.V.m. 269 Abs. 1, 2 BGB, § 17 ZPO der Sitz der beklagten GmbH Erfüllungsort, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben oder sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. 13 - 5 - Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien für die Zahlungsverpflichtung der [X.] keinen von deren Sitz abweichenden Erfüllungsort am Sitz des [X.] ver-einbart. 14 15 Ein solcher lässt sich auch nicht aus den Umständen entnehmen. 16 [X.]) Aus welchen Umständen auf einen vom Sitz der [X.] abwei-chenden Erfüllungsort geschlossen werden kann, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck der Regelung. Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass zu diesen Umständen neben der Natur des Schuldverhältnisses die Beschaffenheit der Leistung und der mutmaßliche Wille der Beteiligten gehören sollten. Diese Begriffe waren im ersten Entwurf zum BGB ausdrücklich aufgeführt, wurden dann aber gestrichen, weil man es für richtiger und einfacher hielt, auf die Um-stände des Falles zu verweisen und als einen dieser Umstände die Natur des Schuldverhältnisses hervorzuheben. In dem Protokoll heißt es dazu: "Daß zu den zu berücksichtigenden Umständen vor Allem auch die Beschaffenheit der Leistung gehöre, erschien selbstverständlich. Der muthmaßliche Wille der Be-theiligten aber sei nichts Anderes, als was sich aus den Umständen des Falles ergebe, und könne deshalb nicht neben diesen genannt werden." ([X.], Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das [X.], I[X.] 1899, S. 524; [X.] 157, [X.]O; [X.], 366, 369). Auf dieser Grundlage hat die Rechtsprechung bei bestimmten gegensei-tigen Verträgen aus den Umständen einen einheitlichen Erfüllungsort für Leis-tung und Gegenleistung hergeleitet (für den Bauvertrag: [X.] Beschluss vom 5. Dezember 1985 - [X.] 737/85 - [X.]O; für den [X.]: [X.] Urteil vom 17. September 2003 - [X.], 3418; für den Ar-chitektenvertrag, der neben der Planung auch die Bauaufsicht umfasst: [X.] 17 - 6 - Urteil vom 7. Dezember 2000 - [X.] - NJW 2001, 1936; für den [X.]: [X.] 1987, 929 m.w.N.; [X.]/[X.] Aufl. § 269 BGB Rdn. 13 ff.; [X.]/Vollkommer ZPO 26. Aufl. § 29 Rdn. 24, 25). 18 bb) Bei [X.] hat die Rechtsprechung die Annahme eines einheitlichen [X.] am Ort des Hotels darauf gestützt, dass der Gast, der die Bestellung selbst aufgegeben und keine besondere [X.] vereinbart hat, nach der allgemeinen Verkehrssitte im [X.] die Bezahlung stets am Ort der Beherbergung zu erbringen habe ([X.] [X.]O). Im vorliegenden Fall greift diese allgemeine Verkehrssitte nicht. Denn die Beklagte sollte den Ort der Beherbergung nicht selbst aufsuchen und Zahlung nicht vor Ort, sondern nach Rechnungserteilung von ihrem Sitz aus erbringen. Die Parteien sind folglich davon ausgegangen, dass die Zahlung nicht am Ort des Hotels, sondern am Sitz der [X.] zu erbringen ist. 19 cc) Entgegen der Ansicht der Revision genügt - unabhängig von der [X.] Zahlungsweise - nicht allein die besondere Ortsbezogenheit der ver-tragstypischen Leistung bei dem Beherbergungsvertrag, um aus dessen Natur einen einheitlichen Erfüllungsort am Beherbergungsort zu begründen. 20 Allein deshalb, weil am Ort der Beherbergung der Schwerpunkt des [X.] liegt, kann ein einheitlicher Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung nicht bejaht werden ([X.] 157, 20, 25). Dies hätte nämlich zur Folge, dass, da die vertragstypische Leistung regelmäßig nicht durch die Zahlungsverpflichtung bestimmt wird, nahezu bei jedem Vertragstyp ein einheitlicher Erfüllungsort für Leistung und Gegenleistung vorläge. Das ist mit der Regelung des § 269 Abs. 1 BGB unvereinbar ([X.] [X.]O). Ein einheitlicher Erfüllungsort kann deshalb nur 21 - 7 - dann angenommen werden, wenn dafür weitere Umstände festgestellt werden können, wie etwa die o.g. Verkehrssitte oder bei einem Bauvertrag der [X.], dass auch der Besteller am Ort des Bauwerks mit der Abnahme gemäß § 640 BGB eine seiner Hauptpflichten erfüllen muss. In diesen Fällen, in denen beide Vertragsparteien wesentliche vertragliche Pflichten an einem Ort erbrin-gen müssen, entspricht es der Natur des Schuldverhältnisses, dass die [X.] ihre gesamten daraus herrührenden Rechtsbeziehungen an [X.] erledigen ([X.] Beschluss vom 5. Dezember 1985 - [X.] 737/85 - [X.]O). Der von der Revision vorgetragene Gesichtspunkt, es sei sachgerecht, die Gerichte am Ort des Hotels über etwaige Einwendungen gegen den [X.] entscheiden zu lassen, da ihnen die Verhältnisse am besten vertraut seien und eine Beweisaufnahme über behauptete Mängel dort einfach und ohne großen Aufwand durchgeführt werden könne, stellt keinen Umstand dar, der die Annahme eines einheitlichen Erfüllungsortes am Ort der Beherber-gung rechtfertigt. [X.] allein können ei-nen von der Regel des § 269 Abs. 1, Abs. 2 BGB abweichenden Leistungsort nicht begründen. 22 [X.]) Danach lassen sich im vorliegenden Fall keine Umstände feststellen, die einen vom Sitz der [X.] abweichenden Erfüllungsort für ihre Zah-lungsverpflichtung begründen. 23 Anders als beim Bauvertrag, bei dem der Besteller eine seiner Haupt-pflichten, nämlich die Abnahme des Werkes, am Ort des Bauwerkes erfüllen muss, musste die Beklagte am Ort der Beherbergung keine wesentlichen [X.] erfüllen. Insbesondere sollte eine Zahlung vor Ort nicht erfolgen. 24 - 8 - 2. Da eine Zuständigkeit des [X.] für die Zahlungs-klage weder aus § 29 a ZPO (vgl. § 29 a Abs. 2 ZPO i.V.m. § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB) noch aus einem anderen Gerichtsstand begründet ist, hat das [X.] die Berufung zu Recht zurückgewiesen. 25 Hahne [X.] [X.] [X.] [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.02.2004 - 25 C 17634/03 - [X.], Entscheidung vom 08.07.2004 - 21 S 104/04 -

Meta

XII ZR 168/04

24.01.2007

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2007, Az. XII ZR 168/04 (REWIS RS 2007, 5603)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5603

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