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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 65/15
vom
26. März
2015
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am 26.
März
2015
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23.
September 2014 mit den [X.] aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklag-ten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet [X.] ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen we-gen Beleidigung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer anderweit verhängten Freiheitsstrafe von drei Monaten wegen Bedrohung zu der Gesamtfreiheits-strafe von fünf Monaten verurteilt. Des Weiteren hat es ihn wegen gefährlicher 1
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3
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Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung, Beleidigung in zehn Fällen, Verleumdung, Missbrauchs von Notrufen und Sachbeschädigung zu der weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ver-urteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus [X.]. Seine auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Maßregelanordnung nach §
63 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a)
Die Urteilsgründe belegen nicht, dass die Anordnung der Unterbrin-gung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.
aa)
Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatri-schen Krankenhaus gemäß §
63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Be-troffenen darstellt. Sie darf daher nur dann angeordnet werden, wenn zweifels-frei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der [X.] aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlich-keit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen; die zu erwarten-den Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des [X.], seines [X.] und der von ihm begangenen [X.](en) zu entwickeln. Dabei sind an die Darlegungen umso höhere
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4
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4
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Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachver-halt um einen Grenzfall handelt (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
Juli 2012
4
StR
224/12, [X.], 337, 338 mwN). Der Tatrichter muss die eine Unterbringung tragenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend [X.], dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen ([X.], Beschluss vom 24.
Oktober 2013
3
StR
349/13, juris
Rn.
5).
bb)
Darüber hinaus muss die Anordnung verhältnismäßig sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. In §
62 StGB hat ihn der Gesetzgeber ausdrücklich nochmals [X.] geregelt, um seine Bedeutung bei der Anordnung von Maßregeln der Besse-rung und Sicherung hervorzuheben. Er beherrscht auch die Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und gebie-tet, dass die Freiheit der Person nur beschränkt werden darf, soweit dies im öffentlichen Interesse unerlässlich ist ([X.], Beschluss vom 5.
Juli 2013
2
BvR
789/13, [X.], 360 [nur [X.]]). Die Unterbringung darf nicht
angeordnet werden, wenn die wegen ihrer unbestimmten Dauer sehr [X.] Maßnahme außer Verhältnis zu der Bedeutung der begangenen und zu [X.] Taten stehen würde ([X.], Beschluss vom
26.
Juni 2007
5
StR 215/07, [X.], 300, 301). Bei der gebotenen Abwägung zwischen den Sicherungsbelangen der Allgemeinheit und dem [X.] ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. [X.]E 70, 297, 313). Zu erwägen sind nicht nur der Zustand des Betroffenen
und die von ihm ausgehende Gefahr, sondern auch sein früheres Verhalten, seine aktuellen Lebensumstände, die ihn konkret treffenden Wirkungen einer Unterbringung nach §
63 StGB sowie die Möglichkeiten, ggf. durch andere Maßnahmen auf 5
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5
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ihn einzuwirken ([X.], Urteil vom 31.
Juli 2013
2
StR
220/13, [X.], 339, 340).
b)
Das [X.] hat
den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht
erwähnt; das begründet hier einen durchgreifenden Erörterungsmangel. Der [X.] kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entneh-men, dass die [X.] diese Frage geprüft
und (konkludent)
bejaht hat. Eine Erörterung anhand des unter Buchst.
a) dargelegten Maßstabs war im vor-liegenden Fall jedoch unverzichtbar:
Das [X.] ist zwar mit Recht davon ausgegangen, dass
der von ihm als [X.] allein herangezogene Fall
II.12 der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte u.a. den Straftatbestand
der gefähr-lichen Körperverletzung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB
erfüllt hat,
in den Be-reich der mittleren
Kriminalität hineinreicht. Gleichwohl war nach den [X.] die Schwelle zur Erheblichkeit nicht wesentlich überschritten. Ob die daraus resultierenden erhöhten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit ge-wahrt sind (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
August 2014
3
StR
243/14), kann der [X.] nicht überprüfen.
2.
Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§
349 Abs.
2 StPO).
3.
Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird zu erwägen haben, einen anderen Sachverständigen mit der Begutachtung des Angeklag-
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7
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6
-
ten zu den Voraussetzungen des §
63 StGB zu beauftragen
(§
246a Abs.
1 StPO).
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak
Franke
Bender
Meta
26.03.2015
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2015, Az. 4 StR 65/15 (REWIS RS 2015, 13327)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 13327
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
4 StR 367/18 (Bundesgerichtshof)
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung
1 StR 594/13 (Bundesgerichtshof)
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Gefährlichkeitsprognose bei alternativ festgestellter Störung und weniger schwerwiegenden Anlasstaten
4 StR 275/13 (Bundesgerichtshof)
4 StR 171/14 (Bundesgerichtshof)
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen zur Schuldunfähigkeit bzw. verminderten Schuldfähigkeit
1 StR 594/13 (Bundesgerichtshof)
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