Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2018, Az. XI ZR 397/16

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 15254

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:230118UXIZR397.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
URTEIL
XI ZR 397/16
Verkündet am:
23.
Januar 2018
Herrwerth
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23.
Januar 2018 durch
den Vizepräsidenten Prof.
Dr.
Ellenberger, die Richter Dr.
Joeres und Dr.
Matthias sowie die Richterinnen Dr.
Menges und Dr.
Dauber

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird das Urteil des 13.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 22.
Juni 2016
mit Ausnahme der Entscheidung über die [X.] von vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen aufge-hoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den [X.] eines Verbraucherdarlehensvertrags
gerichteten Willenserklärung des [X.].
Der Kläger schloss im Dezember
2001
-
nach seiner Behauptung dazu
in einer Haustürsituation bestimmt

mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (künftig einheitlich: Beklagte) einen Darlehensvertrag
über 6.000

i-1
2
-
3
-
nanzierung einer über einen Treuhänder vermittelten Beteiligung an der M.

GmbH
&
Co.

[X.] (künftig: [X.]) in Höhe von insgesamt 15.000

zuzüglich eines Agios von 750

diente. Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die der entsprach, die Gegenstand des [X.] vom 12.
Juli 2016 (XI
ZR
501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
2) war.
Der Kläger führte das Darlehen am 15.
Januar 2007 vollständig zurück. Die [X.] wurde ab 2009 liquidiert. Ihre Firma ist nach Beendigung der Liquidation Ende 2013 erloschen. Mit Schreiben seines vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 26.
Februar 2013
widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Er
hat auf Zahlung seiner Einlage abzüglich erlangter Ausschüttungen an ihn, Freistellung "von sämtlichen Verpflichtungen aus der Kapitalanlage"
und Zahlung vorgerichtlich verauslagter
Anwaltskosten an seinen
Rechtsschutzver-sicherer

jeweils [X.] um [X.] gegen "Abtretung der Beteiligung"

sowie auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten geklagt. Während des [X.] erstinstanzlichen Verfahrens hat er seinen
vorinstanzlichen Prozessbevoll-mächtigten beauftragt, andere Treugeber über den mit der Beklagten geführten Rechtsstreit zu unterrichten und zu einer Finanzierung über die Beklagte zu befragen. Der vorinstanzliche
Prozessbevollmächtigte des [X.] ist dem, nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 12.
März 2014 die Aufnahme von Vergleichsgesprächen angekündigt haben,
mit Schreiben vom 26.
März 2014 nachgekommen. Darin hat er die Empfehlung ausgesprochen, bei identischer oder ähnlicher Formulierung der anderen Treu-gebern erteilten Widerrufsbelehrung "unverzüglich rechtliche Schritte einzulei-ten". Das [X.] hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur vollständigen Tilgung des Darlehens im Jahr 2007 abgewiesen. Die dage-gen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Mit seiner 3
4
-
4
-
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebe-gehren weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision des [X.] hat teilweise Erfolg. Sie führt in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen
Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen ist die Revision des [X.] zurückzuweisen.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Unabhängig davon, ob dem Kläger ein Widerrufsrecht zugestanden ha-be, sei sein am 26.
Februar 2013
erklärter Widerruf jedenfalls treuwidrig. Zwar finde das [X.] auf Fälle, in denen die Parteien über das Be-stehen eines "ewigen"
Widerrufsrechts stritten, keine Anwendung. Es fehle das für die Verwirkung erforderliche Umstandsmoment, weil der Darlehensgeber durch eine unzureichende Belehrung das Fortbestehen des Widerrufs selbst verursacht habe und deshalb grundsätzlich nicht auf die Nichtausübung des Widerrufsrechts vertrauen könne.
In der Erklärung des Widerrufs liege indessen, was eine umfassende [X.] ergebe, eine unzulässige Rechtsausübung. Der [X.] habe dem Verbraucher ein Widerrufsrecht eingeräumt, um ihm die Ermitt-lung günstigerer Angebote zu ermöglichen und mittels der Einräumung einer 5
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7
8
-
5
-
Bedenkzeit diejenige Störung der Vertragsparität auszugleichen, die darin liege, dass Darlehensverträge oft komplexe und schwer zu durchschauende Rege-lungen enthielten. Dem Kläger gehe es, wie dem Schreiben seines vorinstanzli-chen Prozessbevollmächtigten vom 26.
März 2014 zu entnehmen sei,
dagegen darum, sich von wohlüberlegt und sehenden Auges eingegangenen Risiken zu befreien, für die etwaige Mängel der Widerrufsbelehrung völlig irrelevant gewe-sen seien. Neben dieser Motivlage sei in die Gesamtabwägung der ganz erheb-liche Zeitablauf und der Umstand einzubeziehen, dass die Beklagte den Kläger über sein Widerrufsrecht dem Grunde nach durchaus belehrt habe. Der rechts-missbräuchliche Widerruf sei unwirksam.

II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem we-sentlichen Punkt nicht stand.
1. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist, was der [X.] für einen gleich gelagerten Fall mit Urteil vom 12.
Juli 2016 (XI
ZR
501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
9) näher begründet hat und hier entsprechend gilt, die Klage nicht mangels [X.] abzuweisen. Der Antrag des [X.] auf Zahlung [X.] um [X.] gegen "Abtretung der Beteiligung"
an der Fondsgesell-schaft, den der [X.] als Prozesserklärung selbst auslegen kann, ist so zu [X.], der Kläger biete die Abtretung sämtlicher Rechte aus dem Treuhand-vertrag an. Die von der Revisionserwiderung behauptete, vom Berufungsgericht aber so nicht festgestellte
Beendigung des [X.] mit der vollständi-gen Abwicklung der Liquidation der [X.] lässt solche Rechte, na-mentlich Ansprüche aus §
667 BGB (dazu [X.], Urteil vom 19.
April 1999

II
ZR
365/97, [X.]Z
141, 207, 211), unberührt.
9
10
-
6
-
2. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis auch zutreffend
davon [X.], im Falle der revisionsrechtlich zu unterstellenden Anbahnung des [X.] in einer Haustürsituation und der unzureichenden Belehrung des [X.] über sein Widerrufsrecht habe, wie der [X.]
mit Urteil vom 12.
Juli 2016 (XI
ZR
501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
10
ff.)
im Einzelnen ausgeführt hat,
die auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung des [X.] noch im Februar 2013
widerruflich sein können.
3. Dagegen halten die Erwägungen, die das Berufungsgericht zu dem Ergebnis geführt haben, in der Ausübung des

unterstellt fortbestehenden

Widerrufsrechts habe ein Verstoß gegen §
242 BGB gelegen, einer revisions-rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Wertung des Berufungsgerichts, der Kläger habe das Widerrufsrecht rechtsmissbräuchlich ausgeübt, gründet
auf Überlegungen, die rechtsfehlerhaft sind ([X.]surteil vom 12.
Juli 2016

XI
ZR 501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
17
ff.).

III.
Das Berufungsurteil stellt sich nur insoweit aus anderen Gründen als richtig dar, als das Berufungsgericht im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.]s ([X.]surteile vom 21.
Februar 2017

XI
ZR 467/15, WM
2017, 906 Rn.
31, 34
f.
und vom 25.
April 2017

XI
ZR
314/16, BKR
2017, 373
Rn.
15) einen Anspruch auf Erstattung von Kosten des vor Er-klärung des Widerrufs mandatierten Rechtsanwalts
versagt hat (§
561 ZPO). Im Übrigen hält das Berufungsurteil einer revisionsrechtlichen Überprüfung auch nicht mit anderer Begründung stand
und ist
daher aufzuheben (§
562 ZPO). Die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung genügte

revisionsrechtlich zugunsten des [X.] das Anbahnen des Vertragsschlusses in einer Haustürsituation unterstellt

nicht den gesetzlichen Vorgaben der §
1 Abs.
1 Satz
1 [X.], 11
12
13
-
7
-
§
361a Abs.
1 Satz
4 BGB
in der hier weiter maßgeblichen, bis zum 31.
De-zember 2001 geltenden Fassung ([X.]surteil vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
35
ff.). Von einer Verwirkung kann der [X.] [X.] hinreichender Feststellungen des Berufungsgerichts, das die Anwendung dieses Instituts rechtsfehlerhaft ausgeschlossen hat, nicht ausgehen.
Der [X.] kann umgekehrt nicht zugunsten des [X.] in der Sache selbst entscheiden (§
563 Abs.
3 ZPO). Der
[X.] kann nicht ausschließen, dass aufgrund einer fehlerfreien tatrichterlichen Würdigung die Ausübung des Widerrufsrechts als rechtsmissbräuchlich anzusehen oder das Widerrufsrecht verwirkt ist. Der [X.] kann auch nicht das Bestehen eines gesetzlichen Wider-rufsrechts dahinstehen lassen, weil unbeschadet der Voraussetzungen des §
1 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] davon auszugehen wäre, die Beklagte habe dem Kläger ein denselben Bedingungen unterliegendes vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt. Die Widerrufsbelehrung der Beklagten ist aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden, was der [X.] aufgrund der gebotenen objektiven Auslegung selbst feststellen kann, nicht als Angebot auf Vereinba-rung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen ([X.]surteil vom 12.
Juli 2016

XI
ZR 501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
43).
Mangels Entscheidungsreife ist die Sache daher an das Berufungsge-richt zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO), das
zur Klärung der Vo-raussetzungen des §
1 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 [X.] die erforderlichen Feststellun-gen zu treffen haben
wird
(vgl. [X.]surteil vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
501/15, [X.]Z
211, 105 Rn.
46). Außerdem wird sich das Berufungsgericht mit dem Einwand auseinanderzusetzen haben, der Ausübung des Widerrufsrechts habe §
242 BGB entgegen gestanden (vgl. [X.]surteile vom 12.
Juli 2016

XI
ZR
501/15, aaO, Rn.
17
ff., 39
ff. und

XI
ZR
564/15, [X.]Z
211, 123 Rn.
34
ff.,

14
15
-
8
-

42
ff., vom 11.
Oktober 2016

XI
ZR
482/15, [X.]Z
212, 207 Rn.
29
ff.
sowie vom 7.
November 2017

XI
ZR
369/16, WM
2018, 45 Rn.
15
ff., 30).

Ellenberger
Joeres
Matthias

Menges
Dauber
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 19.12.2014 -
321 [X.]/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 22.06.2016 -
13 U 18/15 -

Meta

XI ZR 397/16

23.01.2018

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.01.2018, Az. XI ZR 397/16 (REWIS RS 2018, 15254)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15254

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13 U 18/15

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