Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.11.2011, Az. 6 C 6/11

6. Senat | REWIS RS 2011, 1163

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Gegenstand

Keine Haftungsbeschränkung für Kosten eines Feuerwehreinsatzes bei Schiffsunfall; Gewässerverunreinigung


Leitsatz

1. Eine nachträglich eingetretene Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff BinSchG (juris: BinSchPRG) berührt nicht die Rechtmäßigkeit eines ordnungsrechtlichen Kostenbescheides, sondern wirkt sich nur auf seine Realisierbarkeit bzw. Vollstreckbarkeit aus.

2. Eine Gewässerverunreinigung ist kein Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BinSchG. Die Forderung von Kosten für den Einsatz der Feuerwehr zum Zweck der Abwendung einer solchen Verunreinigung unterliegen deshalb nicht der Haftungsbeschränkung nach § 4 BinSchG.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Verpflichtung zur Erstattung der Kosten eines Feuerwehreinsatzes wegen eines Schiffsunfalls im Hafen von [X.] (Rhein).

2

Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Unfalls Eigentümerin des Motortankschiffs A. Am 31. August 2004 löschte sie im Hafen von [X.] an der Verladestelle der Firma S. eine Partie von 651 Tonnen [X.]. Während des Löschvorgangs betätigte der Steuermann versehentlich den Fahrhebel des Schiffes. Das dadurch in Fahrt gesetzte, mit der Löschanlage verbundene Schiff riss den Löscharm aus der landseitigen Verankerung, der daraufhin ins Hafenbecken fiel. Das Schiff konnte zwar sofort wieder zum Stehen gebracht werden, so dass die [X.] insgesamt standhielt. Auch konnte der Löschvorgang durch Auslösen der Notstoppeinrichtungen (Abschaltung der Pumpen und Schließen der Sicherheitsschieber) unterbrochen werden. Nach dem Abschlussbericht der Hessischen Wasserschutzpolizei - Abteilung [X.] - vom 25. November 2004 (Nr. 9: [X.] und Umweltauswirkungen) tropfte aber eine Menge von (ca.) 5 Litern [X.] durch ein Leck am Rohrleitungssystem auf die Uferbefestigung. Die [X.] ist von der Wasserkante des Hafenbeckens etwa 2,5 Meter entfernt. Soweit weiteres [X.] auslief, wurde dieses durch eine Wanne aufgefangen. Die in dem 22 m langen Löscharm verbliebene Menge, die in dem Abschlussbericht mit 570 Litern [X.] angegeben wird, konnte in das Schiff zurückgepumpt werden.

3

Am Unfallort kamen zahlreiche Hilfskräfte zum Einsatz, und zwar die Freiwilligen Feuerwehren der beklagten Städte [X.], [X.] und [X.] und anderer Gemeinden, ([X.], [X.], [X.], [X.]), sowie das [X.] ([X.]) der [X.] [X.] und das [X.] ([X.]). Insgesamt waren 232 Einsatzkräfte und 60 Einsatzfahrzeuge über einen Zeitraum von ungefähr 13 Stunden vor Ort.

4

Wegen der Kosten des Einsatzes verlangten die Beklagten von der Klägerin Erstattung, und zwar die Beklagte zu 1 mit Bescheid vom 29. November 2004 in Höhe von 55 047,96 €, die Beklagte zu 2 mit Bescheid vom 8. April 2005 in Höhe von 7 093,35 € und die Beklagte zu 3 mit Bescheid vom 26. November 2004 in Höhe von 6 851,45 €. Die Bescheide der Beklagten zu 1 und 2 enthalten auch Erstattungsbeträge für die Einsätze der Freiwilligen Feuerwehren [X.], [X.], [X.], [X.] und des [X.] [X.] sowie des [X.].

5

Die Klägerin erhob gegen die Kostenbescheide ohne Erfolg Widerspruch und danach verwaltungsgerichtliche Klage.

6

Mit Beschluss vom 11. Dezember 2007 eröffnete das [X.] auf einen Antrag der Klägerin vom 11. September 2006 ein binnenschifffahrtsrechtliches [X.]. In dem [X.] meldeten auch die Beklagten zu 1 bis 3 die durch den jeweiligen Kostenbescheid festgesetzten Forderungen an.

7

Die Klägerin ist mit ihren gegen die Kostenbeschwerde der Beklagten gerichteten Klagen vor dem Verwaltungsgericht erfolglos geblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und die Berufungen zurückgewiesen. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt: Soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantrage, sei der von ihr erhobene Einwand der Nichterforderlichkeit und Unverhältnismäßigkeit des in Rechnung gestellten Feuerwehreinsatzes unbegründet. Auch wenn sich im Ergebnis herausgestellt habe, dass kein [X.] in das Hafenbecken gelangt sei, sei dies zum Zeitpunkt des Einsatzes keineswegs sicher gewesen. Vielmehr seien die Beklagten zu diesem Zeitpunkt im Rahmen ihrer Prognoseentscheidung zu Recht vom Bestehen einer entsprechenden Gefahr ausgegangen. Die Situation sei von Unsicherheit gekennzeichnet gewesen. So habe erst im Laufe des Einsatzes geklärt werden können, dass aus dem ins Hafenbecken gefallenen Löscharm kein [X.] ins Wasser gelange. Die angefochtenen Gebührenbescheide seien auch nicht dadurch der Höhe nach teilweise rechtswidrig geworden, dass die Beklagten ihre durch die angefochtenen Bescheide titulierten Forderungen im binnenschifffahrtsrechtlichen [X.] zur Tabelle angemeldet hätten. Die Anmeldung sei nur vorsorglich und hilfsweise für den Fall erfolgt, dass die Forderungen der Haftungsbeschränkung des § 4 [X.] unterlägen. Dies sei zu verneinen, so dass auch der auf die Feststellung einer Haftungsbeschränkung nach dem Binnenschifffahrtsgesetz gerichtete Hilfsantrag keinen Erfolg habe. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] beziehe sich die Haftungsbeschränkung auch auf solche Ansprüche, mit denen - wie hier - die Erstattung von Aufwendungen zur Schadensabwendung geltend gemacht werde. Die Haftungsbeschränkung sei aber nach § 5 Nr. 4 [X.] ausgeschlossen. Der Feuerwehreinsatz sei im Wesentlichen auf den Gewässerschutz und nicht auf den Brandschutz gerichtet gewesen.

8

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgerichtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend: Das Berufungsgericht habe ebenso wie das Verwaltungsgericht verkannt, dass nach §§ 41 und 8 Abs. 3 der schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung ([X.]) mit der Eröffnung des binnenschifffahrtsrechtlichen [X.]s sämtliche Rechtsstreitigkeiten unterbrochen seien. Die Fortführung des Rechtsstreits trotz dieser Unterbrechung stelle einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar. Die [X.] der Beklagten seien nicht berechtigt, da die Gefahr einer Gewässerverunreinigung zu keiner Zeit bestanden habe. Der massive Feuerwehreinsatz sei unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Haftungsbeschränkung nach den §§ 4 ff. [X.] nicht eingetreten sei. Zwar habe er rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nach § 4 [X.] erfüllt seien. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] unterlägen auch Ansprüche auf Aufwendungsersatz wegen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr der Haftungsbeschränkung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs sei die Haftungsbeschränkung aber auch nicht nach § 5 Nr. 4 [X.] ausgeschlossen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des [X.] vom 31. Juli 2008 und das Urteil des [X.] vom 25. November 2010 zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 26. und 29. November 2004 und vom 8. April 2005 sowie deren Widerspruchsbescheide vom 19. September 2005 und vom 26. April 2007 und 17. Juli 2007 aufzuheben,

hilfsweise,

festzustellen, dass ihre Haftung nach den §§ 4 ff. [X.] und den Artikeln 2 Abs. 1 a und 6 b Abs. 1 [X.] beschränkt ist und den Beklagten über den Betrag hinaus, der in dem schifffahrtsrechtlichen [X.] vor dem [X.] zu ihren Gunsten festgestellt wird, kein weitergehender Anspruch gegen sie zusteht.

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Berufungsurteil.

Die Beigeladenen haben im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt und sich auch nicht zur Sache geäußert.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das angefochtene Urteil steht mit [X.]undesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der [X.]hof war durch das binnenschifffahrtsrechtliche [X.] vor dem [X.], in dem die [X.]eklagten ihre durch die angefochtenen Kostenbescheide festgesetzten Forderungen angemeldet hatten, nicht an einer Entscheidung gehindert (1.). Die Klägerin dringt weder mit dem [X.]egehren einer Änderung der Urteile des [X.]hofs und des [X.] und einer Aufhebung der Kostenbescheide der [X.]eklagten durch, das sie mit dem Hauptantrag ihrer Revision verfolgt (2.), noch kann sie mit ihrem hilfsweise angebrachten Feststellungsantrag Erfolg haben (3.).

1. Die Revision ist nicht schon deshalb begründet, weil der [X.]hof nicht hätte entscheiden dürfen, sondern das binnenschifffahrtsrechtliche [X.] hätte abwarten müssen. Die Eröffnung dieses Verfahrens hat das Klageverfahren entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unterbrochen.

Nach § 8 Abs. 3 [X.] werden Rechtsstreitigkeiten wegen der in Absatz 1 näher bezeichneten Ansprüche, die bei der Eröffnung des seerechtlichen [X.]s anhängig sind, mit dem Erlass des [X.] unterbrochen, bis sie nach § 19 [X.] aufgenommen werden oder bis das [X.] aufgehoben oder eingestellt wird. Nach § 41 [X.] ist die Vorschrift des § 8 [X.] auf die Eröffnung des binnenschifffahrtsrechtlichen [X.]s mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der in § 8 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bezeichneten Ansprüche die Ansprüche treten, die der Haftungsbeschränkung nach den §§ 4 bis 5m [X.] unterliegen. Diese Voraussetzungen sind zwar in zeitlicher Hinsicht erfüllt, denn die Klägerin hat ihre verwaltungsgerichtlichen Klagen am 5. Juni 2007, (3 E 969/07), am 17. August 2007, (3 E 1329/07) und am 21. Oktober 2005 (3 E 1895/05) erhoben. Das binnenschifffahrtsrechtliche [X.] wurde hingegen erst mit [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2007 und damit nach Anhängigkeit dieser Rechtsstreitigkeiten eröffnet. Eine Unterbrechung der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten ist dadurch gleichwohl nicht eingetreten.

Nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteile vom 13. März 1980 - II ZR 239/78 - [X.], 206 <210 f.> und vom 25. April 1988 - [X.] - [X.], 215 <218> kann ein Rechtsstreit wegen eines Anspruchs aus der Verwendung des Schiffes trotz Eröffnung des seerechtlichen [X.]s fortgesetzt werden, soweit der Gläubiger die unbeschränkte Haftung des Schuldners behauptet und daher den Anspruch außerhalb des [X.]s weiterverfolgen will. Eine vergleichbare Konstellation liegt auch hier vor. Die [X.]eklagten haben ihre Forderungen im binnenschifffahrtsrechtlichen [X.] nur vorsorglich angemeldet. Sie sind nämlich der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 4 [X.] hinsichtlich dieser Forderungen nicht vorliegen und die Klägerin deshalb insoweit unbeschränkt haftet. Aufgrund dessen stellten sie die angefochtenen Gebührenbescheide auch nicht unter den Vorbehalt einer Haftungsbeschränkung und haben sie im gerichtlichen Verfahren uneingeschränkt weiterverfolgt.

2. Die Revision bleibt mit ihrem Hauptantrag erfolglos. Der [X.]hof hat die angefochtenen Kostenbescheide ohne Verstoß gegen [X.]undesrecht als rechtmäßig beurteilt. Die Vereinbarkeit dieser [X.]escheide mit ihren landesrechtlichen Rechtsgrundlagen unterliegt nicht der Prüfung im Revisionsverfahren (a)). Eine Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff. [X.] hat keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Kostenbescheide.

a) Der [X.]hof hat die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der von den angefochtenen [X.]escheiden herangezogenen Rechtsgrundlage in Gestalt des § 61 Abs. 3 des [X.]. den Feuerwehrgebührensatzungen der [X.]eklagten bejaht. Er hat insbesondere angenommen, dass eine Gefahr vorlag, zu deren Abwendung die abgerechneten Feuerwehrleistungen erforderlich waren. Den Einwendungen, die die Klägerin hiergegen im Revisionsverfahren weiterhin geltend macht, kann der erkennende Senat wegen seiner einerseits durch § 137 Abs. 1 VwGO, § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO, andererseits durch § 137 Abs. 2 VwGO bewirkten [X.]indungen nicht nachgehen.

Die revisionsgerichtliche [X.]indung an die tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsurteils ist nicht durch die von der Klägerin erhobene Rüge entfallen, der [X.]hof habe gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen, weil er wegen des [X.]estehens einer Gefahrenlage ein Sachverständigengutachten nicht eingeholt und weiteren Zeugenbeweis nicht erhoben habe. Die Aufklärungsrüge setzt nicht nur die substantiierte Darlegung voraus, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche [X.]eweismittel hierfür in [X.]etracht kamen und welche tatsächlichen Feststellungen voraussichtlich getroffen worden wären, sondern auch, dass die Nichterhebung der [X.]eweise vor dem [X.] rechtzeitig gerügt worden ist bzw. die unterbliebene [X.]eweisaufnahme sich ihm hätte aufdrängen müssen. Zumindest an der zuletzt genannten Voraussetzung fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt umfassend - auch durch Vernehmung von Zeugen - ermittelt. Die Klägerin hat weder einen förmlichen [X.]eweisantrag gestellt noch eine unterlassene [X.]eweisaufnahme gerügt. Angesichts dessen hat es sich dem [X.]erufungsgericht auch nicht aufdrängen müssen, weitere Zeugen zu befragen oder ein Sachverständigengutachten einzuholen.

b) Die angefochtenen Kostenbescheide können auch mit [X.]lick auf die von der Klägerin geltend gemachte Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff. [X.] nicht ganz oder teilweise rechtwidrig geworden sein.

Die angefochtenen [X.]escheide wurden vor der mit [X.]eschluss vom 11. Dezember 2007 erfolgten Eröffnung des binnenschifffahrtsrechtlichen [X.]s und der dadurch gemäß § 8 Abs. 1, § 41 [X.], § 5 d Abs. 2 [X.] bewirkten Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff. [X.] erlassen. Eine solche nachträglich eingetretene Haftungsbeschränkung berührt nicht die Rechtmäßigkeit der [X.]escheide. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit dem Insolvenzrecht. Wird über das Vermögen eines Abgabenschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, darf dieser nach der Eröffnung grundsätzlich nicht mehr durch Abgabenbescheid zur Leistung der Abgabe verpflichtet werden, wogegen Gebührenbescheide die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassen werden, nicht nachträglich rechtswidrig, sondern nur in ihrer Vollziehbarkeit eingeschränkt werden ([X.]eschluss vom 9. Oktober 2006 - [X.]VerwG 3 [X.] 76.06 - juris Rn. 22).

Diese Grundsätze können auf das schifffahrtsrechtliche [X.] übertragen werden, da dieses mit dem Insolvenzverfahren vergleichbar ist (von [X.]/[X.], [X.]innenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. 2007, § 5 d [X.] Rn. 5). Die Übereinstimmung der Verfahrensgrundsätze findet ihre Ausprägung auch in § 8 Abs. 4 Satz 1 [X.]. Nach dieser [X.]estimmung ist die Zwangsvollstreckung wegen der in Absatz 1 der Vorschrift genannten Ansprüche nach der Eröffnung des [X.]s unzulässig, bis das Verfahren aufgehoben oder eingestellt wird. Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 [X.] ist die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs geltend zu machen. Übertragen auf die Festsetzung von Gebühren und Kosten folgt hieraus, dass ein bereits vor Eröffnung des [X.]s durch [X.]escheid [X.] Schuldner mit [X.]ezug auf eine geltend gemachte Haftungsbeschränkung nicht die Aufhebung des [X.]escheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern nur die Feststellung seiner [X.] verlangen kann. Auf eine solche Feststellung der [X.] liefe es auch hinaus, wenn die von der Klägerin hilfsweise beantragte Feststellung des [X.]estehens einer Haftungsbeschränkung ausgesprochen würde.

3. Auch mit ihrem Hilfsantrag ist die Revision jedoch zurückzuweisen. Das [X.]erufungsgericht hat die beantragte Feststellung zu Recht nicht ausgesprochen, weil die Haftung der Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Gebührenforderungen nicht nach § 4 [X.] beschränkt ist.

Nach § 4 Abs. 1 [X.] kann der Schiffseigner seine Haftung für Ansprüche wegen Personen- und Sachschäden, die an [X.]ord oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem [X.]etrieb des Schiffes oder mit einer [X.]ergung einschließlich einer [X.] eingetreten sind, sowie für Ansprüche aus [X.] beschränken, es sei denn, das Schiff wird zum Sport oder zur Erholung und nicht des Erwerbes wegen verwendet. Die Ansprüche unterliegen der Haftungsbeschränkung unabhängig davon, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob sie privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind und ob sie auf Grund eines Vertrages oder sonstwie als [X.] oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] sind Ansprüche wegen Sachschäden - 1. - solche wegen des Verlusts oder der [X.]eschädigung von Sachen, - 2. - solche wegen der Verspätung bei der [X.]eförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck und - 3. - sonstige Vermögensschäden wegen der Verletzung nichtvertraglicher Rechte. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] sind Ansprüche wegen Sachschäden ferner Ansprüche einer anderen Person als des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Personen- oder Sachschäden, für die der Schuldner seine Haftung beschränken kann. Die [X.] sind keine Ansprüche wegen Personen- oder Sachschäden, und zwar weder im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] noch im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Sie sind deshalb von vornherein nicht von der Haftungsbeschränkung des § 4 [X.] erfasst. Auf die von dem [X.]erufungsgericht bejahte Frage eines Ausschlusses der Haftungsbeschränkung nach § 5 Nr. 4 [X.] kommt es deshalb nicht an.

Ein Anspruch "wegen Personen- und Sachschäden" setzt von seinem Wortlaut her nicht voraus, dass der Anspruch auf Ersatz eines eingetretenen Schadens gerichtet ist. Vielmehr reicht es aus, wenn ein Kausalverhältnis zwischen einem eingetretenen oder drohenden Schaden und einem hieraus entstandenen, also damit kausal verknüpften Anspruch besteht. Der [X.]egriff "wegen" lässt darüber hinaus auch eine im Sinne einer Vermeidungsabsicht intentionale oder finale Verknüpfung zu, so dass beispielsweise auch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz zur Verhütung eines drohenden Schadens unter den [X.]egriff "Anspruch wegen Personen- und Sachschäden" subsumiert werden kann. Mit dieser weiten Auslegung stimmt es überein, dass die Ansprüche nach § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] unabhängig davon der Haftungsbeschränkung unterliegen, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob sie privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind und ob sie auf Grund eines Vertrages oder sonstwie als [X.] oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Ansprüche "wegen" Personen- und Sachschäden sind demnach nicht nur Schadensersatz-, sondern auch [X.] oder Entschädigungsansprüche. Diese Auslegung wird durch die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.] bestätigt, wonach Ansprüche wegen Sachschäden auch Ansprüche einer anderen Person als des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Personen- oder Sachschäden sind, für die der Schuldner seine Haftung beschränken kann. Aufgrund der weiten Auslegung des [X.]egriffs "Ansprüche wegen Personen- und Sachschäden" und der [X.]estimmungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 [X.] ist es mithin durchaus möglich, auch Aufwendungsersatzansprüche wegen eines Feuerwehreinsatzes unter § 4 [X.] zu subsumieren. Allerdings müssen solche Ansprüche in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit einem eingetretenen oder drohenden Personen- oder Sachschaden stehen.

[X.]ei § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] ergibt sich die Notwendigkeit eines solchen Zusammenhangs mit einem Personen- oder Sachschaden aus dem systematischen Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] und dem Willen des Gesetzgebers. Durch die Einbeziehung der [X.] und Entschädigungsansprüche soll der Schiffseigner davor geschützt werden, dass Gläubiger die Haftungsbeschränkung dadurch unterlaufen, dass sie einen anderen Haftpflichtigen, der seine Haftung nicht beschränken kann, in Anspruch nehmen, der dann seinerseits unbeschränkt Regress nimmt ([X.]TDrucks 13/8446, S. 19 f.; von [X.]/[X.], [X.]innenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. 2007, § 4 [X.] Rn. 6). Ein solches Unterlaufen der Haftungsbeschränkung ist indes nur möglich, wenn die Voraussetzungen für ihr Eingreifen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] gegeben sind. § 4 Abs. 1 Satz 2 [X.] knüpft damit an einen Personen- oder Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] an und stellt nur klar, dass "Ansprüche wegen Personen- oder Sachschäden" nicht nur solche auf Ersatz solcher Schäden darstellen, sondern auch solche, die in anderer Weise mit solchen Schäden zusammenhängen. Noch deutlicher ist dieser Zusammenhang bei § 4 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Ansprüche wegen Sachschäden sind danach auch Ansprüche wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von "Personen- oder Sachschäden". [X.] unterfallen danach nur dann der Haftungsbeschränkung des § 4 Abs. 1 [X.], wenn die ihnen zugrundeliegende Maßnahme durch eine Abwendungs- oder Verringerungsabsicht mit einem Personen- oder Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 2 und 3 [X.] in einen abwendungsintentionalen Zusammenhang gebracht werden kann.

Die hier streitgegenständlichen [X.] stehen in keinem solchen Zusammenhang. Der [X.]hof ([X.]) hat mit für den Senat bindender Wirkung festgestellt, dass die Feuerwehren der beklagten Städte tätig geworden sind, weil [X.] aus dem Schiff bzw. aus dem an das Schiff angeschlossenen, bereits im Hafenbecken hängenden Ladearm in das Hafenbecken zu fließen drohte. Es ging damit um die Abwendung eines Umweltschadens in Gestalt einer Gewässerverschmutzung. Eine Explosion- oder [X.]randgefahr wurde von den Einsatzkräften, wie sich aus der von dem [X.]hof ([X.]) weiter in [X.]ezug genommenen Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 31. Juli 2008 ergibt, nur insoweit in den [X.]lick genommen, als sie als Folge der Maßnahmen zur Abwendung der Gewässerverschmutzung hätte entstehen können, In dem von § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb stand deshalb nur die direkt als Folge des Unfalls eingetretene Gewässergefahr. Eine Gewässerverschmutzung stellt indes keinen (drohenden) Schaden im Sinne des § 4 [X.] dar. Sie ist ersichtlich kein Personenschaden nach § 4 Abs. 2 [X.] und erfüllt auch nicht die Merkmale eines Sachschadens gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] sind Ansprüche wegen Sachschäden solche wegen des Verlusts oder der [X.]eschädigung von Sachen. Der Zweck des Einsatzes lag nicht darin, einen drohenden Verlust des [X.] [X.] und den damit verbundenen Schaden abzuwenden, sondern - wie dargelegt - die durch das Auslaufen dieses Stoffes drohende Gewässerverschmutzung zu verhindern. In einer solchen Verschmutzung hätte auch keine [X.]eschädigung des Wassers im Hafenbecken gelegen. Dieses Wasser stellt keine Sache dar. Der Sachbegriff in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] entspricht dem des § 90 [X.]G[X.] und umfasst sämtliche körperliche Gegenstände ungeachtet des [X.] ([X.]TDrucks 13/8446, [X.]; von [X.]/[X.], [X.]innenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. 2007, § 4 [X.] Rn. 12). Nach § 90 [X.]G[X.] sind Sachen nur körperliche Gegenstände. Körperliche Gegenstände müssen im Raum abgrenzbar sein; dies trifft für Allgemeingüter wie freie Luft und fließendes Wasser nicht zu (Ellenberger, in: [X.], [X.]G[X.], 70. Aufl. 2011, Überblick vor § 90 Rn. 8 und § 90 Rn. 1). Eine (eigentumsfähige) Sache stellt nur geschöpftes oder in sonstiger Form abgegrenztes Wasser dar (Ellenberger, in: [X.], [X.]G[X.], 70. Aufl. 2011, Überblick vor § 90 Rn. 8). [X.]ei dem hier in Rede stehenden Wasser im Hafenbecken von [X.] handelt es sich aber nicht um solchermaßen abgegrenztes Wasser. Das Wasser im Hafenbecken ist mit dem [X.] verbunden und damit [X.]estandteil eines fließenden Gewässers. Die drohende Verunreinigung dieses Gewässers war deshalb keine drohende [X.]eschädigung einer Sache.

Die drohende Gewässerverunreinigung ist auch kein Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]. Danach sind Ansprüche wegen Sachschäden auch solche wegen der Verspätung bei der [X.]eförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck. Der Unfall mag auch dazu geführt haben, dass es bei der seitens der Klägerin geschuldeten Transportleistung im Verhältnis zu ihren Vertragspartnern zu einer verspäteten Anlieferung des [X.] kam. Auch mit diesem Schaden ist aber der abgerechnete Feuerwehreinsatz weder kausal noch durch eine Abwendungsintention verknüpft. Der Einsatz beruhte nicht auf einem solchen Schaden und diente nicht seiner Abwendung, sondern - wie dargelegt - dem Gewässerschutz.

Die Annahme eines sonstigen Vermögensschadens wegen der Verletzung nichtvertraglicher Rechte gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] scheidet ebenfalls aus.

Die Vorschrift erfasst Fälle der Verletzung von absoluten Rechten, wenn diese nur zu einem Vermögensschaden führen (von [X.]/[X.], [X.]innenschifffahrtsrecht, 5. Aufl. 2007, § 4 [X.] Rn. 15). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat keine nichtvertraglichen Rechte der [X.]eklagten verletzt. Aus diesem Grunde liegt ein (abgewendeter) Vermögensschaden im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 [X.] auch nicht in den Kosten, die im Falle eines Auslaufens des [X.]s durch seine erforderliche [X.]eseitigung und Eindämmung verursacht worden wären.

Meta

6 C 6/11

23.11.2011

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 25. November 2010, Az: 8 A 3077/09, Urteil

§ 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 90 BGB, § 8 Abs 3 SeeRVertO 1996, § 41 SeeRVertO 1996, § 4 Abs 3 S 1 BinSchPRG, §§ 4ff BinSchPRG, § 4 BinSchPRG, § 5m BinSchPRG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.11.2011, Az. 6 C 6/11 (REWIS RS 2011, 1163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1163

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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