Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.06.2013, Az. VI ZB 31/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5179

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
31/12

vom

11. Juni
2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 148, 485; [X.] § 3 Abs. 1
Zur Aussetzung eines Verfahrens nach dem Gesetz über das Verfahren bei der Er-richtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung in der See-
und Binnenschifffahrt ([X.]) gemäß § 148 [X.].
[X.], Beschluss vom 11. Juni 2013 -
VI ZB 31/12 -
OLG [X.]

AG Regensburg

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
11.
Juni
2013
durch den [X.], die Richter
Zoll, [X.] und [X.] und die Richterin von Pentz
beschlossen:
[X.] der Antragsgegnerinnen gegen den [X.] des 9. Zivilsenats des [X.] vom 15.
Mai 2012 werden als unzulässig verworfen.

Gründe:
Die Antragstellerin zu 1 ist [X.]", das am 13. März 2008 unter Führung des Antragstellers zu 2, eines Gesellschafters der Antragstellerin zu 1, die [X.] befuhr. Während einer Schleusung fuhr der Antragsteller zu 2 einen auf dem Deck des Schiffes befindlichen Verladekran aus. Dieser kollidierte nach der Ausfahrt aus der Schleuse mit einer im Eigen-tum der Antragsgegnerin zu 1 stehenden Brücke, weil der Antragsteller zu 2 deren Durchfahrtshöhe falsch eingeschätzt hatte. Der Kran durchschlug einen Brückenträger und setzte dadurch eine unter der Brücke verlegte Gashoch-druckleitung der Antragsgegnerin zu 2 in Brand, wodurch die Brücke irreparabel beschädigt wurde. Die Summe der Sachschäden wie-1
-
3
-

e-macht.
Im vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller die Errichtung ei-nes Fonds nach der [X.] ([X.]), um eine Beschränkung ihrer Haftung gemäß den §§
4 ff. des [X.] ([X.]) zu bewirken. Dagegen wenden sich die durch den Unfall ge-schädigten Antragsgegnerinnen. Sie meinen, eine Haftungsbeschränkung sei unter anderem gemäß §
5b Abs.
1 [X.] ausgeschlossen, was vor der
-
bislang nicht erfolgten
-
Eröffnung des [X.] geprüft werden müsse. Sie haben -
soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung
-
beantragt, das Verfahren gemäß §
148 [X.] bis zur Erledigung des [X.] im
Hauptsacheverfahren beziehungsweise des selbständigen [X.] auszusetzen. Diese beiden Verfahren hat die Antragsgegnerin zu 1 wegen der ihr bei dem Unfall entstandenen Schäden eingeleitet; sie richten sich unter anderem gegen die beiden Antragsteller sowie die Antragsgegnerin zu 2.
Das Amtsgericht hat eine Aussetzung abgelehnt. Dagegen haben die An-tragsgegnerinnen sofortige Beschwerde eingelegt, mit denen sie beantragt ha-ben, den Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und das vorliegende Verfah-ren bis zum Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens gemäß §
148 [X.] auszusetzen. Das Beschwerdegericht hat die sofortigen Beschwerden zurück-gewiesen, weil das selbständige Beweisverfahren für das vorliegende Verfah-ren nicht vorgreiflich sei. Vor der Eröffnung des [X.] sei nicht zu prüfen, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftungsbe-schränkung gemäß den §§
4 ff. [X.] vorlägen und eine Haftungsbeschrän-kung wegen eines qualifizierten Verschuldens gemäß §
5b Abs.
1 [X.] ausgeschlossen sei; dies obliege allein dem Prozessgericht. Dagegen richten 2
3
-
4
-

sich die Rechtsbeschwerden der Antragsgegnerinnen, mit denen diese ihre
vorgenannten
Beschwerdeanträge weiterverfolgen.

II.
1. [X.] sind gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 [X.], §
34 Abs.
2 Satz 1, §
3 Abs.
2 Satz 3 [X.] statthaft. Sie sind aber unzulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 [X.] nicht erfüllt sind. Die [X.] hat weder grundsätzliche Bedeutung (§
574 Abs.
2 Nr.
1 [X.]) noch [X.] die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des [X.] (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall 1 [X.]). Beide Zulässigkeitsgründe setzen vo-raus, dass die als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage entscheidungser-heblich ist ([X.], Beschlüsse vom 7. Januar 2003 -
X
ZR 82/02, [X.]Z 153, 254, 256 und vom 12. Februar 2004 -
V
ZR 247/03, NJW 2004, 1167, 1168; [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
543 Rn.
6a und §
574 Rn.
13a; MünchKomm-[X.]/[X.], 4.
Aufl., §
543 Rn.
26 und [X.], aaO, §
574 Rn.
9). Das ist nicht der Fall.
2. [X.] halten die vom Beschwerdegericht verneinte Rechtsfrage für klärungsbedürftig, ob und inwieweit vor der Eröffnung eines binnenschifffahrtsrechtlichen [X.] die materiell-rechtlichen Voraussetzungen und Ausschlusstatbestände der Haftungsbeschränkung ge-mäß den §§
4 ff. [X.] zu prüfen sind (vgl. dazu v. Waldstein/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
5d [X.] Rn.
18, 29, 31 mwN). Diese Frage muss im vorliegenden Verfahren nicht beantwortet werden.
a) Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist das Begehren, das vorliegende Eröffnungsverfahren bis zur Erledigung des selbständigen Beweis-4
5
6
-
5
-

verfahrens auszusetzen. Keiner Entscheidung bedarf deshalb, ob eine Ausset-zung im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren in Betracht käme; dieses Begeh-ren haben die Antragsgegnerinnen schon in der Vorinstanz nicht weiterverfolgt.
b) Die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Eröffnungsverfahrens bis zur Erledigung des selbständigen Beweisverfahrens liegen auch dann nicht vor, wenn man unterstellt, dass die materiell-rechtlichen Voraussetzungen und Ausschlusstatbestände der Haftungsbeschränkung vor der Eröffnung des [X.] umfassend geprüft werden müssen.
Zweifelhaft ist bereits,
ob die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Aussetzung des Verfahrens auf das [X.] überhaupt anwendbar sind. Zwar sind nach §
34 Abs.
2 Satz 1, §
3 Abs.
1 Satz 1 [X.] im [X.] grundsätzlich die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Für das teilweise ver-gleichbare Insolvenzverfahren (vgl. v. Waldstein/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
5d [X.] Rn.
5), das sich ebenfalls grundsätzlich nach dem Verfahrensrecht der Zivilprozessordnung richtet (§
4 [X.]), hat der [X.] die Möglichkeit einer Verfahrensaussetzung jedoch verneint, weil das Verfahren eilbedürftig und auf eine rasche Befriedigung der Gläubiger angelegt ist (Beschluss vom 27. Juli 2006 -
IX
ZB 15/06, [X.], 642 Rn.
5).
Aber selbst wenn man die für die Aussetzung eines Rechtsstreits maß-geblichen Grundsätze auf das Binnenschifffahrtsrechtliche [X.] überträgt, liegen die Voraussetzungen für die begehrte Aussetzung
nicht vor. Zwar kann die Aussetzung eines Rechtsstreits bis zur Erledigung eines parallel laufenden selbständigen Beweisverfahrens im Hinblick auf §
493 [X.] zulässig sein, wenn eine im Hauptsacheverfahren beweiserhebliche Tatsache in dem selbständigen Beweisverfahren geklärt werden soll ([X.], Beschluss vom 7
8
9
-
6
-

26.
Oktober 2006 -
VII
ZB 39/06, NJW-RR 2007, 307 Rn.
7 f.). Eine solche Konstellation liegt aber nicht vor.
[X.] legen nicht dar, dass im selbständigen Beweis-verfahren Tatsachen geklärt werden sollen, die für die Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen und Ausschlusstatbestände der Haftungsbe-schränkung gemäß den §§
4 ff. [X.] erheblich sind (§
575 Abs.
3 Nr.
2 [X.]). Dies ist auch
sonst
nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Beweisauf-nahme im selbständigen Beweisverfahren nicht darüber Aufschluss geben, ob eine Haftungsbeschränkung gemäß §
5b Abs.
1 [X.] ausgeschlossen ist. Dies hängt davon ab, ob der Antragsteller zu 2 als gesetzlicher Vertreter der Antragstellerin zu 1 den Schaden zumindest leichtfertig und in dem Bewusst-sein verursacht hat, dass ein solcher Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde; in diesem Fall könnte der Antragsteller zu 2 gemäß §
5c Abs.
2 und Abs.
1 Nr.
3 [X.] in Verbindung mit §
3 [X.] auch seine eigene Haf-tung nicht beschränken. Die Frage nach dem Grad des Verschuldens des [X.] zu 2 ist nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens. Die darin ergangenen Beweisbeschlüsse betreffen die Schadensentwicklung nach der unstreitigen Kollision des [X.] mit dem Brückenträger und die im Eröffnungsverfahren nicht zu klärende Schadenshöhe. Auf diese Streitpunkte kommt es für die Beurteilung, ob die vorangegangene Fehleinschätzung der Durchfahrtshöhe und das Passieren der Brücke mit ausgefahrenem Kran einen im Sinne des §
5b Abs.
1 [X.] qualifizierten [X.] tragen, nicht an.
Nach §
148 [X.] kann das Gericht, wenn die Entscheidung des [X.] ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des 10
11
-
7
-

anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Die Aussetzung der Verhandlung setzt damit Vorgreiflichkeit der
in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entschei-dung im Sinne einer (zumindest teilweise) präjudiziellen Bedeutung voraus (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
März 2005 -
X
ZB 26/04, [X.]Z 162, 373, 375). Eine solche Vorgreiflichkeit liegt hinsichtlich des selbständigen Beweisverfahrens nicht vor und es sind auch sonst keine Wertungsgesichtspunkte ersichtlich, die in zumindest analoger Anwendung des §
148 [X.] eine Aussetzung des Eröff-nungsverfahrens bis zur Erledigung jenes Verfahrens rechtfertigen könnten. Unerheblich ist, ob die Voraussetzungen für eine Aussetzung bis zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens gegeben sind. Denn die von den Antragsgegnerin-nen begehrte Aussetzung bis zur Erledigung des selbständigen Beweisverfah-rens ist gegenüber einer Aussetzung bis zur Erledigung des Hauptsacheverfah-rens kein Minus,
sondern ein Aliud,
weil es sich um eigenständige Verfahren handelt.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, weil die Ausgangsent-scheidung des Amtsgerichts über die Aussetzung des Verfahrens als Teil der Hauptsache keine Kostenentscheidung enthalten durfte und die Beschwerde-verfahren nur einen Bestandteil des Hauptverfahrens darstellen ([X.], [X.] vom 12. Dezember 2005 -
II
ZB 30/04, NJW-RR 2006, 1289 Rn.
12;

12
-
8
-

MünchKomm[X.]/[X.], 4.
Aufl., §
252 Rn.
18; [X.], aaO, §
572 Rn.
40; Musielak/Ball, [X.], 10.
Aufl., §
572 Rn.
24; [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
252 Rn.
3).
Galke
Zoll
[X.]

[X.]
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.09.2011 -
4 C 1803/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 15.05.2012 -
9 W 2067/11 BSch -

Meta

VI ZB 31/12

11.06.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.06.2013, Az. VI ZB 31/12 (REWIS RS 2013, 5179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5179

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZB 31/12 (Bundesgerichtshof)

Binnenschifffahrtsrechtliches Verteilungsverfahren: Voraussetzungen der Aussetzung des Verfahrens


6 C 6/11 (Bundesverwaltungsgericht)

Keine Haftungsbeschränkung für Kosten eines Feuerwehreinsatzes bei Schiffsunfall; Gewässerverunreinigung


I ZR 52/21 (Bundesgerichtshof)

Anerkennung einer in einem Mitgliedstaat getroffenen gerichtlichen Entscheidung zur Errichtung eines schifffahrtsrechtlichen Haftungsbeschränkungsfonds


VIII ZB 14/10 (Bundesgerichtshof)

Selbstständiges Beweisverfahren: Umdeutung einer unzulässigen einseitigen Erledigungserklärung in eine Antragsrücknahme


VIII ZB 73/09 (Bundesgerichtshof)

Selbstständiges Beweisverfahren: Kostentragung bei unterbliebener Beweisaufnahme wegen Erledigung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZB 31/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.