Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.02.2023, Az. VIII B 4/22

8. Senat | REWIS RS 2023, 978

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Gegenstand

Schuldzinsenabzug aus einem Darlehen zur Finanzierung einer Bürgschaftsinanspruchnahme


Leitsatz

NV: § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 EStG schließt den Abzug von Schuldzinsen für ein Refinanzierungsdarlehen, das der Steuerpflichtige zur Finanzierung einer Bürgschaftsinanspruchnahme aufnimmt, bei den Einkünften aus Kapitalvermögen vorbehaltlich der Regelung in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG aus.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 18.11.2021 - 4 K 699/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

2

Die Vorentscheidung ist nicht in entsprechender Anwendung von § 127 [X.]O wegen des am 30.06.2022 ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr 2013 aufzuheben, da dieser Bescheid nach übereinstimmender Aussage der Beteiligten den Streitstoff nicht berührt (s. unter 1.). Die Revision ist auch nicht wegen der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) behaupteten qualifizierten [X.] des Finanzgerichts ([X.]) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O zuzulassen (s. unter 2.). Jedenfalls kommt eine Zulassung der Revision auch in entsprechender Anwendung von § 126 Abs. 4 [X.]O nicht in Betracht (s. unter 3.)

3

1. Ergeht während des Verfahrens über eine zulässige, aber unbegründete Nichtzulassungsbeschwerde ein Änderungsbescheid (hier der geänderte Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 2013 vom 30.06.2022), wird dieser gemäß § 68 [X.]O zum Gegenstand des Verfahrens. Die Vorentscheidung ist entsprechend § 127 [X.]O aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Die Vorentscheidung ist jedoch nicht entsprechend § 127 [X.]O aufzuheben, wenn der Änderungsbescheid keine gegenüber den bisherigen Belastungen verbösernde Entscheidung enthält oder diese Entscheidung --wie hier zwischen den [X.] nicht streitig ist (z.B. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 16.06.2010 - X B 91/09, [X.], 1844, Rz 4).

4

2. Das [X.] hat im Streitjahr den Abzug von Schuldzinsen für ein Darlehen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgelehnt, das der Kläger aufgenommen hatte, um im [X.] die Erfüllung aus einer Bürgschaftsinanspruchnahme zu finanzieren. Es ist nicht erkennbar, dass dem [X.] bei dieser rechtlichen Würdigung die vom Kläger geltend gemachten qualifizierten [X.] gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O unterlaufen sein könnten.

5

a) Das Beschwerdeverfahren gemäß § 116 [X.]O dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Entscheidungen zu gewährleisten (z.B. [X.] vom 04.05.2021 - VIII B 121/20, [X.], 1329, Rz 15). [X.] Fehler des [X.] im Rahmen der rechtlichen oder tatsächlichen Würdigung können nur im Falle qualifizierter [X.] im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung des [X.] zur Revisionszulassung führen. Unterhalb dieser Schwelle liegende, auch erhebliche Rechtsfehler des [X.] reichen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung und somit einen Grund für die Zulassung der Revision anzunehmen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] vom 03.08.2017 - IX B 54/17, [X.], 1449; vom 03.02.2012 - IX B 126/11, [X.], 741, Rz 3; vom 08.05.2018 - VIII B 124/17, [X.], 822, Rz 21).

6

b) Das [X.] hat sich bei seiner rechtlichen Würdigung darauf gestützt, dass der Kläger aus der Bürgschaftsinanspruchnahme und dem im [X.] auf ihn übergegangenen wertlosen Rückgriffsanspruch keinen steuerbaren [X.] gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) habe erzielen können, da ihm insoweit die Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt habe. Mangels eines Veranlassungszusammenhangs zwischen den geltend gemachten Schuldzinsen und diesen oder anderen steuerbaren Einkünften des [X.] aus Kapitalvermögen lägen keine Werbungskosten vor. Diese Würdigung des [X.] ist entgegen der Ansicht des [X.] nicht schlechthin unvertretbar oder willkürlich.

7

3. Die Revision wäre in entsprechender Anwendung von § 126 Abs. 4 [X.]O auch dann nicht zuzulassen, wenn der Senat mit dem Kläger einen qualifizierten [X.] des [X.] bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht für den [X.] annehmen und der --aus Sicht des [X.] im [X.] [X.] aus dem Rückgriffsanspruch steuerbar wäre.

8

a) Nach § 126 Abs. 4 [X.]O ist eine Revision auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts ergeben, sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig darstellt. Die Vorschrift ist im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision entsprechend anzuwenden. Der § 126 Abs. 4 [X.]O zugrunde liegende Rechtsgedanke ist im Rahmen aller Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 [X.]O heranzuziehen ([X.] vom 18.06.2015 - X B 20/15, [X.], 1418, Rz 11 bis 13; vom 16.12.2020 - VIII B 141/19, [X.], 534, Rz 3).

9

b) Selbst wenn die geltend gemachten Schuldzinsen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem im [X.] realisierten und gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG steuerbaren [X.] aus dem Rückgriffsanspruch des [X.] stünden und dem Grunde nach Werbungskosten wären, weil der Kläger mit dem zugrunde liegenden Darlehen die Bürgschaftszahlung und damit die Anschaffungskosten seines Rückgriffsanspruchs finanziert hätte, scheitert ein Abzug der Schuldzinsen jedenfalls an § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 EStG.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG tritt die Regelung in § 20 Abs. 9 EStG an die Stelle der §§ 9, 9a EStG und schließt den Abzug der tatsächlichen Werbungskosten im Zusammenhang mit Kapitalerträgen aus, die unter den gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG fallen (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2014 - VIII R 53/12, [X.], 332, [X.], 975, Rz 10). Stattdessen ist nach § 20 Abs. 9 EStG "als Werbungskosten" der Sparerpauschbetrag abzuziehen. Dieser wurde dem Kläger im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 30.06.2022 in voller Höhe gewährt.

Das Werbungskostenabzugsverbot gilt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG nur dann nicht, wenn die Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 EStG die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 9 EStG ausschließt. Letzteres ist hier nicht der Fall. Denn die Voraussetzungen in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG für einen Ausschluss des geltend gemachten [X.]s aus dem Rückgriffsanspruch aus dem gesonderten Tarif sind im Streitfall offenkundig nicht gegeben. Der Kläger ist selbst nicht Gesellschafter der [X.] 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG, für deren Darlehen er gebürgt hatte. Auch ist nach den Feststellungen des [X.] und dem Vortrag des [X.] nicht ersichtlich, dass der Kläger gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG zu einem der mindestens zu 10 % beteiligten Gesellschafter in einem Näheverhältnis gestanden haben könnte.

4. Der Senat sieht von einer Darstellung des Tatbestands und weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O).

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII B 4/22

22.02.2023

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 18. November 2021, Az: 4 K 699/19, Urteil

§ 2 Abs 2 S 2 EStG 2009, § 20 Abs 9 EStG 2009, § 32d Abs 2 Nr 1 S 1 Buchst b S 1 EStG 2009, § 32d Abs 2 Nr 1 S 1 Buchst b S 2 EStG 2009, § 126 Abs 4 FGO, EStG VZ 2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.02.2023, Az. VIII B 4/22 (REWIS RS 2023, 978)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 978

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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