Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2004, Az. X ZR 101/03

X. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 805

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 9. November 2004 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - Der X. Zivilsenat des Bundes[X.]ichtshofs hat auf die mündliche [X.] vom 9. November 2004 durch [X.] [X.] und [X.] Scharen, [X.], [X.] und [X.]
für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klä[X.]s wird das am 1. Juli 2003 verkündete Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandes[X.]ichts Dresden aufgeho-ben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das [X.]s[X.]icht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte war zunächst Geschäftsführer der [X.]

GmbH (im folgenden [X.] ). Deren Liquidation unter Bestellung eines Dr. Z. zum Liquidator wurde am 19. Juli 1993 ins Handelsregister - 3 - eingetragen und am 15., 16. und 17. September 1993 im Bundesanzei[X.] be-kanntgemacht.
Am 25. Oktober 1993 unterzeichneten der Klä[X.] und für die [X.] Beklagte einen Vertrag, wonach der Klä[X.] für 309.991,30 [X.] fertigen sollte. Die Zahlungsklage des Klä[X.]s gegen die [X.] blieb erfolg- los. Das Oberlandes[X.]icht Dresden wies sie ab, weil zwischen dem Klä[X.] und der [X.] kein Vertrag zustande gekommen sei; da der Liquidator den [X.] nicht genehmigt habe, habe der Beklagte als Vertreter ohne Vertretungsmacht gehandelt.
Wegen der ihm in diesem Prozeß entstandenen Kosten nimmt der Klä-[X.] nunmehr den Beklagten in Anspruch. Das Land[X.]icht hat diese Klage ab-gewiesen, weil die Haftung des Beklagten gemäß § 179 Abs. 1 [X.] nach § 179 Abs. 3 [X.] ausgeschlossen sei und auch eine Haftung des Beklagten aus c.i.c. nicht in Betracht komme. Die hiergegen vom Klä[X.] eingelegte [X.] ist erfolglos geblieben. Der Klä[X.] verfolgt deshalb sein Zahlungsbegeh-ren mit der Revision weiter.
Der Beklagte, der behauptet hat, mit Vertretungsmacht gehandelt zu ha-ben, und außerdem die Einrede der Verjährung erhoben hat, tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

- 4 - Entscheidungsgründe:

Die zugelassene und auch im übrigen zulässige Revision des Klä[X.]s hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Be-rufungs[X.]icht.
1. Beide Vorinstanzen haben die Klage, soweit sie auf § 179 [X.] ge-stützt ist, ohne weitere Sachaufklärung abgewiesen, weil eine Haftung des [X.] als vollmachtloser Vertreter nach § 179 Abs. 3 [X.] ausgeschlossen sei. Zur Begründung hat das Oberlandes[X.]icht ausgeführt: [X.] handele grundsätzlich fahrlässig, wenn er sich über die im [X.] und ordnungsgemäß bekanntgemachten Rechtsverhältnisse des Geschäftspartners nicht erkundige. Hätte der Klä[X.] vor der Unterzeichnung des schriftlichen Vertrags am 25. Oktober 1993 Einblick in das Handelsregister genommen, hätte er erkannt, daß sich die [X.] bereits sei [X.]aumer Zeit in Liquidation befunden habe und der Beklagte nicht zum Liquidator bestellt ge-wesen sei. Dies hätte ihn veranlassen müssen, sich beim Liquidator über den Bestand und den Umfang der Vertretungsmacht des Beklagten zu erkundigen, und zu der Erkenntnis geführt, daß der Beklagte nicht zur Vertretung der [X.] berechtigt sei.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen ergeben nicht, daß der Klä[X.] den [X.] nicht genügt hat, die an ihn beim Abschluß des [X.] zu stellen waren. Dabei kann für die revisionsrechtliche Überprüfung mit den Vorinstanzen davon ausgegangen werden, daß der Klä-- 5 - [X.] sich die Handelsregistereintragung und -bekanntmachung des [X.] und der Bestellung einer dritten Person zum Liquidator entge-genhalten lassen muß (vgl. § 15 Abs. 2 HGB).
a) § 179 Abs. 1 [X.] ordnet eine Garantiehaftung an, die dem Vertreter ohne nachgewiesene Vertretungsmacht das verschuldensunabhängige Risiko auferlegt, seine - zumindest stillschweigend erfolgte - Erklärung, er habe die für den abgeschlossenen Vertrag erforderliche Vertretungsmacht, sei richtig (z.[X.] [X.], Urt. v. 02.02.2000 - VIII ZR 12/99, [X.], 1407). Das hat zur Folge, daß der Vertragsgegner grundsätzlich auf die behauptete Vertretungsmacht vertrauen darf (z.[X.] [X.]Z 147, 381). Der Vorwurf fahrlässi[X.] Unkenntnis des Mangels der Vertretungsmacht, die nach § 179 Abs. 3 [X.] die Haftung des vollmachtlosen Vertreters entfallen läßt ([X.]Z 147, 381), kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Vertragsgegner beim Vertragsschluß ([X.], [X.], 3. Aufl., § 179 Rdn. 36) entweder tatsächlich Zweifel an dem Bestand oder dem notwendigen Umfang der erforderlichen Vertretungsmacht hatte oder es jedenfalls erkennbare Umstände gab, die ihn insoweit hätten zweifeln lassen müssen. Ein Vertrauen des Vertragsgegners auf die [X.] Vertretungsmacht ist dann nicht mehr schutzwürdig ([X.]Z 147, 381); erst wenn auch zumutbare Nachforschungen nicht zu einer Aufklärung geführt [X.], kann wieder etwas anderes gelten.
b) Auf der Grundlage des vom Berufungs[X.]icht herangezogenen [X.] beantwortet sich die Frage des Ausschlusses einer Vertreterhaftung des Beklagten deshalb danach, ob die im Handelsregister ausgewiesenen und bekanntgemachten Umstände der Überführung der [X.] in eine Abwicklungs- gesellschaft und des in der Bestellung einer anderen Person als Liquidator lie-- 6 - genden Wegfalls der Befugnis des Beklagten, als gesetzlicher Vertreter für die [X.] zu handeln, jeweils für sich oder zusammen Bedenken begründen muß- ten, ob der Beklagte zum Abschluß des [X.] be-vollmächtigt sei.
c) Gründe hierfür gibt das angefochtene Urteil nicht an. Sie ergeben sich auch nicht etwa ohne weiteres. Da nichts dazu festgestellt ist, daß der Beklagte sich bei Unterzeichnung des [X.] als Geschäftsfüh-rer der [X.] [X.]iert habe, kann nicht zugrunde gelegt werden, der Klä[X.] habe davon ausgehen müssen, der Beklagte habe den [X.] der [X.] abgeschlossen. Angesichts des eingangs erwähnten Grundsatzes ist deshalb die Annahme einer fallbezogenen rechtsgeschäftli-chen [X.] zugunsten des Beklagten nicht ausgeschlossen. [X.] Existenz unterliegt nicht bereits deshalb Zweifeln, weil die Befugnis, als gesetzlicher Vertreter zu handeln, zuvor weggefallen ist. Ebenso wie die [X.], daß einer bestimmten Person Vertretungsmacht ein[X.]äumt worden ist, die zusätzliche Bevollmächtigung eines Dritten und den Glauben des Vertrags-partners hieran nicht ausschließt (vgl. [X.], Urt. v. 02.10.1985 - VIII ZR 253/84, [X.], 1481), hindert der Übergang der gesetzlichen Ver-tretung auf einen Dritten nicht, dem bisherigen gesetzlichen Vertreter weiterhin Geschäfte im Namen der [X.] zu erlauben. Daran ändert im Streitfall auch der Umstand nichts, daß der Wegfall der gesetzlichen Vertretung durch den Beklagten im Zusammenhang mit dem Beschluß stand, die [X.] zu liquidieren. Auch die Abwicklung einer [X.] kann es angezeigt sein lassen, anderen Personen [X.] zu erteilen. Weder die Liquidati-on der [X.] noch der Wechsel in der Geschäftsführung für sich noch beide Umstände zusammen - 7 - mußten deshalb den Klä[X.] an einer ausreichenden Bevollmächtigung des [X.] zum Abschluß des am 25. Oktober 1993 unterzeichneten Vertrags zweifeln lassen.
d) Die für die Anwendung des § 179 Abs. 3 [X.] erforderliche fahrlässi-ge Unkenntnis des Beklagten vom Fehlen der erforderlichen Vollmacht kann auch nicht aus der ergänzenden Feststellung des Land[X.]ichts hergeleitet wer-den, bei dem [X.] habe es sich nicht um ein Alltags-geschäft, sondern um einen Auftrag mit erheblichem Volumen gehandelt; au-ßerdem sei der Klä[X.] vorher noch nicht Geschäftspartner der [X.] gewesen. Denn das Gesetz nimmt von der im Interesse der Verkehrssicherheit in § 179 [X.] [X.]egelten Vertrauenshaftung ([X.], Urt. v. 02.02.2000 - VIII ZR 12/99, [X.], 1407) weder erstmalige Geschäfte noch solche von wirtschaftli-chem Gewicht aus. Auch beim Abschluß derarti[X.] Verträge darf grundsätzlich darauf vertraut werden, daß der als Vertreter Handelnde die für die Vornahme des Rechtsgeschäfts erforderliche Vertretungsmacht hat. Die für die Anwen-dung des § 179 Abs. 3 [X.] notwendigen Zweifel müssen sich mithin aus an-deren Umständen ergeben.
3. Das angefochtene Urteil kann nach allem keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungs[X.]icht zurückzuverweisen, weil noch Tatsachen-feststellungen zu treffen sind.
Was § 179 Abs. 3 [X.] anbelangt, wird das Berufungs[X.]icht den Sach-vortrag des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten (Münch-Komm./Schramm, [X.], 3. Aufl., § 179 Rdn. 39) und das unstreitige Vorbringen der Parteien daraufhin zu überprüfen haben, welche Umstände sich ihm noch - 8 - entnehmen lassen und ob diese für sich oder im Zusammenhang mit den erör-terten den Klä[X.] hätten veranlassen müssen, sich vor Abschluß des [X.] danach zu erkundigen, ob der Beklagte die erforderliche Vertretungsmacht tatsächlich hatte.
Bei oder als Folge dieser Würdigung wird das Berufungs[X.]icht auch zu erwägen haben, ob es sich wegen des Vorbringens des Klä[X.]s, schon seit August 1993, als der Beklagte noch Geschäftsführer der [X.] war, mit diesem wegen des dann am 25. Oktober 1993 abgeschlossenen Geschäfts verhandelt zu haben, im Streitfall ausnahmsweise verbietet, auf die erst nach August 1993 erfolgten [X.] abzustellen. Denn die höchstrichterliche Rechtsprechung, daß das Vorhandensein einer ständigen Geschäftsverbin-dung in der Regel genügt, um die Berufung auf Veränderungen im Handelsre-gister als rechtsmißbräuchlich erscheinen zu lassen, wenn der Geschäftspart-ner auf die veränderten Verhältnisse nicht hingewiesen worden ist ([X.], Urt. v. 06.10.1977 - II ZR 4/77, [X.] 1978, 210; Urt. v. 08.07.1976 - II ZR 211/74, [X.], 1084), gibt Veranlassung zu Überlegungen, ob die behaupteten dauernden Vertragsverhandlungen im Streitfall nicht auch eine Situation ge-schaffen haben, die der einer festen Geschäftsbeziehung vergleichbar ist, und ob es deshalb nicht nach [X.] und Glauben Sache des Beklagten gewesen wäre, den Klä[X.] über die [X.] aufzuklären. - 9 - Sollte der für die Anwendung des § 179 Abs. 3 [X.] erforderliche Sach-verhalt nicht festgestellt werden können, wird der Behauptung des Beklagten, er habe mit Vertretungsmacht gehandelt, und - bei [X.] dieser Behauptung - der Verjährungseinrede des Beklagten nachzugehen sein.

[X.] Scharen [X.]

[X.] [X.]

Meta

X ZR 101/03

09.11.2004

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.11.2004, Az. X ZR 101/03 (REWIS RS 2004, 805)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 805

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