Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2021, Az. VI ZR 140/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 7856

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Gegenstand

Haftungsgrenzen bei Kfz-Unfall mit Personenschaden: Berücksichtigung der Kapitalhöchstbeträge bei den zu zahlenden Rentenbeträgen; Höchstgrenze bei Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis; Vorliegen eines Schuldanerkenntnisses bei Bezahlung einer Verbindlichkeit


Leitsatz

1. Der Kapitalhöchstbetrag gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG in der Fassung vom 16. August 1977 oder § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG in der Fassung vom 16. August 1977 stellt nicht zugleich die Höchstsumme der gemäß § 12 Abs. 1 StVG in der Fassung vom 16. August 1977 zu zahlenden Rentenbeträge dar. Die Regelungen der Kapitalhöchstbeträge sind nicht zusätzlich als weitere Höchstgrenze für die jährlichen Rentenbeträge heranzuziehen.

2. Auch bei Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis verbleibt es trotz der globalen Haftungsgrenze in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG in der Fassung vom 16. August 1977 für den einzelnen Verletzten bei der individuellen Höchstgrenze des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG in der Fassung vom 16. August 1977 von einem Kapitalbetrag von 500.000 DM oder einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM.

3. Zwar kann grundsätzlich die Bezahlung einer Verbindlichkeit im Einzelfall ein konkludent erklärtes bestätigendes Schuldanerkenntnis der beglichenen Forderung darstellen. Dieser Erklärungswert kommt einer Tilgungsleistung als solcher aber nicht allgemein, sondern nur dann zu, wenn der Schuldner aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall bei seiner Leistung aus der Sicht des Empfängers den Eindruck erweckt, er handle mit einem auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung gerichteten Rechtsfolgewillen. Dies setzt voraus, dass die Beteiligten einen nachvollziehbaren Anlass für ein Schuldanerkenntnis haben, insbesondere Streit oder zumindest Ungewissheit über das Bestehen der Schuld oder über einzelne Einwendungen herrscht und damit der Wille erkennbar wird, diese Unsicherheit durch vertragliche Vereinbarung zu beseitigen (Anschluss an BGH, Urteil vom 21. Oktober 2008 - XI ZR 256/07, ZIP 2008, 2405).

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] des [X.] vom 27. Dezember 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der am 18. Februar 1983 geborene Kläger befand sich am 10. Juli 2000 als Beifahrer in einem Kraftfahrzeug auf der Autobahn [X.] Von einem bei dem beklagten Versicherer haftpflichtversicherten Fahrzeug auf der Gegenfahrbahn löste sich infolge eines Ermüdungsbruches an der Achse [X.], rollte über die Autobahn und traf, von der Leitplanke emporgeschleudert, das Fahrzeug, in dem der Kläger saß. Der Kläger brach sich beim Aufprall die Halswirbelsäule und ist seitdem ab dem 5. Halswirbel querschnittsgelähmt. Er ist auf intensive Unterstützung und Pflege angewiesen. Eine weitere Mitfahrerin wurde leicht verletzt, erhob aber keine Ansprüche gegen die Beklagte. Ein Verschulden an dem Unfall konnte nicht festgestellt werden. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Der Kläger entschied sich aus wirtschaftlichen Gründen aufgrund seines jungen Lebensalters zum Zeitpunkt des Unfalls für eine Rentenzahlung anstatt einer Einmalzahlung. Die Beklagte zahlte an den Kläger seit dem Unfall eine monatliche Rente in Höhe von 1.917,34 €. Die letzte Rentenzahlung erfolgte am 25. September 2017. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte an den Kläger Rentenzahlungen in Höhe von insgesamt 388.497,32 € geleistet. Am 8. Januar 2018 lehnte sie jede weitere Zahlung ab. Der unfallbedingte monatliche Pflegebedarf des [X.] überstieg den bislang jährlich gezahlten Rentenbetrag von 23.008,13 € erheblich und wird voraussichtlich zu seinen Lebzeiten nicht unter diesen Satz sinken.

2

Die Beklagte hat die Zahlungen eingestellt, weil sie die Auffassung vertritt, dass im Rahmen des § 12 StVG aF auch der Schadensersatz in Form einer Rente durch die Höchstsumme des [X.] beschränkt sei. Daher bestehe keine Zahlungsverpflichtung mehr, die in § 12 Abs. 1 Nr. 2 StVG aF normierte Höchstgrenze von 750.000 DM (= 383.468,91 €) sei durch die Zahlungen erreicht.

3

Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 7.669,36 € nebst Zinsen aus jeweils 1.917,34 € seit dem 25. Oktober 2017, dem 25. Dezember 2017, dem 25. Januar 2018 und dem 25. Februar 2018 zu zahlen. Es hat festgestellt, dass die Forderungen des [X.] gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall des [X.] vom 10. Juni 2000 jährlich auf einen Höchstbetrag von 23.008,13 € (= 45.000 DM) begrenzt sind und nicht einmalig auf einen Höchstbetrag von 383.468,91 € (= 750.000 DM). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das [X.]erufungsgericht hat ausgeführt, das [X.] habe dem Zahlungs- und dem Feststellungsantrag zu Recht stattgegeben. Es sei zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Rolle spiele, dass die [X.]eklagte zu Gunsten des Klägers für die zu zahlende Rente von den [X.] des § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF (45.000 DM = 23.008,13 €) ausgehe, obwohl diese Höchstgrenze nur für den Fall gelten dürfte, dass mehrere Verletzte ihren Schaden als Rente auch geltend machten. Für einen Einzelnen dürfte es bei der Grenze des § 12 Abs. 1 [X.] [X.] aF bleiben, denn § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF formuliere: "... unbeschadet der in [X.] bestimmten Grenzen ...". Jedenfalls habe die [X.]eklagte durch Zahlung des jährlichen Höchstbetrages des § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF ihren Rechtsbindungswillen dahingehend kundgetan, dass sie von einer Anwendung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF ausgehe, so dass dieser auch für den höchstens geschuldeten Kapitalbetrag von 750.000 DM (= 383.468,91 €) maßgebend sei. Die dem entsprechende Feststellung des [X.]s habe die [X.]eklagte in der [X.]erufung nicht angegriffen. Zu Recht habe das [X.] geurteilt, dass im Rahmen des § 12 Abs. 1 [X.] aF eine Haftungshöchstgrenze für die zu leistenden Rentenbeträge nicht anzunehmen sei. Der Wortlaut der Norm sei klar und eindeutig. Die Höchstbeträge für den Kapital- und den Rentenbetrag stünden in einem unmissverständlichen Alternativverhältnis, ohne dass der Rentenbetrag noch einmal auf die Höhe des [X.] eingeschränkt werde. Die [X.] beschlossene Neufassung des § 12 [X.] zeige, dass der Gesetzgeber, wenn er eine [X.]eschränkung des Rentenbetrages auf die Höhe des [X.] beabsichtige, dies auch ausdrücklich so anordne, denn er habe in § 12 Abs. 1 Satz 2 [X.] nF explizit geregelt, dass die Höchstbeträge nach Satz 1 [X.] auch für den Kapitalwert einer als Schadensersatz zu leistenden Rente gälten. Aus den Gesetzesmaterialien gehe nicht hervor, dass es sich bei der Neufassung insoweit um eine bloße Klarstellung des bisher Geregelten habe handeln sollen. Auch Sinn und Zweck der Regelung geböten keine Haftungsbegrenzung der Rentenleistung auf eine absolute Höchstgrenze. Aus den Gesetzesmaterialien lasse sich ableiten, dass der Gesetzgeber selbst die [X.] bereits im Ansatz nicht zweifelsfrei für erforderlich halte, was zusätzlich gegen seine Absicht zur Einführung noch einer weiteren Höchstbegrenzung für die jährliche Rente spreche. Auch das Argument der [X.], ein Versicherer benötige zur Ermittlung der Höhe der Versicherungsprämien die Angabe eines Höchstbetrages, greife nicht durch, denn anhand von Sterbetafeln etc. sei es möglich, die Lebensdauer und damit auch die Dauer der Haftung zu kalkulieren. Der Geschädigte habe das Wahlrecht, ob er lieber den Einmalbetrag mit allen daraus erwachsenden Nachteilen für sich in Anspruch nehme, so etwa, dass der [X.]etrag nicht ausreiche oder nicht genügend Kapital abwerfe, oder ob er den niedrigeren jährlichen Rentenbetrag beanspruche, der zuverlässig und auf unbegrenzte Zeit gezahlt werde. Dies könne auch für den Versicherer von Vorteil sein, wenn der Geschädigte etwa früher sterbe als erwartet. Auch die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung gebiete nicht die [X.]egrenzung der jährlichen Höchstbeträge der Rente auf einen absoluten Höchstbetrag. Soweit die Literatur eine Haftungshöchstgrenze wie von der [X.] gefordert annehme, geschehe dies ohne eigene [X.]egründung.

II.

5

Diese Erwägungen des [X.]erufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

6

1. Das [X.]erufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass auf den Streitfall § 12 [X.] in der Fassung des Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 16. August 1977 ([X.], im Folgenden § 12 [X.] aF) anwendbar ist (vgl. Art. 12 des 2. Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002, [X.] [X.]). Danach haftet der Ersatzpflichtige nach § 12 Abs. 1 [X.] [X.] aF im Fall der Tötung oder Verletzung eines Menschen nur bis zu einem Kapitalbetrag von 500.000 DM oder bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM (auch individuelle Höchstgrenze genannt), nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF im Fall der Tötung oder Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis, unbeschadet der in [X.] bestimmten Grenzen, nur bis zu einem Kapitalbetrag von insgesamt 750.000 DM oder bis zu einem Rentenbetrag von (jährlich) 45.000 DM (auch globale Höchstgrenze genannt).

7

2. Das [X.]erufungsgericht ist auch zu Recht zu der [X.]eurteilung gelangt, dass der Kapitalhöchstbetrag gemäß § 12 Abs. 1 [X.] [X.] aF oder § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF nicht zugleich die Höchstsumme der gemäß § 12 Abs. 1 [X.] aF zu zahlenden Rentenbeträge darstellt. Die Regelungen der [X.] sind nicht zusätzlich als weitere Höchstgrenze für die jährlichen Rentenbeträge heranzuziehen. Eine abweichende Auffassung wird zwar vom [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 22. Juni 2016 - 14 U 68/15, juris) und vereinzelten Stimmen in der Literatur (vgl. [X.], juris PR-VerkR 14/2017 [X.]. 2; [X.], juris PR-VerkR 10/2019 [X.]. 2; [X.] in [X.], Stand [X.], [X.] § 12 Rn. 9.1) vertreten, doch ist diese Auslegung vom klaren Wortlaut des Gesetzes nicht getragen, vom Zweck des Gesetzes nicht geboten und es finden sich für sie keine Anhaltspunkte in den [X.].

8

a) [X.]ereits in § 12 des [X.] mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 ([X.]. [X.]; vgl. zur Entstehungsgeschichte [X.], [X.] 2000, 238 ff.; von [X.], [X.] durch die Gefährdungshaftung, 2002, [X.] ff.) war bestimmt, dass der Ersatzpflichtige im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen nur bis zu einem Kapitalbetrage von [X.] oder bis zu einem Rentenbetrage von [X.], im Falle der Tötung oder Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis, unbeschadet der in [X.] bestimmten Grenze, nur bis zu einem Kapitalbetrage von insgesamt 1[X.] oder bis zu einem Rentenbetrage von [X.] hafte. Die jährliche Höchstrente betrug danach 6 % vom höchsten Kapitalbetrag (vgl. [X.], [X.], 1912, § 12 [X.]. III 4 b). Dieses Verhältnis zwischen Kapital- und Rentenbetrag bestand noch in der im Streitfall anwendbaren Fassung von § 12 [X.] aF. In dem dem [X.] vorgelegten Gesetzesentwurf (vgl. Verhandlungen des [X.]es 1909, [X.], Aktenstück Nr. 988, [X.] vom 24. Oktober 1908, abgedruckt auch bei [X.], Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, 1909 [X.]. [X.]) fand sich diese Regelung in § 6. In der [X.]egründung des Entwurfs war ausgeführt, dass für die Fälle der Verletzung von Personen "die Grenze alternativ zu bestimmen" sei, "je nach dem der Ersatz durch Entrichtung einer Geldrente oder durch Kapitalabfindung zu leisten" sei (vgl. aaO S. 5600). Diese Regelung und die ihr nachfolgenden Regelungen (vgl. dazu ab 1909 Full in [X.], Straßenverkehrsrecht, [X.]d. I, 22. Aufl., § 12 [X.] Rn. 4; [X.], NJW 1978, 255; [X.]ollweg, [X.], 599), die nahezu wortgleich zwischen Rente und Kapitalbetrag unterschieden, sind stets als Höchstbetragsalternativen ohne [X.]egrenzung der Renten auf die [X.]höchstsumme verstanden worden, je nachdem, ob gemäß § 13 Abs. 1 [X.]/[X.] der Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente oder gemäß § 13 [X.] Abs. 2 [X.]/[X.] iVm § 843 [X.]G[X.] als Kapitalabfindung zu leisten war. In Erläuterungen der Norm wird ausgeführt, dass das [X.] in § 12 Abs. 1 [X.] [X.] aF die jährliche Rente auf 15.000 DM begrenze, sie aber zeitlich unbegrenzt laufen lasse, so dass bei einem jüngeren Geschädigten, etwa wenn dieser noch 35 Jahre lebe, eine Gesamtleistung von mehr als einer halben Million zu erbringen wäre (vgl. [X.], [X.][X.] 1966, 480). Verlange der Verletzte vom Schädiger eine Rente, so laufe diese mit dem [X.] nicht etwa nur solange, bis die Summe des Kapitalhöchstbetrages erreicht sei, sondern darüber hinaus ohne zeitliche Grenze bis zum Tod des [X.]erechtigten. [X.]ei einer Laufzeit von mehr als 16 Jahren sei es mithin für den Verletzten oder Hinterbliebenen günstiger, die Rentenzahlung zu wählen (vgl. Full, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr, 1980, § 12 Rn. 9; so auch [X.] in [X.]/[X.]urmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl., § 12 [X.] Rn. 6 zu § 12 [X.] mit den Höchstgrenzen des Schadensrechtsänderungsgesetzes vom 19. Juli 2002, [X.] I, [X.]). Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung setzte die alternative und nicht kumulative Anwendung der [X.] und Kapital ersichtlich unausgesprochen voraus. So sei § 12 [X.] [X.] aF dahin zu verstehen, dass entweder ein Kapitalbetrag oder eine Rente in der bezeichneten Höhe zu zahlen sei (Senatsurteil vom 24. März 1964 - [X.], [X.], 777, 778). Der Schädiger habe für Personenschäden gemäß § 12 [X.] aF höchstens einen Kapitalbetrag von 25.000 DM oder dessen 6%ige Verzinsung in Form einer Rente von 1.500 DM jährlich zur Verfügung zu stellen. Für hohe kurzfristige Schäden sei die Kapitalform, für niedrige langfristige die Rentenform für den Verletzten günstiger (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1964 - [X.], [X.], 494, juris Rn. 18). Wäre die Auffassung einer absoluten Höchstgrenze in Gestalt der [X.]höchstgrenze für die Rentenzahlung zutreffend, hätte es auch nicht der Entwicklung einer Methode bedurft, wie zu verfahren ist, wenn der Schadensersatz sowohl in Gestalt von Kapitalbeträgen als auch von Renten gefordert wird (vgl. dazu [X.]GH, Urteil vom 16. Dezember 1968 - [X.], [X.]GHZ 51, 226, 233, juris Rn. 22; [X.] 1938, 95; Senatsurteile vom 17. März 1964 - [X.], juris Rn. 19; vom 24. März 1964 - [X.], [X.], 777, 778; vgl. auch Full, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr, 1980, § 12 [X.] Rn. 12 ff.).

9

b) Entgegen der Auffassung der Revision gebietet auch der behauptete Zweck der [X.] eine [X.]egrenzung der Rentenzahlung auf den Kapitalhöchstbetrag nicht. Es trifft zwar zu, dass es die ursprüngliche gesetzgeberische Absicht war, die Versicherung der Gefährdungshaftung zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. [X.], [X.] 2000, 238, 264 f.; Senatsurteil vom 14. Juli 1964 - [X.], NJW 1964, 1898). Nur die feste [X.]egrenzung der Ersatzpflicht verschaffe dem [X.] die Möglichkeit, sich gegen die verschärfte Haftung ohne unverhältnismäßige Kosten zu versichern (so [X.]egründung des Entwurfs eines [X.] mit Kraftfahrzeugen vom 24. Oktober 1908, Verhandlungen des [X.]s 1909, [X.], Aktenstück Nr. 988, [X.], 5597). Allerdings ist dieser Gesetzeszweck in den späteren Gesetzgebungsverfahren zur Erhöhung der Höchstsummen nachvollziehbar angezweifelt worden: Dem Argument, dass die Haftungsbegrenzung Voraussetzung dafür sei, das Risiko zu kalkulieren und zu tragbaren [X.]edingungen abzusichern, ließe sich entgegenhalten, dass eine an den [X.] orientierte Versicherung lediglich das Risiko aus der Gefährdungshaftung abdecke, für die vielfach außerdem bestehenden Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die auf vollen Schadensausgleich gerichtet seien, also ohnehin Vorsorge getroffen werden müsste, soweit sie umfangmäßig über die durch die Gefährdungshaftung gezogenen Grenzen hinausgingen. Auch im Ausland habe die summenmäßig unbeschränkte Gefährdungshaftung anscheinend keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereitet (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 4. März 1976, [X.]T-Drucks. 7/4825 S. 8). Nachdem angesichts dieser Zweifel an der maßgeblichen Regelung nur festgehalten wurde, um das Ziel des Entwurfs, die Lage des Geschädigten in möglichst kurzer Zeit zu verbessern, nicht in Frage zu stellen (vgl. [X.]T-Drucks. 7/4825 S. 8), kann die Zielsetzung der Erleichterung der Versicherung der Gefährdungshaftung kaum geeignet sein, eine weitere Deckelung der [X.] zu begründen.

Anderes ergibt sich auch nicht - wie das [X.]erufungsgericht zutreffend ausführt - aus der Neufassung des § 12 [X.] im Jahre 2007 durch das [X.] zur Änderung des [X.] und anderer versicherungsrechtlicher Vorschriften vom 10. Dezember 2007 ([X.] [X.]), mit dem ein globaler [X.] von 5 Millionen Euro geregelt und in Abs. 1 Satz 2 angeordnet wurde, dass die Höchstbeträge nach Abs. 1 Satz 1 [X.] auch für den Kapitalwert einer als Schadensersatz zu leistenden Rente gelten (vgl. dazu [X.]ollweg, [X.], 599). Nach der [X.]egründung des Gesetzesentwurfs vom 6. Juni 2007 ([X.]T-Drucks. 16/5551, [X.]) musste in Umsetzung von Art. 2 der [X.] (Richtlinie 2005/14/[X.] Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 zur Änderung der [X.], 84/5/[X.], 88/357/[X.] und 90/232/[X.] des Rates sowie der Richtlinie 2000/26/[X.] Europäischen Parlaments und des Rates über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, A[X.]l. L 149 S. 14 vom 11. Juni 2005) und im [X.] an ein Urteil des [X.] vom 14. September 2000 ([X.]/98, [X.], 573 ff.) der bisher in § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] neben dem Kapitalbetrag vorgesehene jährliche Rentenbetrag als Haftungshöchstgrenze entfallen. Künftig solle allein der als Kapitalbetrag festgesetzte [X.] für eine etwaige Rentenzahlungsverpflichtung maßgeblich sein, was für den Rechtsanwender bedeute, dass er den Kapitalwert der Rente im Einzelfall ermitteln müsse. Dies stelle der neue Satz 2 nochmals ausdrücklich klar. Damit wird die [X.]egrenzungsfunktion des [X.] als neue Regelung vorgestellt und gerade nicht als Fortsetzung eines bisherigen Verständnisses oder einer bisherigen entsprechenden Praxis.

3. Nicht frei von [X.] ist jedoch die Annahme des [X.]erufungsgerichts zum Umfang der Ersatzpflicht, wonach jedenfalls mit Aufnahme der monatlichen Zahlungen die [X.]eklagte ihren Rechtsbindungswillen zum Ausdruck gebracht habe, den Kläger im Hinblick auf die Verletzung mehrerer - zweier - Menschen bei dem Unfall, von denen die weitere verletzte Person keine Ansprüche geltend mache, nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF zu entschädigen und dem Kläger den globalen Höchstbetrag der Rente in Höhe von 45.000 DM jährlich auszuzahlen.

a) Ob insoweit eine entsprechende Willenserklärung oder Vereinbarung angenommen werden kann, ist entscheidungserheblich, da nach der gesetzlichen Regelung bei Verletzung mehrerer Personen die individuelle Höchstgrenze des § 12 Abs. 1 [X.] [X.] aF auch für diesen Fall den Höchstbetrag für die Entschädigung des einzelnen Verletzten darstellt. Zutreffend ist die Annahme des [X.]erufungsgerichts, dass es auch bei Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis wie im Streitfall trotz der globalen Haftungsgrenze für den einzelnen Verletzten bei der individuellen Höchstgrenze des § 12 Abs. 1 [X.] [X.] aF von einem Kapitalbetrag von 500.000 DM oder einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM verbleibt (vgl. ebenso [X.] in [X.]/[X.]urmann, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl., [X.]. Rn. 49; [X.] in [X.]/[X.]urmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl., § 12 Rn. 3). Diese schon vom Wortlaut ("unbeschadet der in Nummer 1 bestimmten Grenzen") gebotene Auslegung findet ihren [X.]eleg auch in den [X.]. Die Unterscheidung zwischen individueller und globaler Höchstgrenze hat durch das Gesetz vom 16. August 1977 (Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften, [X.]) wieder Eingang in das [X.] gefunden, nachdem sie durch das Gesetz vom 15. September 1965 (Gesetz zur Änderung der [X.], [X.] I 1965 S. 1362) zu Gunsten einer einheitlichen Höchstgrenze für die Verletzung einer oder mehrerer Personen aufgegeben worden war. [X.]ereits § 12 des [X.] mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 ([X.]. [X.]) enthielt eine nahezu gleichlautende Regelung, wonach der Ersatzpflichtige im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen nur bis zu einem Kapitalbetrage von [X.] oder bis zu einem Rentenbetrage von [X.], im Falle der Tötung oder Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis, unbeschadet der in [X.] bestehenden Grenze, nur bis zu einem Kapitalbetrage von insgesamt 1[X.] oder bis zu einem Rentenbetrage von [X.] haftete (vgl. dazu [X.], [X.], 1912, § 12 [X.]. III 5 C). Sie bestand auch noch in § 12 [X.] in der Fassung des [X.]es vom 19. Dezember 1952 ([X.] I S. 837). An die Fassung dieser "früheren Vorbilder" lehnte sich der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 16. August 1977 ausdrücklich an (vgl. [X.]T-Drucks. 7/4825 S. 16). [X.]ereits im Entwurf eines Gesetzes für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen von 1908 (vgl. Verhandlungen des [X.]s 1909, [X.], Aktenstück Nr. 988 [X.], 5600) war zur Erläuterung der Norm ausgeführt, dass der einzelne Verletzte auch bei der Verletzung mehrerer Personen durch dasselbe Ereignis nicht mehr beanspruchen kann als den für die Verletzung einer Person bestimmten [X.]etrag. Dieses Verständnis ist auch in der Literatur der [X.] beibehalten worden (vgl. nur [X.], [X.], 3. Aufl. 1915, § 12 [X.]. 12; [X.], [X.], 1912, § 12 [X.]. III 5 C; [X.]/[X.], [X.], 1931, § 12 [X.]. III 5 C; Full in [X.], Straßenverkehrsrecht, [X.]d. I, 22. Aufl., § 12 Rn. 17 zum alten Recht).

b) Der vom [X.]erufungsgericht angenommene Rechtsbindungswille des beklagten Versicherers wird von seinen Feststellungen nicht getragen. Entgegen der Auffassung der Instanzgerichte kommt allein der Zahlung einer jährlichen Rente in Höhe des Jahreshöchstbetrages des § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF von 45.000 DM bzw. 23.008,13 € über 17 Jahre nicht der Erklärungswert zu, dass die [X.]eklagte sich zur Rentenleistung in dieser Höhe verbindlich verpflichten wollte oder diese Höchstgrenze anstelle der für die [X.] des [X.] geltenden gesetzlichen Höchstgrenze von 30.000 DM (= 15.338,76 €) jährlich für das Rechtsverhältnis zum Geschädigten als verbindlich erklären und insoweit auf Einwendungen gegen die Höhe der Rentenleistung verzichten wollte.

aa) Ob ein schlüssiges Verhalten als eine zu einer Vereinbarung über die Leistungen von Schadensersatz führende Willenserklärung zu werten ist, bestimmt sich nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Maßstäben. Hiernach kommt es entscheidend darauf an, wie das Verhalten objektiv aus der Sicht des Erklärungsgegners zu verstehen war, ob ein objektiver Dritter in der Position des Geschädigten, also nach den ihm bekannten oder jedenfalls erkennbaren Umständen, die Zahlung der Rente in dieser Höhe als ein Angebot auf den Abschluss einer Vereinbarung über eine verbindliche Rentenzahlung anlässlich des Verkehrsunfalles deuten konnte. Zwar kann grundsätzlich die [X.]ezahlung einer Verbindlichkeit im Einzelfall ein konkludent erklärtes bestätigendes Schuldanerkenntnis der beglichenen Forderung darstellen (vgl. nur [X.]GH, Urteile vom 21. Oktober 2008 - [X.], [X.], 2405, Rn. 16; vom 11. Juli 1995 - [X.], [X.], 1420, 1421, juris Rn. 6, jeweils mwN). Dieser Erklärungswert kommt einer Tilgungsleistung als solcher aber nicht allgemein, sondern nur dann zu, wenn der Schuldner aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall bei seiner Leistung aus der Sicht des Empfängers den Eindruck erweckt, er handle mit einem auf den Abschluss einer solchen Vereinbarung gerichteten Rechtsfolgewillen. Dies setzt voraus, dass die [X.]eteiligten einen nachvollziehbaren [X.]ass für ein Schuldanerkenntnis haben, insbesondere Streit oder zumindest Ungewissheit über das [X.]estehen der Schuld oder über einzelne Einwendungen herrscht und damit der Wille erkennbar wird, diese Unsicherheit durch vertragliche Vereinbarung zu beseitigen. Es besteht hingegen weder ein rechtlicher Anhalt noch ein wirtschaftlicher [X.]ass, allgemein Erfüllungshandlungen des Schuldners als Erklärung eines Verzichts auf Einwendungen gegen den Anspruch aufzufassen ([X.]GH, Urteil vom 21. Oktober 2008 - [X.], [X.], 2405 Rn. 16).

bb) Vom [X.]erufungsgericht sind keine besonderen Umstände festgestellt worden, die es im konkreten Fall rechtfertigen würden, den [X.] der [X.] den beschriebenen Erklärungswert zuzumessen. Allein die Feststellung, dass die Haftung der [X.] nach § 7 [X.] iVm § 3 [X.] [X.] aF außer Streit steht, der Geschädigte sich aufgrund seines jungen Lebensalters zum Zeitpunkt des Unfalls für die Rentenzahlung und nicht die Zahlung eines [X.] entschieden hat und die Zahlungen über einen Zeitraum von 17 Jahren erfolgt sind, lässt möglicherweise den Schluss auf ein Anerkenntnis der Haftung dem Grunde nach zu, nicht jedoch auf einen Willen zur Haftung auch in dieser Höhe, die den gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrag für den einzelnen Verletzten übersteigt. Ob die Parteien vor dem [X.]eginn der Rentenzahlungen über die Höhe der Rente gestritten oder überhaupt gesprochen haben und ob es im Rechtsverhältnis Ungewissheiten über das [X.]estehen der Schuld oder über einzelne Einwendungen gab, die zu beseitigen waren, ist nicht festgestellt.

III.

Der Kläger hat im Wege der [X.] auf seinen Sachvortrag im erstinstanzlichen Verfahren verwiesen, wonach die Parteien im Wege des Vergleichs oder jedenfalls eines vergleichsähnlichen deklaratorischen bzw. kausalen [X.] vereinbart hätten, dass in [X.]ezug auf den Unfall vom 10. Juli 2000 und dessen Folgen der [X.] aus § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF zwischen ihnen gelten solle. Danach hafte der Ersatzpflichtige bis zu einem Rentenbetrag von 45.000 DM jährlich. Nach dem Unfall habe eine [X.]esprechung mit einem zuständigen Sachbearbeiter der [X.] stattgefunden, bei der der Unfall und seine Folgen ausführlich erörtert worden seien, insbesondere ein persönliches Verschulden des Fahrzeugführers oder Fahrzeughalters des bei der [X.] versicherten Fahrzeugs. In der abschließenden [X.]esprechung habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers klar zum Ausdruck gebracht, dass er bei Eingang der angekündigten jährlichen Zahlungen in Höhe von 45.000 DM keine weiteren Schritte einleiten werde. So sei es auch geschehen. Die [X.]eklagte habe ausdrücklich zugesagt, dass bei entsprechendem Schaden der nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF geschuldete Höchstbetrag in Form einer Rente in Höhe von jährlich 45.000 DM gezahlt werden solle. Das gegenseitige Nachgeben habe darin bestanden, dass der Kläger auf eine gerichtliche Durchsetzung möglicher weitergehender Ansprüche aus § 823 Abs. 1 [X.]G[X.] verzichtet und die [X.]eklagte im Gegenzug den höheren [X.] aus § 12 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF hingenommen habe. Dieser Vortrag sei unstreitig geblieben.

Das [X.]erufungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Da es dem Revisionsgericht verwehrt ist, selbst festzustellen, ob in den Tatsacheninstanzen gehaltener Vortrag unstreitig ist, ist das Verfahren mangels Entscheidungsreife zur Verhandlung und neuen Entscheidung an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zur Prüfung, welche Vereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden ist.

[X.]     

      

von [X.]     

      

[X.]

      

Klein     

      

Linder     

      

Meta

VI ZR 140/20

16.03.2021

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 27. Dezember 2019, Az: 9 U 2/19

§ 12 Abs 1 Nr 1 StVG vom 16.08.1977, § 12 Abs 1 Nr 2 StVG vom 16.08.1977, § 133 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.2021, Az. VI ZR 140/20 (REWIS RS 2021, 7856)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 867-869 REWIS RS 2021, 7856

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5 U 78/05 (Oberlandesgericht Köln)


Referenzen
Wird zitiert von

22 U 113/21

IX ZR 213/20

VI ZR 1118/20

31 C 79/21

115 O 131/21

2 O 7982/21

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