Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.11.2022, Az. XI R 18/21

11. Senat | REWIS RS 2022, 9449

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Gegenstand

Keine Lieferung von dezentral verbrauchtem Strom


Leitsatz

Die Zahlung eines sog. KWK-Zuschlags für nicht eingespeisten, sondern dezentral verbrauchten Strom gemäß § 4 Abs. 3a KWKG 2009 führt nicht zu einer Lieferung i.S. von § 3 Abs. 1 UStG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16.06.2021 - 9 K 1260/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bündelte sämtliche [[X.].]ufgaben in den [[X.].]ereichen Strom-, … und [[X.].] in der [[X.].] [[X.].], in der Städteregion von [[X.].] sowie in Teilen der [[X.].] [[X.].] und [[X.].] [[X.].]n die von ihr betriebenen Stromnetze waren von [[X.].]nlagenbetreibern betriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-[[X.].]nlagen) angeschlossen. Hierbei handelte es sich nicht nur um solche [[X.].]nlagen, die den Strom in das Netz der Klägerin einspeisten, sondern auch um solche, deren [[X.].]etreiber den produzierten Strom nicht einspeisten, sondern (nahezu) ausschließlich selbst, d.h. dezentral, verbrauchten. Gemäß § 4 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den [[X.].]usbau der Kraft-Wärme-Kopplung ([[X.].]) i.d.F. vom 25.10.2008 ([[X.].]G[[X.].]l I 2008, 2101) --[[X.].] 2009-- war die Klägerin gegenüber jedem KWK-[[X.].]nlagenbetreiber verpflichtet, den Strom, der von den an ihr [X.]erteilernetz angeschlossenen [[X.].]nlagen produziert wurde, abzunehmen und nach den jeweiligen [X.]errechnungssätzen zu vergüten. Für den aufgenommenen Strom waren der Preis, der zwischen den [[X.].]eteiligten vereinbart wurde, sowie ein Zuschlag zu entrichten. Dieser Zuschlag war nach § 4 [[X.].]bs. 3a [[X.].] 2009 auch für den Strom zu bezahlen, der aufgrund des dezentralen [X.]erbrauchs tatsächlich nicht in ein Netz für den allgemeinen Gebrauch eingespeist wurde.

2

Im Rahmen der bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der R-GmbH, für die Jahre 2009 bis 2012 vom Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung [[X.].] durchgeführten [[X.].]ußenprüfung wurde festgestellt, dass die R-GmbH gegenüber KWK-[[X.].]nlagenbetreibern, die den produzierten Strom zu einem großen Teil bzw. nahezu ausschließlich selbst nutzten, neben Gutschriften über den [[X.].] keine [[X.].]brechnungen erstellt hatte. Nach [[X.].]bschn. 2.5 des Umsatzsteuer-[[X.].]nwendungserlasses (USt[[X.].]E) sei dies erforderlich gewesen, da hiernach fingiert werde, dass der gesamte von der KWK-[[X.].]nlage erzeugte Strom zunächst in das öffentliche Stromnetz eingespeist und dann der vom [[X.].]nlagenbetreiber selbst verbrauchte Strom durch den Stromnetzbetreiber wieder zurück geliefert werde.

3

Zu den betroffenen [[X.].]nlagenbetreibern gehörte seit dem Kalenderjahr 2010 (Streitjahr) u.a. der [[X.].] [[X.].]ls Körperschaft des öffentlichen Rechts nutzte dieser die KWK-[[X.].]nlage, die an sein eigenes Stromnetz (sog. Kundenanlage) angeschlossen war, im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit und war nicht zum [X.]orsteuerabzug berechtigt. [[X.].]uf ihn entfiel als [[X.].]emessungsgrundlage im Streitjahr ein [[X.].]etrag in Höhe von … €, was zu einer Umsatzsteuer in Höhe von … € führte.

4

Während der [[X.].]ußenprüfung fakturierte die Klägerin im Dezember 2014 die Rechnungen und Gutschriften "nachträglich" gegenüber [X.] (Rechnungen über Rücklieferungen an [[X.].]nlagenbetreiber [X.] vom [[X.].] sowie 29.12.2014 und Gutschriften über Lieferung an Netzbetreiber vom 23.12. sowie 29.12.2014).

5

Im Ergebnis ermittelte die [[X.].]ußenprüfung in den Jahren 2009 bis 2012 ([[X.].], für die bislang --nach [[X.].]uffassung der [[X.].]ußenprüfung zu [[X.].] sowohl eine [[X.].]brechnung im Hinblick auf dezentral verbrauchten Strom als auch die [[X.].]bführung der darauf entfallenden Umsatzsteuer unterblieben sei. Das für die Rechtsvorgängerin der Klägerin zuständige Finanzamt [X.] folgte der [[X.].]uffassung der [[X.].]ußenprüfung und erließ unter dem 18.01.2017 entsprechende Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Jahre 2009 bis 2012. Dagegen wurde Einspruch eingelegt. Mit Einspruchsentscheidung vom [X.] wies der inzwischen zuständig gewordene [[X.].]eklagte und Revisionskläger (Finanzamt --F[[X.].]--) den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2010 als unbegründet zurück.

6

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1943 veröffentlichten Urteil statt. Das F[[X.].] sei zu Unrecht hinsichtlich des dezentral von [X.] verbrauchten Stroms von einer Lieferung oder sonstigen Leistung der Klägerin gegenüber [X.] ausgegangen. Es fehle bereits an der Lieferung von Strom an die Klägerin, so dass auch die [X.]oraussetzungen einer Rücklieferung der Klägerin an [X.] nicht gegeben seien. Neben einer physikalischen Einspeisung komme auch eine Lieferfiktion im Sinne einer [X.]ertragseinspeisung nicht in [[X.].]etracht.

7

Mit der Revision rügt das F[[X.].] die [X.]erletzung materiellen Rechts. Das [X.] lege § 3 [[X.].]bs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) zu eng aus, indem es sich vornehmlich auf die wörtliche [[X.].]uslegung des [[X.].]egriffs der [X.]erschaffung der [X.]erfügungsmacht konzentriere. Zwar werde der vom [[X.].]nlagenbetreiber produzierte Strom dem Netzbetreiber nicht zur [X.]erfügung gestellt; aber der [[X.].]nlagenbetreiber messe den anlagenproduzierten Strom standardmäßig und stelle diese Zahlen dem Netzbetreiber monatlich zur [X.]erfügung. Dieser sei aufgrund der gemeldeten Zahlen zur Entrichtung des Zuschlags nach § 4 [[X.].]bs. 3a [[X.].] 2009 verpflichtet. Fraglich sei daher, ob auch diese Konstellation zu einer --ggf. fiktiven-- Lieferung i.S. des § 3 UStG führe. Der Rechtsgedanke des § 8 [[X.].]bs. 2 des Gesetzes für den [X.]orrang Erneuerbarer Energien i.d.F. vom 25.10.2008 ([[X.].]G[[X.].]l I 2008, 2074) --EEG 2009-- zur [X.] Weitergabe könne auch auf den [X.] übertragen werden. Der Einwand der Klägerin sei irrelevant, dass die kaufmännisch-bilanzielle Weitergabe vertraglich ausgeschlossen worden sei. [[X.].]uch sei unerheblich, ob der [[X.].]nlagenbetreiber zum [X.]orsteuerabzug berechtigt sei oder nicht.

8

Das F[[X.].] beantragt, unter [[X.].]ufhebung der [X.]orentscheidung die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zutreffend den dezentral von [X.] verbrauchten Strom nicht als Gegenstand einer Lieferung oder sonstigen Leistung der Klägerin gegenüber [X.] angesehen.

1. Die steuerbare Lieferung erfordert, dass der Unternehmer die [X.]erfügungsmacht an einem Gegenstand gegen Entgelt verschafft.

a) Der Umsatzsteuer unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. [X.] beruht diese [X.]orschrift auf Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112/[X.] über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats tätigt oder erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegen.

Dabei entfällt die Steuerbarkeit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG nicht, wenn der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher [X.]orschrift als ausgeführt gilt. [X.]e Grundlage hierfür ist Art. 14 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL. Danach gilt als Lieferung von Gegenständen auch die Übertragung des Eigentums an einem Gegenstand gegen Zahlung einer Entschädigung aufgrund einer behördlichen Anordnung oder [X.] Gesetzes.

b) Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen ([X.]erschaffung der [X.]erfügungsmacht). Grundlage für § 3 Abs. 1 UStG ist Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL. Als Lieferung von Gegenständen gilt danach die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) bezieht sich der Begriff "Lieferung von Gegenständen" nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern erfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine [X.], die die andere [X.] ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer. Die Übertragung der Befugnis, über einen körperlichen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen, verlangt weder, dass die [X.], der dieser Gegenstand übertragen wird, physisch über ihn verfügt, noch, dass der Gegenstand physisch zu ihr befördert und/oder physisch von ihr empfangen wird ([X.]-Urteil [X.] vom 20.06.2018 - C-108/17, [X.]:C:2018:473, Rz 86 f.). Im Übrigen beinhaltet die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, dass die [X.], auf die diese Befähigung übertragen wird, die Möglichkeit hat, Entscheidungen zu treffen, die sich auf die rechtliche Situation des betreffenden Gegenstands auswirken, etwa die Entscheidung, den Gegenstand zu verkaufen ([X.]-Urteil Herst vom 23.04.2020 - [X.]/18, [X.]:[X.], Rz 40).

Der [X.] ([X.]) umschreibt den Begriff der Lieferung in ständiger Rechtsprechung als Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag, ohne dass sich hieraus eine Abweichung von der [X.]-Rechtsprechung ergibt (vgl. z.B. [X.]-Urteil vom 11.03.2020 - XI R 18/18, [X.]E 268, 364, Rz 32).

2. Der sog. [X.] bei zuschlagsberechtigten KWK-Anlagen führt nicht zu einer Lieferung an den Betreiber des Stromnetzes (Netzbetreiber).

a) Zwar kann auch elektrischer Strom Gegenstand einer Lieferung sein (Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL; [X.]-Urteile vom 21.12.1988 - [X.] R 24/87, [X.]E 156, 273, [X.] 1989, 430; vom 31.05.2017 - XI R 2/14, [X.]E 258, 191, [X.] 2017, 1024, Rz 32). Im Streitfall wurde aber der Klägerin nicht die [X.]erfügungsmacht an dem von [X.] erzeugten Strom übertragen. Denn es wurde kein Strom in das Netz der R-GmbH eingespeist und von ihr wieder zurückübertragen, so dass weder Substanz, Wert oder Ertrag von [X.] auf die R-GmbH und dann von ihr wieder zurück an [X.] übergegangen sind. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

b) Entgegen der Ansicht des [X.] kann eine Stromlieferung von der Klägerin an [X.] auch nicht fingiert werden.

aa) Gesetzliche Lieferfiktionen des nationalen Rechts und des Unionsrechts wie sie in § 3 Abs. 3 UStG und Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL vorgesehen sind, greifen im Streitfall nicht ein. Insbesondere liefert der Netzbetreiber den Strom nicht für Rechnung des Anlagenbetreibers an den Anlagenbetreiber. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Dementsprechend ist auch die Rechtsprechung zum Dreifachumsatz ([X.]-Urteile vom 06.10.2005 - [X.] R 20/04, [X.]E 212, 146, [X.] 2006, 931; vom 30.03.2006 - [X.] R 9/03, [X.]E 213, 144, [X.] 2006, 933; vom 23.07.2009 - [X.] R 27/07, [X.]E 226, 421, [X.] 2010, 859) für den Streitfall ohne Bedeutung.

bb) Eine Hin- und Rücklieferung ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 3a [X.] 2009. Es handelt sich hierbei insbesondere nicht um eine Regelung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG (vgl. auch Art. 14 Abs. 2 Buchst. a MwStSystRL), wonach ein Umsatz nach gesetzlicher [X.]orschrift als ausgeführt gilt.

(1) Nach § 4 Abs. 3a Satz 1 [X.] 2009 war ein Zuschlag auch für KWK-Strom zu entrichten, der nicht in ein Netz für die allgemeine [X.]ersorgung eingespeist wurde. Die [X.]erpflichtung zur Zahlung des Zuschlags traf den Betreiber eines Netzes für die allgemeine [X.]ersorgung, mit dessen Netz die in § 4 Abs. 3a Satz 1 [X.] 2009 genannte KWK-Anlage unmittelbar oder mittelbar verbunden war (§ 4 Abs. 3a Satz 2 [X.] 2009). Der Anlagenbetreiber erhielt somit für den nicht eingespeisten Strom lediglich eine finanzielle Förderung, die der Stromnetzbetreiber zu zahlen hatte, der wiederum die Kosten des Zuschlags letztlich auf die Letztverbraucher umlegte (vgl. § 9 Abs. 7 [X.] 2009).

(2) Bereits der auf die Begründung einer Zahlungspflicht für eine Nichteinspeisung beschränkte Wortlaut der Regelung spricht gleichermaßen gegen die Annahme einer Lieferung an den Netzbetreiber wie auch gegen eine Rücklieferung durch diesen an den Anlagenbetreiber. Aus einer bloßen [X.]ergütungsregelung folgt nicht, dass der Zahlende Empfänger einer Leistung ist (vgl. [X.]-Beschluss vom 11.10.2022 - XI R 12/20, [X.]/N[X.] 2023, 274, Rz 25).

(3) Bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 3a [X.] 2009. Die Regelung bezweckte, dass die Betreiber von KWK-Anlagen auch insoweit Zuschläge erhalten, als der von ihnen erzeugte KWK-Strom im Rahmen der im Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung ([X.]) geregelten Eigenversorgung in ein anderes Netz als dem für die allgemeine [X.]ersorgung eingespeist und an ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes geliefert wurde. Der Netzbetreiber sollte vor dem Hintergrund der [X.]ersorgungssicherheit sowie des Ressourcen- und Klimaschutzes als gewichtigen Gemeinwohlzielen lediglich den Zuschlag für den [X.] zahlen (BTDrucks 16/8305, S. 16 f.).

(4) Die Annahme einer Hin- und Rücklieferung des dezentral verbrauchten Stroms widerspricht auch anderen Regelungen des [X.] 2009. Während § 4 Abs. 3a [X.] 2009 den Netzbetreiber nur verpflichtete, den Zuschlag an den Anlagenbetreiber zu entrichten, hatte der Netzbetreiber im Fall des § 4 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2009 für den "aufgenommenen" Strom sowohl einen Preis, den der Betreiber der KWK-Anlage und der Netzbetreiber vereinbarten, als auch einen Zuschlag zu entrichten. Der Netzbetreiber konnte im Übrigen nach § 4 Abs. 2 [X.] 2009 auch nur den "aufgenommenen" KWK-Strom verkaufen oder zur Deckung des eigenen Strombedarfs verwenden. Diese Regelung bestand seit In[X.]treten des [X.] 2002 i.d.[X.] ([X.], 1092) --[X.] 2002-- und betraf seinerzeit nur den Strom, den die Betreiber von KWK-Anlagen in die Netze der [X.] (§ 3 Abs. 10 [X.] 2002). Soweit § 3 Abs. 10 [X.] 2009 den Begriff des Betreibers von KWK-Anlagen auf diejenigen erweiterte, die den Strom für die Eigenversorgung bereitstellen, erfolgte dies lediglich, um auch solche KWK-Anlagen zu fördern, damit der Anteil von Strom aus KWK an der jährlichen Gesamtstromerzeugung bis 2020 auf 25 % verdoppelt werde (BTDrucks 16/9469, S. 14). Eine Änderung dahingehend, dass der "aufgenommene" KWK-Strom nunmehr auch den nicht in ein Netz für die allgemeine [X.]ersorgung eingespeisten Strom umfassen sollte, war damit nicht verbunden. Der Wert des [X.]s verblieb bei dem Anlagenbetreiber.

(5) Schließlich spricht der Zweck des § 4 Abs. 3a [X.] 2009 gegen eine Lieferung des vom Anlagenbetreiber dezentral verbrauchten Stroms an den Netzbetreiber und wieder zurück. Die Einführung von § 4 Abs. 3a [X.] erfolgte allein aus energiepolitischen Zwecken zur Förderung der Betreiber von KWK-Anlagen, die Strom zur Eigenversorgung erzeugten. Mit der Einführung des Absatzes 3a sollten auch die Betreiber von KWK-Anlagen Zuschläge nach dem Gesetz erhalten, soweit der von ihnen erzeugte KWK-Strom nicht in das Netz für die allgemeine [X.]ersorgung, sondern im Rahmen der im [X.] geregelten Eigenversorgung in ein anderes Netz eingespeist und an ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes geliefert wird (BTDrucks 16/8305, S. 16). Dieser energiepolitische Zweck beeinflusste nicht die Frage, ob dem Stromnetzbetreiber der dezentral verbrauchte Strom vom Anlagenbetreiber i.S. des § 3 Abs. 1 UStG geliefert wird. Hierüber ist vielmehr unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität ([X.]-Urteil [X.] vom 12.11.2020 - [X.]/19, [X.]:C:2020:919, Rz 48) zu entscheiden. Insoweit übertrug der Anlagenbetreiber im Fall des § 4 Abs. 3a [X.] 2009 dem Stromnetzbetreiber gerade nicht Substanz, Ertrag oder Wert des dezentral verbrauchten Stroms, da dieser Strom nicht in das Netz des [X.] eingespeist wurde und der Stromnetzbetreiber über diesen Strom auch nicht anderweitig --den Anlagenbetreiber ausschließend-- verfügen konnte.

cc) Abweichendes ergibt sich für den Streitfall auch nicht aus § 8 [X.] 2009.

(1) Nach § 8 Abs. 1 [X.] 2009 waren Netzbetreiber vorbehaltlich des § 11 [X.] 2009 verpflichtet, den gesamten angebotenen Strom insbesondere aus erneuerbaren Energien unverzüglich vorrangig abzunehmen, zu übertragen und zu verteilen. Nach § 8 Abs. 2 [X.] 2009 bestanden diese [X.]erpflichtungen nach Absatz 1 auch, wenn die Anlage an das Netz der Anlagenbetreiberin, des Anlagenbetreibers oder einer dritten Person, die nicht Netzbetreiber i.S. von § 3 Nr. 8 [X.] 2009 war, angeschlossen war und der Strom mittels [X.] Weitergabe durch dieses Netz in ein Netz für die allgemeine [X.]ersorgung nach § 3 Nr. 7 [X.] 2009 angeboten wurde.

(2) Die bei der sog. [X.] Einspeisung in ein Netz angebotene und vergütete Elektrizität sieht die Finanzverwaltung auch dann als vom [X.]-Anlagenbetreiber an den vergütungspflichtigen Netzbetreiber geliefert an, wenn der [X.]erbrauch tatsächlich innerhalb eines Netzes erfolgt, das kein Netz für die allgemeine [X.]ersorgung ist und das vom Anlagenbetreiber selbst oder einem Dritten, der kein Netzbetreiber ist, betrieben wird (Abschn. 2.5 Abs. 2 UStAE).

(3) Zwar leitet das [X.] aus der vorstehenden [X.]erwaltungsauffassung ab, dass auch im Streitfall eine Lieferung vorliege. Dem ist aber nicht zu folgen. Denn die vorstehende [X.]erneinung der Lieferung im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 3a [X.] 2009 spricht dafür, dass es auch im Rahmen der sog. [X.] Einspeisung nicht zu einer Lieferung kommt. Hierüber ist indes nicht abschließend zu entscheiden, da es vorliegend an einer [X.] Einspeisung fehlt. Denn der Anlagenbetreiber [X.] "lieferte" den selbst erzeugten Strom in seinem eigenen Stromnetz (sog. Kundenanlage), ohne bilanziell eine Stromeinspeisung in das [X.] und eine Stromentnahme aus dem [X.] vorzunehmen.

dd) Abweichendes ist entgegen der Auffassung des [X.] auch nicht aus dem [X.]-Urteil Finanzamt [X.] Urfahr vom 20.06.2013 - [X.]/12 ([X.]:[X.]) abzuleiten. Denn anders als im Streitfall wurde dort der durch die Anlage des Anlagenbetreibers erzeugte Strom mangels Speichermöglichkeit in vollem Umfang tatsächlich in das Netz des Netzbetreibers eingespeist und vergütet sowie der Bedarf des Anlagenbetreibers zum selben Preis wie der gelieferte Strom vom Netzbetreiber zurückgekauft (vgl. auch [X.], [X.] --UR-- 2013, 620, 625, und Wäger, UR 2014, 81, 88).

Auch ergibt sich aus der Rechtsprechung des [X.] keine Lieferfiktion, die auf den Streitfall zu übertragen wäre. Soweit nach der [X.]-Rechtsprechung in der Zahlung eines [X.] durch den Netzbetreiber an den Anlagenbetreiber ein zusätzliches Entgelt für vom Anlagenbetreiber an den Netzbetreiber gelieferten Strom zu sehen ist (vgl. zu Blockheiz[X.]werken [X.]-Urteile vom 18.12.2008 - [X.] R 80/07, [X.]E 225, 163, [X.] 2011, 292; vom 12.12.2012 - XI R 3/10, [X.]E 239, 377, [X.] 2014, 809), wird dadurch keine Lieferung fingiert, sondern der [X.] als Entgelt für vom Anlagenbetreiber tatsächlich gelieferten Strom betrachtet (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 258, 191, [X.] 2017, 1024, Rz 35).

ee) Schließlich vermag Abschn. 2.5 Abs. 17 Sätze 2 bis 4 UStAE als lediglich norminterpretierende [X.]erwaltungsvorschrift, die Gerichte nicht bindet (vgl. allgemein z.B. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 28.11.2016 - GrS 1/15, [X.]E 255, 482, [X.] 2017, 393, Rz 107; [X.]-Urteile vom 21.02.2013 - [X.] R 27/11, [X.]E 240, 487, [X.] 2013, 529, Rz 42; vom 10.11.2020 - IX R 31/19, [X.]E 271, 212, [X.] 2021, 474, Rz 28), keine Lieferfiktion in Abweichung zum materiellen Recht zu begründen.

3. Auf dieser Grundlage kommt auch die Annahme einer sonstigen Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG nicht in Betracht. Es ist bereits nicht ersichtlich, worin eine derartige Leistung bestehen sollte. Denn der Anlagenbetreiber erhält hinsichtlich seines selbst dezentral verbrauchten Stroms keinen verbrauchfähigen [X.]orteil (vgl. hierzu z.B. [X.]-Urteile vom 23.09.2020 - XI R 35/18, [X.]E 271, 243, [X.] 2022, 344, Rz 43; vom 30.06.2022 - [X.] R 36/20, [X.]E 277, 508, [X.] Steuerrecht 2022, 2369, Rz 23) von der Klägerin zurück, sondern hat ihn behalten. Auch die vertraglich vereinbarte Möglichkeit der Einspeisung von Strom durch den Anlagenbetreiber an die Klägerin --auf die das [X.] in der mündlichen [X.]erhandlung hingewiesen [X.] ändert daran nichts. Einen [X.]orteil hat der Anlagenbetreiber allein aufgrund dieser Möglichkeit insoweit nicht erhalten. Der Zuschlag nach § 4 Abs. 3a [X.] 2009 dient lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse und soll nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Zahlenden sein (vgl. hierzu z.B. [X.]-Beschluss vom [X.] - XI R 31/17, [X.]/N[X.] 2020, 565, Rz 14, und [X.]-Urteil vom 18.11.2021 - [X.] R 17/20, [X.]E 275, 276, Rz 22).

4. Im Übrigen ergibt sich im Streitjahr keine Umsatzsteuerpflicht aus den im Rahmen der Außenprüfung erteilten Rechnungen und Gutschriften an [X.] und andere Netzbetreiber. Denn eine sich hieraus ergebende Steuerschuld nach § 14c UStG ist erst mit der Rechnungserteilung und damit nicht im Streitjahr zu berücksichtigen (vgl. [X.]-Urteile vom 08.09.2011 - [X.] R 5/10, [X.]E 235, 481, [X.] 2012, 620, Rz 25; vom 13.12.2018 - [X.] R 4/18, [X.]E 263, 535 Rz 35).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

XI R 18/21

29.11.2022

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 16. Juni 2021, Az: 9 K 1260/19, Urteil

§ 3 Abs 1 UStG 2005, Art 14 Abs 2 Buchst a EGRL 112/2006, § 4 Abs 3a KWKG vom 25.10.2008, § 1 Abs 1 Nr 1 S 2 UStG 2005, § 8 Abs 2 EEG 2009, UStG VZ 2010

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 29.11.2022, Az. XI R 18/21 (REWIS RS 2022, 9449)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9449

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