Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2023, Az. XII ZB 234/22

12. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 2551

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Gegenstand

Notarkostensache: Geschäftswert bei der Beurkundung von güterrechtlichen Vereinbarungen


Leitsatz

Zum Geschäftswert bei der notariellen Beurkundung von güterrechtlichen Vereinbarungen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des [X.] vom 9. Mai 2022 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen eine notarielle Kostenrechnung für die Beurkundung eines [X.].

2

Mit notarieller Urkunde vom 24. Oktober 2011 schlossen der Antragsteller und seine Ehefrau eine Vereinbarung, durch die sie unter anderem ihr jeweiliges Betriebsvermögen dem Zugewinnausgleich und den güterrechtlichen Verfügungsbeschränkungen entzogen und einen wechselseitigen Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbarten. Am 5. Mai 2020 beurkundete die Antragsgegnerin eine weitere güterrechtliche Vereinbarung der Eheleute, durch welche diese unter anderem den [X.] geschlossenen Ehevertrag aufhoben, Gütertrennung vereinbarten sowie wechselseitig auf Zugewinnausgleichsansprüche verzichteten.

3

Unter dem 7. Mai 2021 stellte die Antragsgegnerin dem Antragsteller für die Beurkundung dieser güterrechtlichen Vereinbarung einen auf der Grundlage des § 100 Abs. 1 GNotKG aus dem Wert des gesamten Vermögens der Eheleute (jeweiliges Betriebs- und Privatvermögen) berechneten Betrag von 57.199,39 € in Rechnung.

4

Der hiergegen gerichtete Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist beim [X.] und beim [X.] erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

5

Die aufgrund der nach § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG, § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG bindenden Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG, §§ 129 Abs. 2, 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

6

1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die von der Antragsgegnerin in Rechnung gestellten Gebühren seien aus dem richtigen Geschäftswert berechnet. Bei der beurkundeten Vereinbarung einer Gütertrennung handele es sich um einen Ehevertrag, der den Güterstand strukturell ändere. Für derartige Beurkundungen seien die Notargebühren aus dem nach § 100 Abs. 1 GNotKG zu ermittelnden Geschäftswert zu berechnen, der sich nach der Summe des Wertes des Vermögens beider Eheleute richte. Der von der Antragsgegnerin beurkundete Ehevertrag betreffe trotz der bereits [X.] vereinbarten Herausnahme der Betriebsvermögen beider Eheleute aus dem Zugewinnausgleich nicht nur bestimmte Vermögenswerte im Sinne von § 100 Abs. 2 GNotKG, sondern das Vermögen der Eheleute als Ganzes. Denn die Aufhebung des gesetzlichen [X.] mit Vereinbarung von Gütertrennung ziehe vielfältige familien-, erb- und steuerrechtliche Folgen für das gesamte Vermögen der Eheleute nach sich und vermeide zudem Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Betriebs- und Privatvermögen. Die Kosten seien auch nicht nach § 21 GNotKG niederzuschlagen.

7

2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.

8

a) Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GNotKG bemisst sich der Geschäftswert bei der Beurkundung von Eheverträgen im Sinne des § 1408 BGB, die sich nicht auf Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich beschränken, auf die Summe der Werte der gegenwärtigen Vermögen beider Ehegatten beziehungsweise, sofern der Vertrag nur das Vermögen eines Ehegatten betrifft, auf den Wert seines Vermögens. Verbindlichkeiten werden bei der Ermittlung des Vermögens bis zur Hälfte des nach Satz 1 oder 2 maßgeblichen Werts in Abzug gebracht. Sind dagegen nur bestimmte Vermögenswerte oder bestimmte güterrechtliche Ansprüche Gegenstand eines beurkundeten [X.], ist gemäß § 100 Abs. 2 GNotKG deren Wert für die Bestimmung des [X.] maßgeblich, höchstens jedoch der Wert nach Absatz 1.

9

Durch diese Wertbestimmungen wurden die zuvor in § 39 Abs. 3 Satz 1 bis 3 [X.] enthaltenen Regelungen in ihrem Kerngehalt im Wesentlichen unverändert in das Notar- und Gerichtskostengesetz übernommen (BT-Drucks. 17/11471 S. 181; vgl. auch [X.]/[X.]/[X.]/[X.] GNotKG 4. Aufl. § 100 Rn. 1; [X.]/[X.] [Stand: 1. Januar 2023] GNotKG § 100 Rn. 2 und 9; [X.]/[X.] GNotKG 22. Aufl. § 100 Rn. 18). Wie bereits die Vorgängerregelung des § 39 Abs. 3 [X.] (vgl. hierzu Bengel/[X.] in [X.]/[X.]/Bengel/[X.] [X.] 18. Aufl. § 39 Rn. 108) sind auch die speziellen Wertvorschriften in § 100 Abs. 1 und 2 GNotKG im Lichte der allgemeinen Wertbestimmungen, insbesondere der Regelungen in § 97 Abs. 1 und 2 GNotKG, die an die Stelle von § 39 Abs. 1 [X.] getreten sind (BT-Drucks. 17/11471 [X.]), auszulegen.

b) Der Geschäftswert richtet sich danach bei der notariellen Beurkundung eines [X.], der die Wahl des [X.] regelt und damit eine strukturelle Änderung des [X.] bewirkt, nach § 100 Abs. 1 GNotKG (vgl. [X.]/[X.] GNotKG 22. Aufl. § 100 Rn. 13 ff.; [X.] 2019, 527, 528). Die Aufhebung des gesetzlichen [X.] der Zugewinngemeinschaft (§ 1363 BGB) und die Vereinbarung von Gütertrennung (§ 1414 BGB) stellen sich, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat und auch die Rechtsbeschwerde nicht grundsätzlich in Zweifel zieht, als derartige Änderung des [X.] dar (vgl. [X.]/[X.] GNotKG 22. Aufl. § 100 Rn. 13; [X.] 2019, 527, 528; [X.]/[X.] Kostenrecht 52. Aufl. § 100 GNotKG Rn. 8 mwN; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] GNotKG 4. Aufl. § 100 Rn. 7; vgl. bereits Vogt Rpfleger 1958, 8 ff.).

Dagegen ist § 100 Abs. 2 GNotKG der Bestimmung des [X.] nach dem klaren Wortlaut der Regelung nur dann zugrunde zu legen, wenn einzelne - bestimmte oder zumindest bestimmbare - Vermögenswerte oder bestimmte güterrechtliche Ansprüche Gegenstand der Beurkundung sind (vgl. [X.]/[X.] GNotKG 22. Aufl. § 100 Rn. 18; [X.]/[X.]/ Fölsch/[X.] Gesamtes Kostenrecht 3. Aufl. § 100 GNotKG Rn. 15 f.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] GNotKG 4. Aufl. § 100 Rn. 12 mwN; [X.]/[X.] Kostenrecht 52. Aufl. § 100 GNotKG Rn. 10 f.; [X.]/ [X.] [Stand: 1. Januar 2023] GNotKG § 100 Rn. 9 mwN).

c) Das [X.] hat danach jedenfalls im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die vorliegend in Rechnung gestellte Beurkundung der vom Antragsteller und seiner Ehefrau vereinbarten Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und Wahl von Gütertrennung eine strukturelle Gestaltung des [X.] im Sinne von § 100 Abs. 1 GNotKG zum Gegenstand hatte und sich gerade nicht lediglich auf einzelne Vermögensgegenstände der Eheleute bezog. Denn mit der beurkundeten Vereinbarung wurde der Güterstand als solcher mit allen familien-, erb- und steuerrechtlichen Konsequenzen für die Vermögen der Eheleute insgesamt geändert und entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gerade nicht nur die zusätzliche Herausnahme des Privatvermögens der Eheleute aus dem Zugewinnausgleich geregelt.

Anderes folgt insbesondere nicht daraus, dass die Eheleute bereits mit dem Ehevertrag vom 24. Oktober 2011 die dem Betriebsvermögen beider Ehegatten zugehörigen Vermögensgegenstände dem Zugewinnausgleich entzogen, die Verfügungsbeschränkungen - insbesondere § 1365 BGB - diesbezüglich aufgehoben sowie einen Erb- und Pflichtteilsverzicht vereinbart hatten (vgl. hierzu [X.] Notarkostenberechnungen 8. Aufl. Rn. 1596 f.). Bereits aufgrund der von der Antragsgegnerin am 5. Mai 2020 beurkundeten Aufhebung dieses [X.] und der gleichzeitigen Wahl des [X.] der Gütertrennung durch den Antragsteller und seine Ehefrau war das zuvor dem Güterstand der Zugewinngemeinschaft entzogene beiderseitige Betriebsvermögen Gegenstand der verfahrensgegenständlichen Beurkundung und daher bei der Bemessung des [X.] nach § 100 Abs. 1 Satz 1 GNotKG zu berücksichtigen. Die Annahme der Rechtsbeschwerde, die verfahrensgegenständliche Beurkundung betreffe das Betriebsvermögen nicht, trifft somit nicht zu.

d) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen ist das [X.] schließlich davon ausgegangen, dass auch eine Niederschlagung der Kosten nach § 21 GNotKG nicht in Betracht kommt. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 21 GNotKG liegt nur vor, wenn dem Notar ein offen zutage tretender Verstoß gegen eindeutige gesetzliche Normen materiell- oder verfahrensrechtlicher Art oder ein offensichtliches Versehen unterlaufen ist sowie dann, wenn der Notar von mehreren gleich sicheren Gestaltungsmöglichkeiten die teurere wählt ([X.], 325 = [X.] 2022, 511 Rn. 25 mwN). Dies war hier bereits deshalb nicht der Fall, weil durch die von der Antragsgegnerin gewählte Vertragsgestaltung Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Privat- und Betriebsvermögen vermieden wurden. Dass es zum Beurkundungszeitpunkt gleich sichere, aber kostengünstigere Gestaltungsmöglichkeiten gegeben hätte, ist nicht ersichtlich.

Mit dem vom Antragsteller im landgerichtlichen Verfahren erhobenen und bereits in der Beschwerde fallengelassenen Einwand, die Antragsgegnerin habe pflichtwidrig eine gebührenmäßig ungünstige Vertragsgestaltung gewählt und sei daher verpflichtet, ihn von der Gebührenforderung freizustellen, kann der Antragsteller im Verfahren nach §§ 127 ff. GNotKG von vornherein nicht gehört werden (vgl. [X.], 325 = [X.] 2022, 511 Rn. 13 ff. mwN).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 130 Abs. 3 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 84 FamFG. Einer Wertfestsetzung für das Rechtsbeschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil hierfür gemäß Nr. 19120 [X.] eine Festgebühr anfällt.

Guhling     

  

Günter     

  

Nedden-Boeger

  

Botur     

  

Pernice     

  

Meta

XII ZB 234/22

19.04.2023

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Nürnberg, 9. Mai 2022, Az: 8 W 855/22

§ 100 Abs 1 GNotKG, § 100 Abs 2 GNotKG, § 1363 BGB, § 1414 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2023, Az. XII ZB 234/22 (REWIS RS 2023, 2551)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 2551

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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