Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.07.2013, Az. IX S 15/13

9. Senat | REWIS RS 2013, 4014

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Gegenstand

Anhörungsrüge: rechtliches Gehör bei rügelosem Verhandeln; anderweitige Einschätzung der Prozesslage


Leitsatz

1. NV: Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, wenn nach Ladung und durchgeführter Vernehmung nur des einen geladenen Zeugen die Sach- und Rechtslage erörtert wird, und der fachkundig vertretene Kläger keine weiteren Beweis- und/oder Aufklärungsanträge wiederholt, stellt oder sonst auf sie hinwirkt, sondern rügelos zur Sache verhandelt.

2. NV: Die anderweitige Einschätzung der Prozesslage fällt in den Verantwortungsbereich der Kläger. Darin kann die Verletzung rechtlichen Gehörs durch den BFH im Beschwerdeverfahren nicht gesehen werden.

Gründe

1

Die Anhörungsrüge ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Sätze 2, 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Es bleibt dahingestellt, ob die geltend gemachte Gehörsverletzung hinreichend i.S. von § 133a Abs. 2 Satz 5 [X.]O dargelegt wurde (vgl. Beschlüsse des [X.] --BFH-- vom 11. März 2009 VI S 2/09, [X.], 1131; vom 8. April 2010 IX S 22/09, [X.], 1299). Jedenfalls wurde der Anspruch der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Beschwerdeverfahren IX B 153/12 nicht verletzt.

2

1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör i.S. von Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 [X.]O verpflichtet das Gericht im hier maßgebenden Zusammenhang, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, in Erwägung zu ziehen und sich mit [X.] des Vorbringens auseinanderzusetzen. Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. Beschluss des [X.] vom 11. Juni 2008  2 BvR 2062/07, [X.], 1056; [X.] vom 11. Mai 2011 V B 113/10, [X.], 1523). Allerdings muss ein --zumindest fachkundig vertretener-- Beteiligter gerade bei umstrittener Sach- und/oder Rechtslage grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte und prozessualen Möglichkeiten von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einrichten (vgl. [X.] vom 23. August 2011 IX B 63/11, [X.], 53, unter 3.a; vom 14. Oktober 2009 IX B 86/09, [X.], 222, m.w.N.).
Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 [X.]O sind daher erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt, dass das Gericht [X.] entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] vom 6. Dezember 2011 IX S 19/11, [X.], 438).

3

Solche besonderen Umstände sind im Streitfall nicht gegeben. In der Anhörungsrüge führen die Kläger erneut aus, dass das Finanzgericht ([X.]) im Laufe des Verfahrens wie insbesondere in der mündlichen Verhandlung (18. September 2012) mehrfach Hinweise auf seine Einschätzung und auf das weitere (mögliche) Vorgehen unterlassen habe und daher das [X.]-Urteil überraschend ergangen sei. Diese Umstände habe der erkennende Senat nicht in Erwägung gezogen und das Bemühen der Kläger um Aufklärung des damaligen Sachverhalts übersehen; dadurch habe der Senat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt.

4

Ausweislich seines Beschlusses IX B 153/12 ist dies nicht geschehen. Unabhängig von einem vorangehenden Bemühen der Kläger war jedenfalls aufgrund der Ladung erkennbar, dass das [X.] eine über die angeordnete Vernehmung nur eines Zeugen hinausgehende weitere Beweiserhebung oder weitere Aufklärungsmaßnahmen nicht durchzuführen beabsichtigte. Zumindest wäre die Möglichkeit gegeben gewesen, die für wichtig erachtete Zeugin im Termin zu stellen, was nicht geschehen ist. Des Weiteren wurde ausweislich des [X.] nach durchgeführter Beweisaufnahme (durch die Vernehmung des einen geladenen Zeugen) "die Sach- und Rechtslage ... erörtert"; Beweis- oder Aufklärungsanträge wurden gleichwohl nicht gestellt oder wiederholt, auf eine vollständige Entbindungserklärung für den Zeugen wurde nicht protokollmäßig erkennbar hingewirkt.
Die Rüge der --in der mündlichen Verhandlung auch fachkundig vertretenen-- Kläger läuft im [X.] darauf hinaus, dass sie einen anderen Eindruck und eine andere Einschätzung von der [X.] und deren weiterer Entwicklung gehabt haben und deshalb --spätestens nach der [X.] keine weiteren Schritte unternommen, sondern [X.] zur Sache verhandelt haben. Diese anderweitige Einschätzung der Prozesslage fällt jedoch in den Verantwortungsbereich der Kläger. Darin kann die Verletzung rechtlichen Gehörs durch den erkennenden Senat im Beschwerdeverfahren nicht gesehen werden.

5

2. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (Nr. 6400 des [X.], Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes).

Meta

IX S 15/13

18.07.2013

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend BFH, 3. Mai 2013, Az: IX B 153/12, Beschluss

§ 96 Abs 2 FGO, § 133a Abs 2 S 5 FGO, § 133a Abs 4 S 2 FGO, § 133a Abs 4 S 3 FGO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.07.2013, Az. IX S 15/13 (REWIS RS 2013, 4014)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4014


Verfahrensgang

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Az. IX S 15/13

Bundesfinanzhof, IX S 15/13, 18.07.2013.


Az. IX B 153/12

Bundesfinanzhof, IX B 153/12, 03.05.2013.


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