Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2012, Az. VII ZB 11/10

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 2620

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 11/10

vom

4. Oktober 2012

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 788 Abs. 1, Abs. 2, § 91 Abs. 1 Satz 1
Die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Avalbürgschaft, die
der Gläubiger beibringt, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermögli-chen, hängt nicht davon ab, dass dem Schuldner zuvor eine vollstreckbare Ausferti-gung des Titels zugestellt wurde. Vielmehr reicht es grundsätzlich aus, dass der Gläubiger im Zeitpunkt der kostenauslösenden Maßnahme im Besitz einer voll-streckbaren Ausfertigung des Schuldtitels ist und der Schuldner in Kenntnis seiner unbedingten Zahlungsverpflichtung einen Zeitraum von 14 Tagen zur freiwilligen Er-füllung der titulierten Forderung hat verstreichen lassen (Fortführung von [X.], [X.] vom 18. Juli 2003 -
IXa [X.], NJW-RR 2003, 1581, 1582).
[X.], Beschluss vom 4. Oktober 2012 -
VII ZB 11/10 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am 4. Oktober 2012 durch [X.]
Eick, die Richterin [X.], den Richter Prof.
[X.], [X.] und [X.]
Kartzke
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubiger wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.] vom 16.
Februar
2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

Gründe:
I.
Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit von Bürgschaftskos-ten.
Unter dem 8.
Januar
2008 verurteilte das [X.] die Schuldnerin, 41.506,70

llstreck-bare Urteil wurde den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Schuldnerin am 11.
Januar 2008 zugestellt. Nachdem den Gläubigern am 18.
Januar
2008 eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt worden war, beauftragten sie 1
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3
-
am 28.
Januar
2008
den Gerichtsvollzieher mit der
Sicherungsvollstreckung nach §
720a ZPO. Am 29.
Januar
2008 erhielten die Gläubiger zur [X.] der endgültigen Zwangsvollstreckung eine Bankbürgschaft.
Unter dem 31.
Januar
2008 beauftragten sie den Gerichtsvollzieher unter Nachweis der Bürgschaft mit der endgültigen Vollstreckung. Die vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde der Schuldnerin am 6.
Februar
2008 zugestellt. Sie bezahlte die titulierten Forderungen am 7.
Februar
2008.
Das Amtsgericht -
Vollstreckungsgericht
-
hat die Kosten der Bankbürg-schaft auf Antrag der Gläubiger als notwendige Kosten der Zwangsvollstre-ckung angesehen und durch Beschluss vom 23.
Januar
2009 gemäß §
788 Abs.
2 ZPO gegen die Schuldnerin festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht den Beschluss aufge-hoben und den Festsetzungsantrag der Gläubiger zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchten diese die Ent-scheidung des Amtsgerichts wiederhergestellt wissen.

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2, §
575 ZPO statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, die Schuldnerin müsse die Kosten einer von den Gläubigern zur vorläufigen Vollstreckung des zugrunde liegenden Schuldtitels beigebrachten Bürgschaft nicht tragen. Es handele sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des §
788 ZPO, weil die Gläubiger die endgültige, auf die Befriedigung ihrer Forderungen abzielende Vollstreckung voreilig zu einem Zeitpunkt eingeleitet 3
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-
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-
hätten, in dem die vollstreckbare Ausfertigung des Titels noch nicht zugestellt und bei laufender Rechtsmittelfrist noch keine Berufung eingelegt gewesen sei. Bei dieser Sachlage hätten die Gläubiger Gründe für die besondere Eilbedürf-tigkeit der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen darlegen müssen. Solche Gründe seien indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht die Beschaffung einer Bürgschaft wegen der von ihm festgestellten besonderen Umstände des [X.] als nicht notwendig im Sinne des §
788 Abs.
1 Satz
1, §
91 Abs.
1 Satz
1 ZPO an-gesehen und schon deshalb die hierdurch angefallenen Kosten insgesamt für nicht erstattungsfähig gehalten.
a)
Das Beschwerdegericht geht, ebenso wie die Parteien, davon aus, dass die Beschaffungskosten für eine nach §
709 ZPO zu leistende Sicherheit Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne des §
788 Abs.
1 ZPO sind. Das ent-spricht der h. M. in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und in der Literatur (vgl. [X.], [X.], 835; [X.], [X.] 2003, 47; [X.], NJW-RR 2000, 517, 518; [X.]/Stöber, ZPO, 29.
Aufl., §
788 Rn.
5; Musielak/[X.], ZPO, 9.
Aufl., §
788 Rn.
3, jeweils m.w.N; offen gelassen von [X.], Beschluss vom 3.
Dezember
2007 -
II
ZB
8/07, NJW-RR 2008, 515), ist aber nicht unbestritten (vgl. MünchKommZPO/[X.], 3.
Aufl., §
788 Rn.
17;
Stein/[X.], ZPO, 22.
Aufl., §
788 Rn.
11). Der [X.] braucht diesen Meinungsstreit nicht zu entscheiden. Rechnet man die Kosten einer zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachten Bürgschaft dem Zwangsvollstreckungsverfahren zu, hängt ihre Erstattungsfähigkeit gemäß
§
788 Abs.
1, §
91 Abs.
1 Satz
1 ZPO davon ab, ob sie notwendig waren. Für die Gegenauffassung gilt im Ergebnis nichts anderes. Denn dann handelt es 6
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8
-
5
-
sich bei derartigen Kosten, die zur Vorbereitung der Vollstreckung aus dem Titel beim Gläubiger anfallen, um Verfahrenskosten im weiteren Sinn, deren Erstat-tungsfähigkeit auf dem zugrunde liegenden Prozessrechtsverhältnis beruht ([X.], Beschluss vom 3.
Dezember
2007 -
II
ZB
8/07, NJW-RR
2008, 515, 516; Urteil vom 18.
Dezember
1973
-
VI [X.], NJW 1974, 693,
694) und des-halb ebenfalls nach §
91 Abs.
1 Satz
1 ZPO zu beurteilen ist. Daraus folgt, dass die Kosten einer zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung beigebrachten Bürgschaft ungeachtet ihrer Rechtsnatur gemäß §
103 Abs.
2, §§
104, 107 ZPO (vgl. §
788 Abs.
2 Satz
1 ZPO) gerichtlich festzusetzen sind, soweit es sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung handelt.
Soweit sich hieraus Bedenken gegen die Zuständigkeit des [X.] erster Instanz ergeben könnten, ist dies im Rechtsbeschwerde-verfahren nicht zu berücksichtigen, § 576 Abs. 2 ZPO.
b)
Bei den in Rede stehenden Aufwendungen der Gläubiger für die [X.] einer Bürgschaft handelt es sich jedenfalls dem Grunde nach um not-wendige und deshalb erstattungsfähige Kosten der Rechtsverfolgung, §
788 Abs.
1, §
91 Abs.
1 Satz
1 ZPO.
aa)
Kosten auslösende Maßnahmen des Gläubigers, die der Zwangs-vollstreckung oder -
wie hier
-
ihrer Vorbereitung dienen, sind im obigen Sinne notwendig, wenn der Gläubiger sie bei verständiger Würdigung der Sachlage im Zeitpunkt ihrer Vornahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objek-tiv für erforderlich halten durfte ([X.], Beschluss vom 10.
Dezember
2009 -
VII
ZB
88/08, [X.], 1007 Rn.
10; Beschluss vom 18.
Juli
2003
-
IXa
ZB
146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582). Hierzu muss er jedenfalls im [X.] einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels über eine im maßgeblichen Zeitpunkt fällige Forderung sein ([X.], Beschluss vom 18.
Juli
2003
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-
6
-
-
IXa
ZB
146/03,
NJW-RR 2003, 1581, 1582) und es
muss dem Schuldner eine nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles angemessene Frist zur freiwil-ligen Leistung zur Verfügung gestanden haben ([X.], Beschluss vom 18.
Juli 2003
-
IXa
ZB
146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582; [X.] 99, 338).
Auf dieser Grundlage hat der
Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass die Erstattungsfähigkeit der durch eine Zahlungsaufforderung mit Vollstre-ckungsandrohung ausgelösten anwaltlichen Vollstreckungsgebühr nicht davon abhängt, ob der Anwalt zuvor die Zustellung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels bewirkt hat. In einem solchen Fall reicht es vielmehr grundsätzlich aus, dass der Gläubiger im Besitz einer vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels ist und die schutzwürdigen Belange des Schuldners dadurch ge-wahrt sind, dass
dieser in Kenntnis seiner unbedingten Zahlungsverpflichtung eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Erfüllung der titulierten Forderung hat verstreichen lassen ([X.], Beschluss vom 18.
Juli
2003
-
IXa
ZB
146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582).
Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Kosten einer [X.], die der Gläubiger beibringt, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zu ermöglichen. Das Gesetz eröffnet ihm unge-achtet der nach §
720a ZPO vorgesehenen Sicherungsvollstreckung gemäß §§
709, 750 Abs.
1 ZPO die Möglichkeit, auch die endgültige, seinen Anspruch befriedigende Vollstreckung eines für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils schon vor dem Eintritt der Rechtskraft und unabhängig davon einzuleiten, ob dem Schuldner eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels zugestellt wurde. Hierzu ist er insbesondere ohne Einhaltung der Wartefrist des §
750 Abs.
3 ZPO berechtigt, die nur für den Beginn einer Sicherungsvollstreckung ohne Si-cherheitsleistung maßgebend ist.
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bb)
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die von den Gläu-bigern zur Festsetzung angemeldeten Bürgschaftskosten dem Grunde nach als erstattungsfähige Kosten der Rechtsverfolgung. Die Beschaffung einer Bürg-schaft zur Vorbereitung der Vollstreckung des Schuldtitels war entgegen der Auffassung des [X.] insbesondere nicht schon deshalb ver-früht, weil sie vor dem Ablauf der Rechtsmittelfrist und zu einem Zeitpunkt er-folgte, in dem der Schuldnerin eine vollstreckbare Ausfertigung des
Urteils noch nicht zugestellt worden war. Das Gesetz erlaubt dem Gläubiger vielmehr eine solche Vorgehensweise, ohne dass er hierfür eine besondere Eilbedürftigkeit der von ihm eingeleiteten Vollstreckung darlegen muss.
Die Schuldnerin hatte ausreichende Gelegenheit für eine freiwillige Be-zahlung der titulierten Forderung. Ihr war spätestens ab Zustellung des Urteils am 11.
Januar
2008 bewusst, zur unbedingten Bezahlung des dort ausgeurteil-ten Betrages verpflichtet zu sein. Sie hatte mithin 2
½ Wochen Zeit, die Forde-rung freiwillig zu begleichen, bevor die Gläubiger am 29.
Januar
2008 die Kos-ten auslösende Bankbürgschaft erhielten. Dieser Zeitraum war länger, als es die Wartefrist des §
798 ZPO für die Vollstreckung aus anderen Schuldtiteln erfordert. Daraus folgt zwar nicht zwingend, dass die Gläubiger im Interesse einer die Belange des Schuldners angemessen berücksichtigenden, [X.] Vorgehensweise hinreichend lange mit der Einleitung der Zwangs-vollstreckung gewartet haben. Gleichwohl wird in
Ansehung der sich aus §
798 ZPO ergebenden gesetzlichen Wertung die Einhaltung einer Wartefrist von 14
Tagen in der Regel auch für die Vollstreckung aus Urteilen als ausreichend anzusehen sein (im Ergebnis ebenso: [X.], Beschluss vom 18.
Juli
2003
-
IXa
ZB
146/03, NJW-RR 2003, 1581, 1582), wenn nicht besondere Umstände des Einzelfalles es rechtfertigen, dem Gläubiger ausnahmsweise ein längeres Zuwarten zuzumuten. Solche Gründe, die in der Person des Schuldners, in den Besonderheiten des zugrunde liegenden Verfahrens (vgl. [X.] 99, 338) 14
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8
-
oder in dem sonstigen Verhalten der Beteiligten begründet sein können, sind hier nicht ersichtlich.
c)
Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Parteien streiten auch über die Erforderlichkeit der Bürgschaftskosten der Höhe nach. Hierzu hat das Beschwerdegericht -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig
-
keine Feststellungen getroffen. Nach Aufhebung seiner Entscheidung und [X.] besteht Gelegenheit, dies nachzuholen und darüber zu befinden, in welcher Höhe die von den Gläubigern angemeldeten Bürg-schaftskosten zu erstatten sind.

Eick

[X.]

[X.]

[X.]

Kartzke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.01.2009 -
1 M 609/08 -

LG [X.], Entscheidung vom 16.02.2010 -
5 T 36/09 -

16

Meta

VII ZB 11/10

04.10.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2012, Az. VII ZB 11/10 (REWIS RS 2012, 2620)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2620

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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